Markus Sittikus von Hohenems (1574–1619)

Fürsterzbischof von Salzburg 1612–1619

Familie
Markus Sittikus (auch: Marcus Sitticus, Marx Sittich) wird am 24. Juni 1574 als zweiter Sohn und viertes Kind des Jakob Hannibal I. von Hohenems[1] und seiner Ehefrau Ortensia Borromeo[2] auf Schloss Hohenems geboren. Der Vater ist Söldnerführer. Zur Zeit der Geburt ist er im Dienst der spanischen Krone auf einem Kriegszug in den Niederlanden. Die väterliche Grossmutter von Markus Sittikus ist eine Mailänder Medici und Schwester des Ende 1565 verstorbenen Papstes Pius IV.[3] Anfang 1565 verheiratet der Papst die Eltern in Rom mit einem glänzenden Fest. Die Mutter Ortensia ist Halbschwester des Mailänder Erzbischofs und Kardinals Carlo Borromeo.[4] Sie stirbt vier Jahre nach der Geburt von Markus Sittikus. Vom unverhüllten Nepotismus des Papstes Pius IV. profitieren die Borromeo und die Hohenems gleichermassen. Am meisten nützt dieses Karrieresprungbrett dem Onkel Mark Sittich.[5] Dieser wird 1561 Kardinal und anschliessend auch Fürstbischof von Konstanz. Er verlegt seinen Lebensmittelpunkt sofort nach Rom. Dort kommt er als Kardinal und Neffe des Papstes zu grossem Vermögen und sorgt als Mäzen für seine Familie in Hohenems. Vorerst ist es der Sohn seiner Schwester Helena, den er in Rom fördert. Dieser, Wolf Dietrich von Raitenau[6] ist 13 Jahre älter als sein Cousin Markus Sittikus.
Von den vier das Erwachsenenalter erreichenden, legitimen Geschwistern[7] des Markus Sittikus ist sein älterer Bruder Kaspar derjenige, der mit zwölf Kindern den Stamm fortsetzt, auf das Kriegshandwerk verzichtet und dank guter Verwaltung die Grafschaft Hohenems zu grosser Blüte bringt. Markus Sittikus wird für die geistliche Laufbahn bestimmt.

Grafschaft Hohenems
Das Kernland der Grafschaft befindet sich jenseits der Schweizergrenze am alten Rhein, vor seiner Einmündung in den Bodensee. Der Flecken Hohenems liegt am Fuss des Schlossberges mit der Burg Alt-Ems. Ein Gemälde vom Anfang des 17. Jahrhunderts stellt die damals ländliche Lage mit dem soeben neu gebauten Palast am Fuss des Schlossberges dar. Kaspar von Hohenems versucht um diese Zeit mit dem Erwerb der Grafschaft Vaduz und Schellenberg eine zusammenhängende grosse Herrschaft zu bilden. Durch die Schuldenwirtschaft seiner Nachkommen müssen aber die Neuerwerbungen noch im gleichen Jahrhundert wieder abgetreten werden und gehen an die Fürsten von Liechtenstein über. Der letzte Nachkomme der gräflichen Linie Hohenems stirbt 1759.

HerrschaftHohenems   Ansicht von Hohenems mit Schloss, Lusthaus und Gartenanlage. Öl auf Leinwand. Salzburg. Maler: Hans Jakob Noppis um 1613. Museum Carolino-Augusteum.
Quelle: Wikipedia

Jugendjahre in Mailand und Rom
1578 vermittelt Karl Borromäus den Jesuitenpater Bartolomeo Bedra als Hauslehrer nach Hohenems. 1582 reisen die beiden Brüder Kaspar und Markus Sittikus in Begleitung des Paters nach Mailand. Am 1574 von Karl Borromäus gegründeten Collegio dei Nobili vollenden sie ihre Grundausbildung. Im April 1584 geht der inzwischen zehnjährige Markus Sittikus, wieder in Begleitung von Pater Bartolomeo, nach Rom. Hier empfängt sie Kardinal Altemps, wie der Onkel Mark Sittich von Hohenems genannt wird. Er sorgt jetzt für den Sohn seines Bruders wie einige Jahre zuvor für Wolf Dietrich, dem Sohn seiner Schwester. Markus Sittikus wird am Collegium Germanicum aufgenommen, das an der Piazza di S. Appolinare direkt gegenüber dem Palast seines Onkels liegt. Aber schon Ende 1586 verlässt er Rom. Vorher empfängt er in der Lateransbasilika noch die niederen Weihen. Er kehrt mit Pater Bartolomeo nach Hohenems zurück. Die Gründe für die vorzeitige Rückkehr sind nicht bekannt.

Studienjahre und Kanonikate
1587 stirbt sein Vater. Im gleichen Jahr wird sein Cousin Wolf Dietrich zum Fürsterzbischof von Salzburg gewählt. Der junge Salzburger Kirchenfürst wird jetzt zum direkten Förderer seines Cousins in Hohenems. Er macht ihm seinen Domherrensitz in Konstanz frei und verschafft ihm eine Pfründe in Salzburg. Dann veranlasst er die Einschreibung an der Jesuitenuniversität in Ingolstadt. 1591–1593 wechselt Markus Sittikus zum Studium nach Bologna. Studienabschlüsse, lobende Erwähnungen oder Doktorate des Hohenemsers sind nicht bekannt. Anlässlich der Wahl von 1612 wird denn auch vermerkt, dass er «nicht gestudirt» sei. Trotz Unterstützung durch Wolf Dietrich ist er zudem dauernd in Geldnöten und versucht erfolglos, in Madrid alte Schulden des Königs gegenüber seinem Vater einzutreiben. 1594 kehrt er mittellos zurück. Dann reist er nach Rom, wo er aber erst nach dem Tod seines alten Förderers Kardinal Mark Sittich eintrifft. Ausser einem Ehrenamt erreicht er auch hier nichts. 1601 absolviert er in Salzburg sein Residenzjahr als Domherr. Wieder unterstützt ihn Wolf Dietrich mit einem Benefizium und entsendet ihn 1603 und 1604 als Agent und Kommissar an die Kurie in Rom. Auch in Konstanz tritt er sein Kanonikat an und erhält das Amt des Dompropstes. 1605 erwirbt er ein weiteres  Kanonikat in Augsburg. Mit den erworbenen Pfründen verschwinden die finanziellen Probleme. Er lebt nun abwechslungsweise auf dem Familiensitz Gallarate bei Mailand, in Hohenems oder in Salzburg, hauptsächlich aber in Konstanz. Hier lässt er sich 1610 zum Diakon weihen.


Fürsterzbischof von Salzburg

Wahl unter turbulenten Umständen
Im Oktober 1611 überfällt Herzog Maximilian I. von Bayern das Fürstbistum Salzburg. Auslöser ist eine unüberlegte Besetzung der Fürstpropstei Berchtesgaden durch Truppen von Wolf Dietrich von Raitenau. Ursache sind machiavellische Provokationen und Vertragsbrüche des Bayernherzogs. Der gegen die Übermacht der Tilly'schen Truppen unterlegene Salzburger Fürsterzbischof wird gefangen auf die Festung Hohensalzburg gebracht. Markus Sittikus trifft nur 14 Tage später in Salzburg ein. Obwohl diese Gefangennahme eines geistlichen Reichsfürsten eigentlich die Exkommunikation des Bayernherzogs zur Folge haben müsste, zögert der Papst wegen dessen Verdiensten für die Gegenreformation. So erklärt er Wolf Dietrich von Raitenau zu seinem Gefangenen und hofft auf dessen schnelle Resignation. Markus Sittikus zeigt sich als kaltblütiger Profiteur der Situation. Er verhandelt mit Rom und auch mit dem bayrischen Herzog. Ein neuer Salzvertrag, mit allen Vorteilen für Bayern, wird im Dezember ausgehandelt. Für seinen gefangenen Cousin rührt er keinen Finger. Dieser resigniert am 7. März 1612. Schon am 18. März wählt das Domkapitel Markus Sittikus von Hohenems zum neuen Salzburger Fürsterzbischof. Er ist jetzt 37-jährig.

Wahrer der Salzburger Neutralität
Markus Sittikus setzt entgegen den Erwartungen des Bayernherzogs die Politik seines Vorgängers fort. Obwohl er anlässlich der Wahlkapitulation einen Beitritt zur Katholischen Liga zusichert und weitere Verpflichtungen zu Gunsten Bayerns eingehen muss, umgeht er mit viel diplomatischem Geschick die Konsequenzen. Er schiebt den Beitritt zur Liga trotz bayrischem, habsburgischem und päpstlichem Drängen derart lange hinaus, dass Salzburg im Dreissigjährigen Krieg neutral bleiben kann. Die 1611 unter Druck eingegangenen Zusicherungen einer Bezahlung der bayrischen Kriegskosten reduziert er in Verhandlungen von geforderten 220 000 Gulden auf 150 000 Gulden. Diese hohen erpresserischen Reparationszahlungen kann er in der Folge auch als Begründung des Fernbleibens von der Liga anführen. Nicht nur in der Sache mit Bayern handelt er wie sein Vorgänger, er regiert ebenso absolutistisch und beruft weder Landtag noch Synode ein.

Das akademische Gymnasium und die Universtiät
Die Gründung einer höheren Schule in Salzburg ist den Bemühungen von Markus Sittikus zu verdanken. Augustiner und Franziskaner lehnen eine Berufung ab. Verhandlungen mit den Jesuiten werden 1613 abgebrochen, weil der Orden die Konditionen nicht akzeptiert.[8] Stattdessen gewinnt Markus Sittikus die im Schulwesen ähnlich wichtigen Benediktiner für die Idee einer «Hohen Schule». Auslöser ist seine Besetzung der Abtei St. Peter durch den Wessobrunner Prior P. Joachim Buchauer[9] . Dieser wird 1615 von Markus Sittikus zum Abt postuliert. Abt Joachim kann den Reichsabt von Ottobeuren, Gregor Reubi[10] als massgebende Persönlichkeit für den Aufbau der Schule gewinnen. 1617 eröffnet Markus Sittikus das Gymnasium mit sechs Professoren aus Ottobeuren und Irsee als ersten Schritt zur Universität. Reichsabt Gregor Reubi erreicht 1618 die historisch einmalige Gründung einer Konföderation von 33 Benediktinerabteien als Trägerschaft der zukünftigen Universität, zu denen sich im gleichen Jahr auch vier Abteien der schweizerischen Benediktinerkongregation gesellen. Markus Sittikus stiftet einen Fonds von 50 000 Gulden, der durch Mittel der Benediktinerkonföderation später auf 150 000 Gulden erhöht wird.[11] Anfang 1620 wird, nun unter dem Nachfolger Paris Lodron, die Schule als Universität anerkannt.[12]

Dunkle Flecken
Sein Vorgänger und einstiger Förderer, Wolf Dietrich von Raitenau, stirbt nach über fünfjähriger Festungshaft 1617 auf Hohensalzburg. Trotz der ursprünglichen Zusicherung des Nuntius bei der Resignation 1611 und trotz kurialer, kaiserlicher und verwandtschaftlicher Bemühungen wird er nicht in Freiheit gesetzt. Selbst Verwandtenbesuche werden verweigert. Jede externe Bemühung zur Freilassung wird durch Markus Sittikus hintertrieben. Er will «disen gefehrlichen herrn», wie ihn der für die Bewachung verantwortlichen Oberst nennt, als vermuteten potenziellen Unruhestifter nicht freilassen. Vordergründig behauptet Markus Sittikus eine geplante mögliche Hintertreibung der laufenden Gegenreformation. Tatsächlich betreibt er selbst eine ausgesprochen harte Linie bei der Bekämpfung der Reformation. Im Pongau und Gasteinertal lässt er die Kapuzinermission von Soldaten begleiten. Die sich dem katholischen Glauben verweigernde Bevölkerung muss innert zwei Wochen das Erzbistum verlassen. Während dies noch seinem religiösen Übereifer zugeschrieben werden kann, deutet die Behandlung seines Cousins und Vorgängers auf eine persönliche Schwäche und Furcht hin. Die Umbenennung des Schlosses Altenau in Mirabell zeigt auch seine moralisierende Haltung zum Konkubinat Wolf Dietrichs mit Salome Alt.

Frömmigkeit und barockes Vergnügen
Markus Sittikus ist, und darin unterscheidet er sich gewaltig von seinem praktisch denkenden und in Gesellschaftsfragen liberalen Vorgänger, aus tiefer Überzeugung fromm. Sein grosses Vorbild ist der inzwischen heiliggesprochene Onkel Karl Borromäus. Generalvisitationen der Kirchen und des Klerus dienen ihm zur Durchsetzung der Beschlüsse des Konzils von Trient. Er führt Bruderschaften ein, legt Wert auf Prozessionen und beteiligt sich im Büssergewand selbst an der Karfreitagsprozession. Die Prozessionen sind immer auch aufwändige barocke Inszenierungen. Markus Sittikus fördert diese beliebten öffentlichen Aufführungen. Er zeigt grosses Interesse am Theater, an der Oper und an höfischen Festveranstaltungen wie Bauernhochzeiten und Maskenumzüge. Detailliert, mit allen Figuren und Teilnehmern, sind diese Feste, Prozessionen und Aufführungen in der Chronik des Johann Stainhauser überliefert.[13] Die Zeit der Fasnacht nimmt in dieser Chronik immer breiten Raum ein. Mehrere Aufführungen italienischer Opern, wie «Orfeo» von Monteverdi, sind hier erwähnt. Es sind die ersten Opernaufführungen nördlich der Alpen. 1617 singt in der Oper «Andromeda» erstmals auch eine Frau an der Residenzoper von Salzburg.
Entsprechend der barocken Hofmode gestaltet Markus Sittikus auch alle Empfänge hoher Persönlichkeiten mit grossem Aufwand. Immer reiten und fahren hunderte Mitglieder des Salzburger Hofes mit grossem Tross ihren Gästen entgegen, um dann unter Salvenschüssen in Salzburg einzuziehen. Selbst für den Empfang seines Neffen Jakob Hannibal[14] nach der Rückkehr von den Hochzeitsfeierlichkeiten in Teschen erhält das Volk dieses Schauspiel. Ein letzter derartiger Empfang findet am 16. Juli 1619 für Erzherzog Ferdinand von Österreich statt, der sich mit seinem Hofstaat auf der Durchreise zur Kaiserwahl in Frankfurt in Salzburg aufhält.

Kurze Regierungstätigkeit mit grossen Verdiensten
Knapp drei Monate nach dem prunkvollen Empfang des dann zum Kaiser gekrönten Ferdinand II. stirbt Markus Sittikus am 9. Oktober 1619 nach kurzer Krankheit im Alter von 45 Jahren. Er wird in der Residenz aufgebahrt, wo am 10. Oktober auch Kaiser Ferdinand II. Abschied nimmt. Vorerst findet er sein Grab im Chor der Franziskanerkirche.[15] Sein Nachfolger Paris Lodron lässt ihm 1619/20 im Chor der neuen Domkirche ein Marmorgrabmal errichten, das Hans Konrad Asper zugeschrieben wird.
Die Verdienste von Markus Sittikus um das Erzstift Salzburg sind trotz seiner nur siebenjährigen Regierung ausserordentlich. Seinen diplomatischen Fähigkeiten hat Salzburg die dann vom Nachfolger erfolgreich verteidigte Neutralität im Dreissigjährigen Krieg zu verdanken. Er unternimmt nichts, was die Kräfte des Landes überfordern würde und mischt sich nicht in die Reichspolitik ein. Dass er 1612–1619 trotzdem 267 150 Gulden zusätzlicher Schulden aufhäuft, ist vor allem mit den hohen Reparationszahlungen an Bayern und dem bayrischen Zugriff von 1611 auf die Salzvermarktung zu erklären.[16] Sicher belasten auch die grossen Bauvorhaben. Hier, als Bauherr des ersten grossen barocken Sakralbauwerkes im Norden der Alpen, und als Förderer der italienischen, barocken Musik- und Theaterkultur liegen seine weiteren Verdienste. Dank ihm hält der italienische Frühbarock Einzug in Salzburg.


Markus Sittikus von Hohenems als Bauherr und Mäzen der Künste

Fortführung des begonnenen Stadtumbaus
Die begonnenen Baumassnahmen seines Vorgängers setzt Markus Sittikus unverzüglich fort. Seine italienischen Jahre hat er zwar nicht zum Studium der Baukunst genutzt, aber den Geist der ausklingenden römischen Renaissance und ihrer Baumeister aufgenommen. Er weiss diese zu schätzen und bestimmt schon 1612 den aus dem Val' Intelvi stammenden Santino Solari zu seinem Hofbaumeister.[17] Zwei Bauwerke ragen aus der grossen Zahl der Bauvorhaben zwischen 1612 und 1619 heraus. Es sind das Lustschloss mit dem Garten von Hellbrunn und die Domkirche.

Hellbrunn
1613 beginnt Solari mit dem Lustschloss Hellbrunn nach dem Vorbild italienischer «ville suburbane». Markus Sittikus kennt diese Villenarchitektur vom neuen Familienpalast in Hohenems[18] oder von der Villa d'Este in Tivoli und der Villa Aldobrandini in Frascati.[19] Für den Garten und seine Wasserspiele scheint das direkte Vorbild die Villa Visconti Borromeo in Lainate zu sein.[20] Für die Ausstattung des Lustschlosses und der Grotten zieht er den Florentiner Malermönch Donato Arsenio Mascagni[21] bei, im Garten arbeiten nach Plänen Solaris beste Bildhauer und Wasserwerker. Hellbrunn ist ein grossartiges Denkmal für den Fürsterzbischof und seinen Baumeister.

Dom von Salzburg
Markus Sittikus legt den Grundstein 1614. Vorgängig lässt der das aufgehende Mauerwerk eines durch seinen Vorgänger vielleicht selbst geplanten, 1611 begonnenen Neubaus wieder entfernen. Die Neuplanung ist jetzt von Santino Solari. Die schon in den Barock weisenden Kirchenbauempfehlungen von Karl Borromäus werden von seinem Neffen und Verehrer strikt angewendet. Die Kirche mit ihren zahlreichen grossen und hellen Fenstern in Querschiff, Vierung und Chor, mit ihrer grossen Innenhöhe und mit ihrer Doppeltürmigkeit wird bis zur Fertigstellung 1635 das erste grosse barocke Sakralbauwerk im Norden der Alpen. Markus Sittikus kann die Vollendung nicht mehr erleben. Auf dem bekannten Porträt in Hellbrunn hält er ein Bild mit dem Bauzustand von 1618. Auch wenn erst der Nachfolger Paris Lodron den Bau vollendet, ist doch Markus Sittikus der eigentliche Erbauer des Doms.

Weitere Bauwerke
Der Chronist Stainhauser führt den Bau von 22 Bauwerken unter der Regierung von Markus Sittikus auf. Viele davon sind Zweckbauten wie Stadttore oder soziale Einrichtungen. Auch Fertigstellungen von Bauten des Vorgängers, etwa das Neugebäude der Residenz, sind darin enthalten. Er führt zudem die Bauten der eigentlichen Residenz unvermindert weiter. Ein erstes qualitätsvolles frühbarockes Werk ist die 1613 geweihte Kapelle des hl. Karl Borromäus in der Franziskanerkirche. Aber selbst diese, heute ausschliesslich Markus Sittikus zugeschriebene Kapelle wird unter Wolf Dietrich begonnen. Zwei weitere Kirchen von Markus Sittikus in Salzburg sind heute verschwunden. Die Markuskirche und das Kloster in den Gstätten begräbt 1669 ein Bergsturz. Die Salvatorkirche in der Kaigasse am Neugebäude wird 1810 in ein Wohnhaus umgebaut. Baumeister Solari erstellt ihm auch einige neue Pfarrkirchen in der Landschaft. Sie sind immer von sehr schlichtem Aussehen. Noch heute ist sein neues Gymnasium mit der Borromäuskapelle erhalten, es ist jetzt der Westflügel des Universitätskomplexes. Von seinen vielen Schloss- Um- und Neubauten werden in der Aufzählung Stainhausers nur Glanegg und Tittmoning erwähnt. Einzelne Bauwerke sind ausserhalb des Erzbistums zu finden. Sie zählen zu den baukünstlerisch wichtigeren Werken. So die von Markus Sittikus finanzierte, von Solari geplante und von Hans Konrad Asper bildhauerisch gestaltete Gnadenkapelle von Maria-Einsiedeln.[22] In Konstanz ist das grosse Gebäude der Dompropstei stadtbildbestimmend.[23] Auch in Hohenems engagiert sich der Salzburger Fürsterzbischof. Er baut dort eine Loretokapelle und hat weitreichende städtebauliche Pläne, die dann aber mit wenigen Ausnahmen nicht verwirklicht werden.

Das Wappen von Markus Sittikus

WappenHohenems
Links: Hellbrunn, Festsaal, östlcher Eingang. Wappen Markus Sittikus von Hohenems von Fra Arsenio Mascagni.
Mitte: Hellbrunn, Römisches Theater im Lustgarten. Wappenschild, gehalten von den Wappentieren Salzburg (Löwe) und Hohenems (Steinbock).
Rechts: Hellbrunn, Festsaal, westllcher Eingang. Die beiden Wappentiere umarmen sich. Darüber der Wahlspruch «Numen vel dissita iungit». Fresko von Fra Arsenio Mascagni.
Fotos: Wolgang Sauber in Wikipedia.

Am Äussern und im Innern von fast jedem seiner Bauwerke, seien es vom Vorgänger übernommene Fertigstellungen oder eigene Bauten, lässt Markus Sittikus von Hohenems sein Wappen anbringen. Am schönsten sind diese Wappen in Hellbrunn zu sehen.
Das Stammwappen der Herren von Hohenems zeigt in Blau einen aufgerichteten goldenen Steinbock. Markus Sittikus von Hohenems führt ein geteiltes Wappen. Unten zeigt es in Blau den goldenen Steinbock von Hohenems und oben das gespaltene Wappen des Erzstifts Salzburg (vorne in Gold einen schwarzen Löwen und hinten in Rot einen silbernen Balken). Überhöht ist der Schild mit dem scharlachroten Kardinalshut (Galero) mit sechs Quasten, der dem Erzbischof von Salzburg zusteht. Derart malt es Fra Arsenio Mascagni im Festsaal von Hellbrunn über den östlichen Eingang. Steinbock und Löwe sind nun in Hellbrunn allgegenwärtig. Im römischen Theater des Lustgartens von Hellbrunn halten die beiden Wappentiere den Wappenschild im Aufsatz der Exedra. Eine ungewöhnliche und phantasievolle «Wappenvereinigung» ist über dem westlichen Eingang zum Festsaal zu sehen. Das Fresko von Fra Arsenio Mascagni  zeigt im gespaltenen Wappen Löwe und Steinbock in Umarmung. Darüber der Wahlspruch des Fürsterzbischofs: «Numen vel dissita iungit» (Eine göttliche Macht verbindet selbst das Gegensätzliche).

Pius Bieri 2017

Literatur:

Bergmann, Joseph: Die Reichsgrafen von und zu Hohenems, in: Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, elfter Band. Wien 1861.
Altmann, Hugo: Die bayerische Haltung in der Frage der Freilassung des ehemaligen Salzburger Erzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau in den Jahren 1612 bis 1615, in: ZBLG 46 (1983), S.37-80.
Albrecht, Dieter: Maximilian I. von Bayern 1573–1651, München 1998.
Lippmann, Wolfgang: Der Salzburger Dom 1598–1630, Weimar 1999.

 

Web:

Kindler von Knobloch, Julius: Oberbadisches Geschlechterbuch (Band 3): M – R.  Heidelberg 1919.
Wikipedia, Stand 2017

Anmerkungen:

[1] Jakob Hannibal I. von Hohenems (1530–1587). Für seine Verdienste (und wegen der Verwandtschaft mit Papst Pius IV.) erhebt Kaiser Ferdinand I. ihn und seine Familie 1560 in den erblichen Reichsgrafenstand. 1578 erhält er vom spanischen König Philipp II. die Grafschaft Gallarate im Mailändischen geschenkt.

[2] Ortensia Borromeo oder Hortensia Borromäus (1550–1578) wird Anfang 1565 durch Papst IV. in Rom mit Jakob Hannibal von Hohenems vermählt. Der Papst organisiert im Theater des Belvedere in den vatikanischen Gärten ein rauschendes Fest mit Turnieren, wozu er 6000 Kavaliere einlädt. Hortensia stirbt schon mit 28 Jahren in Hohenems.

[3] Clara von Hohenems, geb. de Medici (1507–1560). Ihr Bruder Giovanni Angelo de Medici (1499–1565) ist 1559–1565 als Pius IV. römischer Papst. Er beruft 1560 das Konzil zu Trient ein und leitet es 1562–1564.

[4] Carlo Borromeo oder Karl Borromäus (1538–1584), Erzbischof von Mailand, Kardinal. Er führt die tridentinische Kirchenreform in der Lombardei und der Schweiz konsequent durch und wird im süddeutschen Raum zum gegenreformatorischen Vorbild (mit entsprechender protestantischer Ablehnung). Seine Tätigkeit nördlich der Alpen bedeutet auch ein Einfallstor der italienischen Baukunst. Er wird schon 1610 heiliggesprochen.

[5] Mark Sittich von Hohenems (1533–1595). Der gleichnamige Cousin von Markus Sittikus wird immer als Kardinal Mark Sittich bezeichnet. 1550 beginnt Mark Sittich bei seinem Condottiere-Onkel Gian Giacomo de Medici eine Militärkarriere, ist schon 1556 Hauptmann und beendet die Militärlaufbahn erst nach der Ernennung seines Onkels zum Papst (1559). Dieser befördert ihn 1561 zum Kardinal und verschafft ihm im gleichen Jahr den Bischofssitz von Konstanz. Mark Sittich hält sich meist in Rom auf. Unter Druck der Eidgenossen muss er deshalb als Fürstbischof von Konstanz zurücktreten. Zu Mark Sittich von Hohenems oder Marco Sittico di Altemps siehe die Kurzbiografie im Historischen Lexikon der Schweiz (HLS) oder die ausführliche Biographie von Walter Lippmann (2001).

[6] Wolf Dietrich von Raitenau (1559–1617), Fürsterzbischof von Salzburg 1587–1612. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[7] Die Kinder des Ehepaars Jakob Hannibal und Hortensia von Hohenems sind:
      Margaretha, ∞ (1) Ludwig Graf Lodron, ∞ (2) Oswald Freiherr von Trapp.
      Clara,  ∞ Freiherr Sigmund von Welsperg und Primör.
      Kaspar (1573–1640) ∞ (1) Eleonora Philippina Freiin von Welsperg, ∞ (2) Anna Amalia Gräfin von
      Sulz.
      Markus Sittikus IV. (1574–1619).
      Wolf Dietrich II. (1575–1604).

[8] Die Ablehnung der Jesuiten beruht keineswegs auf mangelndem Interesse. Die gleichzeitige Eröffnung des Kollegs in Passau zeigt, dass bei genügender Dotation (die Jesuiten verfügen nicht wie die Prälatenklöster über ein Einkommen aus Grundbesitz) jede Gründung unterstützt wird. Auch die Leitung von Universitäten werden von Ihnen noch immer übernommen (1623 Wien, 1702 Breslau). Die Gründe müssen eher in der reservierten Haltung der Benediktiner und des Fürsterzbischofs gegen den straff zentral geführten Orden zu suchen sein.

[9] Joachim Buchauer OSB (um 1570–1626) aus Rauhenlechsberg, Konventuale in Wessobrunn 1588–1615, Abt in St. Peter Salzburg 1615–1626.

[10] Gregor Reubi OSB ist 1612–1628 Reichsabt in Ottobeuren. Er ist der eigentliche Gründer der Konföderation benediktinischer Abteien und 1617–1623 auch Präses der Konföderation. Ohne ihn wäre die Salzburger Universität nicht entstanden.

[11] Von den 33 Benediktinerabteien, welche die Konföderation 1618 unterzeichnen, liegen zwei im Fürsterzbistum Salzburg. Der Grossteil, nämlich 18 Abteien, liegen im bayrischen Herrschaftsbereich, davon aber nur vier aus dem Bistum Freising. Überwiegend sind Abteien aus dem schwäbischen Bereich vertreten. Keine einzige der Gründerabteien ist österreichisch. Das Gymnasiumsgebäude mit der Borromäuskapelle («Sacellum», Zugang von der Hofstallgasse) geht später im Bau des Universitätsgebäudes auf und bildet heute den Westflügel der Universität. Auch der Nordflügel ist 1619 bereits begonnen. Das Bauwerk wird von Markus Sittikus finanziert.

[12] Trotz der klaren Quellenlage wird Paris Lodron als alleiniger Gründer bezeichnet. Dies, weil die Anerkennung als Universität durch den Kaiser erst 1620, kurz nach dem Tod von Markus Sittikus erfolgt.

[13] Rainer, Werner: Marcus Sitticus. Was sich in Regierung des hochwürdigsten Fürsten Marx Sittichen Denkwürdiges zugetragen, beschrieben durch Johann Stainhauser. Redigierte Neuausgabe der Chronik 1612–1619. Salzburg 2012.

[14] Jakob Hannibal II von Hohenems (1595–1645), Stammhalter des Geschlechtes, Sohn von Kaspar von Hohenems und Eleonora Philippina von Welsperg. Er lebt bis zum Tod von Markus Sittikus in Salzburg, ist formell Oberst-Hofmarschall, dann erfolgloser Oberst in Hofdiensten von Erzherzog Leopold V. von Österreich, später Gesandter von Kaiser Ferdinand an den eidgenössischen Tagsatzungen. Unter ihm beginnt der Niedergang der Hohenemser Herrschaft. 

[15] Nach Stainhauser in der «Schmidt Kapellen». Die heutige Sebastianskapelle (1625) ist damals Bruderschaftskapelle der Schmiede (hll. Stephan und Blasius).

[16] Markus Sittikus hat bei den Verhandlungen 1611/12 das Pech, mit Herzog Maximilian I. auf ein skrupelloses Finanzgenie zu treffen, der Bayern mit allen Mitteln  eine Schuldenwirtschaft ersparen will und dann nach dem Dreissigjährigen Krieg tatsächlich einen Einnahmenüberschuss von 300 000 Gulden vorweisen kann.

[17] Santino Solari (1576–1646), aus Verna im Val d'Intelvi. Zu ihm siehe die Biografie und Werkliste in dieser Webseite.

[18] Palast in Hohenems, erbaut 1562–1567 durch Martino Longhi und 1603–1601 erweitert.

[19] Markus Sittikus kennt beide Villen. In der erst 1598 erstellten Villa Aldobrandini (Giacomo della Porta und Carlo Maderno) hält er sich 1601 sogar auf.

[20] Die Herrschaft Visconti Borromeo in Lainate bei Mailand liegt nahe der Herrschaft Gallarate der Altemps, die den Hohenemsern als Stützpunkt ihrer Geschäfts- und Kavalierreisen dient und in der sich auch Markus Sittikus von Hohenems noch 1606 mehrere Monate aufhält. Verwandtschaftliche Beziehungen zu den Visconti Borromeo und die damalige Attraktivität des heute mehrheitlich zerstörten Gartens lassen eine Kenntnis des Gartens durch Markus Sittikus vermuten.

[21] Donato Arsenio Mascagni (um 1570–1637) ist unter dem Klosternamen Fra Arsenio Mascagni bekannt. Der Florentiner Servitenmönch arbeitet 1616–1619 vorerst für Markus Sittikus in Hellbrunn und 1624–1627 für Paris Graf Lodron im Dom.

[22] Das Bauwerk wird 1798 durch französische Revolutionstruppen zerstört. Nachbildungen sind in Rastatt und Schlackenwerth vorhanden.

[23] Dompropstei an der Rheingasse 20. Markus Sittikus ist als Dompropst Stifter des Neubaus.

In Hellbrunn hängt das aussagekräftigste Porträt des Salzburger Fürsterzbischofs Markus Sittikus von Hohenems. Es ist am Rahmen mit 1618 datiert. Der Maler könnte Fra Arsenio Mascagni sein. Der Fürsterzbischof lässt sich stehend in Chorkleidung mit roter Soutane, weissem spitzenbesetztem Rochett und roter Mozetta darstellen. Alle  Attribute seines Ranges und auch die Kopfbedeckung fehlen. Sein Blick ist dem Betrachter zugewendet. Er trägt einen modischen Knebelbart, wie der gezwirbelte Schnurrbart genannt wird, verbunden mit einem dichten Kinnbart. Auffallend ist die ungewöhnlich starre Haltung. Er steht vor dem Gemälde der Garten- und Schlossanlage Hellbrunn aus der Vogelschau. In der linken Hand hält er ein Gemälde des Domneubaus im Zustand von 1618, auf das er mit der Rechten hinweist. Tischbespannung und Tapete weisen das Motiv der beiden Wappentiere Löwe und Steinbock auf. Dieses Gemälde, ohne Texthinweise und ohne weitere Attribute, hat eine gewaltige Aussagekraft.

Foto: Pius Bieri 2011

  Markus Sittikus von Hohenems (1574–1619)  
  Biografische Daten     Zurück zum Bauwerk  
  Geburtsdatum Geburtsort       Land 18. Jahrhundert  
  24. Juni 1574 Hohenems, Vorarlberg A   Vorderösterreich  
  Titel und Stellung         Regierungszeit  
  Fürsterzbischof von Salzburg   1612–1619  
  Sterbedatum Sterbeort       Land 18. Jahrhundert  
  9. Oktober 1619 Salzburg A   Erzstift Salzburg  
  Kurzbiografie              
 

Markus Sittikus von Hohenems regiert als Salzburger Fürsterzbischof nur sieben Jahre. Obwohl er seinen unglücklich agierenden Vorgänger, der auch sein Cousin ist,  für den Rest des Lebens gefangenhält,  führt er dessen Neutralitätspolitik, dessen absolutistische Regierungsweise und auch dessen begonnenen Stadtumbau zielstrebig weiter. Er ist Gestalter des Lustgartens Hellbrunn, vor allem aber ist er der eigentliche Erbauer des Salzburger Doms. Als Verehrer seines heiliggesprochenen Onkels Karl Borromäus wendet er dessen Baurichtlinien  konsequent an und kann zusammen mit der Einführung der italienischen barocken Fest-, Musik- und Theaterkultur dem Barock im Norden der Alpen ein Eingangstor öffnen.

    MakusSittikusHellbrunn §
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