«Cristofano Storer, Pittore die Costanza» wird das Porträt 1784 in einem Inventar der Uffizien von Florenz bezeichnet. Es dürfte sich um ein unsigniertes Selbstbildnis aus der italienischen Zeit des Künstlers handeln, das heute im Corridoio Vasari hängt. Das Bild zeigt einen jungen Kavalier im Alter von 30–35 Jahren mit modisch gezwirbeltem Schurr- und Kinnbart. Kein Attribut deutet auf seinen Beruf hin. Die auf das notwendigste reduzierte Hell-Dunkel-Darstellung und der Malstil verrät einen sicheren und geschulten Künstler des frühen Barocks.

Johann Christoph Storer (1620–1671)

«Joh. Christoff Storer des Radts und Stadt Seckelmaister»[1]

Johann Christoph Storer (auch: Storrer) wird am 21. Juli 1620 in Konstanz als Sohn des Malers Bartholomäus Storer (1586–1635) und seiner Ehefrau Maria Catharina Keller getauft. Nach einer schulischen Ausbildung am Jesuitenkolleg und ersten Lehrjahren bei seinem Vater ist er 1637 in Augsburg anzutreffen, wo er vermutlich bei Caspar Strauss (1595–1663) die Meisterlehre macht. Er hat sich, vielleicht durch einen Aufenthalt in den Niederlanden, in dieser Zeit intensiv mit der flämischen Barockmalerei und den Werken von Rubens auseinandergesetzt. Nach dem Tod seines Vaters kehrt er für kurze Zeit nach Konstanz zurück, orientiert sich aber kurz darauf Richtung Italien und nimmt 1639/40 Wohnsitz in Mailand. Hier wird er Schüler und Mitarbeiter von Ercole Procaccini. Er macht sich schnell selbstständig und gründet schon 1644 eine eigene Werkstatt in Mailand. Ein erster Auftrag ist die künstlerische Gestaltung, das «Castrum doloris», anlässlich der Todesfeierlichkeiten der Königin Isabella von Spanien. Weitere wichtige Aufträge, vor allem als Freskomaler und für Altarblätter, machen Storer im künstlerisch anspruchsvollen lombardischen Raum bekannt. Erfolg hat er bei seinen Gemälden vor allem durch die flämische Art der lockeren Pinselführung mit stark verdünnten Farben und durch seine an der Rubens-Werkstatt orientierte Auswahl der Vorlagen. Ende der 40er-Jahre greift Storer auch häufig zur Radiernadel und wird so mit dem druckgraphischen Medium vertraut, für das er später meisterhafte Entwürfe liefert. 1646 heiratet er eine Mailänderin, die aber jung stirbt. Aus dieser Ehe stammt der Sohn Johann Lukas, der später ebenfalls Maler wird.[2] 1648 heiratet er erneut. Angela Catherina Banfi ist Tochter einer wohlhabenden Mailänder Familie. 1652 kehrt Storer anlässlich des Todes seiner Mutter erstmals nach Konstanz zurück und beginnt mit der Vorbereitung seiner Rückkehr. Wie andernorts hat sich auch im Bodenseegebiet die allgemeine Lage in den Jahren nach dem Westfälischen Frieden beruhigt und das künstlerische Leben kommt wieder in Gang. Grossen Anteil am gegenreformatorischen künstlerischen Aufschwung haben die Jesuiten, mit denen Storer schon in Mailand zusammenarbeitet, und die ihm vermutlich auch die Rückkehr erleichtern. 1655 etabliert er die Werkstatt in Konstanz, die Werkstatt in Mailand wird noch bis nach 1657 betrieben, vielleicht von seinem Mitarbeiter Andreas Asper (1617–1682/83). Dieser kehrt 1758, ebenfalls mit einer Mailänderin verheiratet, nach Konstanz zurück. 1757 erhält Storer Zahlungen für die ersten Werke nach seiner Rückkehr. Es sind Altarblätter für die Jesuiten in Luzern und für den Augsburger Dom. Er zieht sich jetzt aus der aufwändigen und ortsabhängigen Freskenmalerei zurück und fertigt nur mehr Leinwandbilder, die auch über weite Strecken leicht zu transportieren sind. Um die steigende Auftragslage zu befriedigen, bedient sich Storer gut eingespielter Werkstattstrukturen. Entwürfe werden wieder verwendet oder Kopien nach ausgelieferten Altarbildern gefertigt. Hauptauftraggeber und Vermittler des gefragten Malers bleiben die Jesuitenniederlassungen der oberdeutschen Provinz. Unübersehbar ist die enge Verbindung im thematischen Bildrepertoire Storers, mit Szenen aus dem Marienleben, der Heiligen Familie oder Ordens- und Lokalpatronen, zu den zentralen Glaubensfragen der Societas Jesu. Seine Altarblätter und allegorische Druckgraphiken für Thesenblätter müssen als bewusste Reflexion barocker (jesuitischer) Bildvorstellungen aufgefasst werden.[3] Seine erfolgreiche künstlerische Tätigkeit lässt ihn von 1658 bis zu seinem Tod Mitglied des Kleinen Rates werden und zeitweise das Amt des Stadtsäckelmeisters von Konstanz ausüben. Er stirbt 1671, 61 Jahre alt und hochgeachtet, in Konstanz. Die Inschrift auf seinem Epitaph verfasst Storers Bewunderer Pater Gabriel Bucelin aus Weingarten.

Würdigung
Die rekatholisierte, nun vorderösterreichische Provinzstadt Konstanz kann im 17. Jahrhundert, trotz einer zunehmenden wirtschaftlichen Verarmung, als Zentrum einer Tafelmalerei von eigenem barockem Gepräge verstanden werden. Die Malerei ist anfänglich noch nach dem manieristischen italienischen Seicento orientiert und steht mit ernster, verhaltener und dunkeltoniger Malart noch ganz im Dienst der gegenreformatorischen Kirche. Die verschwenderische Prachtentfaltung und die heiter-beschwingten himmlischen Freudenfeste der triumphierenden Kirche kennt diese Kunst einstweilen nicht. In Johann Christoph Storer findet sie ihren überragenden, mit den besten deutschen Malern seiner Zeit vergleichbaren Vertreter. Er prägt mit seinen flämisch orientierten Werken die nachfolgende Generation von Konstanzer Künstlern, wie Johann Michael Feuchtmayer (1666–1713) und Franz Carl Stauder (1660–1714).

Pius Bieri 2008

Benutzte Literatur:
Onken, Thomas: Jacob Carl Stauder; Sigmaringen 1972.
Brinkmöller-Gandlau, Harriet: Stor(r)er, Johann Christoph, in: Biografisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (Bautz), Band X,  Herzberg 1995.
Appuhn-Radtke, Sybille: Zum Kreuzigungsbild des Johann Christoph Storer aus Petershausen, in: ZAK Band 53, Heft 1, Zürich 1996.
Appuhn-Radtke, Sybille: Visuelle Medien im Dienst der Gesellschaft Jesu; Regensburg 2000.

Anmerkungen:

[1] Vertragsunterschrift Petershausen 1668

[2] Von ihm sind keine Werke bekannt.

[3] Storer sieht seine Kompositionen, wie alle barocken Meister im Dienst der Kirche oder des Staates, als Lehrtafeln ihres Bildinhaltes und nicht als autonome Kunstwerke.

Werkverzeichnis (Auswahl)

Werkauswahl Malerei, ohne Grafik:

A. Auswahl an noch bestehenden Werken der Schaffensperiode Mailand 1645–1655
Anmerkung: Viele Werke Storers im lombardischen Raum sind heute zerstört oder verschollen.
Bergamo, Palazzo Terzi, Sala degli Specchi, vor 1645, Fresken (Astrologia, die vier Elemente, die vier Erdteile).
Mailand, Sant'Eustorgio, um 1645 (Bethlehemitischer Kindermord), Öl auf Leinwand, Grösse: B 420 H 300. Zum Bild. Quelle Wikipedia IT.
Bergamo, Palazzo Terzi, Sala Rossa, ab 1645, Fresken (Olymp, Allegorien).
Pavia, Certosa, Cappella della Vergine del Rosario, um 1649/52, Fresken (Himmelfahrt Mariä, Krönung Mariä, Ausgiessung des Hl. Geistes, Auferstehung Christi, Himmelfahrt, Mose, Propheten und Rundbilder mit Engeln).
Mailand, Kapelle San Sisto in San Lorenzo Maggiore, um 1650, Fresko (Jüngstes Gericht).
Almenno S. Bartolomeo, Bergamo, 1651 (Beweinung Christi).
Gandino, S. Maria Assunta, Bergamo, um 1650 (Anbetung des Kindes).
Florenz, Uffizien, um 1653 (Selbstbildnis, nicht signiert).
Bergamo, Palazzo Terzi, Salone d'Onore, 1655, vier Tafelbilder B 150–600 cm, H 300 cm (Themen aus dem Alten Testament).
 
B. Auswahl Altarblätter deutschsprachiges Gebiet, chronologisch:
Konstanz (D), Schottenkapelle, jetzt Augustinerkirche, nach 1635 (Beweinung Christi).
Luzern (CH), Jesuitenkirche St. Michael, jetzt Sakristei der Jesuitenkirche St. Franz Xaver, 1655–1657 (Borromäus-Altar).
Luzern (CH), Jesuitenkolleg, jetzt Regierungsgebäude, 1655–1657 (Vision des hl. Ignatius).
Birnau (D), Wallfahrtskirche, jetzt Rottenmünster/Rottweil, 1656-1657 (Hochaltarblatt Mariä Himmelfahrt).
Augsburg (D), Dom, jetzt Hohenwart, 1657 (Christus, von Maria und Engeln beweint).
Augsburg (D), Dom, jetzt Bachern Friedberg, 1658 (Wolfsmirakel des hl. Simpert).
Muri (CH), Klosterkirche, jetzt Hermetschwil, 1658 (Kampf des Erzengels Michael).
Muri (CH), Klosterkirche, jetzt Hermetschwil, 1658 (Kreuzigung Christi).
Konstanz (D), Dom, 1659 (Epitaph des Weihbischofs Miller).
Muri (CH), Klosterkirche, 1659 (Tod des hl. Benedikt).
Muri (CH), Klosterkirche, um 1659 (Oberblatt Benediktsaltar, Madonna mit Heiligen).
Meersburg (D), Hofkapelle, jetzt Pfarrkirche, 1659 (Flucht nach Ägypten).
Dillingen (D), Jesuitenkirche, 1660 (Ignatius empfiehlt Maria und dem Kind seine Heidenchristen).
Dillingen (D), Jesuitenkirche, 1660 (Ignatius empfängt von Maria und dem Jesuskind die Regulae studiorum).
Dillingen (D), Pfarrkirche, 1661 (Petrus und Paulus auf dem Weg zum Martyrium).
St. Peter im Schwarzwald (D), Klosterkirche, 1661 (Hochaltarblatt Krönung Mariä).
Ottobeuren (D), Klosterkirche, 1663 (Himmelfahrt Mariä, 1764 von Johann Jakob Zeiller überarbeitet).
Zwiefalten (D), Arkadenhof «Coemeterium» um 1662 (Benediktsvita, mehrere Halbkreisgemälde).
München (D), Hl. Geist- Kirche, um 1662 (Kreuzigung mit Maria und Johannes).
St. Urban (CH), Klosterkirche, 1662–1665 (Hauptaltarblatt mit Intercessio des hl. Bernhard).
Landshut (D), Jesuitenkirche, 1662 (Kreuztragender Christus erscheint dem hl. Ignatius).
Ottobeuren (D), Klosterkirche, 1663 (Anbetung der Hirten, 1764 von Johann Jakob Zeiller überarbeitet).
Steingaden (D), Klosterkirche, um 1663 (Übergabe des Ordenskleides an den hl. Norbert).
Edelstetten (D), Stiftskirche, um 1663 (Translation der hl. Katharina und Mariä Tempelgang).
Petershausen (D), Klosterkirche, 1663, jetzt Kreuzlingen, (Kreuzigung Christi, Kopie 1963 nach Brand).
Weingarten (D), Klosterkirche, 1664 (Marter des hl. Laurentius).
Landshut (D), Jesuitenkirche, 1666 (Altarblätter des Josephs- und des Xaverius-Altars).
Eggolsheim Forchheim (D) Pfarrkirche, 1666 (Anbetung der Hirten).
Einsiedeln (CH), Klosterkirche, um 1666, (Patroziniumsaltar mit Gnadenkapelle als Argument der Intercessio und Christus am Ölberg).
Innsbruck (A), Jesuitenkirche, 1667 (Hl. Pirmin, Schutzengel, Verkündigung Mariä).
Würzburg (D), Karmelitenkirche, jetzt Juliusspital, um 1667 (Hl. Albert Siculus als Krankenpatron).
St. Urban (CH), Klosterkirche, 1668/69 (Madonna mit Kind).
St. Blasien (D), Stiftskirche, 1669 (Marienkrönung und Michaelskampf), nur in Nachzeichnung erhalten.

Pius Bieri 2008
  Johann Christoph Storer (1620–1671)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  21. Juli 1620 Taufe Konstanz     Baden-Württemberg D  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Vorderösterreich     Konstanz  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  15. Januar 1671 Konstanz     Baden-Württemberg D  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Vorderösterreich     Konstanz  
  Kurzbiografie        
 

Johann Christoph Storer kehrt nach dem Dreissigjährigen Krieg aus Mailand wieder in seine Heimatstadt Konstanz zurück, obwohl er in der lombardischen Metropole gesuchter Maler und Freskant ist. Die Jesuiten, welche das Bild als allgemeinverständliches visuelles Medium gezielt in ihr gegenreformatorisches Bildungsprogramm einsetzen, helfen ihm beim Wechsel in das Bodenseegebiet. Er wird hier zum vielbeschäftigten, wichtigsten Künstler der Region mit grosser Nachwirkung auf die nachfolgende Malergeneration. Obwohl er der erste deutsche Künstler ist, der die Malerei «al fresco» souverän beherrscht, wird er im Norden aus Zeitgründen kein Fresko mehr erstellen, und seinen Schüler Andreas Asper für die frühen Fresken in Kempten empfehlen.

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