Friedrich Carl Reichsgraf von Schönborn (1674–1746)

Reichsvizekanzler 1705–1731
Fürstbischof von Bamberg 1729–1746 und Fürstbischof von Würzburg 1729–1746

Familie, Ausbildung und diplomatische Karriere
Friedrich Carl[1] wird am 3. März 1674 als zweiter Sohn des Melchior Friedrich von Schönborn (1644-1717) und der Maria Anna Sophia von Boinebourg (1652–1726) in Mainz geboren. Sein Vater ist hoher Beamter im Dienste von Kurmainz, das bis 1673 von Johann Philipp von Schönbrunn, dem Grossonkel, regiert wird. Der jüngste Bruder väterlicherseits, Onkel Lothar Franz von Schönborn wird Kurmainz 1695–1729 regieren. 14 von 18 Kindern der Familie erreichen das Erwachsenenalter. Vier der sieben Söhne nehmen später Fürstbischofssitze in Würzburg, Bamberg, Speyer und Trier ein. Sie verdanken dies dem beinahe perfekten reichskirchlichen Patronagesystem der Familie Schönborn, gelenkt von Onkel Lothar Franz, der auch für eine sorgfältige Erziehung und gute Ausbildung der Neffen sorgt.
Zusammen mit seinem nur wenig älteren Bruder Johann Philipp Franz tritt Friedrich Carl mit sieben Jahren in das Jesuitengymnasium am Kolleg von Aschaffenburg ein. 1683 erhält er eine Pfründe am Würzburger Domstift, 1685 am Bamberger Domstift, 1696 ist er Kanoniker am Stift St. Burkard zu Würzburg. Die Pfründe sind in erster Linie Absicherungen für spätere Ansprüche und gute Einnahmequellen. Denn bis 1698 geht er mit seinem Bruder an die Universitäten von Würzburg und Mainz (1687–1690) und anschliessend ans Collegium Germanicum in Rom. 1694–1698 sind sie auf der Kavalierstour durch Italien und Frankreich.[2] Dann ist er im Auftrag seines Onkels als Gesandter an anderen Höfen tätig. 1700 wird Friedrich Carl Dompropst von St. Alban in Mainz, 1704 ist er Kapitular am Würzburger Domstift und 1705 am Bamberger Domstift. Im gleichen Jahr stirbt der Reichsvizekanzler Dominik Graf von Kaunitz. Lothar Franz von Schönbrunn setzt als Kurfürst und Reichserzkanzler alle Hebel in Bewegung, um die Nachfolge dieses wichtigsten Amtes im Reich seinem Neffen Friedrich Carl zu sichern. Kaiser Leopold I. weigert sich vorerst, die beiden Ämter des Erzkanzlers und des Vizekanzlers in Familienunion besetzen zu lassen. Er stirbt aber 1705 und sein Nachfolger Joseph I. setzt 1705, wenige Tage nach seiner Thronbesteigung, Friedrich Carl von Schönborn als Reichsvizekanzler ein. Er wird hier zum hochgeachteten Vertreter und Verteidiger der Reichsidee, die durch die aufstrebenden Grossmächte Brandenburg-Preussen und Österreich bereits stark gefährdet ist.

Wiener Jahre und Johann Lucas von Hildebrandt
Obwohl Carl Friedrich von Schönborn durchaus nicht immer die Position Österreichs vertritt, gewinnt er mit Prinz Eugen von Savoyen einen grossen Freund. Verbindend ist das gemeinsame Interesse an Baukunst. Schon 1706 baut der Architekt des Prinzen, Hofbauingenieur Johann Lucas von Hildebrandt, dem Reichsvizekanzler in der Alservorstadt (Laudongasse 15-19) ein Gartenpalais. Lucas von Hildebrandt[3] ist sofort Vertrauensarchitekt auch des Reichsvizekanzlers. Dieser kann 1710 die Herrschaft Göllersdorf der Grafen von Puchheim und deren Ämter und Titel übernehmen. Der Titel wird auch seinem Vater Melchior Friedrich und damit der ganzen Familie übertragen. Damit ist die Familie der Grafen von Schönborn-Puchheim  auch in den österreichischen Erblanden etabliert. Als Zeichen der Legitimation baut Friedrich Carl in Göllersdorf 1712–1717 das Schloss Schönborn, eine Dreiflügelanlage mit Schlosspark, Orangerie und Kapelle. Hier baut er 1725–1730 auch an eine Loretokapelle einen Zentralbau als Gruftkirche an. Johann Lucas von Hildebrandt ist Architekt dieser Bauten. Als Maler holt er den für seinen Onkel in Pommersfelden tätigen Johann Rudolf Bys. Die Erstellung der Gruftkirche zeigt, dass Friedrich Carl um diese Zeit nicht mit einer Rückkehr nach Würzburg rechnet, wo sein Bruder 1721 mit der Schönbornkapelle als Grablege am Kiliansdom beginnt. Zwar befasst er sich intensiv mit dem gleichzeitigen Residenzneubau in Würzburg und beauftragt für dessen Gelingen auch seinen Architekten Johann Lucas von Hildebrandt mit Projektüberarbeitungen. Selbst als er 1724 nicht als Nachfolger seines Bruders gewählt wird, lässt das Interesse der Schönborns am Bau nicht nach. Lothar Franz und Friedrich Carl lassen sich über den Bauleiter Balthasar Neumann auf dem Laufenden halten. Zudem ist Friedrich Carl seit 1708 Koadjutor seines Onkels in Bamberg und wird 1727 als Dompropst in Würzburg gewählt. Offensichtlich baut ihm Lothar Franz auch hier Brücken. 1728 weiht er ihn zum Priester und dann zum Bischof eines imaginären Bistums.[4]
1729 stirbt sein Onkel, der Kurfürst und Erzkanzler Lothar Franz, Erzbischof von Mainz und Fürstbischof von Bamberg. Friedrich Carl ist Nachfolger in Bamberg. Im gleichen Jahr wird er auch als Fürstbischof von Würzburg gewählt. Als Universalerbe kann er zudem die umfangreiche Besitzungen seines Onkels mit dem Schloss Weissenstein in Pommersfelden übernehmen. Damit verbunden ist der Abbau der grossen Schuldenlast seines Onkels. Reichsvizekanzler bleibt er bis 1734, nach 1731 ist er aber mehrheitlich in seinen neuen fränkischen Hochstiften anzutreffen. Mitgrund sind Intrigen am Kaiserhof und auch die kaiserliche Unterstützung eines Mitbewerbers für den Kurfürstensitz in Mainz.

Fürstbischof von Bamberg und Würzburg
Die Umstellung vom Reichspolitiker zum Kirchenfürsten gelingt Friedrich Carl. Zwar ist er weiterhin gefragter Diplomat, stellt im Polnischen Thronfolgekrieg gegen Frankreich Truppen zur Verfügung, verärgert dann aber Österreich wegen der Anerkennung des 1742 als Karl VII. zum Kaiser gewählten Karl Albrecht von Bayern. Während des Österreichischen Erbfolgekrieges gegen Preussen nimmt er eine neutrale Haltung ein. Die siebzehn Regierungsjahre in Bamberg und Würzburg verlaufen im äusseren Frieden, im Zeichen wachsenden Wohlstandes und eines schon aufgeklärten Absolutismus. Tolerant ist Friedrich Carl nicht. Den grossen Abteien in seinen Bistümern streitet er jedes Recht auf Reichsunmittelbarkeit ab. Eine 1738 vom Ebracher Abt veröffentlichte Schrift mit Kupferstichen des Klosterbesitzes lässt er öffentlich verbrennen.[5] Er kennt die Macht der Bilder und die Zeichensprache der Herrschaftsarchitektur. Diese beansprucht er nur für sich. Schon gleich nach seiner Wahl in Würzburg nimmt er sich des familieneigenen Projektes des Residenzneubaus an. Er nimmt 1729 Wohnsitz im fertiggestellten Nordblock, entlässt den um das Projekt verdienten Maximilian von Welsch und zieht als Planer wieder seinen Wiener Hausarchitekten Johann Lucas von Hildebrandt bei. Den «Obristlieutenant» Balthasar Neumann betrachtet er vorerst nur als örtlichen Bauleiter, den er allerdings bei wichtigen Bauentscheidungen beratend beizieht und ihn auch nach Wien zu Hildebrandt beordert. Nach Hildebrandts Plänen kommt der Residenzbau bis 1741 unter Dach und die Gewölbe können erstellt werden. Neumann hat inzwischen auch als Planer das Vertrauen des Fürstbischofs gewonnen. Er beauftragt ihn schon 1733 mit dem Neubau der grossartigen Sommerresidenz in Werneck und überträgt ihm Kirchenbauten in Herrschaften der Familie Schönborn. Auch die 1721 begonnene Schönbornkapelle am Kiliansdom wird von Neumann vollendet. Für die Wallfahrtskirche von Vierzehnheiligen wendet der Fürstbischof 1734–1743 alle diplomatischen Tricks an, um das neue Bauwerk nach seinen Vorstellungen durch Balthasar Neumann zu bauen, ohne auch nur einen Gulden beizutragen. Der bürgerliche Abt von Langheim, der das Bauwerk finanzieren muss, ist ein harter Gegenspieler des Fürstbischofs. Hier unterliegt er dem überlegenen Diplomaten Schönborn und kann deshalb das einmalige Kirchenneubauprojekt Neumanns in Langheim nicht verwirklichen. Friedrich Carl von Schönborn ist, das zeigen diese wenigen Beispiele, wie sein Onkel ein überragender Baumäzen, auch wenn die übertrieben grosse Zahl von 150 Kirchen, die er errichtet oder erneuert haben soll, nicht stimmen kann.[6] Er ist auch passionierter Jäger. Bei einer Visitationsreise vergnügt er sich 1741 bei der Jagd und rapportiert an den Gesandten Dr. Seitz in Rom, dass «in weniger als drei Monaten über 300 Wildschweine, 200 Rehe und 3560 Hasen nebst vielen Füchsen, Hühnern und Schnepfen geschossen worden seien und es würden bis Lichtmess wahrscheinlich noch 300 Schweine und mehr als 1000 Hasen geschossen werden. Dabei habe er noch nicht den zehnten Teil des Fürstentums bereist und seine Jagdbezirke seien so eingeteilt, dass er nur alle vier Jahre denselben Ort zu besuchen brauche».[7]
Am 25. Juli 1746 wird er im Alter von 72 Jahren in Würzburg nach kurzer Krankheit aus seinem Fürstenleben abberufen und in der Schönbornkapelle beigesetzt. Das Bestattungsritual mutet heute makaber an, ist aber bei Fürsten der Barockzeit üblich. Der Leichnam wird seziert, das Herz kommt in einer Silberschale in den Dom von Bamberg, die Eingeweide mit Gehirn, Zunge und Augen werden in die Gruft der Loretokirche von Göllersdorf überbracht und der Leib wird in die Schönbornkapelle am Kiliansdom in Würzburg beigesetzt. An allen Orten wird ihm ein Epitaph errichtet. Dasjenige des Bamberger Domes, 552 Zentimeter hoch, von Johann Wolfgang von der Auvera geschaffen, befindet sich heute im Mainfränkischen Museum auf der Festung Marienburg in Würzburg.[8]
Auf den Gemälden und Porträts nach 1729 lässt er sich als Kirchenfürst darstellen. Ausdruckstark und befehlsgewohnt blickt er den Betrachter an. Immer trägt er eine gestutzte Allongeperücke. Bekleidet mit schwarzer Soutane, auf der Brust das kostbare Pektorale, trägt er das Beffchen[9] der Geistlichkeit, stellt sich aber bei Ganzkörperdarstellungen mit dem fürstlichen purpurroten Hermelinumhang dar. Auf dem Kamingemälde im Kaisersaal der Residenz ist der Hermelinumhang nur noch Staffage. Staffagen sind auch der Fürstenhut, die gleich zweifach dargestellte Bischofsmitra, Krummstab und Schwert. Auf der bekannten Familiendarstellung in Gaibach liegt dies alles im Vordergrund auf dem Boden, hier sogar bereichert mit der päpstlichen Tiara.
Persönlicher ist die Pastelldarstellung des jungen Kanonikers Schönborn von Johann Matthäus Merian, dargestellt im Alter von höchstens 30 Jahren (vor 1705) in Pommersfelden,[10] sowie ein Porträt des vielleicht 55-jährigen Prälaten in der Residenz Bamberg.

Pius Bieri 2011

Anmerkungen:

[1] Er schreibt sich immer Friedrich Carl. Die Schreibweise wird heute in vielen Biografien aufgrund des Eintrages in der Allgemeinen Deutschen Biographie (1891) zu Friedrich Karl geändert. Der Schönborn, der sich selbst so schreibt, lebt allerdings im 19. Jahrhundert (Friedrich Karl, Graf von Schönborn-Buchheim, 1869–1909). Es scheint, dass die Verdeutschung barocker Namen (Jacob, Caspar, Joseph) nicht aufzuhalten ist.

[2] Nach Dahm, Christof in Band IX BBKL 1995, Spalten 636-640, werden die Brüder sogar vom Sonnenkönig in Versailles empfangen.

[3] Lucas von Hildebrandt (1668–1745), Schüler von Carlo Fontana in Rom, nimmt als Festungsingenieur an drei Feldzügen des Prinzen Eugen im Piemont teil und kommt 1696 mit ihm nach Wien. Hier baut er für ihn 1714–1716 den Unteren und 1721–1722 den Oberen Belvedere.

[4] Titularbistum Arcadiopolis.

[5] Der verdiente Abt Wilhelm Sölner lässt sich dies nicht bieten, druckt eine zweite Auflage in Rom und legt die Schrift dem Papst vor.

[6] Die Zahl wird von Christof Dahm in Band IX BBKL 1995, Spalten 627-633, genannt. Die Bewilligung und spätere Weihe eines Kirchenneubaus heisst nicht, dass er diesen auch mitplant oder gar finanziert und damit zum Bauherrn wird.

[7] In heutigem Deutsch nach Jäckel, in: Correspondenz-Blatt des zoologisch-mineralogischen Vereines, Nr. 5 und 6, Seite 72, Regensburg 1863.

[8] Im Bamberger Dom wird unter König Ludwig I. bis 1837 purifiziert, das heisst, alle barocken Ausstattungen, Bilder, Altäre und Grabmäler werden zu Gunsten eines «reinen» Mittelalters entfernt.

[9] Prälatenkragen

[10] Johann Matthäus Merian (1659–1716), Original in Pommersfelden, fälschlicherweise um 1709/10 datiert. Friedrich Carl wirkt sehr jung und hätte sich als Reichsvizekanzler nie so abbilden lassen.

 

Literatur zu Lothar Franz, Johann Philipp Franz, Friedrich Carl und  Damian Hugo von Schönborn:
Werner, Franz: Der Dom von Mainz, erster bis dritter Theil, Mainz 1836.
Sedlmaier, Richard und Pfister, Rudolf: Die fürstbischöfliche Residenz zu Würzburg, München 1923.
Meyer, Otto: Damian Hugo von Schönborn, in: Barock in Baden-Württemberg, Ausstellungskatalog, Karlsruhe 1981
Reinhardt, Rudolf: Damian Hugo von Schönborn, in: Helvetia Sacra, Abteilung I, Band 2, Erster Teil, Basel 1993.
Mauelshagen, Stephan: Trauer und politisches Kalkül, zwei Leichenpredigten für Damian Hugo von Schönborn, in: Die katholische Leichenpredigt der frühen Neuzeit, Amsterdam 1999.
Erichsen, Johannes (Hrsg.): Kaiser Räume - Kaiser Träume, Ausstellungskatalog, München 2007.
Mairhofer, Maria Antonia: Loreto- und Gruftkapelle der Familie Schönborn in Göllersdorf in Niederösterreich - Ein Werk von Johann Lucas von Hildebrandt, Diplomarbeit Wien 2008.
Süssmann, Johannes: Bauen als Politik, in: Geistliche Fürsten und Geistliche Staaten in der Spätphase des Alten Reiches, Epfendorf 2008.

Nach seinem Amtsantritt als Fürstbischof in Würzburg und Bamberg  lässt sich Friedrich Carl von Schönborn meist als Kirchenfürst mit Hermelinumhang darstellen. Schlichter ist das Porträt in der Gemäldesammlung der Residenz Bamberg  (Raum 14). Auf ihm ist er mit schwarzer Soutane und Beffchen dargestellt, ein kostbares Brustkreuz an einer Schleife tragend. Ausdruckstark und befehlsgewohnt blickt der den Betrachter an.
Quelle: Ausstellungskatalog 2007.

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Die Reichsgrafen von Schönborn und ihr Wirken in den Bistümern Würzburg, Bamberg, Speyer und Konstanz
Aufstieg der Familie im 17. Jahrhundert

Die Adelsfamilie Schönborn stammt aus der Gegend von Limburg. Auf ihrer väterlichen Burg Eschbach wachsen Philipp Erwein (1607–1668) und Johann Philipp von Schönborn (1605–1673) zusammen mit ihrer Schwester Agatha Maria auf. Die Kinder verlieren 1613 ihren Vater. Die Mutter, eine Freiin von der Leyen, bemüht einflussreiche Verwandte am Hof in Mainz für die Förderung der Ausbildung ihrer Söhne am dortigen Jesuitenkolleg. Besondere Unterstützung erhalten sie von Friedrich Georg von Schönborn, Domkapitular in Mainz und Amtmann in Bingen. Er setzt, wie schon zwei 1615 kinderlos verstorbene Onkel, die beiden Jungen als Universalerben ein. Nach den Gymnasialjahren in Mainz, Studien in Würzburg, Orléans, Mainz und Siena unternehmen die jungen Edelleute eine gemeinsame Kavaliersreise durch Italien und Frankreich. Gut ausgebildet, mit exzellenter Beherrschung der lateinischen, italienischen und vor allem der französischen Sprache kehren sie 1629 zurück, wo Johann Philipp im gleichen Jahr in das hoch dotierte Domkapitel von Würzburg aufgenommen wird. Mit ihm, der 1642 Fürstbischof von Würzburg, 1647 Erzbischof von Mainz und damit Kurfürst und Reichserzkanzler wird, betreten die Schönborn während des Dreissigjährigen Krieges die Bühne der grossen Politik. Die jetzt beginnende aggressive Hegemonialpolitik des «Sonnenkönigs» führt zum Bruch der bisher guten Beziehungen Johann Philipps mit Frankreich. Er schliesst 1668 ein Defensivbündnis mit Kaiser Leopold I. und leitet damit den auf den Kaiser und das Reich ausgerichteten politischen Standort ein, den die Schönborn-Bischöfe der nächsten Generationen vehement vertreten. Seine Kirchenpolitik ist geprägt von der Durchsetzung der Beschlüsse des Konzils von Trient, aber auch von einer ausgesprochenen Toleranz zum Protestantismus. Die Mainzer Bibel-Übersetzung, die er 1661 veröffentlicht, wird von zwei Konvertiten geschrieben und bleibt bis 1830 die am weitesten verbreitete katholische Bibel. Beinflusst vom Jesuiten Friedrich Spee lässt Johann Philipp alle Hexenprozesse in seinen Territorien verbieten.[1]
Sein Bruder Philipp Erwein wird Reichshofrat und kurmainzischer Oberamtsmann. Verheiratet mit Freiin Maria Ursula von Greiffenclau zu Vollrads (1612–1682), der Tochter eines kurmainzischen Geheimrates und Nichte des 1626–1629 regierenden Kurfürsten und Erzbischofs von Mainz, ist er auch von Frauenseite mit der Reichskirche verknüpft. 1650 erwirbt er den Ort und das Schloss Gaibach und 1661 die Herrschaft Heusenstamm. 1663 verleiht Kaiser Leopold I ihm und seinen Nachkommen die Reichsfreiherrenwürde. Philipp Erwein hat 16 Kinder. Wenige Monate vor dem Tod Philipp Erweins im Jahre 1668 verheiratet sich sein zweitgeborener Sohn Melchior Friedrich (1644–1717). Er wird später die Dynastie sichern. Der jüngste Sohn, Lothar Franz (1655–1729), ist zu diesem Zeitpunkt 13, aber schon seit 1665 im Besitz einer Pfründe[2] am Domstift von Würzburg. Sein Onkel, der noch amtierende Erzbischof von Mainz, auch Bischof von Würzburg und Worms, wirkt massgebend an der geplanten geistlichen Laufbahn seines Neffen mit. Lothar Franz ist 18, als sein Onkel 1673 stirbt. Wie dieser kommt er nach Studium und Kavaliersreise rasch zu Würden und wird Ende des 17. Jahrhunderts Erzbischof von Mainz, Kurfürst und Erzkanzler des Reichs. Als Oberhaupt der Familie fördert er die Hausmacht der Schönborn durch eine kluge Heiratspolitik und durch die Förderung  seiner sieben Neffen. Er wird zur «Fortune» des Hauses Schönborn. Kaiser Leopold erhebt die Familie 1701 in den Reichsgrafenstand. 1705 regiert zum ersten Mal in der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches ein Kurfürst als Reichskanzler gleichzeitig mit seinem Neffen. Es ist Friedrich Carl, der in Wien als Reichsvizekanzler amtiert. Höhepunkt dieser Familienpolitik bildet 1711 die Kaiserkrönung Karls VI. im Dom von Frankfurt. Lothar Franz, der zur Wahl massgeblich beigetragen hat, krönt den neuen Kaiser in Gegenwart der wichtigsten politischen und kirchlichen Würdenträger. Der letzte grosse Familienpolitiker im Dienste der Reichskirche, der Neffe Friedrich Carl, kauft 1710 als Reichsvizekanzler den Besitz und die Titel der Grafen von Puchheim, eines alten niederösterreichischen Adelsgeschlechtes. Der Titel wird auch auf seinen Vater Melchior Friedrich übertragen. Damit kann sich die Familie in den österreichischen Erblanden etablieren. Aus Puchheim wird später Buchheim, heute nennen sich die Nachkommen Schönborn-Buchheim. Mit dem Tod des letzten geistlichen Fürsten und Baumäzens Friedrich Carl von Schönborn 1746 geht die grosse Periode einer faszinierenden Familienherrschaft zu Ende.
In der Kirche von Gaibach finden wir die hier erwähnten drei Generationen des Hauses Schönborn vereint auf dem Altarblatt des rechten Seitenaltars.[3] Das Gemälde ist einerseits ein Monument von Familienbewusstsein eines in der Reichskirche so erfolgreichen Geschlechts, andererseits Ausdruck des nicht unbescheidenen Selbstverständnisses des Hauses Schönborn.
Das Wappen der Familie Schönborn finden wir an vielen ihrer Bauwerke.[4] Es stellt in Rot einen auf drei silbernen Spitzen schreitenden, zweigeschwänzten goldenen Löwen dar, der blau bezungt und gekrönt ist. Als Stammwappen wird es so 1670 am Schönborner Hof in Mainz angebracht. Später ist das Wappen komplexer und das Stammwappen wird Herzschild. Das fürstbischöfliche Wappen von Friedrich Carl über dem Hauptportal der 1739 geweihten Kirche von Gössweinstein zeigt das Stammwappen als Herzschild mit Grafenkrone, begleitet von 12 Wappenfeldern.[5]

Pius Bieri 2011

Literatur zu Aufstieg der Familie im 17. Jahrhundert:

Jürgensmeier, Friedhelm: Johann Philipp von Schönborn (1605–1673), Erzbischof – Kurfürst – Erzkanzler des Reiches, in: Mainzer Vorträge 12, Mainz 2008, S. 85-102.

Anmerkungen:

[1] Spätere Fürstbischöfe halten sich nicht daran. Noch 1749 lässt Philipp Karl von Greiffenclau die siebzigjährige Subpriorin des Klosters Unterzell, Tochter eines kaiserlichen Generals, als Hexe hinrichten.

[2] Pfründe: Lateinisch praebenda, in der deutschen Literatur auch als Präbende genannt, ist ein kirchliches Amt mit Ertrag auf einer Vermögensmasse des Stiftes.

[3] Das Altarblatt in der Kirche von Balthasar Neumann ist ein Werk des auch in der Würzburger Residenz tätigen Franz Lippold (1688–1768) von 1745.
Verewigt sind hier nur elf männliche Mitglieder, die das Familienziel, nämlich die Besetzung von Bischofsstühlen oder die Fortpflanzung des Geschlechts, mit Erfolg erreicht heben. Vor ihnen liegen die Insignien der kirchlichen und weltlichen Macht. Sie beginnen links mit Kurfürstenhut, Mitra, Biret, Krummstab und Schwert, in der Mitte liegt die päpstliche Tiara mit Kreuz und Schlüsseln, rechts die Kaiserkrone mit Zepter und Reichsapfel. Der Auftraggeber des Gemäldes, Friedrich Carl, zeigt damit klar die Verflechtungen der Familie und ihren Einfluss auf Kirche und Kaiser. Er selbst kniet als Stifter links im Vordergrund und ist mit einem purpurnen Hermelinmantel bekleidet. In tiefer Verbeugung blicken im Mittelgrund die Vertreter der ersten Generation zum Betrachter. Es sind der Erzbischof Johann Philipp und sein Bruder Philipp Erwein, der einen goldenen hermilingefütterten Mantel trägt. Hinter ihm sein Sohn Melchior Friedrich, darüber zwei Mitglieder der weltlichen dritte Generation. Prominent in der Mitte steht Kardinal Damian Hugo, der Fürstbischof von Speyer und Konstanz. Links und hinter ihm die weiteren drei kirchlichen Würdenträger. Lothar Franz reiht sich hier als zweiter von links bescheiden in die Reihe seiner Neffen ein, die links von ihm mit Johann Philipp Franz beginnt, sich rechts mit dem Kurfürsten von Trier, Franz Georg, fortsetzt und dann mit dem Dompropst von Bamberg und Eichstätt, Marquard Wilhelm, endet. > Bild abrufen.

[4] Zur Wappengeschichte siehe die ausführliche Darstellung mit der übersichtlichen und ausführlichen Familiengenealogie unter http://www.dr-bernhard-peter.de/Heraldik/schoenborn.htm

[5] Über dem Herzschild mit Grafenkrone der kaiserliche Doppeladler, darunter das Habsburger Stammwappen, und links und rechts je fünf Wappenfelder von fünf Familienherrschaften, den Wappen der Hochstifte Bamberg und  Würzburg, sowie des Herzogtums Franken.

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  Friedrich Carl Reichsgraf von Schönborn (1674–1746)  
  Biografische Daten      
  Geburtsdatum Geburtsort       Land 18. Jahrhundert  
  3. März 1674 Mainz D   Kurfürstentum Mainz  
  Titel und Stellung         Regierungszeit  
  Reichsvizekanzler, Fürstbischof von Bamberg und Würzburg   1705–1746  
  Sterbedatum Sterbeort       Land 18. Jahrhundert  
  25. Juli 1746 Würzburg D   Hochstift Würzburg  
  Kurzbiografie              
  Friedrich Carl von Schönborn beginnt seine Karriere 1705 als Reichsvizekanzler in Wien. 1710 kann er die Herrschaft und Titel der Grafen von Puchheim übernehmen. In Wien lernt er den kurvierten Barock böhmischer Prägung kennen. Für den Bau seiner Wiener Stadtresidenz und des Schlosses in Göllersdorf engagiert er den schon berühmten Johann Lucas von Hildebrandt, mit dem er auch nach seiner 1729 erfolgten Wahl zum Fürstbischof von Bamberg und Würzburg zusammenarbeitet, um dann später auch Balthasar Neumann sein Vertrauen zu schenken. Mit ihm stellt er die Würzburger Residenz fertig, baut das Schloss Werneck und setzt ihn in Vierzehnheiligen ein. Damit sind auch die wichtigsten Werke dieses überragenden Kirchenfürsten der Familie Schönborn genannt.     SchoenbornFC  
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