Adalbert II. de Medell (1628−1696)

Abt OSB in Disentis 1655−1696

Adalbert de Medell ist Spross einer vornehmen Tavetscher Familie. Er wird im Jahr 1628 als Sohn von Joachim de Medell und der Cornelia von Castelberg geboren. Er besucht die Klosterschule in Disentis und tritt ins Kloster ein. Nach der Profess studiert er in Einsiedeln Philosophie. 1650 bekommt er einen Freiplatz am Jesuitenkolleg Propaganda Fide in Rom. Von hier kehrt er 1655 als Doktor der Theologie nach Disentis zurück, wo die Abtswahl des Nachfolgers von Abt Adalbert I. Bridler bis zur Rückkehr des jungen «Doctor Theologiae» aufgeschoben wird. Das Gebirgskloster, in den Bündnerwirren im Zuge des Dreissigjährigen Krieges arg geschwächt, zählt noch sieben Mönche. Zusammen mit den Äbten von Einsiedeln, Rheinau und Muri und im Beisein des Auditors der Apostolischen Nuntiatur wählen sie  Adalbert de Medell am 30. Juli 1655 zu ihrem neuen Abt. Auseinandersetzungen mit den Weltgeistlichen des Oberlandes, die eine neue Feudalherrschaft der Abtei befürchten, prägen das erste Jahr der Regierung des jungen Abtes. Er erreicht dann mit Verhandlungen die Exemtion, das heisst die Unabhängigkeit vom Bistum Chur.
Abt Adalbert II. gibt der Abtei in seiner 41-jährigen Regierungstätigkeit neue, barocke Grösse. Neueintritte vergrössern die Gemeinschaft, die auf 30 Mitglieder anwächst. Nur zwei Patres und der Abt sind einheimische Rätoromanen, aus der einheimischen Bevölkerung kommen aber die meisten der acht Laienbrüder. Der Abt bemüht sich mit Reliquienerhebungen, Bruderschaftsgründungen, aber auch durch Pflege der rätoromanischen Sprache um neue Volksnähe. Ein romanisches Liederbuch des Klosters erobert 1690 die Herzen des Volkes. Im Gegensatz dazu ist das düstere Kapitel der Hexenverfolgungen kein Ruhmesblatt für den einheimischen Disentiser Abt. Er ist zwischen 1672 und 1678 für den Tod von über 30 der Hexerei angeklagten Personen verantwortlich. Noch siegt Aberglauben über Vernunft.
Abt Adalbert II. leitet auch die barocke Bauzeit in Disentis ein.  Schon im Jahr seiner Wahl entsteht die neue Plaziduskirche am Dorfeingang. Es ist das erste bekannte Werk des Misoxer Baumeisters Domenico Barbieri, der später mit seinem Bruder Giulio die Klosterkirche von Isny baut. Die Kirche wird 1658 geweiht. In Truns lässt der Abt 1674−1679 den herrschaftlichen Klosterhof bauen. Im eigenen Kloster, dessen Gebäude noch mittelalterlich sind und dessen drei Kirchen schon seit einem halben Jahrtausend stehen, ist der Platz inzwischen eng. Schon 1675 ist der Baumeister des Abtes von St. Gallen, Daniel Glattburger, in Disentis. Dieser legt Pläne für einen Kirchen- und Klosterneubau vor. Sie werden nicht weiterverfolgt. 1683 ist Br. Caspar Moosbrugger, der Baumeister aus Einsiedeln, zum ersten Mal in Disentis. Er legt «etliche Riss» für den Konventneubau vor. Es dürfte sich um das Projekt handeln, welches 1698 auf der Schweizerkarte von H. L. Muoss dargestellt ist. Mit dem Niederlegen der alten Klostergebäude wird sofort begonnen, obwohl die Finanzen nicht gesichert sind. 1685 bis 1694 entstehen der Südtrakt, ein Quertrakt und der Südwest-Pavillon. Er kostet 20 000 Gulden. Die Schweizerische Benediktinerkongregation verfügt jetzt einen Baustopp. Der Südtrakt, als Torso der Gesamtanlage, dominiert bis heute die Tallandschaft. In seinem Rücken verbleiben die Marienkirche, eine Dreiapsidenkirche aus dem 10. Jahrhundert, und ein Glockenturm aus dem 12. Jahrhundert. Für die schon abgebrochene Martinskirche plant Abt Adalbert II. mit Br. Caspar Moosbrugger 1695 eine Wandpfeilerkirche in einer kompakten Aussenhülle mit einer Doppelturmfassade. Der erste Disentiser Barockabt erlebt die Grundsteinlegung dieses Bauwerkes nicht mehr. Er stirbt am 11. Februar 1696 und wird in der Marienkirche begraben. Ein Porträt des Prälaten ist nicht vorhanden. Sein Wappen, in Allianz mit dem Disentiser Andreaskreuz, findet über dem Südausgang, links des Wappens von Nuntius Caracciolo.

Pius Bieri 2009

Literatur:

Müller, P. Iso: Disentis, in: Helvetia Sacra, Abteilung II, Band 1, Erster Teil, Bern 1986.
Müller, P. Iso: Geschichte der Abtei Disentis, Einsiedeln 1971.

In der Äbtegalerie des Klosters Disentis fehlt ein Bild des Bauabtes Adalbert II. de Medell. Sein geviertetes Wappen ist über dem Eingang der Martinskirche angebracht. In Feld 1 und 4 ist in Rot das goldene Andreaskreuz des Klosters Disentis zu sehen. In Feld 2 befindet sich das Wappen der Familie de Medell, in Gold ein aufgerichteter roter Löwe, der in den rechten Pranke einen schwarzen Sporen und in der linken Pranke eine schwarze Kappe hält. Feld 3 zeigt in Rot einen linksgewandten schwarzen Pfauenkopf mit goldenem Rückenkamm, sein Herzblut trinkend, eine Abwandlung des silbernen und nicht nach links gewendeten Pfaus der von Castelberg. Die Vergrösserung zeigt, dass die beiden Wappen des Abtes Adalbert II. de Medell und seines Nachfolgers, des Abtes Adalbert II. Defuns beidseits des grossen Wappens des Nuntius Giacomo Caracciolo liegen, der die Kirche 1712 einweiht.

> Zu Caracciolo.

> Zum Wappen de Funs.

  Abt OSB Adalbert II. de Medell (1628−1696) von Disentis  
  Biografische Daten     Zurück zum Bauwerk  
  Geburtsdatum Geburtsort       Land 18. Jahrhundert  
  um 1628 Tujetsch Graubünden CH   Grauer Bund von Graubünden  
  Titel und Stellung         Regierungszeit  
  Abt OSB der Benediktinerabtei Disentis   1655–1696  
  Sterbedatum Sterbeort       Land 18. Jahrhundert  
  11. Februar 1696 Disentis Graubünden CH   Grauer Bund von Graubünden  
  Kurzbiografie              
 

Abt Adalbert II. de Medell studiert in Einsiedeln und Rom. Nach dem Ende des Dreissigjährigen Krieges, der den Freistaat der Drei Bünde in seinen Strudel reisst, wird er zum Abt des politisch und wirtschaftlich geschwächten Bergklosters gewählt. Er kann während seiner Regierungszeit die Zahl der Konventualen mit 22 Neueintritten vervierfachen. Die ehemals mächtige und gefürstete Abtei bleibt aber seit dem Verlust der meisten Hoheitsrechte im 16. und 17. Jahrhundert auf Hilfe der reichen Abteien der Kongregation angewiesen. Abt Adalbert II. kann deshalb den längst notwendigen Kloster und Kirchenneubau wagen, allerdings nicht im geplanten Umfang. Ein düsteres Kapitel seiner Regierung bilden die Hexenprozesse der 1670er Jahre.

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Das Wappen der Caraccoli zeigt in Gold einen aufgerichteten blauen Löwen. Giacomo Caracciolo (nicht Carraccioli, wie er in der schweizerischen Geschichtsschreibung genannt wird), wird 1675 in Martina Franca (Apulien) geboren. Er macht als Jurist Karriere im Kirchenstaat und wird 1706 Inquisitor auf Malta. Von dort wird er wegen seiner intoleranten harten Haltung auf Druck der Malteserritter vom Papst abberufen. Er wird zum Priester geweiht und kommt mit dem Titel eines Bischofs von Ephesus 1710 als Apostolischer Nuntius nach Luzern, wo er für die Bistümer Chur, Konstanz, Basel, Sitten und Lausanne zuständig ist. Für die katholischen Stände der Schweiz ist dieser Nuntius eine Katastrophe. Zusammen mit dem Fürstabt von St. Gallen löst er einen verheerenden Krieg gegen die protestantischen Stände aus, der 1712 im absoluten Machtverlust der katholischen Stände endet. Als Kriegstreiber muss er deshalb nach dem Friedensschluss vom 11. August 1712 fluchtartig Luzern verlassen. Am 11. September 1712 weiht er die Disentiser Klosterkirche ein. Obwohl auch von den katholischen Ständen als «persona non grata» betrachtet, wird er vom Papst erst 1716 zurückgerufen. Er stirbt 1718 in Martina Franca.
Siehe auch: http://www.treccani.it/enciclopedia/giacomo-caracciolo_(Dizionario-Biografico)/

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Das geviertete Wappen des Abtes Adalbert III. Defuns zeigt in eins und vier wieder das Andreaskreuz von Disentis. In Feld zwei ist das Wappen de Funs, in Blau drei goldene Ringe und in Feld drei das mütterliche Wappen der Frisch von Madernal zu sehen. Es zeigt in Gold auf grünem Dreiberg ein rotes Herz.

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