Domenico Barbieri (ca. 1615–1686)

Misoxer Baumeister

Die Familie Barbieri wird auch als «Barbè» oder verdeutscht als «Barbierer» oder «Balbierer» verzeichnet. Sein Vater Martino (1583–1633) ist seit 1615 in Eichstätt ansässig, wo er als Meister Martin Balbierer aus Ruffolt aufgeführt ist. Die Barbieri stammen aus Roveredo, das verdeutscht als Roffle oder Ruffolt bezeichnet wird. Wie auch bei den anderen Kindern des Martino sind von Domenico weder Geburtsjahr noch Geburtsort bekannt. Er kann in Eichstätt geboren worden sein, wo mehrere Taufen von Kindern des «Martin Balbierer» vermerkt sind. Wie alle bekannten Geschwister ist er später wieder in Roveredo wohnhaft, um hier das Winterhalbjahr mit seinen Brüdern Giulio und Pietro zu verbringen. Aktenkundig sind ihre Treffen in der lokalen «Taverna» mit den Baumeistern Giovanni Serro, Tommaso Comacio oder dem Vater des Enrico Zuccalli, Giovanni. Domenico ist als einziger der Barbieri auch im nahen nördlichen Graubünden tätig. Ein erstes bekanntes Werk als selbstständiger Baumeister ist der Neubau der Kirche St. Placidus in Disentis von 1655.[1] Als Mitarbeiter seines Bruders Giulio ist er 1660–1662 beim Neubau der Stiftskirche in Isny und bei den Umbauten der Pfarrkirchen in Laupheim und Fiegentall tätig. 1662–1664 wird er als Baumeister des Bischofs von Chur aufgeführt. 1675–1678 baut er, nach dem Vorbild seiner ersten Kirche Disentis, die Pfarrkirche in Laax. 
Er stirbt am 11. Februar 1686 in Roveredo. Einer seiner Enkel ist der 1712 in Roveredo geborene Eichstätter Dombaumeister Giovanni Domenico Barbieri.

Pius Bieri 2009

Literatur:
Zendralli, Arnoldo Marcelliano: Graubündner Baumeister, Zürich 1930.
Zendralli, Arnoldo Marcelliano: I Magistri Grigioni, Poschiavo 1958.
StammBarbieri Stammbaum Barbieri aus Zendralli 1958.
Pfister, Max: Baumeister aus Graubünden, Chur 1993.

Anmerkung:

[1] Die Kirche, mitten in einem Lawinenkegel errichtet und mit einem Keil gegen Lawinen geschützt, steht an der Stelle der Enthauptung des hl. Placidus im 8. Jahrhundert. 1984 hat eine Grosslawine die Umgebung allseitig leergeräumt, das Bauwerk von 1655 hat ihr aber standgehalten. Es hat noch heute den Originalputz von 1655. Zur Technik der weissen Architekturgliederung der Misoxer Baumeister der Beschrieb von Oskar Emmenegger: « Das naturbelassene Intonaco zeigt eine leicht angeglättete Oberfläche; die weiss getünchten Gliederungen sind etwas stärker geglättet. Die Umrisse der Fensterrahmungen und der Eckquader am Turm wurden mit Nagelrissen markiert und die so definierten Flächen mit Kalk sofort al fresco weiss gestrichen. An der Westfassade finden sich unterhalb der Fensterbänke in den Naturputz geritzte Kreuze, die als Massmodule zu verstehen sind».


Werke von Giulio Barbieri, soweit bekannt:

1660 Weissenau bei Ravensburg (D), unbekannte Arbeiten[1] für die Abtei, vielleicht Kirche Marienthal.
1661 Laupheim (D), Pfarrkirche St. Peter und Paul, Baufertigstellung des von seinem Vater 1623 begonnenen Bauwerks.
1661-1664 Isny (D), Benediktinerabtei St. Georg, Klosterkirche, Neubau, mit den Brüdern Pietro und Domenico.
1662 Fiegenstall bei Ellingen (D): Pfarrkirche St. Nikolaus, Umbau.
1666–1671 St. Gallen (CH), Benediktinerabtei, Hofflügel (heute Bischofsflügel), mit Giovanni Serro (Planung) und Daniel Glattburger.
1670–1674 Pfäfers (CH), Benediktinerabtei, Klosteranlage, Planung mit Giovanni Serro.

[1]  Nach dem Werkverzeichnis Zendralli 1958 ist es die «Kirche», von Pfister und Santi wird dies übernommen, nun als «Pfarrkirche». Die Zuweisung ist fragwürdig. Um 1660 ist im Klosterbereich Weissenau kein Neubau bekannt, hingegen wird die Tauf- und Begräbniskirche Marienthal (heute Mariatal) umgenutzt. Es kann sich bei der Nennung höchstens um Umbauten oder eventuell Planungen handeln.

 

 

  Domenico Barbieri (ca. 1615–1686)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  um 1615 ? Eichstätt   Bayern D  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Fürstbistum Eichstätt   Eichstätt  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  19. Februar 1681 Roveredo   Graubünden CH  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Freistaat Graubünden   Chur  
  Kurzbiografie        
  Domenico Barbieri ist Sohn des in Eichstätt ansässig gewordenen Baumeisters Martin Balbierer, wie dieser dort genannt wird. Im Gegensatz zu seinem Vater wird er aber im Norden nicht sesshaft. Er arbeitet meist in Bautrupps seiner Landsleute, vor allem aber an Werken seines älteren Bruders Giulio. Mit ihm und auch mit den Baumeistern Giovanni Serro oder dem in München tätigen Giovanni Zuccalli, seinem Schwager, trifft er sich im Winter in der Heimat. Seine Tätigkeitsgebiete liegen, soweit Werke nachgewiesen sind, in dem Bistümern Chur und Konstanz. Das erste Bauwerk, die Kirche St. Placidus in Disentis, ist auch das erste bekannte Werk mit der weissen Architekturmalerei nördlich der Alpen.     BarbieriDomenico  
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1655 baut Domenico Barbieri die Kirche St. Placidus in Disentis. Die Architekturgliederung durch die weisse Kalktünche auf dem naturbelassenen Putz ist ein Kennzeichen der Misoxer Baumeister des 17. Jahrhunderts. Die weisse Architekturmalerei der Kirche St. Placidus in Disentis ist die älteste dieses Typus nördlich der Alpen.