Er wird am 12. Februar 1706 als Sohn des Lehrers Johann Melchior Christian und seiner Ehefrau Anna Maria Walz im vorderösterreichischen Riedlingen an der Donau geboren. Sein Vater ist erst ein Jahr vorher aus Offingen am Bussen, einem Pfarrdorf der Abtei Zwiefalten, nach Riedlingen gezogen. Die Lehre als Stein- und Holzbildhauer macht Johann Christian bei Johann Eucharius Hermann in Biberach. Über seine Gesellenjahre ist nichts bekannt.[1] 1728 heiratet er Maria Jacobine Rosine Wocher aus dem Klosterdorf Wald. Von den zehn Kindern dieser Ehe erreichen fünf das Erwachsenenalter. Einer der Söhne, Karl Anton, wird unter dem Klosternamen Columban später Abt von St. Trudpert.[2] Ein weiterer Sohn, Joseph Ignaz, lernt ebenfalls Bildhauer. Das siebente Kind, Franz Joseph, wird später die Werkstatt weiterführen.[3] Johann Joseph Christian wohnt immer in Riedlingen. Im Stadthof des Klosters Zwiefalten, schon Wohnung und Werkstatt des 15 Jahre älteren Malers Franz Joseph Spiegler,[4] findet auch seine Familie ihr Zuhause. 1736 kann er sich ins Bürgerrecht der Stadt einkaufen. Er hat sich inzwischen mit Bildhauerarbeiten einen Namen geschaffen. Die Aufträge verdankt er hauptsächlich dem Kloster Zwiefalten. Hier ist unter der Regierung des Abtes Augustin Stegmüller schon der spätere Abt Benedikt Mauz aus der kunstbegeisterten Familie aus Radolfszell tätig.[5] Er oder sein Bruder, der Prior und Künstler P. Hermann Mauz in Weingarten, müssen den jungen Riedlinger auch dem Abt der Mehrerau, Franciscus Pappus, als Bildhauer für den dortigen Kirchenneubau empfohlen haben. Die Ausgestaltung der Barockkirche des Vorarlbergers Johann Michael Beer von Bildstein in der Mehrerau ist der erste Grossauftrag von Johann Joseph Christian. Er ist Schöpfer der Steinfiguren an der Westfassade, der Figuralplastik im Innenraum und an den Altären und des Chorgestühls.[6] 1745 ruft ihn der erst kürzlich zum Abt von Zwiefalten gewählte Benedikt Mauz aus der Mehrerau zurück. Für die noch immer im Bau befindliche neue Stiftskirche soll Johann Joseph Christian vorerst die bildhauerischen Arbeiten am Chorgestühl mit den beiden Orgelprospekten beginnen. Zusammen mit dem Schreiner Martin Hörmann aus Villingen gelingt ihm hier der endgültige künstlerische Durchbruch. 1747−1752 kann er im Kirchenraum von Zwiefalten in kongenialer Zusammenarbeit mit dem Wessobrunner Stuckateur Johann Michael Feichtmayr und dem Riedlinger Maler Franz Joseph Spiegler eines der schönsten Gesamtkunstwerke des süddeutschen Barock schaffen. Gleichzeitig ist er zusammen mit den Baumeistern Schneider Gestalter und ausführender Steinplastiker der monumentalen Westfassade.[7] 1755 ist Johann Joseph Christian in Ottobeuren. Abt Anselm hat ihn und Feichtmayr schon 1754 in Zwiefalten für den nun eingewölbten Innenraum der neuen Stiftskirche gesichert. Baumeister ist auch hier Johann Michael Fischer, der sich in Ottobeuren wie in Zwiefalten bei Beginn der Innenarbeiten verabschiedet. Wieder wird der Innenraum ein barocker Höhepunkt und ein Gesamtkunstwerk unter der Leitung von Feichtmayr und mit Beteiligung von Christian. Nur anstelle des Malers Spiegler ist jetzt Johann Jakob Zeiller aus Reutte getreten. In Ottobeuren ist Christian auch als Stuckplastiker tätig. Er hat diese, eine bedeutend grössere Expressivität erlaubende Technik schon in Zwiefalten bei Feichtmayr erlernt und wendet sie in Ottobeuren vermehrt an. Damit ist er einer der wenigen Bildhauer, welche Holz, Stein und Stuck bearbeiten.[8] Nach der Arbeit in Ottobeuren kehren Feichtmayr und Christian 1767 wieder nach Zwiefalten zurück, wo sie gemeinsam den Innenraum des Langhauses vollenden. Die Kanzel und ihr Gegenstück, die Ezechielgruppe, können als letztes grosse Werk des Riedlinger Bildhauers angesehen werden. 1773 sind die Arbeiten in Zwiefalten beendet. Mit dem Ende des Rokoko ist jetzt auch die künstlerischen Ausdrucks- und Schaffenskraft erlahmt. Sie ist aber weder bei seinen Arbeiten in Buchau noch für seinen letzten Auftrag in Wiblingen gefragt. Denn für die frühklassizistischen Innenräume dieser beiden Stiftskirchen ist die Bildhauerei nur noch untergeordnete und vom Planer entworfene Dekoration. Im Alter von 71 Jahren stirbt Johann Joseph Christian am 22. Juni 1777 in Riedlingen.
Pius Bieri 2012
Literatur:
Woeckel, Gerhard: Johann Joseph Christian von Riedlingen. Lindau und Konstanz 1958.
Hosch, Hubert: Süddeutsches Barock und Rokoko in Vergangenheit und Gegenwart. Internetpublikation 2012.
Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Joseph_Christian
http://www.riedlingen.de/servlet/PB/menu/1279418/index.html
http://www.deutsche-biographie.de/sfz8294.html
[2] Columban Christian (1731−1810) ist 1780-1806 Abt in St. Trudpert.
[3] Franz Joseph Christian (1739−1798), Bildhauer in Wiblingen und St. Trudpert. Über ihn siehe die nicht gerade wohlwollende www-Seite der Stadt Riedlingen. > http://www.riedlingen.de/servlet/PB/menu/1278262/index.html
[4] Franz Joseph Spiegler (1691−1757) wohnt 1727−1752 im Zwiefalter Hof. Das Hauptwerk beider Künstler ist die Ausstattung der Stiftskirche von Zwiefalten.
[5] Benedikt Mauz (1690−1765) aus Radolfszell, Abt von Zwiefalten 1744−1765. Sein Bruder ist P. Hermann im Kloster Weingarten. Dieser ist Prior und als Maler und Gestalter massgebend am Innenausbau der Stiftskirche beteiligt. Er ist Entwerfer des Chorgitters und der Bibliothek. Der Auftrag der Abtei Mehrerau an den Riedlinger Bildhauer, ist nur dank der Vermittlung der befreundeten Äbte zu erklären. Mehrerau ist wie Zwiefalten Mitglied der oberschwäbischen Benediktinerkongregation.
[6] Bei der Sprengung der Stiftskirche durch die bayrische Besatzung 1808 werden nur das heute in der Stadtpfarrkirche Bregenz befindliche Chorgestühl und die Bankdoggen (heute in Berneck) gerettet.
[7] Baumeister Johann Michael Fischer ist nach 1747 nicht mehr an Ort und kann als Planer ausgeschlossen werden. Gabriele Dischinger schreibt den Entwurf der Fassade auschliesslich Johann Joseph Christian zu.
[8] Der bekannteste ist der nur wenig ältere Joseph Anton Feuchtmayer (1696−1170) aus Mimmenhausen. Etwas naiv wird in der Wikipedia diese spät erlangte Mehrfachbegabung als Begründung den Beizug Christians in Zwiefalten aufgeführt.
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Werke von Johann Joseph Christian
Ohne Zuschreibungen
Jahr | Arbeitsort, Bauwerk | Werk | Herrschaft |
1732 |
Benzingen. Pfarrkirche St. Peter und Paul. |
Vier Evangelisten auf Kanzel und Kruzifix. Früheste nachweisbare Arbeit. | Fürsten Hohenzollern-Sigmaringen. |
1735 (um) |
Mochental. Propstei. | Steinfigur des St. Nikolaus über dem Mittelportal. Das Portal ist 1733 datiert. | Benediktinerabtei Zwiefalten. |
1735 (um) |
Zwiefalten. Liebfrauenkapelle. | Engelsfiguren, sowie die hll. Wendelin und Eligius. | Benediktinerabtei Zwiefalten. |
1738 |
Messkirch. Hofkapelle im Schloss. | Kreuzigungsgruppe. Heute in Pfarrkirche Emmingen. | Fürsten von Fürstenberg. |
1740 (um) |
Aichelau. Pfarrkirche St. Laurentius. |
Hermen und Putten an Westempore. | Benediktinerabtei Zwiefalten. |
1740−1744 |
Mehrerau. Stiftskirche St. Peter und Paul. |
Fassaden-Steinplastiken. Chorgestühl (heute in Bregenz), Bankdoggen, Altar- und Figuralplastik im Innenraum. Die Stiftskirche wird 1808 von der bayrischen Besatzung zerstört. | Benediktinerabtei Mehrerau. |
1741 |
Sigmaringen. Josephskapelle. | Josephsaltar. | Fürsten Hohenzollern-Sigmaringen. |
1744 |
Zwiefalten. Liebfrauenkapelle. |
Epitaph Abt Augustin Stegmüller. | Benediktinerabtei Zwiefalten. |
1747−1755 |
Zwiefalten. Stiftskirche Unsere Liebe Frau. | Holzbildhauerarbeiten des Chorgestühls, Orgelprospekte Chor, Steinhauerarbeiten der Westfassade, vielleicht Entwurf Westfassade. | Benediktinerabtei Zwiefalten. |
1745 |
Feldhausen. Pfarrkirche St. Nikolaus |
Holzplastiken der hll. Apollonia, Sebastian und Johannes der Täufer. | Spethsche Herrschaft Gammertingen. |
1745 |
Offingen am Bussen. St. Johannes Baptist. |
Josephsfigur. | Benediktinerabtei Zwiefalten. |
1752 |
Wilsingen. Pfarrkirche St. Georg. |
Seitenaltäre. | Benediktinerabtei Zwiefalten. |
1755−1767 |
Ottobeuren. Stiftskirche St. Theodor und Alexander. |
Fassadenfiguren. Chorgestühl. Hochaltar. Beichtstühle. | Benediktinerabtei Ottobeuren. |
1765 (um) |
Riedlingen. Spitalkirche St. Sebastian. |
Pietà des Franziskusaltars. | Vorderösterreich, Spital Riedlingen. |
1767−1773 |
Zwiefalten. Stiftskirche Unsere Liebe Frau. | Hochaltar-Stuckplastiken, Kanzelfiguren, Ezechielbaldachin, alle Stuckplastiken im Kirchenraum, Beichtstühle, mit Johann Michael Feichtmayr. | Benediktinerabtei Zwiefalten. |
1773 |
Unlingen. Pfarrkirche zur Unbefleckten Empfängnis. | Hochaltar mit Stuckfiguren der hll. Karl Borromäus und Johann Nepomuk. Chorgestühl. Mit Sohn Franz Joseph. | Vorderösterreich (nach 1786 Thurn und Taxis). |
1774−1776 |
Buchau. Stiftskirche St. Cornelius und Cyprian. | Figürliche Ausstattung des klassizistischen Umbaus von Pierre Michel d’Ixnard. | Damenstift Buchau. |
1775−1776 |
Messkirch. Stadtpfarrkirche St. Martin. | Stuck-Epitaph des Fürsten Karl von Fürstenberg. | Fürsten von Fürstenberg. |
1777 |
Wiblingen. Stiftskirche St. Martin. |
Chorgestühl. Ausgeführt von Sohn Franz Joseph. | Benediktinerabtei Wiblingen. |
Abgeschrieben, da Johann Joseph Christian nicht erwähnt: Stuck in der Kapelle St. Magnus von Gossenzungen (1749).
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