Beda (Johann Konrad) Angehrn 1725−1796

Fürstabt OSB in St. Gallen 1767−1796

Er wird am 7. Dezember 1725 als viertes Kind des Johann Konrad Angehrn und der Maria Katharina Willi in Hagenwil im Thurgau geboren und erhält ebenfalls den Namen Johann Konrad. Die kleine Ortschaft[1] liegt am Weg von St. Gallen nach Konstanz. Hier besitzt die Abtei St. Gallen ein Wasserschloss.[2] Die Angehrns haben als Lehensleute der Abtei St. Gallen stets die Schlossmühle inne. Das väterliche Haus liegt bei der Mühle, im Unterdorf am Hegibach. Der Vater ist Chirurg (Wundarzt) und Gerichtsammann. Johann Konrad kann am Jesuitengymnasium zu Konstanz studieren und legt 1744 die Klostergelübde in St. Gallen ab. Er nimmt den Klosternamen Beda an. Bis zur Priesterweihe 1749 ist er selbst Lehrer an der Klosterschule. Zwölf Jahre lang wirkt er nun als Lektor für Philosophie und Theologie. 1753 wird er zum Professor der Theologie an der St. Galler theologischen Hausschule ernannt. 1759 besucht er seinen Cousin, den Neresheimer Abt Benedikt Maria Angehrn (1755−1787). Dieser, fünf Jahre älter als Beda und ebenfalls in Hagenwil aufgewachsen, ist bekannt als Bauabt der Abteikirche von Neresheim. Beda Angehrn kommt 1763 als Prior und fürstäbtlicher Statthalter nach Neu St. Johann im Toggenburg. 1767 wählt ihn das Kapitel als Nachfolger von Coelestin II. zum Abt. Der neue Fürstabt Beda Angehrn stösst, anders als sein Vorgänger, auf allgemeine Achtung bei den Untertanen, sogar die widerspenstigen Toggenburger akzeptieren ihn auf Anhieb.
Vom Vorgänger übernimmt er zwar eine gefüllte Kasse, aber auch grosse Bauaufgaben. Noch muss der Chor der Stiftskirche ausgestattet werden und bereits im Antrittsjahr seiner Regierung ist die riesige «Neue Pfalz» im Bau. Der noch von Fürstabt Coelestin II. geplante Ostabschluss des Klosterhofs von 100 Metern Länge wird 1767–1769 durch Johann Ferdinand Beer gebaut. Er kostet 173 000 Gulden. Fürstabt Beda ist kein vom barocken «Bauwurmb» besessener Prälat. Lieber überlässt er dies seinem Offizial Pater Iso Walser, dem er in seinen Pfarreien im Fürstenland in Baufragen freie Hand lässt. Dieser wird während der Regierungszeit des Fürstabtes Beda 17 neue Rokoko-Landkirchen erstellen, meistens zusammen mit dem Vorarlberger Baumeister Johann Ferdinand Beer, und dazu eine gleiche Anzahl Landkirchen umbauen.
Fürstabt Beda kann aber, im Gegensatz zu seinem erfolgreichen Vorgänger, nicht von ruhigen Zeitläufen und Einnahmenüberschüssen profitieren. Eine katastrophale zweijährige Hungersnot mit Beginn im Winter 1770 zwingt ihn zu mehreren grossen Getreideeinkäufen in Venetien, um die Untertanenschaft vor allem des oberen Toggenburg[3] vor Not zu retten. Er bezahlt für Korn und Roggen, die über den Brenner und den Splügen herbeischaffen lässt, 240 000 Gulden. Die «wälsche Frucht» wird den Armen geschenkt, den übrigen Untertanen die Hälfte des horrend hohen Ankaufspreises erlassen. Die Erfahrungen aus dem umständlichen Transport des Getreides lassen den Fürstabt zum Strassenbauer werden. Gegen den Willen der Bevölkerung und auch des Konvents baut er 1773 bis 1776 die Landstrasse vom Bodenseehafen Rorschach über St. Gallen nach Wil. Erst der schnelle wirtschaftliche Erfolg der «Fürstenlandstrasse» stimmt die Bevölkerung um, sie kann jetzt nicht genug neue Strassen fordern, und viele werden auch gebaut. Mit diesen neuen Strassen ist Fürstabt Beda, im Einklang mit den führenden Staaten der Eidgenossenschaft, ein Wegbereiter der modernen Schweiz. Weitere Verdienste schafft er sich im Schulwesen, auch hier wieder gegen den erbitterten Widerstand der Bevölkerung und sogar seines Offizials, als er 1783 die Volksschule im Sinne der Aufklärung[4] reformiert.
Die Hilfe bei der Hungersnot von 1770 und 1771 und der ab 1773 einsetzende Strassenbau verschlingen immense Mittel, die dem Volk und dem Gewerbe zwar zugute kommen, die Klosterfinanzen aber ruinieren. Im St. Galler Konvent beginnt es deshalb zu brodeln. Unter Führung des nachmaligen Fürstabtes Pankraz Vorster, dem Verantwortlichen für den späteren Untergang der Abtei St. Gallen, wird die Absetzung des regierenden Fürstabtes Beda gefordert. Dieser will 1788 zurücktreten, der Papst gibt aber keine Erlaubnis. Die Anführer der Opposition werden in die St. Gallische Herrschaft Ebringen strafversetzt, unter ihnen auch der Stiftsarchivar und spätere Verfasser der «Geschichten des Kantons St. Gallen», Pater Ildefons von Arx. Kein Wunder, dass er 1813 Fürstabt Beda wie folgt charakterisiert: «Abt Beda, der immer jedem gütig und liebreich begegnet war, der bey jeder aufgestossenen Schwierigkeit nachgegeben, und fast im buchstäblichen Sinne dem, welcher von ihm den Mantel forderte, auch den Rock nachgeworfen hatte, glaubte zwar an die Anhänglichkeit des Volks an seine Religion bauend, solches[5] an ihm nie erfahren zu müssen». Die beginnende Französische Revolution wird vom Fürstabt tatsächlich unterschätzt. 1793 begehren die Untertanen die Freiheit. 1795 entlässt er sie im sogenannten «Gütlichen Vertrag» aus der Leibeigenschaft, was ihm weitere Feinde im Konvent einträgt.[6] Am 17. Mai 1796 stirbt der im Volk beliebte Fürstabt Beda Angehrn im Alter von 70 Jahren. Er ist in der Mitte des Chors der neuen Stiftskirche bestattet.
Sein Porträt in der Stiftsbibliothek, aus dem Umfeld von Joseph Wannenmacher, zeigt einen 45-jährigen  liebenswürdigen Prälaten im Benediktinerhabit mit einem grossem Pektorale, dem Smaragdenkreuz aus 1769. Das Wappen des Fürstabtes finden wir nicht auf diesem Porträt, dafür als Bekrönung des Chorgitters in der Stiftkirche, auch als farbig gefasste, mit den Herrschaftsattributen versehene Holzplastik im Hofflügel, sowie in den neuen Landkirchen seines Offizials Iso Walser. In Neu St. Johann ziert es das Kronwerk der Orgel. Es zeigt in Blau eine silberne eingebogene Spitze, darin auf grünem Dreiberg eine grüne Palme, beseitet von zwei goldenen Flügeln, im blauen Haupt drei goldene Sterne.[7] Es findet sich immer in Allianz mit dem Wappen der Abtei (aufrechter Bär), dem Wappen von Neu St. Johann (Johanneslamm) und dem Toggenburger Wappen (Hund).

Pius Bieri 2008

Benutzte Literatur:
Von Arx, Ildefons: Geschichten des Kantons St. Gallen, Dritter Band, St. Gallen 1813.
Weidmann, Franz: Geschichte des ehemaligen Stiftes und der Landschaft St. Gallen unter den zween letzten Fürstäbten von St. Gallen, St. Gallen 1834.
Meienberg, Niklaus: «Zahl nünt, du bist nünt scholdig», in: Der wissenschaftliche Spazierstock, Zürich 1985.
Vogler, Werner: Angehrn, Beda, in: Historisches Lexikon der Schweiz, Bern 2005.
Salathé, André: Angehrn, in: Historisches Lexikon der Schweiz, Bern 2005.
Vogler, Werner: Angehrn, Benedikt Maria, in: Historisches Lexikon der Schweiz, Bern 2005.

Links:
http://www.hls-dhs-dss.ch/index.php

Anmerkungen:

[1] 1811 werden 27 Riegelhäuser gezählt.

[2] Das mittelalterliche Schloss wird 1806, nach der Säkularisation, von einem Familienmitglied erworben und ist noch heute im Besitz der Angehrns.

[3] Das obere Toggenburg und auch das Land Glarus sind besonders betroffen, weil hier seit der Umstellung auf die Baumwollmanufaktur der Ackerbau nicht mehr existiert.

[4] Er führt öffentliche Prüfungen ein, die eine kritische Auseinandersetzung der Schüler mit dem Lernstoff voraussetzen und die bisherige Unterweisung ablösen. Die Prüfungen erfolgen in Schönschreiben, Rechtschreiben, Rechnen und Aufsatz. Eine Differenzierung der Schüler nach Fähigkeit und Leistung ist jetzt gefordert. Einheitliche Lehrmittel werden in St. Gallen gedruckt. Durch den anspruchsvolleren Unterricht müssen auch die Lehrer weitergebildet werden. Diese Ausbildung führt Pater Ildefons von Arx im Kloster Magdenau durch.

[5] Nämlich Spuren der Revolution im Volk. Fürstabt Beda notiert noch 1790 in sein Tagebuch: «Unsere Gotteshaussleuth seind noch zimlich ruhig, glaube auch nit, das etwas zu beförchten seye; sie seind vill zu catholisch, als dass sie so etwas unternemmen thäten«.

[6] Sein Nachfolger will dies noch 1799 wieder rückgängig machen.

[7] Das Wappen des Abtes von Neresheim weist demgegenüber kleinere Abweichungen auf. Die eingebogene Spitze liegt bei Benedikt Maria in Rot und die Palme ist eine Tanne. Die Tanne ist auch im schweizerischen Familienbuch zu finden, wo allerdings das Schildhaupt silbern ist.



In der Stiftsbibliothek St. Gallen hängt an der Galerie der Südwand das ovale Porträt des Fürstabtes Beda Angehrn. Er ist im Alter von ungefähr 45 Jahren im Benediktinerhabit dargestellt und trägt ein grosses Pektorale, das Smaragdenkreuz aus 1769.

Bildquelle: Veröffentlichung in Ausstellungskatalog als Ovalbild mit Rahmen, ohne Nennung des Fotografen. Hier als vom Verfasser überarbeiteter Ausschnitt.
  Beda Angehrn (1725−1796), Fürstabt von St. Gallen 1767–1796  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort       Land 18. Jahrhundert  
  7. Dezember 1725 Hagenwil Thurgau CH   Herrschaft Fürstabtei St. Gallen  
  Titel und Stellung         Regierungszeit  
  Abt der Benediktiner-Fürstabtei Sankt Gallen   1767–1796  
  Sterbedatum Sterbeort       Land 18. Jahrhundert  
  24. Februar 1767 St. Gallen CH   Fürstabtei St. Gallen  
  Kurzbiografie              
  Fürstabt Beda Angehrn kann nicht mehr von ruhigen Zeiten und Einnahmenüberschüssen profitieren. Die Hungersnot von 1770 muss er mit Getreidekäufen in Italien für die unglaublich hohe Summe von 240 000 Gulden bekämpfen. Auch wenn seine fortschrittlichen Projekte, wie der Bau der Fürstenlandstrasse oder die Einführung der Normalschule von der Bevölkerung anfänglich bekämpft werden, wird er doch zum beliebtesten Prälat in der grossen Herrschaft. Hungersnot, Strassenbau, die von seinem Vorgänger begonnenen Bauten und die 17 Rokoko-Kirchenbauten seines Offizials Iso Walser ruinieren aber die Klosterfinanzen. Klosterintern wird er deswegen bekämpft. Anführer der Rebellion ist der spätere Nachfolger und Verantwortliche für den Untergang der Abtei, Pankraz Vorster.     BedaAngehrn  
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