Ein Porträt von Gelasius Morhardt ist nicht überliefert. Es scheint, dass er als erster Propst auch auf ein persönliches Wappen verzichtet, denn in seinen Um- und Neubauten wendet er nur das Doppelwappen des Stiftes an. An ihn erinnern Bauten und Schriften, so auch seine illustrierte Geschichte von Indersdorf. Im Kupfer Nr. 3 fügt er die Schutzheiligen des Klosters ein. Darunter ist links Propst Henricus (1166–1172) zu sehen, wie er den Korb des frommen Bruders Maroldus prüft. Die Vorlage für den Stich soll von Dieffenbrunner stammen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn der dargestellte Propst Henricus die Züge des Propstes Gelasius tragen würde. Bildquelle: Bavarikon.de

Byern
Die Regierungszeit von Propst Gelasius Morhart fällt in das Rokoko. Er ist fromm, gelehrt, erfahren in der Baukunst, auch ehrgeizig, streitbar und eigensinnig – die klassischen Eigenschaften eines Barockprälaten. Die Rokoko-Neugestaltung der Indersdorfer Stiftskirche ist sein bauliches Hauptwerk. Er vollendet es in mehrjährigen Auseinandersetzungen mit einer internen Opposition, vor allem aber mit seinem Hauptgegner, dem Freisinger Fürstbischof. Klug nutzt er die Rivalität zwischen der geistlichen Macht in Freising und der weltlichen Macht in München für seine Ziele. Schon 25 Jahre später nutzt München die Macht skrupellos aus und setzt dem Indersdorfer Stift ein Ende.
Schutzheilige
Land 18. Jahrhundert
Reichsstadt Augsburg
Regierungszeit
1748–1768
Land 18. Jahrhundert
Kurfürstentum Bayern
Biografische Daten
Kurzbiografie
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Bildlegende
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Gelasius Morhardt (1710–1771) Propst CanA in Indersdorf

Gelasius Morhardt (1710–1771)

Propst CanA und Lateranischer Abt von Indersdorf 1748–1768

Von Augsburg nach Indersdorf
Gelasius Morhart wird am 3. Mai 1710 in Augsburg geboren. Weder sein Taufname noch seine Eltern sind erforscht. Auch über seine Schulbildung bis zum Eintritt im Chorherrenstift Indersdorf ist nichts bekannt. Zwischen den Augustiner-Chorherrenstiften Sankt Georg und Heilig-Kreuz in Augsburg und Indersdorf bestehen damals traditionelle Verbindungen, die den Weg von Augsburg nach Kurbayern erklären könnten. 1729 leistet er in Indersdorf Profess, muss also mit 17 oder 18 Jahren hier eingetreten sein.[1] Propst ist zu dieser Zeit Innozenz Weiss aus Burghausen.[2] Er lässt den jungen Kanoniker an der Jesuitenuniversität Ingolstadt Philosophie, Mathematik, Theologie und kanonisches Recht studieren. 1734 wird er mit 24 Jahren zum Priester geweiht. Nach seiner Primiz kann Gelasius Morhart in Innsbruck ein Nachstudium antreten, übernimmt anschliessend aber in Indersdorf den Unterricht für Philosophie und Theologie im Hausstudium, ist auch Novizenmeister und Festprediger. In diese Zeit als Chorherr fallen von 1740–1745 die grossen Belastungen durch den Österreichischen Erbfolgekrieg an, die sich in Kontributionen, Truppeneinquartierungen und Plünderungen in Indersdorf und auch in der vorübergehenden Beschlagnahmung der österreichischen Weingüter des Chorherrenstifts äussern. In den gleichen Jahren überarbeitet er eine handschriftliche lateinische Klosterchronik seines Mitbruders Georg Penzl, die später Grundlage für seine 1762 auf Deutsch erschienene Klostergeschichte wird. Er ehrt darin auch den betagten, im Kloster lebenden Gelehrten und Schriftsteller Augustin Michl, dessen zweifache Wahl zum Propst 1704 durch den damals noch regierenden Kurfürst Max II. Emanuel verhindert wird.[3]

Propst in Indersdorf
Am 13. November 1748 wird er mit 38 Jahren zum Propst und lateranischen Abt von Indersdorf gewählt. Der Vorgänger hinterlässt ihm, trotz vorangegangener Kriegsbelastungen, eine ausgeglichene Finanzlage. Der Aktivsaldo beträgt 20 000 Gulden. Als Propst Gelasius 1768 resigniert, beträgt der Aktivsaldo noch immer 20 000 Gulden. Dies belegt, dass er trotz seiner langjährigen Bautätigkeit in Indersdorf und trotz der grossen Zusatzbelastungen durch das Schuldentilgungswerk des kurbayerischen Staates die Klosterfinanzen nie überstrapaziert. Anders sieht dies ein Teil des Konvents. Eine starke interne Opposition wird durch den Dekan P. Benno Murschhauser[4] angeführt. Murschhauser schreckt auch nicht vor einer Klage gegen Propst Gelasius am Freisinger Hof zurück. Die auf die Person des Propstes zielende Klage artet zu einem über vier Jahre dauernden und belastenden Streit aus, bei dem Propst Gelasius mit Hilfe des Kurfürsten und Roms schliesslich gegen den Fürstbischof von Freising[5] und den Dekan siegt. Nur dank dieses Hahnenkampfes zwischen der geistlichen Macht in Freising und der weltlichen Macht in München, der sich um Zuständigkeiten in einer kleinen Bausache dreht, sind wir auch etwas über die Persönlichkeit von Propst Gelasius orientiert.

Bauherr mit Durchsetzungsvermögen
Schon 1752 lässt Propst Gelasius eine neue Sakristei als Ovalbau an die Chor-Westseite anbauen. 1753 malt hier Matthäus Günther[6] das Deckenfresko. Propst Gelasius kennt den Augsburger Maler durch seine Arbeiten in Rottenbuch. Gleichzeitig ist auch der Wessobrunner Stuckateur Franz Xaver I Feichtmayr[7] in Indersdorf tätig. 1754 beginnt Propst Gelasius mit Günther und Feichtmayr den Umbau der Stiftskirche. Günther scheidet 1755 zugunsten von Johann Georg Dieffenbrunner[8] aus. Inzwischen hat der führende Oppositionelle im Kloster, Dekan Benno Murschhauser, in Freising die Anklage gegen seinen Propst eingereicht. Er klagt darin gegen die bereits eingetretene Kostenüberschreitung von 3000 Gulden, vor allem aber gegen die vom Propst beabsichtigte Verlegung des Mönchschors auf die vergrösserte Westempore. Tatsächlich verschweigt Propst Gelasius diese beabsichtigte Verlegung aus dem engen Chor bei der Beschlussfassung 1754. Er weiss, dass ein Umbau ohne diese Verlegung wenig Sinn machen würde, kennt aber auch die Scheu vieler Chorherren vor Veränderungen. Diese glaubt er mit dem Bau selbst überzeugen zu können. Die Reaktion des Freisinger Fürstbischofs ist wahrscheinlich selbst für ihn überraschend. Johann Theodor von Bayern übernimmt die Argumentation des anklagenden Dekans und befiehlt den Rückbau der Umbauarbeiten. Propst Gelasius hält nichts von dieser Weisung und wendet sich jetzt an den Kurfürstlichen Geistlichen Rat in München, der einzigen Instanz, die in Kurbayern überhaupt in kirchlichen Baufragen entscheiden darf. Er hätte zwar ohne eine vorgängige Bewilligung durch diese Instanz gar nicht beginnen dürfen, die ihm nun nachträglich erteilt wird. Offenbar nutzt Propst Gelasius eine alte Fehde zwischen den Repräsentanten der geistlichen und der weltlichen Macht geschickt aus. Das Pikante an der verfahrenen Situation ist die Tatsache, dass sich nun zwei Wittelsbacher bekriegen. In München regiert seit 1745 Max III. Joseph von Bayern,[9] ein Neffe des Freisinger Fürstbischofs. Inzwischen hat der Fürstbischof Gelasius Morhart als Propst suspendiert. Der Aufforderung des Fürstbischofs, sich in Freising zu verantworten, untersagt umgehend der Kurfürst. Er verbietet dem Propst die Ausreise aus Kurbayern. Die Angelegenheit beschäftigt nun auch Rom. 1758 spricht der Apostolische Stuhl den Propst von einem Fehlverhalten frei. Der inzwischen zum Kardinal beförderte Wittelsbacher Fürstbischof muss nachgeben und auch die umstrittene Verlegung des Mönchschors nachträglich genehmigen. Diese Verlegung hat der Konvent schon 1757 mit nur noch einer Gegenstimme genehmigt und gleichzeitig einen neuen Dekan gewählt. Der Hauptopponent und nun zurückgetretene P. Benno wird als Pfarrer nach Langenpettenbach versetzt. In Indersdorf kehrt wieder Ruhe ein.
1762 widmet Propst Gelasius seinen böswilligen Kritikern am Ende der Stichdarstellungen seiner Werke einen lateinischen Vierzeiler mit der Überschrift Ad Zoilum und übersetzt gleich mit den Worten:
«Zoile findest was, so dir da thut missfallen,
B’schnarch es keck, doch z’gleich was bessers zeig aus.
Kannst diss nit, so muest dir halt auch lassen g’fallen,
Dass dir sag ins G’sicht, Zoile bleib zu Hauss.»

Historiker und Wissenschaftler
Berühmt wird Propst Gelasius durch seine 1762 veröffentlichte «Kurtze Historische Nachricht von Dem Ursprung und Fortgang Dess Stifft- und Closters Ünderstorff», das der breiteren Wirkung wegen in deutscher Sprache geschrieben ist. Die darin erhaltenen Kurzbiografien der Pröpste enden leider mit seinem Regierungsantritt. Als Werbung für Indersdorf und auch für seine Baumassnahmen legt er 15 Stichblätter der Gebäude und Innenräume bei. Ein Kupferstich zeigt den Innenraum der Nikolaikapelle am Kreuzgang, die Propst Gelasius 1759 durch Johann Georg Dieffenbrunner umbauen lässt. Diese Neugestaltung spiegelt das grosse historische Bewusstsein des Propstes wieder. Er lässt die im Kirchenboden verstreuten Grabplatten des Adels entlang der Kapellenwände aufstellen, deren Zwischenräume und Abdeckungen von Dieffenbrunner heraldisch erläuternd gestaltet werden. In den vier Zwickeln des Gewölbes malt Dieffenbrunner die Tugenden, denen die Förderung des Propstes gilt. Es sind die Personifikationen der Bildhauerei, der Stuckatur, der Malerei und der Genealogie. Vergessen bleiben die Mathematik und die Physik, zwei weitere Interessen- und Förderdisziplinen des Propstes. Eigenhändig richtet er im Kloster ein «Armarium physico-mathematicum» ein. Auf dem Schneiderturm errichtet er eine Sternwarte.

Rückzug
Ein beginnendes Leiden veranlasst ihn, 1768 zu resignieren. Er lebt noch drei Jahre im Kloster und stirbt am 16. August 1771 mit 61 Jahren.
Ein Epitaph ist nicht vorhanden. Sein Porträt in der Pröpstegalerie des Sommerrefektoriums verschwindet nach der Säkularisation mit vielen anderen spurlos. Im Deckenfresko der Rosenkranzkapelle, 1758 von Matthäus Günther gemalt, soll ein Chorherr in Demutshaltung den Propst darstellen. Individuelle Züge sind darin nicht zu erkennen. Selbst ein persönliches Wappen ist nicht überliefert. Es scheint, dass er als erster Propst auf solche Zeichensetzungen verzichtet, denn in seinen Um- und Neubauten wendet er nur das Doppelwappen des Stiftes an.

Pius Bieri 2020

Literatur:
Monhart, Gelasius: Kurtze Historische Nachricht von / Dem Ursprung und Fortgang / Dess / Stifft- und Closters / Ünderstorff. Augsburg 1762.
Fugger, Eberhard von: Geschichte des Klosters Indersdorf von seiner Gründung bis auf unsere Zeit, nach Urkunden und historischen Quellen bearbeitet. München 1883.
Dorner, Peter: Die Barockbauten des Indersdorfer Propstes Gelasius Morhart, in: Amperland 9, Seite 357–364. Dachau 1973.

Anmerkungen

[1] Die Profess ist bei Gelasius Morhart mit dem 23. Oktober 1729 dokumentiert, die Primiz am 17. Oktober 1734 (Quelle: Pirmin Lindner 1907). Eine Profess ist üblicherweise frühestens nach einem Jahr Noviziat möglich. Das Noviziat beginnt mit dem Eintritt. Bei Gelasius Morhart wird das Datum der Profess in der Literatur meist mit dem Eintritt verwechselt.

[2] Innozenz Weiss (1694–1748) aus Burghausen. Propst in Indersdorf 1728–1748.

[3] Augustin Liebhart Michl oder Michel (1662–1751) aus München. Der bedeutende Kirchenrechtler und Schriftsteller wendet sich 1698 und 1699 in zwei Schriften entschieden gegen die bayerischen Amortisationsgesetze, die den Klöstern Kurbayerns den Grunderwerb nur noch mit kurfürstlicher Zustimmung erlaubt und ausserhalb der Klosterhofmark grundsätzlich verbietet. Die kurfürstliche Kommission verweigert deswegen 1704 die Anerkennung seiner Wahl. Nachdem der Konvent nochmals einstimmig Michl wählt, wird vom Kurfürsten (kurz vor seiner Flucht nach Brüssel) dauerhaft der Ausschluss des verdienten Gelehrten von der Propstwürde ausgesprochen. Das Ereignis zeigt die Abhängigkeit aller kurbayerischen Chorherrenstifte vom Kurfürsten sehr deutlich.

[4] P. Benno Murschhauser (1697–1771), Profess 1716, ist 1748 bei der Wahl Konkurrent. Als Dekan oder Dechant wird bei den Chorherren der Prior bezeichnet.

[5] Johann Theodor von Bayern (1703–1763), Sohn von Kurfürst Max II. Emanuel von Bayern, Fürstbischof von Regensburg (1719, mit 16 Jahren!), von Freising (1727) und von Lüttich (1744). Seit 1746 auch Kardinal.

[6] Matthäus Günther (1705–1788) aus Tritschengreith am Hohenpeissenberg. Günther ist 1737 bis 1746 in der Stiftskirche des Augustiner-Chorherrenstifts Rottenbuch tätig. Mehr zu Matthäus Günther siehe in der Biografie mit Werkverzeichnis in dieser Webseite.

[7] Franz Xaver Feichtmayr (1705–1763) aus Wessobrunn, Stuckateur in Augsburg. Er ist in Indersdorf 1753/54 Stuckateur des Refektoriums, wahrscheinlich auch der Sakristei. Mehr zu Franz Xaver Feichtmayr siehe in der Biografie mit Werkverzeichnis in dieser Webseite.

[8] Johann Georg Dieffenbrunner (1718–1785) aus Mittenwald. Schüler von Johann Georg Bergmüller in Augsburg. Mehr zu Johann Georg Dieffenbrunner siehe in der Biografie mit Werkverzeichnis in dieser Webseite.

[9] Maximilian III. Joseph von Bayern (1727–1777), Kurfürst 1745–1777. Er erbt von seinen beiden Vorgängern eine Schuldenlast von 35 Millionen Gulden, mehr als das 8-fache der bayerischen Jahreseinnahmen. Er kann diese durch ein Schuldentilgungswerk auf 9 Millionen Gulden senken, das in erster Linie die Klöster hart trifft.