Äbtissin OCist 1739–1772 in Wald
Sie wird am 27. August 1702 in Romanshorn als Tochter von Gallus Anton von Thurn und Valsassina, Herr auf Wartegg und Bichwil (1667–1741), und der Maria Anna Freiin Rinck von Baldenstein geboren. Ihr Vater ist Hofmarschall der Fürstabtei St. Gallen, Obervogt zu Romanshorn und Rorschach. Die Familie besitzt das Erbmarschallamt seit 1676 und gehört seit 1702 der Schwäbischen Reichsritterschaft an.[1] Die Familie ihrer Mutter, alter Graubündner Adel in Diensten der Churer Bischöfe, ist seit dem 16. Jahrhundert ebenfalls in Diensten des St. Galler Fürstabtes. Ein Zweig der Familie stellt drei Basler Fürstbischöfe, darunter ist von 1744 bis 1762 auch der Vetter Joseph Wilhelm Rinck von Baldenstein (1704−1762).
Am 11. September 1718, mit 16. Jahren, legt sie in Wald Profess ab. Sie wird am 26. Dezember 1739 zur Äbtissin gewählt und am 9. April 1741 in Salem von Abt Constantin Miller benediziert. Sie nimmt, gemeinsam mit dem Vaterabt, im gleichen Jahr die Huldigung der Untertanen entgegen. Bereits beim Eid, den die Äbtissinnen bei der Benediktion ablegen müssen, spürt man den Willen der neuen Äbtissin, sich nicht von Salem unterjochen zu lassen. Sie unterlässt die ausdrückliche Anerkennung der salemischen Obrigkeit in geistlichen und zeitlichen Dingen. Erst der 1746 gewählte, 11 Jahre jüngere Abt Anselm II. zwingt sie 1750 zum vollständigen Wiederholen des Gehorsamseides. Der selbstbewusste Reichsprälat unterschätzt aber die Äbtissin. 1752 erreicht er zwar in einer siebentägigen Visitation ihre vorbehaltlose Unterwerfung mit der Unterzeichnung von lateinischen Schreiben an den Ordensgeneral in Cîteaux und an den päpstlichen Nuntius. Damit hat er aber den Bogen überspannt. Als die in Lateinisch unkundige Äbtissin eine Übersetzung dieser Schreiben aus Cîteaux erhält, startet sie den Gegenangriff. Mit Hilfe ihres Bruders und des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen erreicht sie in Cîteaux eine Untersuchung durch den Orden. Die Ordenskommission stellt sich auf die Seite der Walder Äbtissin und löst das Paternitätsverhältnis mit Salem auf. Anselm II. reagiert, hoch pokernd, mit der Niederlegung der Paternitätsrechte aller Frauenklöster. Dies benutzen nun auch die Reichsabteien Gutenzell und Heggbach, um wie Wald unter die neue Paternität von Kaisheim zu gelangen. Lediglich Heggbach kehrt auf persönliches Werben des Abtes Anselm II 1762 wieder in die Paternität Salems zurück, während die Walder Äbtissin sich im gleichen Jahr auch mit Kaisheim überwirft und aus Unabhängigkeitsgründen das vorderösterreichische Tennenbach als neues Vaterkloster wählt.
Äbtissin Maria Dioskora von Thurn-Valsassina ist aber nicht durch diese Auseinandersetzung mit dem gebildeten und mächtigen Reichsprälaten bürgerlicher Herkunft in Erinnerung geblieben. Ihr Denkmal hat sie sich mit der neuen Rokokoausstattung der Klosterkirche gesetzt, die sie 1752 beginnt. Sie schliesst 1751 einen Akkord mit dem jungen Vorarlberger Stuckateur Johann Jakob Schwarzmann, der zu dieser Zeit noch an der Fertigstellung der Stuckierung der Pfullendorfer Pfarrkirche St. Jakob und der Wallfahrtskirche Maria Schrey arbeitet. Zum nahen Pfullendorf hat die Abtei Wald Besitzesbeziehungen. Die dortigen Erstlingswerke des jungen Schwarzmann müssen die Äbtissin überzeugt haben. Sie ersetzt 1753 zudem den geflüchteten Wandermaler Johann Melchior Eggmann aus Rorschach durch den ebenfalls in Pfullendorf tätigen Sigmaringer Hofmaler Meinrad von Ow. Erst 1765, mit der Fertigstellung der Fassarbeiten durch Johann Michael Schmadel, ist die Neugestaltung der Klosterkirche beendet.
Nach 33 Regierungsjahren stirbt Maria Dioskora von Thurn-Valsassina am 14. Januar 1772 im 70. Lebensjahr. Ihr Ableben wird vorerst nur dem Vaterabt in Tennenbach mitgeteilt. Trotzdem erfährt Abt Anselm II. schnell davon und fordert für die zukünftigen Äbtissinnen wieder die Paternität Salems, was der Konvent jedoch dauerhaft verweigert. Die streitbare Äbtissin wird an der Nordwand des Chores beigesetzt. Auf dem Grabstein wird sie als die «42. Äbtissin des freiadeligen Stifts und Gottshauses Wald, die die Kirche kostbar fassen und auszieren liess» bezeichnet.
Ihr Wappen ist in der Klosterkirche mehrfach zu finden. Farbig ist es am Chorbogen vorhanden. Es ist geviertet. Feld 1 und 4 zeigen in Silber einen Zinnenturm vor zwei gekreuzten Lilien-Zeptern. Der Turm ist das alte Wappen der della Torre oder, wie sie sich verdeutscht nennen, der Thurn. Das gekreuzte Zepter ist das Wappen Valsassina. In Feld 2 und 3 ist in Gold ein steigender, gekrönter und doppelschwänziger Löwe zu sehen. Es ist der böhmische Löwe, der eigentlich rot sein müsste, hier aber wie auch der rote Turm schwarz dargestellt ist. Das Wappen entspricht damit der österreichischen Linie Thurn-Valsassina, der einköpfige Adler im ursprünglichen Familienwappen ist nur noch als mittlere Helmzier vorhanden. Die schnell wechselnden Wappen sind bei der Familie der von Thurn ebenso verwirrend wie deren Genealogie. So führt zwar das Haus Thurn und Taxis das gleiche Wappen (mit einem Dachs als Herzschild), hat aber mit dem Geschlecht der Thurn genealogisch nichts am Hut. Die Brüsseler Familie Taxis oder de Tassis hat den Namen Thurn 1624 zur Aufnahme in den Hochadel erworben.
Pius Bieri 2009
Benutzte Literatur:
Kuhn-Rehfus, Maren: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz, Bistum Konstanz 3: Das Zisterzienserinnenkloster Wald, Berlin 1992.
Links:
Die Familie von Thurn (Rorschach) im Historischen Lexikon der Schweiz.
Fidel von Thurn in der Allgemeinen Deutschen Biographie.
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Maria Dioskora Maura von Thurn und Valsassina (1702–1772) | ||||||||
Biografische Daten | Zurück zum Bauwerk | |||||||
Geburtsdatum | Geburtsort | Land 18. Jahrhundert | ||||||
27. August 1702 | Rorschach St. Gallen CH | Fürstabtei St. Gallen | ||||||
Titel und Stellung | Regierungszeit | |||||||
Äbtissin der Zisterzienserabtei Wald | 1739–1772 | |||||||
Sterbedatum | Sterbeort | Land 18. Jahrhundert | ||||||
14. Januar 1772 | Wald Baden-Württemberg D | Vorderösterreich | ||||||
Kurzbiografie | ||||||||
Auf dem Grabstein der Äbtissin Maria Dioskora von Thurn und Valsassina steht als Schlusssatz geschrieben: «Hat die Kirche· Kostbar Fassen·Und Aus·Zieren lassen». Tatsächlich kann ihre Neugestaltung des Innenraumes der Klosterkirche Wald als das Bedeutendste der Rokokoperiode in der Region Sigmaringen bezeichnet werden. |
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Der Grabstein der Äbtissin Maria Dioskora von Thurn und Valsassina in der Klosterkirche (B 78 cm / H 106 cm) ist ein Werk des Bildhauers Franz Sartori aus Hosskirch. Die Inschrift (für Vergrösserung anklicken!) lautet: «A(nn)O / MDCCLXXII. / Den 14. Jan. ist in Gott Seelig / Entschlaffen die Hochwürd(ige) / F(rei) ReichsHochWohlGebohrne F(rau) F(rau) / MARIA DIOSCORA / Maura Freyin Von Thurn und / Valsassina dis FreyAdelichen Stiffts / Und Gottes Hauß Wald die 42. / Äbtissin· Jhres Alters· im 70. und / Jhrer hochlöb(lichen) Regier(ung) im 33.jahr. / Hat die Kirche· Kostbar fassen / Und Aus:Zieren lassen / R. I. P.» Der Grabstein trägt über der Inschrift das Wappenschild der Familie Thurn und Valsassina. Drei bekrönte Helme bilden das Oberwappen. Der mittlere Helm trägt den einköpfigen deutschen Adler, der rechte trägt den Zinnenturm des Wappens und der linke den Wappenlöwen. Am Fuss des Grabsteins ist symbolhaft ein Januskopf über einer Sense mit Totenkopf und Stundenglas modelliert. Bildquelle: Andreas Praefcke in Wikipedia. |