Johann Georg Lindt (1734–1795)

Bildhauer in Burghausen

Lebenslauf
Johann Georg Lindt wird am 4. März 1734 im kärntischen Obervellach als uneheliches Kind des Landedelmannes Johann Hieronymus von Lindt und der Barbara Grübler geboren.[1] Seine Mutter verheiratet sich später mit dem Bergbau-Hutmann Christian Moriz in Lind an der Drau. Hier wächst der junge Johann[2] auf. Über seine Lehr- und Wanderzeit ist nichts bekannt.
1758 heiratet er im bayrischen Burghausen die 18-jährige Maria Franziska Schnabl.[3] Die Ehefrau ist Tochter eines 1756 verstorbenen Bildhauers. In der Werkstatt arbeitet spätestens zu diesem Zeitpunkt auch Lindt als Geselle. Die Heirat mit der Tochter des Bildhauers Schnabl ermöglicht Linth die Übernahme der Werkstatt.[4] Er erhält die Bildhauer-Gerechtigkeit und das Bürgerrecht der Stadt. Den jungen Eheleuten werden drei Kinder geboren, die aber alle im Kindesalter sterben. Um 1761 erhält er seinen ersten Grossauftrag. Er kann für Abt Emanuel II. von Raitenhaslach die Altäre der Wallfahrtskirche Marienberg erstellen. Damit ist die Werkstatt auch ökonomisch gefestigt. Er ist jetzt als Bürger hochangesehen und wird 1785 in den äusseren Rat der Stadt Burghausen gewählt. Er übernimmt zudem ein Lehramt in der Burghausener Zeichnungsschule. Um diese Zeit sind die Aufträge bereits stark zurückgegangen. Gründe dafür sind die Finanzlage des Staates und der kirchlichen Einrichtungen. Schon 1668, mit der Neuordnung des Geistlichen Rates in München, spürt dies Lindt. Erstmals weist der Geistliche Rat einen Altarentwurf Lindts zurück und verlangt eine vereinfachende Ausführung. Wird hier vordergründig noch mit den Kosten argumentiert, erfolgt dann im kurfürstlichen Mandat von 1770 die Kampfansage an die Rocaille. Lindt entwirft jetzt die Altäre deutlich einfacher. Sie sind aber noch immer dem Barock verpflichtet. Um 1775 versiegen diese Aufträge vollständig. 1777 tritt Bayern das Innviertel an Österreich ab, Burghausen wird Grenzstadt und verliert die Hälfte des Hinterlandes. Der verstärkte ökonomische Niedergang der Stadt und der gleichzeitige aufklärerische Rationalismus des kurfürstlichen Geistlichen Rates setzen der Bildhauer- und Altarbauertradition Burghausens ein Ende. Ein letztes nachweisbares Werk Lindts ist das 1780 entstandene Grabmal des Reichsgrafen von Closen. Es ist gleichzeitig das einzige, das dem Klassizismus verpflichtet ist. Am 13. Juli 1795 stirbt Johann Georg Lindt im 62. Altersjahr in Burghausen.

Auftraggeber
Abt Emanuel II. Mayr von Raitenhaslach ist der erste wichtige Auftraggeber. Sein Wappenwahlspruch ist «Amore e Fiducia», Liebe und Vertrauen. Vertrauen setzt er offensichtlich auch in Bildhauer Lindt, als er ihm vorerst den Auftrag für den Altar in der Abtskapelle der neuen Prälatur der Abtei Raitenhaslach erteilt, um ihm dann auch den Hauptaltar und die beiden Seitenaltäre der neuen Wallfahrtskirche Marienberg ausführen zu lassen. Lindt arbeitet an diesen Altären und ihrem reichen bildhauerischen Schmuck von 1761 bis 1764. Marienberg ist sein erster grösserer Altarauftrag und wird sein Hauptwerk bleiben.
Ein zweiter wichtiger Auftraggeber ist der Pfarrer von Höslwang, Joseph Guidobald Graf von Spaur. Schon 1761 kann ihm Lindt einen Entwurf für den Hochaltar liefern und führt dann nach 1764 alle Altäre der Pfarrkirche in Höslwang aus. Der Biograph Carl Graepler vermutet, dass der Pfarrer, von den Altarplastiken Ignaz Günthers in Rott am Inn beindruckt, Lindt diese Arbeiten zum Studium empfohlen habe. Jedenfalls ist das Vorbild Ignaz Günther in den Arbeiten Lindts offensichtlich.
Kein Auftraggeber ist der Burghausener Kirchherr und Regierungsrat Freiherr Karl von Lippert. Im streng zentralistisch regulierten kirchlichen Bauwesen des Kurfürstentums gehen die Entwürfe und Anträge für neue Altäre im Rentamt Burghausen vorerst über seinen Schreibtisch. Er ist deshalb für Lindt wichtige Bezugsperson. Es scheint, dass er den einheimischen Meister Lindt in seinem Arbeitsgebiet Burghausen, dem benachbarten Ach[5] und den Kirchen im Pfleggericht Kling mindestens nicht benachteilt. Eigentliche Initianten und Bauherren für diese Anträge sind aber immer die amtierenden Landpfarrer.

Wirkungsbereich, Arbeitsweise und künstlerische Leistung
Für öffentliche, das heisst meist kirchliche Aufträge ist Linth der lokale Wirkungsbereich um Burghausen und im Pfleggericht Kling gesichert. Wo in benachbarten Pfleggerichten keine oder nur wenig qualifizierte Bildhauer tätig sind, wird er ebenfalls beigezogen. Dies ist der Fall für die Kanzel in Ostermieting (1761) oder der Plastiken in Kastl (um 1775). Über diese eng gezogenen Grenzen ist er nicht bekannt.
Wie oben dargestellt, geht jeder Altarentwurf mit Kostenvoranschlag an die Bewilligungsinstanz in München, den kurfürstlichen Geistlichen Rat. Aus den erhaltenen Akten ist ersichtlich, dass Lindt jeweils als Verfasser des Gesamtwerkes auftritt, aber nur die plastischen Arbeiten offeriert. Am ausgeführten Werk arbeiten demnach der Altarschreiner, der Bildhauer, der Fassmaler und der Maler des Altarblattes. Nicht der Entwerfer und Bildhauer Linth, sondern der Fassmaler ist dabei der am höchsten bezahlte Meister.[6]
Zur künstlerischen Leistung des Meisters aus Burghausen zitiere ich Carl Graepler: «Lindt revolutioniert nicht, bringt nichts, was nicht schon andere gehabt hätten. Man kann an sein Werk auch nicht den Massstab anlegen, mit dem die Kunst der Grossen zu messen ist, die sich bis in die letzte Einzelheit als vollendet ausweist. Aber in mittelalterlich anmutender Werktreue schafft er sein Lebenswerk, das für die bildhauerische Tradition Burghausens zugleich einen Höhepunkt und den Abschluss bedeutet. Er erreicht dabei eine Ebene künstlerischer Qualität, die, wenn sie auch an die der ganz grossen Meister nicht heranreicht, sich doch über die Rangstufe nicht weniger Zeitgenossen eindeutig heraushebt».

Pius Bieri 2015

Literatur:
Graepler, Carl: Johann Georg Lindt, ein Beitrag zur Geschichte der bayrischen Plastik im 18. Jahrhundert. Dissertation München 1954. Online-Ausgabe 2009.

[1] Taufeintrag: «Gregorius illegitimus / pater + mater .. (Namen unleserlich) / Locus Vellach / ... »

[2] Er bezeichnet sich meist als Johann oder Johann Georg, nach 1688 aber entgegen den Einträgen in die Register (1758, Johann Georg) als Johann Nepomuk.

[3] Maria Franziska Schnabel oder Schnabl (1740–1798).

[4] Nach 1756 übernimmt die Witwe Schnabl die Werkstatt. Sie stirbt aber schon 1758. Erst jetzt, dank der Heirat mit der Bildhauerstochter, ist auch die Übernahme der Werkstatt möglich.

[5] Hochburg-Ach liegt heute im oberösterreichischen Innviertel. Es zählt bis zur Abtrennung von Bayern (1777) als eigentliches Vorort von Burghausen.

[6] Im Kostenvoranschlag des Hochaltars Höslwang (1761) verlangt Lindt 335 Gulden, der Altarschreiner Georg Stein 220 Gulden, die Fassmalerin Maria Anna Deybl 600 Gulden, der Maler der beiden Altarblätter hingegen nur 60 Gulden. Gesamtkosten des Hochaltars, ohne Gemälde 1155 Gulden.
Die Kosten der Kanzel in Söchtenau (1762) zeigen ein ähnliches Bild: Lindt 434 Gulden, Stein 85 Gulden, Deybl 450 Gulden. Gesamtkosten der Kanzel 969 Gulden.
Für den Hochaltar in Eggstätt (1765) sieht die Kostenaufteilung wie folgt aus: Lindt 558 Gulden, Stein 285 Gulden, Deibl 680 Gulden. Gesamtkosten des Hochaltars, ohne Gemälde 1523 Gulden.
Die Kosten der Fassmalerin Maria Anna Deybl (Deyblin) sind begründet durch die hohen Materialkosten der Metalllüsterungen und Vergoldungen. Sie zeigen aber auch die barocke Wertschätzung dieser wichtigen Arbeit, deren Verfasser heute kaum je erwähnt werden.

 

Hauptwerk von Johann Georg Lindt ist der Hochaltar in der Wallfahrtskirche Marienberg. Der Säulenaltar ist ein plastisches Meisterwerk des Rokoko von höchster Qualität. Lindt stellt ihn im August 1764 in der Kirche auf. Im Zentrum fügt er das Marien-Gnadenbild des 17. Jahrhunderts ein. Zu Füssen des Gnadenbildes stehen der hl. Dominikus und die hl. Katharina von Siena. Die beiden Dominikanerheiligen sind ein Hinweis auf die Einführung der Rosenkranzbruderschaft durch die Dominikaner aus Landshut. Beidseits der freigestellten und in den Raum vorstehenden Säulen ordnet Lindt die überlebensgrossen (283 Zentimeter) beiden Bischöfe Benno (mit Fisch) und Rupertus (mit Salzfass) zu sehen. Damit sind die Patrone von Bayern und Salzburg nebst dem Gnadenbild der «Patrona Bavariae» die Hauptfiguren..
  Johann Georg Lindt (1734–1795)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  4. März 1734 Obervellach     Kärnten A  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Österreich Herzogtum Kärnten     Salzburg  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  13. Juli 1795 Burghausen     Oberbayern D  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Kurfürstentum Bayern     Salzburg  
  Kurzbiografie        
 

Der Bildhauer Johann Georg Lindt ist ausserhalb seines engen Wirkungskreises um die Wahlheimat Burghausen kaum bekannt. Es sind vor allem seine Altäre, die ihn als hervorragenden spätbarocken Bildhauer auszeichnen. Er entwirft sie und fertigt ihre plastischen Holzarbeiten. Seine bekannten Werke fallen in die 1760er- und frühen 1770er-Jahre. Seine Entwürfe und die Kosten muss er jeweils durch den kurfürstlichen Geistlichen Rat genehmigen lassen, der mit den Forderungen für eine «edle Simplicität» bei den Werken von Lindt nach 1668 zu gestalterischen Rückschritten führt. Mit dem beginnenden Klassizismus enden auch die Aufträge. Hauptwerk des Bildhauers ist der 1664 aufgestellte Hochaltar der Wallfahrtskirche Marienberg

    MarienbergHochaltar  
  bio pdf werkliste     legende  

Werke von Johann Georg Lindt

Archivalisch gesicherte und zugeschriebene Werke

Quelle: Carl Graepler. Entwürfe nicht ausgeführter Arbeiten sind nicht enthalten.

Entwurf Werk Ort, Bauwerk Arbeit

1759

1759 Burghausen. Oberbayern.
Pfarrkirche St. Jakob.
Sebastians-Altar (zerstört 1856).
Altarentwurf? Sebastians-Statue (erhalten).

1759

1759 Heiligkreuz bei Burghausen. Oberbayern. Figur der hl. Magdalena aus dem eingelagerten ehemaligen Hochaltar (Innenraum-Purifizierung 1953/54!, Quelle: Dehio).

1759
(um)

1761 Ostermieting im Innviertel. Seit 1777 Oberösterreich. Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Kanzel, 1761 fertiggestellt.
Entwurf und Bildhauerarbeiten.

1761

1762 Raitenhaslach. Oberbayern.
Zisterzienserabtei. Abtskapelle in der neuen Prälatur.
Kapellen-Altar (Weihe 1762).
Entwurf und Bildhauerarbeiten.

1761

1766–
1776
Höslwang. Oberbayern.
Pfarrkirche St. Nikolaus.
Hochaltar (1766), Laurentius-Altar (um 1768/73). Sebastians-Altar (um 1768/73), vier freistehende Figuren (um 1769/70, davon zwei aus Eggstätt), Altar der Antoniuskapelle (um 1775/76). Entwurf und Bildhauerarbeiten.

1762

1762 Burghausen. Oberbayern.
Pfarrkirche St. Jakob.
Grabstein des Adam von Sattelbogen.

1762

1764–
1765
Söchtenau. Oberbayern.
Pfarrkirche St. Margaretha.
Hochalter (1765). Entwurf und Bildhauerarbeiten. Kanzel (Entwurf 1762). Ausführung vermutlich nicht Lindt.

1762

1769–
1771
Babensham. Oberbayern.
Pfarrkirche St. Martin.
Kanzel 1762. Hochaltar-Entwurf wird 1768 vom Geistlichen Rat abgelehnt. Lindt erstellt Aufsatz-Engelpaare (1770/71) und neuer Tabernakel am bestehenden Hochaltar (1769). Beginn der verordneten Simplizität in der Gestaltung.

1762
(um)

1762–
1764
Marienberg. Oberbayern.
Wallfahrtskirche der Abtei Raitenhaslach.
Hochaltar 1764 , Anna-Altar (1762/64), Bernhard-Altar (1762/64). Entwurf der Altäre und Bildhauerarbeiten, entsprechend dem Ausstattungsprogramm von Abt Emanuel II.

1764

1764 Lochen im Innviertel. Seit 1777 Oberösterreich. Nothelferaltar. Entwurf und Bildhauerarbeiten.

1765

1768 Eggstätt. Oberbayern.
Pfarrkirche St. Georg.
Hochaltar (1768), Zerstörung beim Kirchenabbruch 1867.
Die Gruppe des hl. Georg zu Pferd ist heute in Aufham in Privatbesitz erhalten. Zwei Seitenaltarfiguren sind heute in der Kirche Höslwang, zwei weitere sind in Privatbesitz.

1766

1766 Burghausen. Oberbayern.
Pfarrkirche St. Jakob.
Grabstein der Maria Anna von Heppenstein.

1766

1767 Pittenhart. Oberbayern.
Pfarrkirche St. Nikolaus.
Hl.-Kreuz-Altar. Entwurf und Bildhauerarbeiten.

1767
(um)

1767
(um
Vordorf bei Haiming. Oberbayern.
Gradl-Kapelle.
Muttergottes-Figur auf Wolken gegen Himmel fahrend. 1847 aus unbekannter Herkunft für Gradl-Kapelle erworben.

1767
(um)

1768 Altötting. Oberbayern.
Wallfahrtskapelle St. Maria.
Figurengruppe über dem Westeingang: Der hl. Rupert setzt das Gnadenbild ein (Quelle Dehio).

1768

1768 Burghausen. Oberbayern.
Pfarrkirche St. Jakob.
1. Grabstein der Anna Theresia von Manner.
2. Figuren der Ölbergnische an Choraussenseite (2. Hälfte 18. Jahrhundert, Quelle: Dehio).

1769
(um)

1771–
1775
Ach bei Burghausen. Heute Hochberg-Ach, seit 1777 Oberösterreich.
Kirche Maria Heimsuchung
Hochaltar (1771), zwei Seitenaltäre (1772), zwei Oratorien und Türaufsätze im Chor (1772), vier Oratorien im Langhaus (1774), grössere Stuckaturarbeiten (1772, 387 Gulden). In der Kirche Mariä Himmelfahrt von Hochburg zwei Einzelfiguren (1775).  Entwürfe und Bildhauerarbeiten.

1770
(um)

1770
(um)
Niedergottsau. Oberbayern.
Kirche Mariä Himmelfahrt.
Seitenfiguren des Hochaltars von 1780 (Quelle: Dehio).

1770
(um)

1770
(um)
Burghausen. Oberbayern.
Kapuzinerkirche St. Anna.
Kruzifix über dem (modernen) Altar.

1771
(um)

1772 Burghausen. Oberbayern.
Hl.-Geist-Spitalkirche.
Kanzel und Kreuzwegaufsätze (1772 fertiggestellt).
Entwurf und Bildhauerarbeiten.

1772
(um)

1775
(um)
Gilgenberg im Innviertel. Seit 1777 Oberösterreich.
Pfarrkirche St. Ägidius.
Hl. Sebastian unter Baldachin.

1772
(um)

1775
(um)
Handenberg im Innviertel. Seit 1777 Oberösterreich.
Pfarrkirche St. Martin.
Hl. Sebastian unter Baldachin und Christus an der Säule.

1775
(um)

1775
(um)
Kastl. Oberbayern.
Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt.
Figurengruppe der hll. Sebastian, Anna, Joachim und Joseph, aus abgebrochenen Seitenaltären.

1775
(um)

1775
(um)
Burghausen. Oberbayern.
Kirche der Englischen Fräulein.
Schutzengelgruppe in Fassadennische oberhalb Kirchenportal.

1780

1781 Gern. Niederbayern.
Pfarrkirche St. Georg.
Grabstein des Reichsgrafen Kajetan von Closen.

1780
(um)

1780
(um)
Haiming (Oberbayern).
Pfarrkirche St. Stephan.
Zwei Statuetten (hl. Sebastian und hl. Rochus) auf Prozessionsstangen.

1788

1788 Burghausen. Oberbayern.
Pfarrkirche St. Jakob.
Grabstein für den Kirchherrn Karl von Lippert. Heute zerstört.