Die Meister der Klosteranlage Muri
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Br. Caspar Moosbrugger (1656–1723) Au Vorarlberg ok   Baumeister-Architekt 1685   1690
Giovanni Battista Bettini (um 1660–nach 1701) Bregazona Tessin     Baumeister-Stuckateur 1687   1690
Francesco Antonio Giorgioli (1655–1735) Meride Tessin ok   Maler, Freskant 1698   1719
Franz Schmuzer (1676–1741) Wessobrunn     Stuckateur 1707   1719
Valentin Lehmann (um 1734?–1818) Harmersbach Ortenau     Hofarchitekt 1790   1796

Klosteranlage   Die barocke Klosteranlage
Stiftskirche   Stiftskirche St. Martin

Ehemalige Benediktinerabtei Muri

Habsburgische Gründung
Das einheimische Adelsgeschlecht der Habsburger gründet, gleichzeitig mit dem Bau seiner mächtigen Doppelburg bei Brugg, 1027 das Benediktinerkloster im südlichen Aargau. Die ersten Mönche kommen aus Einsiedeln. Muri wird habsburgische Grablege. Die starke Bindung an die habsburgische Gründerfamilie ist für das Kloster in den eidgenössisch-habsburgischen Auseinandersetzungen von grossem Nachteil, seine Besitzungen werden im 14. Jahrhundert mehrfach schwer geplündert. 1415 erobern die Eidgenossen den Aargau und beenden die habsburgische Schirmherrschaft.

Vorbarocke Bauten
Die Klosteranlage der Gründungzeit wird nach den Reformationswirren ab 1534 (Kreuzgang) und dann unter Abt Johann Jodok Singisen (1596–1644) bis in die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts durch Um- und Neubauten verändert und mit wertvollen Ausstattungen bereichert. Der Glasgemäldezyklus von 1554–1558 im Kreuzgang ist eine der bedeutendsten Schöpfungen der schweizerischen Renaissance. 1558 erhält die romanische Basilika ihre beiden charakteristischen Spitzhelmtürme. Das Erscheinungsbild der Klosteranlage ist aber um 1620 noch immer mittelalterlich.

Ein Zurlauben als barocker Bauabt
Abt Placidus Zurlauben (1684–1723) stammt aus einer Zuger Patrizierfamilie. Sein Onkel mütterlicherseits ist Fürstabt in Einsiedeln, ein Bruder späterer Abt von Rheinau, eine Schwester ist Äbtissin in Wurmsbach. Fünf weitere Brüder führen Regimenter in fremden Diensten oder sind in hohen Ämtern. Die Zurlauben sind durch ein feudales barockes Kulturverständnis geprägt und profitieren bis 1731 von französischen Pensionen und dem Monopol auf dem Salzhandel.
Der unternehmerische Barockprälat beginnt sofort nach seiner Ernennung mit dem Umbau des mittelalterlichen Klosters zu einer repräsentativen Abtei, ihn stören «die alten Klostergebäw, so ohne alle Regularitet von alter Zeit hero aufgeführt», die Bautätigkeit an den Konvent- und Wirtschaftsgebäuden nimmt erst 1695 mit dem Beginn des Kirchenumbaus leicht ab. Dieser Umbau der romanischen Kirche mit dem Ersatz des Langhauses durch einen Zentralbau ist 1697 beendet (Ausstattung noch bis 1750), an den Konventbauten wird gemäss dem Idealplan weitergearbeitet.
Der verlorene Toggenburger- oder Villmergerkrieg 1712 bedeutet das Ende der katholischen Vormachtstellung in der Eidgenossenschaft und auch das vorläufige Ende der grossen Bauvorhaben in Muri. Der Klosterbau, wie auf dem Stich von 1720 abgebildet, ist im Kern fertig gestellt, die Verwirklichung der flankierenden Bauten für die Gesamtanlage bleibt vorerst unterbrochen.

Die Meister
Über den Planer der barocken Anlage wird gestritten. Caspar Moosbrugger hat beim Kirchenumbau mitgeplant und ist in den Jahren ab 1684 auch mehrfach in Muri. Ob er auch der Planer der Gesamtanlage ist? Wir nehmen es an.
Der Stuckateur und Baumeister Giovanni Battista Bettini, der Erbauer des Oktogons in der Klosterkirche, ist weiterhin in Muri tätig. Er wird in den Akten der beteiligten Handwerker aufgeführt und stuckiert ab 1686 bis 1690 die Innenräume.

Der «Lehmannbau»
1790 beginnt der letzte Fürstabt Gerold II. Meyer, unbeirrt durch die ausgebrochene Französische Revolution, mit einem Neubau nach den Plänen des Donaueschinger Baumeisters Valentin Lehmann. Dieser ist seit 1779 Baudirektor deren zu Fürstenberg.[1] 1798 findet das frühklassizistische Riesenprojekt Valentin Lehmanns, das 400 Räume vorsieht, mit der französischen Invasion 1798 ein jähes Ende. Nach achtjähriger Bauzeit sind zu diesem Zeitpunkt der 220 Meter lange Ostflügel und der 65 Meter lange Südflügel vollendet. Die Ausdehnung von Ettal oder dem Escorial ist damit bereits übertroffen. Der Ostflügel ist heute durch eine unglückliche Parkanlage verdeckt, muss aber im damaligen freien Gelände beeindruckend gewirkt haben.

Aufhebung
1798 befreit das einfallende französischen Revolutionsheer unter General Schauenburg die Untertanen der 13 herrschenden Kantone und der geistlichen Herrschaften, und trifft damit auch das Kloster Muri, das unter staatliche Aufsicht der neuen helvetischen Behörden gestellt wird. Mit der Mediationsakte des Napoléon Bonaparte werden 1803 die Klöster wieder hergestellt. Im gleichen Jahr verliert die Abtei Muri durch den Reichsdeputationshauptschluss auch alle deutschen Herrschaften. Das Kloster liegt nun im neu gegründeten Kanton Aargau, einem Sammelsurium verschiedener ehemaligen Herrschaften. Ab 1830 gewinnen antiklerikale Kreise, angeführt vom jungen Seminardirektor Augustin Keller, im Kantonsparlament die Oberhand. Nach jahrzehntelangen Einschüchterungen, die 1835 auch zu einer militärischen Besetzung des Klostergebietes führen, enteignet der Kanton am 13. Januar 1841 den Klosterbesitz entschädigungslos. Die Mönche müssen den Kanton innert 48 Stunden verlassen. In Ahnung der rücksichtslosen Radikalität haben sie aber bereits vorher einen grossen Teil des Kirchenschatzes in Sicherheit gebracht. Ein Pater deklariert über hundert Gemälde und Skulpturen als seinen persönlichen Besitz und rettet sie damit der Nachwelt. Abt und Konvent finden Zuflucht bei befreundeten Klöstern, ein Teil der Patres übernimmt die Lateinschule in Sarnen.

Neue Heimat in Bozen
Die Klosteraufhebung führt zu internationalen Spannungen, als sich Fürst Metternich für das frühere Stammkloster der Habsburger einsetzt und sogar militärische Intervention einkalkuliert. Der Habsburger Ferdinand I. vermittelt dann aber das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Gries bei Bozen als neue Heimat. Das Kloster Gries hat noch 1769-1773 die Kirche als spätbarockes Gesamtkunstwerk neu erstellt, fällt 1807 der Aufhebung durch Bayern zum Opfer und steht seither leer.
1845 beziehen Abt und Konvent von Muri die leerstehenden Gebäude. Die Abtei Muri-Gries ist bis heute Teil der Schweizerischen Benediktinerkongregation.

Die Konventgebäude im 19. und 20. Jahrhundert
Muri entgeht dem Abbruch, obwohl der Kanton nach der entschädigungslosen Enteignung überhaupt keine Vorstellungen über die Nutzung der Gebäudekomplexe hat. Die Einrichtung einer Landwirtschaftsschule scheitert nach 12 Jahren. Versuche, im Ostflügel Industrie anzusiedeln, sind ebenso erfolglos. 1887 wird hier eine Pflege- und Armenanstalt eingerichtet. Ein durch Brandstiftung gelegtes Grossfeuer zerstört 1889 den Ostflügel, die Brandruine wird von Privaten erworben, die damit den Abbruch verhindern. 1907 werden die Gebäude wieder dem Kanton verkauft, der die heute noch bestehend Heil- und Pflegeanstalt einrichtet. Grossfeuer und Spital haben von der Innenausstattung nichts mehr übrig gelassen. In den Bauten der Äbte Singisen und Zurlauben sind heute die Gemeindeverwaltung und die Primarschule untergebracht.
1984 bis 2000 ist die Klosteranlage vorbildlich restauriert worden. Der Lehmannbau präsentiert sich seither wieder mit den ursprünglichen Mansarddächer.

Pius Bieri 2008

Literatur:
Germann, Georg: Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Band V, Der Bezirk Muri (Kunstdenkmäler der Schweiz, Band 55 der Gesamtreihe), Basel 1967.
Amschwand, P.Rupert OSB: Alte Ansichten des Klosters Muri, in Jahresheft der historischen Gesellschaft Freiamt und Kloster Muri-Gries, Muri 1977.
Felder, Peter: Das Kloster Muri. Kunstführer GSK Nr. 692, 2001.
Amschwand, Rupert OSB: Geschichte des Klosters Muri - Gries - Sarnen, Muri 2004

Links:
Die Beziehungen des Hauses Fürstenberg zur Eidgenossenschaft und zu Muri sind in folgendem Beitrag des Historischen Lexikons der Schweiz nachzulesen:
http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D7282.php

Eine sehr gute Übersicht bietet auch die Wikipedia-Seite, von der hier auch einige Bilder entnommen sind:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Muri

Lauro, Brigitta; "....zu ewiger Gedechtnus" - habsburgische Grabstätten in Europa, Dissertation Uni ZH 2005, siehe:
http://opac.nebis.ch/ediss/20050046.pdf

Anmerkungen:

[1] Zu den Beziehungen des Hauses Fürstenberg mit der Eidgenossenschaft siehe Artikel im Historischen Lexikon der Schweiz. Mit dem Fürsten von Fürstenberg ist das Kloster Muri seit 1702 durch ein Pfand auf die Herrschaft Riedeschingen verbunden.

 

Zwei Ansichten, 1840 kurz vor der Aufhebung des Klosters, nach Vorlagen des Paters Leodegar Kretz OSB in Muri von Joseph Tschümperlin in Schwyz lithografiert und gedruckt in Luzern, zeigen eine noch unverbaute biedermeierliche Idylle.
Muri1840NW   Muri1840Ost
Zwei Ansichten, 1840 kurz vor der Aufhebung des Klosters nach Vorlagen des Paters Leodegar Kretz OSB (Muri) von Joseph Tschümperlin (Schwyz) lithografiert und gedruckt in Luzern, zeigen eine noch unverbaute biedermeierliche Idylle.
 Die erste Ansicht ist von Südwesten gezeichnet. Bei der Darstellung der Kirchen-Westfassade ist dem Zeichner die Phantasie durchgebrannt, die restlichen Gebäude sind korrekt dargestellt.
  Die zweite Lithografie zeigt das Kloster von Osten. Diese Ansicht wäre heute nicht mehr möglich. Grosse Bäume eines im 19. Jahrhundert angelegten Parks und die Siedlungsentwicklung verhindern eine freie Sicht auf die imposante Front.
Bildquelle: Veröffentlichungen von alten Ansichten 1977.
  Ehemalige Benediktinerabtei Muri: Die Klostergebäude  
  Muri1  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Muri Aargau CH
Eidgenossenschaft, Freie Ämter, Herrschaft Muri
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Konstanz 1685
Bauherr und Bauträger

ok Fürstabt Placidus Zurlauben
(reg. 1684–1723)

ok Fürstabt Gerold II. Meyer (reg. 1776–1810)
 
  Das ehemalige Kloster Muri von Südwesten mit Singisenflügel (links) Konvent-Ost- und Südflügel, dahinter die Kirche. Rechts der SW-Risalit des Lehmannbaus.   pdf  
   
Muri2
Der Mittelrisalit am Ostflügel, erbaut 1790–1798 von Valentin Lehmann.  
   
Muri1627
1627 zeichnet Pater Gabriel Bucelin (Weingarten) das Kloster Muri in einer Vogelschauansicht von Osten. Er benutz eine Stichvorlage des Fraters Caspar Johann Winterlin (Muri). Der bausachverständige Pater Gabriel Bucelin halt sich für Beratungen später mehrfach in Muri auf, 1667 sogar eine ganze Woche.
Bildquelle: Wikipedia, nach Original in der
Württembergischen Landesbibliothek, HB V 4a fol. 47r.
 
Muri1688
1688 zeichnet P. Anselm Weissenbach die «Idae Aedificij noviter ex fundo costructi» aus der gleichen Perspektive. Die von Grund auf neu errichteten Konventflügel mit der neuen Abtskapelle (in Verlängerung des Chores) hebt er dunkel hervor und beschriftet ihre Funktion.
Quelle: KDM Aargau V.
Original: Kollegium Sarnen.
 
Muri1720
1720 erscheint der «Prospect deß Fürstlichen Gottshauß Mury», gestochen von Matthäus Wickart aus Einsiedeln und gedruckt zum goldenen Priesterjubiläum des Fürstabtes Placidus Zurlauben, dessen Porträt und Wappen beidseits des Titels angebracht sind. Der Stich zeigt das Kloster am Ende der umfangreichen Baumassnahmen des Fürstabtes. Alle gezeichneten und beschrifteten Gebäude sind um diese Zeit erstellt. Die Ansicht, vermutlich auf Plangrundlagen von Caspar Moosbrugger gestochen, weicht nur in der idealisierten Rechtwinkligkeit von der barocken Erscheinung der Fürstabtei ab.
Quelle: ZAK Heft 2 Band 6 1944.
 
MuriLageplan
Die heutige Klosteranlage ist geprägt von der Teilausführung (1790–1798) der Neubauplanung des Fürstlich Fürstenbergischen Baudirektors Valentin Lehmann, der für die Ausführung des Ostflügels die barocke Abtei und für den Südflügel die barocken Ökonomiegebäude abbricht.
Für Erläuterungen und Quellenhinweise bitte anklicken
 
Lehmann1790
Die Erdgeschossplanung 1790 ist hier mit den beabsichtigten zusätzlichen Abbrüchen (gelb) überlagert, denen mit Ausnahme des Oktogons und des Chores (blau) alle anderen mittelalterlichen und barocken Bauwerke, auch die Türme, zum Opfer gefallen wären. Erstellt werden aber nur die aquamarin angelegten Flügel.  
Muri3luft
Der 220 Meter lange, viergeschossige Ostflügel ist heute wegen des zu hohen Baumbewuchses nur noch aus der Luft oder auf alten Ansichten (siehe rechts) erfassbar.
Bildquelle: @ Schweizer Luftwaffe 2011.