Die Meister des Bauwerks
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Johann Schmuzer (1642–1701) Wessobrunn SchmuzerJohann   Baumeister-Stuckateur 1686   1692
P. Joseph Zäch (1649−1693) Salzburg     Maler, Freskant 1693   1793
Franz Schmuzer (1676–1741) Wessobrunn ok   Stuckateur, Altarbauer 1718   1721
Johann Baptist Zimmermann (1680–1758) Gaispoint Wessobrunn Wikipedia   Freskant 1721   1721
Thassilo Zöpf (1723–1807) Wessobrunn     Stuckateur, Altarbauer 1751   1751

Vilgertshofen
Wallfahrtskirche Zur Schmerzhaften Gottesmutter

Wallfahrtskirche des Klosters Wessobrunn
Die Kirche von Vilgertshofen gehört seit dem 11. Jahrhundert dem Kloster Wessobrunn. Patrozinium ist Mariä Himmelfahrt. Eine spätgotische Pieta ist Ziel der Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter, die in der Reformationszeit erlischt. Ein 1619 neu errichtetes Bauwerk verwahrlost im Dreissigjährigen Krieg wieder. Erst 1674 wird die Wallfahrt von Wessobrunn wieder gefördert. Sie nimmt schnell grossen Aufschwung. Abt Leonhard III. Weiss lässt 1685 durch den Wessobrunner Baumeister und Stuckateur Johann Schmuzer eine neue Kirche planen. Die Risse muss er vom Bischof in Augsburg und vom Kurfürst in München genehmigen lassen, was einiges über die Abhängigkeit der bayrischen Klöster vom Hof aussagt. Die Genehmigung erfolgt dank Fürsprachen am Hof schnell. 1686 schliesst Abt Leonhard einen Bauakkord mit Meister Johann Schmuzer, vorerst nur über den Chor. 1687 ist Grundsteinlegung. Erst 1688, kurz vor Baubeginn des Hauptraumes, folgt ein erweiterter Bauakkord über 2350 Gulden, der nun auch das Langhaus mit zwei «Seitenkapellen» umfasst. 1691 wird Johann Schmuzer für 900 Gulden auch die Stuckierung übertragen.

Hauptwerk von Johann Schmuzer
Die etappenweise Auftragsvergabe zeigt, dass Abt Leonhard dem geplanten Längsschiff die Signalwirkung einer Wallfahrtskirche abspricht und deshalb die im Akkord als «Seitenkapellen» bezeichneten Kreuzarm-Ausbauten in der Form von Konchen[1] verlangt. Zusammen mit den Halbkreisabschlüssen von Chor und Westbau entsteht von 1687–1692 eine Vierkonchenkirche in der Grundrissform eines griechischen Kreuzes. Das ursprünglich geplante Turmpaar im Westen, von dem nur der Südturm ausgeführt ist, hätte das hohe Anspruchsniveau der äusseren Erscheinung noch gesteigert. Die noch grössere Leistung Johann Schmuzers liegt im Innenraum. Der Chor, ein Freipfeilerchor mit Emporenumgang, ist nur im Emporengeschoss geöffnet. Eine überwältigende Lichtfülle in seinem Obergeschoss, die Inszenierung des zweigeschossigen Altars in der Art eines Schauprospektes und die Freipfeilerlösung des Chores zeigen eine eigenständige, auf dem Fundus süddeutschen und bayrischen Formengutes basierende Schöpfung. Verstärkt betont ist dies durch die bewusste Vermeidung einer italienischen zentralen Kuppel über dem Hauptraum.

Stuck und Ausstattung
Johann Schmuzer ist auch der Schöpfer der reichen plastischen und architekturbetonenden Stuckgestaltung. Es ist im hier gelungen, Bau und Ausstattung als gleichwertige Komposition mit einheitlicher Wirkung auszubilden. Ein Wessobrunner Konventuale aus Salzburg, P. Joseph Zäch (1649−1693), malt in seinem 44. und letzten Lebensjahr die Decken- und Brüstungsbilder. Das Hauptfresko im Chor malt Johann Baptist Zimmermann 1721. Franz Schmuzer, der vielleicht zu Beginn seiner Lehrzeit beim Vater in Vilgertshofen tätig ist, fertigt 1718−1721 den Hochaltar. Die zweigeschossige Doppelaltaranlage ist ein plastisches Meisterwerk und gleichzeitig tektonisches Element der Chorarchitektur. Franz Schmuzer wird auch der Ulrichsaltar im nördlichen Querarm zugeschrieben. Das südliche Gegenstück, der Stephansaltar, ist ein Werk des Wessobrunners Thassilo Zöpf aus 1751.

Heute
1803 erfolgt die Besitzenteignung Wessobrunns durch den bayrischen Kurfürsten. Die Baulast  der Wallfahrtskirche geht an eine benachbarte Pfarrei. Die Wallfahrt, von den neuen Herren bekämpft, erlahmt. Sie überlebt aber dank der umliegenden Bevölkerung und nimmt Mitte des 19. Jahrhunderts einen neuen Aufschwung. Unsachgemässe Restaurierungen und Übermalungen aus dieser Zeit können 1967–1977 rückgängig gemacht werden. Auch ein unpassendes Deckengemälde im Vierungsraum muss entfernt werden. Es wird durch das heutige Kreuzigungsfresko, einer Neuschöpfung von Karl Manninger (1912–2002) ersetzt.

Pius Bieri 2009

 

 

Benutzte Einzeldarstellungen:
Andrian-Werburg, Irmtraud: Die Benediktinerabtei Wessobrunn (Germania Sacra. Das Bistum Augsburg), Berlin 2001.
Dischinger, Gabriele: Johann und Joseph Schmuzer, Sigmaringen 1977.
Schatke, Karin: Vilgertshofen, Wallfahrtskirche Zur Schmerzhaften Gottesmutter, Kunstführer, Passau 2005.

Anmerkung:
[1] Konchen: Halbrunde Kuppelanbauten, apsidenähnlich, Kalottenansatz knapp unter Hauptgewölbe.
 
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Die Stuckaturen im mittleren Hauptraum. Ihre Akanthus-Ranken rahmen Medaillons des Wessobrunner Paters Joseph Zäch. Das Hauptbild, eine Kreuzigung, ist ein Werk des Malers Karl Manninger (1911–2002) aus Pöcking. Er ersetzt 1976 ein wegen Feuchteschäden schon im 19. Jahhundert zertörtes Bild.
 

 

 

 

  Wallfahrtskirche Zur Schmerzhaften Gottesmutter in Vilgertshofen  
  VilgertshofenGrundriss  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Vilgertshofen
Oberbayern
Bayern D
Benediktinerabtei Wessobrunn
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Augsburg 1686
Bauherr und Bauträger

ok Abt Leonhard III. Weiss (reg. 1671–1696)
ok Abt Thassilo Boelzl (reg. 1706–1743)
 
  Der Grundriss auf Emporenniveau zeigt die Freipfeilerlösung im Chor eindrücklicher als die üblicherweise veröffentlichten Grundrisse des aussergewöhlichen Bauwerkes.   pdf  
   
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Die Wallfahrtskirche in der Landschaft, von Süden gesehen.  
   
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Die Westseite mit dem Hauptportal und dem schlanken Glockenturm.  

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Die Fensterformen sind altbayrisches Formengut des frühen Barock. Johann Schmuzer kennt sie von der Pfarrkiche Weilheim (1624–1631) und der Klosterkirche in Benediktbeuern (1681–1686).  

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Der Einblick von der Vorhalle in den Kirchenraum offenbart einen ungewöhnlich reichen Innenraum, in dem Johann Schmuzer seinen dichten hochbarocken Wessobrunner Stuck harmonisch mit seiner Raumarchitektur verknüpft. Mit der Längstonne anstelle einer Kuppel leitet er den Blick zum hellen Altarraum.  

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Die doppelstöckige Altaranlage ist ein Werk von Franz Schmuzer. Der berühmte Sohn erstellt sie bis 1721. Der einheitliche, schlanke Aufbau lässt nicht sofort erkennen, dass der obere Altar von den Emporen betreten werden kann.  

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Hochbarocker Akanthus-Stuck im Vorraum.