Aurelius Braisch (1694−1757)

Abt OSB der Benediktinerabtei Neresheim 1739−1755

Aurelius (Kaspar) Braisch wird am 4. Februar 1694 im vorderösterreichischen Städtchen Ehingen an der Donau geboren.[1] Weder über die Eltern noch über den Ausbildungsweg sind wir informiert. Wahrscheinlich besucht er vor seinen weiteren Studien das 1686 durch die Abtei Zwiefalten gegründete Gymnasium in der Heimatstadt. 1714 tritt er ins Kloster Neresheim ein. 1718 wird er zum Priester geweiht und ist nachher Professor am Klostergymnasium. 1731−1732 ist er Professor der Theologie und der Philosophie in Freising und anschliessend Ökonom in Neresheim. Am 3. März 1739 wird er hier zum Abt gewählt. Am 6. Februar 1755 resigniert er wegen Zerwürfnissen mit einem Teil des Konventes. Er stirbt am 12. September 1757 im Alter von 63 Jahren.
Der Abt, über den so wenig bekannt ist, geht als grosser Bauabt, als Kämpfer für die Reichsunmittelbarkeit der Abtei, aber auch als gelehrter Prediger in die Geschichte ein.
Als er zum Abt gewählt wird, liegt die Fertigstellung des grossen Klosterneubaus schon 25 Jahre zurück. Die Stiftskirche, eine romanische Basilika, bildet den Nordabschluss der neuen barocken Konventanlage.[2] Die alte Kirche hat 1626 den markanten Nordturm erhalten und ist bis 1695 innen und aussen barock umgestaltet worden. Die hohen Baukosten hat die Abtei gut verkraftet, inzwischen verfügt die Abtei wieder über reichliche Finanzmittel. Schon bald nach der Wahl befasst sich der Abt deshalb mit dem vollständigen Neubau der Kirche. Sie soll nördlich der alten Basilika liegen, damit diese während der Bauzeit noch benutzt werden kann. Unterstützt wird er in der Planung von P. Benedikt Maria Angehrn, einem jungen Konventualen. Anregungen und Ansporn dürften ihnen die entstehenden grossen Stiftskirchen naher und ihnen bekannter Benediktinerabteien, wie Zwiefalten, Ottobeuren oder St. Gallen sein. Ob Abt Aurelius auch die 1743 eingeweihte Stiftskirche in Münsterschwarzach am Main aus eigener Anschauung kennt, ist nicht bekannt. Sie ist aber der Grund, dass er 1747 ihren Architekten, den Würzburger Obristen Balthasar Neumann, mit der Planung in Neresheim beauftragt und von ihm ausdrücklich die Pläne des grossartigen Bauwerks wünscht.[3] Mit dem berühmten Architekten aus Würzburg will Abt Aurelius auch seinem Kloster Ruhm und Ehre bringen. Dieses Ziel wird später erreicht, obwohl Neumann schon 1750 stirbt und der ausführende Baumeister Dominikus Wiedemann den hohen Anforderungen der Konstruktion nicht gewachsen ist. Dass der Abt trotz der Opposition im Kloster, deren Führer der bauverständige P. Benedikt Maria Angehrn ist, den Bau eigenmächtig weiterführt, ist der Hauptgrund für den ausbrechenden Konflikt im Konvent, der dann zum Rücktritt des Abtes führt. An der von ihm begonnenen Stiftskirche wird noch dreissig Jahre gebaut und ausgestattet.
Unvollendet muss er auch sein zweites Hauptwerk, die Reichsunmittelbarkeit der Abtei, seinem Nachfolger überlassen. Er will Ansprüche der Grafen Oettingen-Wallerstein auf vollständige Landeshoheit, die diese aus den Vogteirechte ableiten, im Keim ersticken.[4] Abt Aurelius zieht den Prozess vor den Reichshofrat in Wien, nachdem das Grafenhaus beim Reichskammergericht in Wetzlar Klage eingereicht hat. Der gewaltige Neubau der Stiftskirche ist auch in Zusammenhang mit dem angestrebten Rang als Reichskloster zu sehen. Es ist kein Zufall, dass Neresheim wie auch Zwiefalten erst nach dem Bau ihrer prächtigen Kirchen die Reichsunmittelbarkeit tatsächlich erhalten.
Abt Aurelius wird als guter Gelehrter, Disputant und Prediger geschildert. Zwei Druckschriften zeugen von seinem Talent.[5] Er ist auch guter Ökonom, hat aber offensichtlich keinen einfachen Charakter. So erklärt der Chronist die Unzufriedenheit im Konvent, die dann zur Resignation führen, «mit seiner zu grossen Ernsthaftigkeit und Strenge, verbunden mit zu vieler Anhänglichkeit an eigene Meinungen».[6] Nach seinem unter grossem Druck entstandenen Rücktritt lebt er nur noch zwei Jahre in der Abtei, verbittert und zurückgezogen. Er wird als letzter Abt in der alten Klosterkirche begraben.
Ein Porträt in der Äbtereihe von Neresheim zeigt ihn im Alter von über 55 Jahren sitzend im Lehnstuhl.[7] Er ist als Bauherr und Planer dargestellt. Abt Aurelius trägt auf dem Bild keine Kopfbedeckung. Nur das Brustkreuz weist auf einen Prälaten hin. Die weiteren Insignien, Inful und Krummstab, sind als Rahmung seines Wappens in der Rückenlehne des Stuhl versteckt. Um so bedeutungsvoller wird das Architektenemblem, der Zirkel, mit dem der Abt auf den ausgebreiteten Ausführungsplan Balthasar Neumanns hinweist.

Pius Bieri 2012

Literatur:
Tüchel, Hermann und Weissenberger, Paulus:Die Abteikirche Neresheim. Neresheim 1975.
Rupp, Paul Berthold: Die Totenroteln der Universitätsbibliothek Augsburg. Augsburg 2006.

Anmerkungen:

[1] Als «Kaspar Aurelius Breisch» in den Totenroteln der Universitätsbibliothek Augsburg. Braisch hat mehrere Geschwister. Ein Bruder Johannes Georg ist 1741−1758 Eremit in einer Eremitage St. Wolfgang bei Ehingen. Zugängliche Dokumente oder Literatur über seine Familienherkunft fehlen allerdings. Der Name wird Braisch, Breusch oder auch Preusch geschrieben. Die Heimatstadt Ehingen, die sich auf ihrer Homepage als Bierkulturstadt bezeichnet, scheint sich für einen ihrer bedeutendsten Söhne nicht zu interessieren.

[2] Neubau 1699−1714, bis 1702 unter der Leitung des Baumeisters und Stuckateurs Michael Wiedemann (1661−1703) aus Unterelchingen.

[3] Das grosse Kloster und die berühmte Kirche werden nach der Säkularisation vom bayrischen König zum Abbruch freigegeben.

[4] 1731 beerbt die katholische Linie Oettingen-Wallerstein (Stammsitz Schloss Wallerstein) die evangelische Linie Oettingen-Oettingen (Stammsitz Schloss Harburg) und kann die Herrschaft wesentlich nach Osten vergrössern. Die im 17. Jahrhundert noch friedliche Koexistenz der Abtei mit dem bis dahin kleinen Grafenhaus weicht jetzt gegenseitigen Beschuldigungen um Rechtsbrüche.

[5] Es sind die gedruckten Schriften:
«Tausend-jähriges Jubel-Fest des Gottshauses und Closter Fultenbachs, ..., welches anno 1739 den 27. Sept. angefangen, den 4. Octobr. aber gantz glücklich geendiget worden». Verlegt bei Schwertlen in Augburg 1739.
«Leich-Seeliges Alleluja, Statt einer Traur-Predig Nach dem Todt Weiland Des ... Henrici, Des Hochlöblichen Stiffts und Gottes-Hauss Deggingen Ord. S. Benedicti Prälaten und Herrn angestimmt». Verlegt bei Mundbach in Nördlingen 1744.

[6] P. Karl Alois Nack (1751−1828) in der Einweihungsfestschrift 1792.

[7] Es ist das 43. Porträt in einer Äbtereihe, der Maler ist unbekannt. Das Porträt kann aufgrund des Planes nicht vor 1750 entstanden sein.

Ein Porträt in der Äbtereihe von Neresheim zeigt Abt Aurelius Braisch im Alter von über 55 Jahren sitzend im Lehnstuhl. Er ist als Bauherr und Planer dargestellt. Abt Aurelius trägt auf dem Bild keine Kopfbedeckung. Nur das Brustkreuz weist auf einen Prälaten hin. Die weiteren Insignien, Inful und Krummstab, sind als Rahmung seines Wappens in der Rückenlehne des Stuhls versteckt. Um so bedeutungsvoller wird das Architektenemblem, der Zirkel, mit dem der Abt auf den ausgebreiteten Ausführungsplan Balthasar Neumanns hinweist.

Bildquelle: Druckveröffentlichung (Ausschnitt aus einem Porträt in der Äbtegalerie Neresheim).

Weitere Bilddarstellung als Internetveröffentlichung siehe Abbildung in: http://www.kloester-bw.de/?nr=748
  Aurelius Braisch (1694−1757) Abt OSB 1739–1755 in Neresheim  
  Biografische Daten     Zurück zum Bauwerk  
  Geburtsdatum Geburtsort       Land 18. Jahrhundert  
  4. Februar 1694 Ehingen Baden-Württemberg D   Vorderösterreich  
  Titel und Stellung         Regierungszeit  
  Abt der Benediktinerabtei Neresheim   1739–1755  
  Sterbedatum Sterbeort       Land 18. Jahrhundert  
  3. März 1711 Neresheim Baden-Württemberg D   Herrschaft Abtei Neresheim  
  Kurzbiografie              
 

Abt Aurelius Braisch steht in der Neresheimer Geschichtsschreibung zu Unrecht im Schatten seines Nachfolgers, obwohl er nicht nur grosser Kämpfer für die Reichsunmittelbarkeit der Abtei, sondern auch Gelehrter, Disputant, Prediger und zudem guter Ökonom ist. Für den Kirchenneubau gewinnt er den Architekten Balthasar Neumann, der in Neresheim mit seinem letzten grossen Werk beginnt. 1750 stirbt Neumann. Abt Aurelius nimmt nun grossen Einfluss auf die weitere Bauausführung, offensichtlich ohne Konsultationen mit den kritischen Mitgliedern des Konvents, die ihn nicht zuletzt wegen seiner Eigenmächtigkeit 1755 zur Resignation zwingen. Seine Regierungsjahre müssen aber in jeder Hinsicht positiv gewürdigt werden.

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