Die im 18. Jahrhundert im Gefolge von Baumeistern aus Graubünden und Süddeutschland tätige Stuckateuren- und Malerfamilie Appiani stammt aus Porto Ceresio. Das kleine Fischerdorf am südwestlichen Ende des Luganersees wird damals Porto Morcote genannt und liegt im Herzogtum Mailand, nur wenige Fussminuten von der Grenze zur eidgenössischen Vogtei Lugano entfernt. In Porto Ceresio ist auch die vor allem in Franken berühmte Stuckatorenfamilie der Bossi beheimatet.
Er wird als Sohn des Peter Franz oder Pietro Francesco Antonio (1670–1724) und seiner Ehefrau Maria Sophia aus Bruck[1] am 16. Oktober 1706 in München geboren. Einer der Trauzeugen in der Kirche St. Peter ist Georg Asam. Peter Franz Appiani und Georg Asam arbeiten im Gefolge des Misoxer Baumeisters Giovanni Antonio Viscardi öfters zusammen, so bis 1699 im Neubau des nahe Bruck gelegenen Zisterzienserklosters Fürstenfeld und später in der Oberpfalz. Der kleine Joseph Ignaz verliert schon 1707 seine Mutter. Der Vater bringt die sechs Kinder bei Verwandten unter. Es wird angenommen, dass Joseph Ignaz im Heimatort Porto Morcote (heute Porto Ceresio) als Giuseppe Ignazio aufwächst.[2] Hier hat er in den Monaten November bis März Kontakt mit den Rückkehrern aus München, zu denn sicher auch sein Onkel Jacopo zählt. Mit ihm hat er nach dem 1724 erfolgen Tod des Vaters am meisten Kontakt und verdankt ihm auch den ersten bekannten Auftrag in Waldsassen, wo er 1727 vier Altarblätter anfertigt. Seine Ausbildung zum Maler wird im Lombardischen vermutet, es gibt allerdings auch Spekulationen, wonach ihn der Vater beim Fürstenfelder Auftrag um 1719 zu Cosmas Damian Asam in die Lehre gibt. Mit Sicherheit ist er zu dieser Zeit noch am Luganersee sesshaft, denn von 1724 bis 1735 ist er mit wenigen Unterbrüchen jedes Jahr als Trauzeuge oder Taufpate in den Kirchenbüchern vermerkt. 1732 heiratet er hier Antonia Bossi aus der ebenfalls in Porto Ceresio wohnhaften Stuckatorensippe.[3] Im gleichen Jahr ist er mit seinem Onkel Jacopo, der noch immer auch in Fürstenfeld arbeitet, am Zürichsee tätig und malt im Landhaus zum Schipf in Herrliberg Deckenfresken. Bis 1743 sind mit Ausnahme dieses Auftrages keine weiteren Werke gesichert. In diesem Jahr malt er im Schloss Saarbrücken. 1745 ist er in Mainz und heiratet nach dem frühen Tod seiner ersten Ehefrau ein zweites Mal.[4] Er wird in Mainz sesshaft und ist hier unter Erzbischof und Kurfürst Johann Friedrich Carl von Ostein (reg. 1743–1763) Hofmaler, später auch Akademiedirektor. Die Protektion durch den am Würzburger Hof geschätzten Stuckateur und Schwager Bossi ist offensichtlich. 1747 kommt es zu einer bis 1765 andauernden Zusammenarbeit mit dem Deutschordensbaumeister Johann Caspar Bagnato, mit dessen Sohn Franz Anton Bagnato und der Tessiner Stuckatorenfamilie Pozzi. Auslöser dürfte eine erste gemeinsame Arbeit in der Johanniterkommende von Mainz sein. Noch im gleichen Jahr malt Appiani in Oberdorf-Dingelsdorf ein erstes Werk für Bagnato in der Bodenseegegend. Höhepunkte dieser Zusammenarbeit sind die Fresken in der Stiftskirche von Lindau, im Refektorium von Obermarchtal, im Dom von Arlesheim und im Neuen Schloss von Meersburg. Die Aufträge dieser Jahre sind gross. Appiani unterhält jetzt einen eigentlichen Werkstattbetrieb und beschäftigt in diesem Trupp auch Stuckateure. Er tritt so 1751 in der fürstbischöflichen Residenz Seehof bei Bamberg auf und lässt 1765 auch das Deckenfresko in der Seminarkapelle Meersburg durch seine Werkstatt erstellen. Sein Hauptwerk sind die Fresken der Wallfahrtskirche von Vierzehnheiligen, die er 1764–1767 in Zusammenarbeit mit dem genialen Stuckateur Johann Michael Feichtmayr erstellt. Sie können auch als der Schwanengesang der Rokokomalerei bezeichnet werden. Die Anpassung an die klassizistische Malerei gelingt Appiani nicht mehr, wie seine wenigen Spätwerke zeigen. Während der Arbeiten an der Kirche in Triefenstein (Franken) stirbt er im Alter von 79 Jahren am 19. August 1785.
Von seinen vielen Werken sind fast alle Arbeiten nördlich der Donaugrenze zerstört, übermalt oder nach der Entfernung von Übermalungen nur noch rudimentär erhalten. Dies gilt auch für Vierzehnheiligen, wo nach einem Brand seine Malereien überputzt und die Altarblätter entfernt werden. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts werden Putz und Übermalung entfernt und die Fresken teilweise als Neuschöpfung wiederhergestellt. 1990 entfernen puristische Restauratoren auch diese Arbeit zugunsten eines lädierten und kraftlosen Originals. Für vergleichbare Werke des Rokokomalers Appiani müssen wir uns deshalb nach Arlesheim und Meersburg begeben.
Pius Bieri 2011
Alof, Marion: Joseph Ignaz Appiani (1706–1785), Notizen zu Leben und Werk, in: Bayrisches Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Die Restaurierung der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen. Arbeitsheft 49. München 1990.
Ruderich, Peter: Die Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt zu Vierzehnheiligen. Eine Baumonographie. Bamberg 2000.
[2] Er selbst wird aber alle Verträge mit Joseph Ignaz Appiani unterzeichnen, sodass die Nennung «Giuseppe Appiani», wie sie auch verwendet wird, irreführend ist.
[3] Antonio Bossi (1699–1764), der geniale Stuckateur der Würzburger Residenz, lässt sich erst 1733 in Würzburg nieder. Zur Zeit des Auftrages in Ottobeuren 1727–1729 sind zwar Winteraufenthalte im Norden vermerkt, aber nicht die Regel. Erst ab 1733 kehrt er im Winter nicht mehr in die Heimat zurück. Joseph Ignaz Appiani muss ihn also schon vor der Heirat mit Antonia aus der Familie des Antonio Bossi gut gekannt haben. Seine Ehefrau Antonia stirbt 1737. Die Verbindungen zu den verschwägerten Stuckateuren Bossi bleiben aber bestehen, vor allem in den 1770er-Jahren zu Materno und Augustin Bossi.
[4] Mit der 43-jährigen Mainzerin Apollonia Cronberger (1702–1789). Kinder sind nicht bekannt.
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Jahr | Arbeitsort und Werk | Bemerkungen | Zustand | Quelle |
1727 | Waldsassen, Zisterzienserabtei, Stiftskirche. | Vier Altarblätter. Vermittlung Jacopo Appiani. | Nur zwei sind erhalten. | Alof |
1732 | Herrliberg am Zürichsee, Landhaus Schipf, Festsaal | Stuck Jacopo Appiani. | Originalzustand erhalten. | Alof |
1743 | Saarbrücken, Schloss. | Supraporten im Festsaal. | 1793 zerstört | Heyer |
1747 | Dingelsdorf Oberdorf, Heiligkreuzkapelle. | Vermittlung Johann Caspar Bagnato. Stuck Franz Pozzi. | Erhalten. | Gubler |
1749 | Lindau. Damenstiftskirche. | Vermittlung Johann Caspar Bagnato. Stuck Franz Pozzi. | 1922 durch Brand zerstört. | Gubler |
1751 | Bamberg, Schloss Seehof. | Deckenfresko im Weissen Saal. Eventuell Werkstattarbeit. | 1984–1985 restauriert. | Alof |
1752– 1754 |
Obermarchtal, Prämonstratenserabtei Ostflügel und Refektorium. | Vermittlung Johann Caspar Bagnato. Stuck Franz Pozzi und Söhne. | Erhalten. Restauriert 1950–1952. | Gubler |
1754 (um) |
Obernheim. Pfarrkirche. Deckenfresken. | Im Unterakkord Bagnatos. Stuck Franz Pozzi. | 1923 verändert. | Gubler |
1755 | Mainz, St. Peter. | Deckenfresken. | 1944 zerstört. | Pobé |
1757 | Ehingen, Stadtpfarrkirche, Chorerneuerung. | Ausführung eher 1763 mit Franz Anton Bagnato. Stuck Pozzi. | Restauriert 1964. | Gubler Stevens |
1758 | Altshausen, Deutschordens-Landkommende, Schlosskirche. Fresko im Langhaus. | Vermittlung Johann Caspar Bagnato. Stuck Franz Pozzi 1750. | Erhalten. | Gubler |
1758 | Saarbrücken, St. Johann. | Fresken. | 1793 zerstört | Pobé |
1760 | Arlesheim, Domkirche. Fresken und Altarbilder. | Im Unterakkord Bagnatos. Stuck Franz Pozzi mit Sohn Joseph Ignaz. | Originalzustand erhalten. | Heyer |
1761 | Meersburg, fürstbischöfliche Residenz (Neues Schloss), grosses Treppenhausfresko. | Stuck Werkstatt Pozzi. Baumeister ist Franz Anton Bagnato. Appiani arbeitet 85 Tage. Entwurf. | Original restauriert erhalten. | Heyer |
1762 | Meersburg, fürstbischöfliche Residenz (Neues Schloss), Festsaal. | Stuck Werkstatt Pozzi. Baumeister ist Franz Anton Bagnato. | Original restauriert erhalten. | Heyer |
1763 | Altshausen, Deutschordens-Landkommende, Schlosskirche | Fresko im Chor. | Erhalten. | Hotz, Heyer |
1764– 1767 |
Vierzehnheiligen, Wallfahrtskirche des Klosters Langheim. | Deckenfresken. Akkordsumme 2693 Gulden. | Rudimentär erhalten. | Ruderich |
1765 | Meersburg, Kapelle St. Borromäus im fürstbischöflichen Seminar. | Fresko im Schiff. Stuckateur ist Carlo Luca Pozzi. Das Fresko muss Mitarbeitern der Werkstatt Appianis zugeordnet werden. | Restauriert 1972–1973. | Unklare Quellen |
1766– 1769 |
Vierzehnheiligen, Wallfahrtskirche des Klosters Langheim. | Hochaltarblatt und zwei Seitenaltäre. Akkord 806 Gulden. | Seit 1869 verschollen. | Ruderich |
1773 | Würzburg, St. Michael. | Kuppelfresken. Stuck Materno Bossi. | 1945 zerstört. | Braun |
1774 | Mainz, St. Ignatius. Albans- und Sebastianskapelle. | Fresken. | 1793 zerstört. | Alof |
1775 | Kissingen, St. Jakobus. | Hochaltargemälde, mit Signatur. | Erhalten. | Dehio |
1778– 1779 |
Camberg, Pfarrkirche St. Peter und Paul. | Deckengemälde in klassizistischem Rahmen. | Erhalten. | Alof |
1783 | Heidenfeld, Augustinerchorherrenstift. | Fresken in Kirche, Stuck Materno Bossi, der Appiani empfiehlt. | Zerstört 1804. | hdgb.de |
1785 | Triefenstein, Augustiner- Chorherren-Stiftskirche. | Deckenfresken. Appiani stirbt während Ausführung. | Ausführung Januarius Zick 1786. | Alof |
Fragwürdige Zuschreibungen an Joseph Ignaz Appiani:
Jahr | Arbeitsort und Werk | Bemerkungen | Zustand | Quelle |
1753 (um) |
Beuggen, Deutschordens-kommende. Schlosskapelle. Chor. | Deckenfresken im Schiff sind von Franz Ludwig Hermann 1752. | Erhalten. | Dehio |
1774 | Höchst (Frankfurt). Palast der Brüder Bolongaro. Heute Stadtverwaltung. | Fresken im Kapellensaal, Festsaal im Pavillon. Zuschreibung teilweise Andrea Appiani. | Erhalten. | Unklare Quellen |
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