Die Meister des Bauwerks (Auswahl)
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Philipp Joseph Jenisch (1671–1736) Marbach Jenisch   Landbaudirektor 1704   1706
Johann Friedrich Nette (1673−1714) Bernau bei Berlin ok   Ingenieur-Architekt 1707   1714
Donato Giuseppe Frisoni (1681/83–1735) Laino Val d'Intelvi Frisoni   Stuckateur-Architekt 1709   1733
Tommaso Soldati (1665–1743) Ponna Val d'Intelvi     Stuckateur 1709   1713
Joh. Jakob Stevens von Steinfels (1651–1730) Prag     Maler, Freskant 1709   1710
Luca Antonio Colomba (1674–1737) Arogno Tessin ok   Maler, Freskant 1709   1724
Giorgio Ferretti (1666–1735) Castiglione Val d'Intelvi     Bildhauer 1712   1724
Giacomo Antonio Corbellini (1673–1742) Laino Val d'Intelvi     Stuckateur-Marmorierer 1715   1733
Donato Riccardo Retti (1687–1741) Laino Val d'Intelvi     Stuckateur 1716   1733
Diego Francesco Carlone (1674–1750) Scaria Val d'Intelvi CarloneDiego   Stuckateur, Bildhauer 1716   1733
Livio Retti (1692−1751) Laino Val d'Intelvi     Maler, Freskant 1716   1749
Carlo Ferretti (1689–nach 1737) Castiglione Val d'Intelvi     Bildhauer-Stuckateur 1717   1724
Carlo Innocenzo Carlone (um 1687−1775) Scaria Val d'Intelvi ok   Maler, Freskant 1718   1733
Giuseppe Baroffio (1692–1778) Varese     Quadraturmaler 1730   1733
Giovan Pietro Scotti (1695–1761) Laino Val d'Intelvi     Maler, Freskant 1730   1733
Philippe de la Guêpière (1715–1773) Sceaux / Paris     Hofarchitekt 1757   1759
Ludovico Bossi (1731–nach 1773) Porto Ceresio I Bossilud   Stuckateur 1758   1759
Nikolaus Friedrich von Thouret (1767−1845) Ludwigsburg     Hofarchitekt 1798   1816

 

Ludwigsburg
Ehemalige Residenz der Herzöge von Württemberg

Der Neubau von Eberhard Ludwig, Herzog von Württemberg

Erste Bauetappe

Der Erlachhof 1699–1705
Noch vor dem Aufbruch zur Kavaliersreise, die der 24-jährige Herzog Eberhard Ludwig im Frühjahr 1700 beginnt, gibt er seinem Hofbaumeister Matthias Weiss den Auftrag zum Neubau des kriegszerstörten Erlachhofes in der Hügellandschaft nördlich von Stuttgart.[1] Der Hof ist beliebtes Jagdquartier der Württemberger Herzöge. Weiss plant ein einfaches dreigeschossiges Gebäude, den «Neuen Herrschaftlichen Bau».[2] Der 1701 ausgebrochene Spanische Erbfolgekrieg verzögert die Fertigstellung. Am Krieg nimmt der Herzog aktiv teil und ist 1704 nach der Schlacht von Höchstädt auf der Siegerseite. Dies und vielleicht auch Eindrücke seiner Kavaliersreise mit den Besichtigungen von barocken Schlössern und deren Gärten in den Niederlanden und in London mögen ihn veranlasst haben, an Stelle des noch der Renaissance verhafteten Erlachhofes eine standesgemässe Anlage zu errichten. Schon 1703 ermöglicht er dem Theologen und Mathematiker Philipp Joseph Jenisch ein Auslandstudium zum Erlernen der Baukunst.[3] Nach dessen Rückkehr ernennt er ihn zum Landbaudirektor und überträgt ihm die Planungen zu einem «Maison de Plaisance» mit Einbezug des noch unvollendeten «Neuen Herrschaftlichen Baus». 1704 wird der Grundstein zum Corps de Logis gemäss der Planung Jenisch gelegt. Die Architektur zeigt italienisch-böhmische Einflüsse.[4] Der «Neue Herrschaftliche Bau» und sein westliches Gegenüber, der zweistöckige «Cavaliersbau» bilden vorerst die Seitenflügel. Die freie Anordnung der Gebäude, wie sie der Herzog aus Holland kennt, ist schon im Projekt Jenisch vorhanden und wird bei allen späteren Erweiterungen wieder aufgenommen. Die erste Bauetappe kommt aber nur schleppend voran, die grossen Kriegslasten behindern die Finanzierung und verzögern den Baufortschritt.

Zweite Bauetappe

Das Jagd- und Lustschloss Ludwigsburg 1707–1714
Herzog Eberhard Ludwig nennt den neuen Schlossbau jetzt Ludwigsburg. Er hält sich nach den Siegen über die bayrisch-französischen Truppen 1705 in München auf, besichtigt die dortigen Residenzbauten und kommt zur Einsicht, dass seine württembergischen Baufachleute zu ähnlichen Leistungen nicht fähig sind. Anfang 1707 wird deshalb Jenisch durch den 23-jährigen Ingenieur-Hauptmann Johann Friedrich Nette aus Berlin abgelöst.[5] Seine Aufgabe ist nicht einfach. Er soll aus einem schon bis ins Erdgeschoss gediehenen Corps de Logis und den zwei ungleichen und architektonisch rückständigen Seitenflügeln des Hofbaumeisters Weiss eine barocke Schlossanlage schaffen, deren Gärtenterrassen ebenfalls schon begonnen sind. Seine Arbeit wird durch die Intrigen seines Vorgängers, der im Werkmeister Heim einen Verbündeten hat, aber auch durch die grundsätzliche Gegnerschaft der württembergischen Ehrbarkeit gegen das für sie schwer verständliche Projekt zusätzlich erschwert. Ein Pfarrer wettert selbst von der Kanzel gegen die «Ludwigsburger Sinnensbrunst».[6] Trotzdem stellt der junge brandenburgische Architekt in sehr kurzer Zeit eine völlige Neuplanung vor, nach der schon 1707 weitergebaut wird. Wir kennen diese Planung aus einer Stichfolge, die Nette 1709 selbst veröffentlicht. Die beiden Flügelbauten des Hofbaumeisters Weiss sollen ersetzt werden, der westliche wird noch 1707 abgebrochen. Nette führt das Corps de Logis nach seinen neuen Plänen bis 1708 unter Dach. Mit dem Neubau des westlichen Flügelbaus, dem «Ordensbau» wird erst 1709 begonnen. In der Zwischenzeit reist Nette nach Prag, dem Zentrum des von Borromini und Guarini beeinflussten Spätbarocks, um die in Württemberg nicht vorhandenen Fachkräfte für den beginnenden Innenausbau zu finden.[7] Während die neu eingestellten Stuckateure und Freskanten im Corps de Logis nun sofort beginnen und bis 1711 auch den Ordensbau fertigstellen, weicht sein Gegenüber, der «Neue Herrschaftliche Bau» des Baumeisters Weiss erst jetzt einem Neubau. Dieser wird Riesenbau genannt. 1713 kann auch mit dem Innenausbau des Riesenbaus begonnen werden. Inzwischen hat Nette bereits eine Erweiterung geplant. Er setzt zwei freie Pavillonpaare westlich und östlich an die Flanken der Flügelbauten. Die mit dem Corps de Logis durch Galerien verbundenen sogenannten Jagd- und Spielpavillons werden nach Nettes Plänen gebaut, die südlichen Pendants mit der Ordens- und Schlosskapelle bis zur Vollendung des Riesenbaus zurückgestellt. 1714 reist Nette, erschöpft und gezeichnet von den Dauerintrigen gegen seine Person, fast fluchtartig nach Paris.
Auf der vom Herzog befohlenen Rückreise stirbt er in Nancy.[8]

Dritte Bauetappe

Die Residenz Ludwigsburg als Dreiflügelanlage 1715–1723
Nachfolger Nettes wird der schon seit 1709 als Stuckateur in Ludwigsburg tätige Donato Giuseppe Frisoni aus dem oberitalienischen Laino im Val d’Intelvi.[9] Frisoni ist hervorragender Zeichner und auch für die Entwürfe der Innenausstattung der bisherigen Bauten verantwortlich. Dass ihn der Herzog, sicher unterstützt vom Hofmarschall Georg Friedrich Forstner von Dambenoy,[10] im Februar 1715 trotz erheblichem Widerstand der Stuttgarter Baudeputation zu seinem neuen Architekten in Ludwigsburg bestimmt, ist ein Glücksfall für die Schlossanlage und für die gleichzeitig entstehende Stadt. Mit dem im gleichen Jahr gefällten Beschluss der Residenzverlegung von Stuttgart nach Ludwigsburg schafft der Herzog auch eine neue Ausgangslage für die weiteren Bauetappen unter der Leitung Frisonis. Die von Frisoni sofort vorgelegte Neuplanung zeigt eine nach Süden erheblich erweiterte Anlage. An den Nahtstellen zu den bestehenden Flügeln befinden sich jetzt anstelle der von Nette geplanten Pavillons die freigestellten Zentralbauten der Schlosskirche und des Ordenspavillons. Zwei neue Flügel in ähnlicher Grösse wie der Riesenbau und der Ordensbau, die sogenannten Kavaliersbauten für die Hofleute, verlängern den Ehrenhof um das Doppelte. Mit diesen Bauten wird noch 1715 begonnen. 1717 sind die östlichen Bauten und der ihnen östlich vorgestellte Sakralbau unter Dach. Es zeigt sich jetzt, dass die Fähigkeiten im Gewölbebau und auch das Organisationstalent einheimischer Baufachleute für Ludwigsburg nicht genügen.[11] Denn nebst der Residenz wird unter der Leitung Frisonis gleichzeitig die neue Stadt mit der Stadtkirche und das Lustschloss Favorite gebaut. Frisoni holt deshalb als Baumeister den Unternehmer Paolo Retti aus seinem Heimatort Laino nach Ludwigsburg.[12] Als Marmorierer und Stuckateur kommt Giacomo Antonio Corbellini, ebenfalls aus Laino.[13] 1718 folgen mit den beiden Brüdern Carlone zwei weitere Meister aus dem Val d’Intelvi. Es sind die bereits berühmten Diego Francesco und Carlo Innocenzo Carlone, die für die Innenraumgestaltung der Schlosskirche angestellt werden.[14]

Die evangelische Schlosskirche
Frisoni plant den im Grundriss kleeblattförmigen Zentralbau der Schlosskirche nach böhmisch-österreichischen Vorbildern.[15] Die Wallfahrtskirche von Christkindl, ein Bau des Landsmannes Carlo Antonio Carlone, könnte eines der Vorbilder sein. Die Wallfahrtskirche ist zwar kleiner als das ähnliche Ludwigsburger Projekt, in der Breite fehlen fünf Meter und der Kuppeldurchmesser ist ein Meter kleiner, aber im Grundriss ist sie fast identisch. Derartige, durch Guarini und Borromini beeinflussten Zentralbauten mit ihren verschleifenden Kuppeln sind im klassizistischen Barock Frankreichs und der nordischen Länder, und deshalb auch im protestantischen Kirchenbau völlig unbekannt. Die Schlosskirche ist nicht nur neuartig, sie ist zudem seit über 100 Jahren der erste neue Sakralbau überhaupt im Herzogtum Württemberg. Bis 1723 entsteht hier ein Gesamtkunstwerk des Barock, ausgeführt von miteinander verschwägerten Künstlern. «Die Kuppel und Altar-Blatt ist von dem berühmten Mahler Herrn Carlo Carloni. Die Neben Kapellen oder Empor Kirchen von dem berühmten Mahler Herrn Lucca Antonio Colomba Ihro Durchl. würckl. Hoff=Mahler. Die Figuren von glantzendem Alabaster Gips sind gemacht worden von Herrn Diego Carloni. Die übrigen ornamenta sind alle kostbar fein vergüldet. Die Architectur aber von dem Autore gemacht», schreibt der Autor Frisoni in der Bildlegende seines Stichwerkes, das er 1727 veröffentlicht. Die Schlosskirche wird nur kurze Zeit für den evangelischen Gottesdienst genutzt. Während der Regierung der katholischen Herzöge von 1737 und 1798 und wieder seit 1829 dient sie dem katholischen Gottesdienst.[16]
Das symmetrische Gegenstück zur Hofkapelle, der Ordenspavillon, wird 1746 zur evangelischen Hofkapelle umgestaltet und 1806 in die heutige klassizistische Ordenskapelle umgewandelt.

Vierte Bauetappe

Die Residenz Ludwigsburg als Vierflügelanlage 1724–1733
Noch während der zweiten Erweiterungsphase plant Frisoni für Herzog Eberhard Ludwig eine Vergrösserung des Corps de Logis im Norden und zwei neue Flügelbauten im Süden. Der bereits sehr ambitiöse Plan wird 1724 zugunsten eines «Neuen» Corps de Logis als südlichen Abschluss zum Hofgarten aufgegeben. Das neue, 1725 begonnene Hauptgebäude sprengt die bisherigen Massstäbe. Zum Ehrenhof dreigeschossig, zum ansteigenden Hofgarten zweigeschossig, ist es mit 152 Metern Länge mehr als dreimal so lang wie das nunmehr «Alte Corps de Logis». Es bildet den Abschluss des Hofgartens und verdoppelt als vierter Flügel der soeben fertig gebauten Dreiflügelanlage die Ehrenhoflänge auf 160 Meter. Mit den östlichen und westlichen Flügelbauten dieser «alten» Anlage ist es durch zwei lange Galerieräume verbunden. Die Gartenfassade weist kein Sockelgeschoss auf, die Kolossalpilaster der Risalite stehen wie bei den Schlössern Schleissheim und Troja auf der Gartenterrasse. Hier, in München und Böhmen, sind die Vorbilder Frisonis nochmals zu suchen.[17] Die Bauausführung übernimmt der Bauunternehmer Paolo Retti im Generalakkord für 465 000 Gulden. Im Akkord verpflichtet sich Retti auch für Ausführung der beiden grossen, östlich und westlich parallel zu den Kavaliersbauten geplanten Saalbauten, Theater- und Festinbau genannt. Retti bringt die neuen Schlossbauten von Anfang 1726 bis Ende 1728 unter Dach. Zeitweise arbeiten über 650 Maurer, Taglöhner und Steinhauer auf der Baustelle. Schon 1729 arbeiten Stuckateure, Marmorierer, Freskanten, Schreiner und Vergolder im Inneren und in den Verbindungsgalerien. 1733 sind die wichtigsten Räume vollendet, nur die Möblierung fehlt noch teilweise. In diesem Jahr stirbt Herzog Eberhard Ludwig, der grosse Bauherr von Ludwigsburg, ohne einen Erben zu hinterlassen. Nachfolger wird sein katholischer Cousin, Carl Alexander, welcher die Residenz wieder nach Stuttgart zurückverlegt.[18] Grund der Verlegung ist seine Vorliebe für das Militär. Für ihn ist Festungsbau wichtiger als eine repräsentative Residenz. Kulturelles und wirtschaftliches Engagement sind ihm fremd. Und die riesigen neuen Ausgaben für die Aufrüstung, auch bedingt durch Heeresleistungen für den soeben ausgebrochenen Polnischen Thronfolgekrieg, erlauben keine weiteren Mittel für Ludwigsburg. Die Künstler und Baufachleute aus dem Val d’Intelvi verlassen Württemberg. Hauptgrund sind die offensichtlich  konstruierten Falschanschuldigungen gegen ihre Landsleute, den Hofarchitekten Donato Giuseppe Frisoni und den Bauunternehmer Paolo Retti. Neid und Missgunst der einheimischen Konkurrenz, aber auch berechnende Absicht auf ihr Vermögen stecken dahinter. Die beiden kommen in Festungshaft und werden erst nach hohen Zahlungen an die herzogliche Kasse 1735 freigelassen. Drei Jahre später, nach dem frühen Tod des Herzogs Carl Alexander, schützt dann selbst sein grosses Vermögen den jüdischen Finanzexperten und Geheimen Rat des Herzogs, Joseph Süss Oppenheimer, nicht vor der grausamen Rache der württembergischen Ehrbarkeit. Er fällt einem Justizmord zum Opfer. Als todeswürdiges Verbrechen lastet man ihm unter anderem die erste Bankgründung in Württemberg an.

Die Ludwigsburger Innenräume als Werk der Meister aus dem Val d'Intelvi


> Lage des Val d'Intelvi
> Verwandschaften der Meister des Val d'Intelvi

Mit dem Tod des Herzogs Eberhard Ludwig endet das Engagement der Planer, Bauleute und Künstler aus dem Val d’Intelvi in Ludwigsburg. Die Residenz, das Lustschloss Favorite und auch viele Gebäude der Stadt sind ihr Werk. Alle Räume der Residenz sind durch sie stuckiert und marmoriert, fast alle Fresken stammen von ihnen. Zwar wird später, vor allem im Klassizismus, einiges wieder zerstört. Trotzdem prägen die Arbeiten dieser Meister aus Scaria, Laino und Arogno noch heute die Ludwigsburger Residenz.
Am Beginn stehen, noch unter der Leitung Nettes, Donato Giuseppe Frisoni und Tommaso Soldati. Sie stuckieren 1709−1714 die Räume im Alten Corps de Logis mit feinem Bandelwerk. Das Vorlagenwerk des Jean Berain ist Inspirationsquelle. Wo Frisoni freischöpferisch und plastischer arbeitet, wie an der Decke des Satyrkabinetts, zeigt er seine wahre Meisterschaft. Noch plastischer und expressiver sind die Wandfiguren Soldatis und ab 1716 die Figuralplastiken des Diego Francesco Carlone in den Galerien. Giacomo Antonio Corbellini ist Schöpfer der Stuckmarmorarbeiten. Nach dem Wegzug Soldatis 1713 übernimmt Riccardo Retti die Hauptlast der Stuckarbeiten.[19] Die Decken- und Wandfresken der nördlichen Dreiflügelanlage mit ihren Galerien und Pavillons sind meist Werke von Luca Antonio Colomba, wenige auch von Johann Jacob Stevens von Steinfels.
Eine Zäsur stellt das Gesamtkunstwerk der 1723 eingeweihten Hofkapelle oder Schlosskirche dar, ausgeführt von den Brüdern Diego Francesco und Carlo Innocenzo Carlone, gemeinsam mit Luca Antonio Colomba und Giacomo Antonio Corbellini. Es ist noch heute der schönste Raum in Ludwigsburg und gleichzeitig schönster barocker Sakralraum im Herzogtum Württemberg.
Die Ausstattung des Neuen Corps de Logis und der Verbindunggalerien wird 1729−1733 wieder den Brüdern Carlone dem Stuckateur Retti und dem Marmorierer Corbellini übertragen. Anstelle des in Frauenalb tätigen Colomba tritt jetzt, neben Carlo Innocenzo Carlone, als Freskant Giovanni Pietro Scotti aus Laino auf.[20] Er malt die Fresken der östlichen Kommunikationsgalerie und auch das neue Deckenfresko im Ordenssaal.[21]
Von allen erwähnten Beteiligten am Bau von Ludwigsburg wird nach 1733 keiner mehr nach Württemberg zurückkehren.

Die Barockgärten
Im Gegensatz zu den meisten barocken Neugründungen liegt die Stadt Ludwigsburg nicht «zu Füssen» der Residenz im Süden, sondern auf «gleicher Höhe» westlich der Schlossanlage. Diese Lage verdankt die Stadt nicht einer demokratischen Anwandlung des Fürsten, der Grund liegt in der Topografie, die eine ungehinderte Ausdehnung nur nach Süden ermöglicht. Im Gegensatz dazu zwingt das abfallende Gelände im Norden zu Einschränkungen und Terrassierungen. Diese Gärten im Norden und Süden des Schlossneubaus sind schon in den Planungen von Johann Friedrich Nette enthalten und werden von seinem Nachfolger Donato Giuseppe Frisoni jeweils den neuen Bedürfnissen angepasst. Nur die grosse Form des Südgartens ist noch heute erhalten. Die an das Neue Corps de Logis anschliessende erste Hälfte ist in den 1950er Jahre wieder als Garten mit geometrischer Teilung hergestellt worden. Vom barocken Gartenzustand ist aber auch hier nichts mehr erhalten. Eine Rekonstruktion dieses Teils wäre möglich. Ein zeitgenössischer Plan zeigt den Zustand der barocken Gärten um 1760. Schnurgerade Lindenalleen fassen die Gärten östlich und zur Stadt. Selbst das Lustschloss Favorite ist in die streng axiale Anlage einbezogen. Noch im 19. Jahrhundert ist die breite Lindenallee zwischen dem Stuttgarter-Tor im Süden und dem Heilbronner-Tor im Norden ein verbindender Boulevard. Heute sind die Linden verschwunden und anstelle des Boulevards findet der Schlossbesucher eine bis zu neun Autospuren breite Stadtautobahn, welche die Stadt von Schloss und Gärten trennt.

Die Residenz unter Carl Eugen, Herzog von Württemberg

1744 übernimmt der vorzeitig mündig gesprochene 16-jährige Carl Eugen von Württemberg die Regierung des Herzogtums.[22] Er ist Sohn des 1737 verstorbenen Herzogs Carl Alexander und kehrt vom Hof Friedrich des Grossen, wo er sich mit seinen Brüdern seit 1741 aufhält, über Bayreuth nach Stuttgart zurück. Nachdem sich der neue und wieder katholische Fürst mit der evangelischen württembergischen Ehrbarkeit durch die Anerkennung der «Religionsversalien» einigen kann, beginnt er ungeachtet der Finanzlage und des dualen Regierungssystems in Württemberg mit der kostspieligen Umgestaltung des württembergischen Hofes entsprechend den ihm bekannten europäischen Höfen.[23] Wie ein Mahnmal hängt bei seinem Regierungsantritt in Stuttgart noch immer die Leiche des sechs Jahre zuvor einem Justizmord zum Opfer gefallenen Finanzrates seines Vaters in einem eisernen Käfig öffentlich zur Schau. Der junge Herzog lässt den Leichnam sofort abhängen, die Machtdemonstration der württembergischen Ehrbarkeit lässt ihn aber unberührt. Denn sofort beginnt er mit seiner eigenen Machtdemonstration, dem Neubau der Residenz in Stuttgart.[24]  Er nimmt während der Bauzeit Wohnsitz in Ludwigsburg, das vorerst seine heimliche und von 1764 bis 1775 auch offizielle Residenz wird. Als erste Baumassnahme lässt er 1746 den zweigeschossigen Pavillon der Ordenskapelle mit den Fresken Colombas auskernen und hier die neue evangelische Hofkapelle erstellen. Es entsteht ein schöner Rokokoraum mit Stuck von Giovanni Pietro Brilli und Deckenfresken von Livio Retti.[25] Im Neuen Corps de Logis renoviert Herzog Carl Eugen vorläufig nur die seit 1733 stark vernachlässigte Beletage und beginnt erst 1757 unter der Leitung des neuen Hofbaumeisters Philippe de la Guêpière mit Umbauten, vor allem im zweiten Obergeschoss. Wenig davon hat sich nach den klassizistischen Umbauten von 1802−1806 erhalten. Ein ebenfalls verschwundener Bau ist das grosse Opernhaus, das Carl Eugen 1764−1765 östlich des Alten Corps de Logis erstellen lässt. Es wird eines der grössten Opernhäuser Europas. Der basilikale Holzbau, innen völlig mit Spiegeln verkleidet, ist «ungeheuer hoch, indem das Haus vier Logen enthält», beschreibt Goethe das Opernhaus 1797. Es wird mit dem Bau des Oberen Ostgartens nach 1798 abgebrochen. An seiner Stelle liegt der 1801 gebaute Schüsselesee.

Die Residenz als Sommersitz des Königs von Württemberg

1793 stirbt Herzog Carl Eugen ohne direkte Erben. Nachfolger wird sein 61-jähriger Bruder Friedrich Eugen, der wie dieser eine Nichte des preussischen Königs Friedrich II. zur Ehefrau hat. Im Ehevertrag verpflichtet er sich zur grossen Freude der Landstände zur lutheranischen Erziehung seiner Kinder, die auch deren Ausbildung mit jährlich 25 000 Gulden finanzieren. Friedrich Eugen stirbt schon 1797. Sein erster Sohn Friedrich Wilhelm Karl tritt die Nachfolge als Friedrich II. Herzog von Württemberg an.[26] Schon seit 1795 ist er, sehr zum Missfallen seines regierenden Onkels, in Ludwigsburg wohnhaft. Der über zwei Meter grosse und 200 Kilo schwere «Dicke Friedrich», wie der neue Herrscher genannt wird, ist machtbewusst und cholerisch, politisch und persönlich skrupellos und deshalb erfolgreich. Er zerschlägt die Macht der ihn geförderten Landstände und geht 1800 ein Bündnis mit Napoleon ein. Bei der Neuverteilung der Länder des Deutschen Reiches kann er deshalb 1803 die Fläche Württembergs mit mediatisierten Adelsherrschaften, Reichsstädten und säkularisierten Abteien verdoppeln. 1806 wird er mit der Protektion Napoleons erster König von Württemberg.
Die Residenz Ludwigsburg wird durch ihn wieder aus einem Dornröschenschlaf geweckt. Er bestimmt die Residenz zu seinem Sommersitz. Die reiche barocke Ausstattung stört die Zeitgenossen Napoleons. Inzwischen bezeichnet selbst Goethe barocke Innenräume als in «bösem Geschmack ausgeziert». Der nun amtierende Hofbaumeister ist Nikolaus Friedrich von Thouret.[27] Er verändert viele Innenräume im Neuen Corps de Logis radikal im nun gültigen klassizistischen Stil. Vieles geht dabei verloren, aber die Neuschöpfungen sind von guter Qualität. Auch im Ordensbau und in der Schlosskirche wird umgestaltet. Ihre Neubestimmung als evangelische Hofkapelle haben den Verlust von zwei Seitenaltären zur Folge. Der Empire-Umbau des barocken Ordenssaals zum Thronsaal kann glücklicherweise 1939−1940 wieder rückgängig gemacht werden.[28] Wertvoll ist hingegen der Umbau des Schlosstheaters und auch des Marmorsaals im Neuen Corps de Logis. Bis 1824 erhalten auch die östlichen Räume der Beletage des neuen Corps de Logis ein beachtenswertes Empire-Kleid. Thouret baut diese Räume für die Königinwitwe um. Es sind die letzten wesentlichen Veränderungen in der barocken Residenz.

Vom Behördenzentrum zum Museumsschloss

Die nachfolgenden Könige benutzen das Residenzschloss Ludwigsburg nicht mehr. Wechselnde Nutzungen für Verwaltung und Militär setzen der wertvollen Substanz kaum zu. Der Wert des Baudenkmals wird früh erkannt. Schon 1920, nach dem Ende des Königreiches, finden öffentliche Führungen statt. Den Zweiten Weltkrieg überlebt Ludwigsburg praktisch unzerstört, wahrscheinlich wegen den für die Besatzung notwendigen Kasernen. Schon in den 1950er Jahren beginnen umfangreiche Restaurierungsarbeiten. Auch die Gärten werden einbezogen, soweit diese noch existieren. 2004 sind die Arbeiten abgeschlossen und die ehemalige Residenz ist für die interessierte Öffentlichkeit jederzeit zugänglich.

Pius Bieri 2012

 

Benutzte Einzeldarstellungen:
Boccia, Remo: Artisti italiani a Stoccarda ed alla corte di Ludwigsburg nel 17.mo e 18.mo secolo. Ludwigsburg 1998.
Diek, Franziska Katharina: Die Bildprogramme von Carlo Carlones und Pietro Scotti Deckenfresken in den Kommunikatonsgalerien von Schloss Ludwigsburg. Dissertation München 2011.
Merten, Klaus: Die Baugeschichte von Schloss Ludwigsburg bis 1721, in: Schloss Ludwigsburg. Stuttgart 2004.
Höper, Corinne: Das Glück Württembergs. Ausstellungskatalog. Stuttgart 2004.
Holzer, Stefan M.: Das Schloss Ludwigsburg als Beispiel für die Synthese von Vorbildern und Einflüssen im barocken Residenzbau. München 2004.
Wenger, Michael: Schloss Ludwigsburg. Die Innenräume. Führer. München und Berlin 2004.
Wenger, Michael: Ludwigsburg. Die Gesamtanlage. Führer. München und Berlin 2004.

Links:
http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/schwaben/schloesser/ludwigsburg/texte/baugeschichte1.htm
http://www.dr-bernhard-peter.de/Heraldik/Galerien2/galerie1217.htm

 

Anmerkungen:

[1] Herzog Eberhard Ludwig (1676−1733) besichtigt Residenzbauten und Gärten in Holland und in London. Er regiert seit 1693.
Matthias Weiss (1636–1707) aus Kassel ist Festungsbaumeister. Er errichtet in Stuttgart den Spätrenaissancebau des Gymnasiums (1686) und vollendet den 1605 begonnenen Prinzenbau.

[2] An der Stelle des 1712−1713 erstellten Ostflügels, des «Riesenbaus».

[3] Philipp Joseph Jenisch (1671–1736), aus Marbach. Er bleibt württembergischer Landbaudirektor, zieht sich 1727 zurück und geht als evangelischer Abt nach Blaubeuren.

[4] Vorbild scheint Rastatt zu sein, die von Jenisch geplante doppelte Treppenhausanlage ist mit Rastatt identisch. Baumeister ist Johann Ulrich Heim (um 1669−1737) württembergischer Werkmeister von 1695−1706.

[5] Johann Friedrich Nette (1673−1714) aus Bernau bei Berlin.

[6] «Gott möge dem Land die Züchtigung ersparen, welche die Ludwigsburger Sinnensbrunst heraufbeschwöre», predigt der Pfarrer von Ossweil 1709 nach einem tödlichen Arbeitsunfall auf der Baustelle Ludwigsburg.

[7] Die in Prag angeworbenen Meister sind: Tommaso Soldati (1665–1743), aus Ponna im Val d'Intelvi, er arbeitet um 1700 in Prag am Palais Toskana und 1704–1707 am Palais Lobkowitz; Donato Giuseppe Frisoni (1681/83–1735) aus Laino im Val d'Intelvi, der Schwager Soldatis, er wird 1714 Nachfolger von Nette in Ludwigsburg; Luca Antonio Colomba (1674–1737) aus Arogno. Er ist Schwager von Carlo Innocenzo und Diego Francesco Carlone; Johann Jakob Stevens von Steinfels (1651–1730) aus Prag. Stevens von Steinfels ist einer der frühen deutschen Freskanten.

[8] Die Pariser Reise wird in der Fachliteratur unterschiedlich behandelt. Klaus Merten stellt sie als vom Friedensschluss ausgelöste Studienreise dar, ohne der Frage nachzugehen, warum sie nicht mit den vorgesetzten Stellen abgesprochen wird. Glaubhaft schildert hingegen der italienische Historiker Remo Boccia die Angelegenheit. Auslöser der Flucht nach Paris ist demnach eine vom Umkreis des Theologen und Landbaumeisters Jenisch erhobene Falschanklage wegen Unterschlagung. Diese Anklagen sind damals das übliche Mittel, um Konkurrenten loszuwerden.

[9] Donato Giuseppe Frisoni (1681/83–1735) aus Laino im Val d'Intelvi zwischen Como und Lugano, ist seit 1709 in Ludwigsburg entwerfender und ausführender Stuckateur.

[10] Hofmarschall Georg Friedrich Forstner von Dambenoy (1676–1717) ist 1700 ist Mitglied der Reisegesellschaft des Herzogs Eberhard Ludwig, die vor allem neue Schlossbauten und Gärten in Holland und London besichtigt. Er muss 1716 wegen seiner Opposition gegen die Mätresse des Herzogs nach Paris flüchten. Als oberste Aufsichtsperson des herzoglichen Bauwesens und Jugendfreund des Herzogs ist er zwischen 1705 und 1716 bei den meisten Beschlüssen zu Ludwigsburg entscheidend mitbeteiligt.

[11] Im Gegensatz zu den Baumeistern des 17. Jahrhunderts aus dem Süden (Val d’Intelvi, Misox) und aus dem Vorarlberg, die als «Totalunternehmer» auftreten und vom Entwurf über den Gewölbebau bis zum Stuck für alles zuständig sind, beginnt am Anfang des 18. Jahrhunderts auch im Süden des Deutschen Reiches die Trennung vom Planer zum ausführenden Baumeister. Hofbaumeister arbeiten jetzt, wie in Frankreich schon lange üblich, ähnlich wie die heutigen Architekten. Die neue Arbeitstrennung führt zu einem starken Rückschritt im Gewölbebau. Nur die Klöster halten noch lange an der bewährten Praxis fest, dem ausführenden Baumeister auch die Planung zu übertragen und den Bau im Generalakkord zu vergeben.

[12] Paolo Retti (1690–1748) aus Laino, Bauunternehmer, Sohn der Schwester von Frisoni, wird um 1720 auch Schwiegersohn von Diego Francesco Carlone. 1717 bis 1733 in Ludwigsburg tätig.

[13] Giacomo Antonio Corbellini (1674−1742) aus Laino, Stuckateur in Böhmen und Mähren, arbeitet 1715 bis 1733 in Ludwigsburg, Schwager von Donato Giuseppe Frisoni, Schwiegervater von Diego Innocenzo Carlone.

[14] Diego Francesco Carlone (um 1674−1750), Stuckateur. Carlo Innocenzo Carlone (um 1687−1775) aus Scaria im Val d’Intelvi. Sie sind Söhne von Giuseppe Battista Carlone, dem wohl bedeutendsten Stuckateurs des Hochbarock im deutschen Südosten (Garsten, Schlierbach, Passau, Waldsassen). Mit Diego Francesco ist Frisoni verschwägert.

[15] Zwei Zentralbauten, die Frisoni wahrscheinlich kennt, sind die Spitalkirche von Kukus in Ostböhmen, im Bau ab 1707, von Giovanni Battista Alliprandi aus Laino, sowie die Wallfahrtskirche von Christkindl bei Steyr, im Bau ab 1702, von Carlo Antonio Carlone aus Scaria. Mit dem Dorfgenossen Alliprandi arbeitet er noch 1707 in Prag und der verschwägerte Diego Carlone arbeitet um 1704 in Sankt Florian, einer nahe bei Christkindl gelegenen weiteren Baustelle seines Onkels. Der Informationsaustausch der winterlichen Heimkehrer kann als gesichert gelten.

[16] Als Ausnahme und ausschliesslich für den Privat-Gottesdienst der Herzöge und des Hofstaates. Den 600 Katholiken in der Stadt Ludwigsburg, vor allem italienischer Herkunft, wird keine Kirche gestattet. Erst ab 1798 werden private katholische Gottesdienste in Württemberg erlaubt. Diese strengen Auflagen gelten aber selbst für andere protestantische Gemeinschaften. Denn in Württemberg ist bis 1798 nur die lutheranische Kirche toleriert. Eine Änderung tritt erst 1806 mit dem Religionsedikt ein. 1829 wird deshalb die Schlosskirche den Ludwigsburger Katholiken zugewiesen. Ihre Nutzung beschränkt sich heute auf Festanlässe.

[17] Die Architektur des Corps der Logis wirkt gartenseitig französisch-kühl. Dies ist aber eher auf die heutige, die Tektonik falsch betonende Farbgebung, als auf das von Kunsthistorikern behauptete französische Vorbild Montmorency zurückzuführen, das Frisoni aus einem Stich bekannt ist. Hingegen kennt er aus eigener Anschauung die Schlösser Schleissheim bei München und Troja bei Prag. Hier sind die Vorbilder zu suchen.

[18] Karl Alexander von Württemberg (1684−1737). Er tritt als kaiserlicher Heerführer 1721 in Wien zum Katholizismus über.

[19] Riccardo Retti (um 1687−1741), aus Laino. Stuckateur. Bruder von Paolo Retti. Sohn der Schwester von Giuseppe Donato Frisoni.

[20] Giovanni Pietro Scotti (1695−1661) aus Laino. Schwager des Bauunternehmers Paolo Retti. Schüler von Carlo Innocenzo Carlone.

[21] Quadraturist ist Giuseppe Baroffio.

[22] Carl Eugen von Württemberg (1728−1793), regiert 1744−1793 und wird 1791 noch Zeuge der Revolution und der Gefangennahme des französischen Königs in Paris. Er heiratet 1748 Elisabeth Friederike Sophie von Brandenburg-Bayreuth (1732−1780), eine Nichte Friedrich des Grossen, mit der er sich 1744 vor seinem Regierungsantritt verlobt hat. 1785 heiratet er seine seit 1772 offizielle Mätresse Franziska von Hohenheim (1748−1811). Die Zahl seiner Mätressen und seiner unehelichen Kinder ist einmalig. Er selbst anerkennt 77 uneheliche Söhne.

[23] Das duale System Württembergs ist geprägt von einer absoluten Abhängigkeit des Fürsten von der evangelisch und vermehrt pietistisch geprägten «Ehrbarkeit», welche das Land und die Landstände dominiert. In ihr sind ausschliesslich Pfarrer und Beamte vertreten. Sie verwalten den Kirchenkasten und die Staatsfinanzen.

[24] Das Neue Schloss in Stuttgart, von Leopoldo Retti 1748−1751 und seinem Nachfolger Philippe de la Guêpière 1751−1762 gebaut. Die Grossanlage, ein nach Westen geöffneter Dreiflügelbau mit Vorplätzen und Vorhöfen sowie eines nördlich angeordneten Gartens ist beinahe fertiggestellt, als 1762 ein Flügel ausbrennt. Erst 1782 wird weitergebaut. Im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört, wird der Kernbau nur im Äussern rekonstruiert.

[25] Giovanni Pietro Brilli aus Cureglia, Lebensdaten unbekannt. Livio Retti (1692−1751), aus Laino Val d’Intelvi, Bruder von Paolo, Riccardo und Leopoldo Retti. Beide kehren im Gefolge von Leopoldo Retti an den Stuttgarter Hof zurück.

[26]  Friedrich Wilhelm Karl von Württemberg (1754−1816), 1797−1806 Herzog Friedrich II., 1806−1816 König Friedrich I.

[27] Nikolaus Friedrich von Thouret (1767−1845) ist vor allem für Umbauten im Stil des Empire bekannt. Einziges neues Bauwerk ist der Kursaal von Bad Cannstadt.

[28] Der Umbau von 1804-1807 wird 1939−1940 zum grossen Teil wieder rückgängig gemacht. Dass der Thronsessel mit Kelchvelen aus beschlagnahmtem Klosterbesitz bezogen ist, eine sicher bewusste Provokation des «Dicken Friedrich», wird bei Führungen diskret verschwiegen.

 

  Ludwigsburg: Ehemaliges Residenzschloss der Herzöge von Württemberg  
  Ludwigsburg1  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Ludwigsburg
Baden-Württemberg
Herzogtum Württemberg
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Speyer 1717
Bauherr und Bauträger
ok Herzog Eberhard IV. Ludwig von
     Württemberg (reg. 1693–1733)
     Herzog Carl Eugen von Württemberg
     (reg. 1744−1793)
     Herzog Friedrich II. von Württemberg
     (reg. 1797–1816)
 
  Das «Alte» Corps de Logis (1704–1719), flankiert vom Ordensbau (links, 1709–1711) und vom Riesenbau (rechts, 1712–1714).   pdf  
   
LudwigsburgEtappen
Der Lageplan zeigt die Bauetappen der Residenz. Für Erläuterung anklicken.  
   
LudwigsburgStuttgart
Bis zum Beschluss, die Residenz von Stuttgart nach Ludwigsburg zu verlegen, ist das im Nordosten mit der Bürgerstadt verbundene Renaissance-Schloss (1553–1563) Wohnsitz der Herzöge. Auf dem Stich von Matthäus Merian (1643, von Osten gesehen) sind im Schlosspark mit F und E die Lusthäuser markiert. Das «Neue Lusthaus», 1588–1592 von Georg Beer errichtet, ist ein hervorragender Renaissancebau, ebenso der mit B bezeichnete «Neuer Marstall» oder «Neuer Bau», 1599–1601 von Heinrich Schickhardt gebaut. Im Wesentlichen bleibt der Renaissance-Charakter des Schlossbezirkes von Stuttgart bis um 1750 bestehen.
Bildquelle: Wikipedia.
 
LudwigsburgNette1709
Eine von Johann Friedrich Nette gezeichnete und 1712 gestochene Ansicht das Corps de Logis mit den Flügelbauten zeigt die von ihm geplante Dreiflügelanlag von Westen.
Quelle: Stich in der Graphischen Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart.
 
Ludwigsburg2
Die Aufnahme aus Nordwesten zeigt die bis 1714 fertig gebaute Anlage. Sie entspricht der Veröffentlichung  des Hofbaumeisters Nette von 1712. Das Corps de Logis erhält 1719 durch Frisoni den Mittelrisalit-Dachaufbau. Es verliert dabei die klassizistische Strenge und wird damit als Hauptgebäude ausgezeichnet.  
Ludwigsburg3
Die Aufnahme aus Westen in der gleichen Perspektive wie der Stich von 1712 zeigt das Hauptgebäude, das nach dem Baubeginn des «Neuen Corps de Logis» im Süden als das «Alte Corps de Logis» bezeichnet wird.  
Ludwigsburg4
1709–1716 entsteht nach Plänen von Nette der westliche Jagdpavillon mit dem «Marmor-Saletta» genannten Saal im Hauptgeschoss.  
Ludwigsburg7
Die Marmorsaletta im Jagdpavillon ist ein reich ausgestatteter Raum des Régence. Nette liefert noch die Entwürfe. Giacomo Antonio Corbellini erstellt um 1716 den Stuckmarmor der Wände. Donato Riccardo Retti arbeitet als Stuckateur. Die Fresken sind von Luca Antonio Colomba. Hier ein Ausschnitt einer Eckausbildung der Deckenhohlkehle.
Bildquelle: Wikipedia author Mercy.
 
Ludwigsburg41
Die Galerieverbindung vom «Alten» Corps de Logis zum Ostpavillon wird 1716–1716 von Retti nach Zeichnungen Frisonis stuckiert. Hier kommt ein letztes Mal der kräftige Hochbarock italienischer Prägung zum Zug. Die Deckenfresken sind wieder von Colomba.  
Ludwigsburg5
Von Diego Francesco Carlone sind diese 1716 erstellten Gefangenenpaare im östlichen Galeriegang.  
Ludwigsburg6
Im westlichen Galeriegang, der Verbindung vom «Alten» Corps de Logis zur Marmorsaletta, ist zentral diese Figurengruppe (1715) zu sehen. Sie ist damit eines der ersten Werke von Diego Francesco Carlone in Ludwigsburg.  
LudwigsburgHofkirche1727
Die evangelische Hofkapelle oder Schlosskirche wird 1715–1723 von Frisoni erstellt und von den Brüdern Diego Francesco und Carlo Carlone ausgestattet. Trotz der konfessionellen Bestimmung zeigt der Innenraum den Barock als Gesamtkunstwerk in vollendeter Form. Es ist sicher der wichtigste Raum der Residenz, leider an Führungen nicht zugänglich und kaum dokumentiert. Frisoni veröffentlicht den obigen Querschnitt 1727 in seinem Stichwerk «Veus de la Residence Ducale de Louisbourg».  
Ludwigsburg1775
Schon früh befasst sich Frisoni auch mit der Stadtanlage und den Gärten der Residenz. Die Stadt und die Gärten sind im wesentlichen sein Werk. Im 1775 gezeichneten Plan von Georg Peter Schreyer ist der Zustand um 1760 festgehalten. Er zeichnet und beschriftet ihn südorientiert. Der Plan ist hier zur besseren Verständlichkeit nach Norden gedreht.  
Ludwigsburg1731
1724 wird mit dem Bau des «Neuen Corps de Logis» im Süden begonnen und der Grundstein für eine gewaltige Vierflügelanlage gelegt. Zwei Galeriebauten stellen die Verbindung her. Auf einer Nachzeichnung von Frisonis Plan sind die Neubauten rot dargestellt. (Nachzeichnung Lorenz Gregor: «Alter und Neuer Grundriss von dem Schloss Zu Ludwigsburg», Ansbach 1731).Quelle: Württembergische Landesbibliothek, Sammlung Nicolai: Nic 2, S. 18.  
Ludwigsburg9
Das «Neue Corps de Logis» von Süden. Die Zweigeschossigkeit betont die Längenwirkung.  
Ludwigsbuerg8
Der zentrale Westeingang führt unter dem westlichen Galerie-Verbindungsbau durch.  
Ludwigsburg10
Im östlichen Galerie-Verbindungsbau, dem Ahnensaal, erstellt Diego Carlone 1731–1733 die Deckenfresken. Sie sind gerahmt von Scheinarchitekturen des Quadraturisten Giuseppe Baroffio. Der Ausschnitt aus dem grossen Mittelfresko mit dem Thema «Gloria dei Principi» zeigt eine Allegorie der Architektur und der Malerei.  
Ludwigsburg11
Ein weiteres Deckenfresko von Carlo Carlone im Ahnensaal stellt den Bildhauer Lysipp dar, wie er Alexander dem Grossen den Entwurf für sein Reiterstandbild präsentiert.
Bildquelle: Wikipedia author Andys.
 
Ludwigsburg12
Das westliche Pendant zur Schlosskirche ist die Ordenskapelle. Ursprünglich Ordenssaal, lässt ihn 1746–1748 der katholische Herzog Carl Eugen für seine evangelische Ehefrau zur evangelischen Hofkirche umbauen, da die Schlosskirche jetzt dem katholischen Gottesdienst dient. Von der damals geschaffenen Rokokokirche sind nur noch die Deckenfresken von Livio Retti erhalten, denn 1797 tritt wieder ein protestantischer Herzog die Regierung an, die Schlosskirche ist wieder evangelisch und die Ordenskapelle wird 1807–1808 klassizistisch kühl zum Versammlungsraum der Ritter des Goldenen Adlerordens umgebaut.