Die im 18. Jahrhundert im Gefolge von Baumeistern aus Graubünden und Süddeutschland tätige Stuckateuren- und Malerfamilie Appiani stammt aus Porto Ceresio. Das kleine Fischerdorf am südwestlichen Ende des Luganersees wird damals Porto Morcote genannt und liegt im Herzogtum Mailand, nur wenige Fussminuten von der Grenze zur eidgenössischen Vogtei Lugano entfernt. In Porto Ceresio ist auch die vor allem in Franken berühmte Stuckatorenfamilie der Bossi beheimatet.
Pietro Francesco (Antonio) wird er am 31. Januar 1670 in Porto Morcote, dem heutigen Porto Ceresio geboren. Sein Vater Giuseppe (1644–vor 1721) ist um 1690 als Maurer an der Münchner Theatinerkirche erwähnt. Pietro Francesco wird 1696 erstmals als selbstständiger Stuckateur am Neubau des Klosters Fürstenfeld erwähnt, den der Misoxer Baumeister Giovanni Antonio Viscardi seit 1691 errichtet. Hier ist seit 1695 auch der Münchner Hofstuckateur Giovanni Nicolò Perti tätig.[1] Bis 1698 kann Appiani in Fürstenfeld einen Grossteil der Räume stuckieren.[2] Freskant ist Georg Asam, der schon in Benediktbeuern und in Tegernsee mit Perti gearbeitet hat. Asam zieht 1696 mit seiner Familie nach Bruck bei Fürstenfeld, dem heutigen Fürstenfeldbruck. Auch Pietro Francesco, der sich jetzt Peter Franz schreibt, kehrt über den Winter nicht mehr an den Luganersee zurück und heiratet am 9. Februar 1699 Maria Sophia aus Bruck, die Tochter eines Kaufmannes aus dem Veneto. Zwei ihrer Brüder sind Patres in Zisterzienserklöstern, Johann Baptist in Fürstenfeld und Wilhelm in Kaisheim. Von diesen Verbindungen zur Familie Sophia kann später auch sein jüngerer Bruder Jacopo oder Jakob (1687–1742) profitieren. Die Ehe dauert nur kurz, denn 1707 stirbt die Ehefrau. Sechs Kinder werden Halbwaisen, darunter auch der 1706 geborene Joseph Ignaz, der spätere kurmainzische Hofmaler. 1702 eröffnet Appiani in München eine eigene Werkstatt. 1703 reisst der machthungrige Kurfürst Max Emanuel sein Land in den Strudel des Spanischen Erbfolgekrieges. Die Arbeiten in Fürstenfeld, in Schleissheim und in Nymphenburg bleiben zehn Jahre unterbrochen. Aber die mit Viscardi, Perti und Asam geknüpften Kontakte zahlen sich aus. Vorerst arbeitet er mit Perti im Kloster Rebdorf, in Schloss Helfenberg und im Fürstenfelder Hof von Esslingen. Im Schloss Helfenberg, das Viscardi für den Grafen von Tilly baut, freskiert bis 1707 auch Georg Adam. 1708 kann Appiani die berühmte Wallfahrtskirche Maria Hilf in Freystadt, das Hauptwerk Viscardis, stuckieren. Hier arbeitet er wieder mit Georg Asam, diesmal auch mit den beiden später berühmten Söhnen. Der 16-jährige Egid Quirin dürfte dabei von Appiani gelernt haben. 1710 arbeitet Appiani nochmals an einem Bauwerk Viscardis. Es ist der Kongregationssaal der «Marianischen Deutschen Kongregation der Herren und Bürger von München». 1711 geht er für sechs Jahre nach Lothringen. Die Werkstatt führt jetzt sein Bruder Jacopo. Die Stationen des Frankreichaufenthaltes sind nicht dokumentiert. 1716 ist er zurück. Viscardi und Georg Asam sind inzwischen gestorben. Anlass zur Rückkehr könnte der Grossauftrag für die Stuckarbeiten im Klosterneubau von Kaisheim sein. Der Vorarlberger Franz Beer II baut hier 1716–1721. Die Brüder Appiani stuckieren bis 1723 und führen das Laub- und Bandelwerk des französischen Régence ein. Der berühmte Kaisersaal und der Bibliotheksaal sind vielleicht Werke des Trupps von Jacopo, denn in der Zwischenzeit baut Beer in Pielenhofen an der neuen Kirche des Zisterzienserklosters, einem Superiorat Kaisheims. Hier erstellt Appiani die reiche Régence-Stuckierung 1720–1721. Auch in Fürstenfeld wird nach der Rückkehr des Kurfürsten aus dem Exil wieder weitergebaut. 1718 beginnt die Appiani-Werkstatt mit der Stuckierung im neuen Chor. Die Fresken, vor dem Erbfolgekrieg noch an Georg Asam vergeben, führt jetzt sein Sohn Cosmas Damian aus. Aussergewöhnlich sind hier die Akkordsummen. Der üblicherweise besser bezahlte Maler erhält 1000 Gulden, für die Stuckaturen werden hingegen 1800 Gulden bezahlt. Nach 1720 arbeitet Appiani in Regensburg, für Baumeister Franz Beer II am Damenstift Niedermünster und für Franz Keller in der Deutschordenskomturei. Unerwartet stirbt er am 24. August 1724 in Regensburg[3] im Alter von 54 Jahren. Er wird in der Zandtkapelle der Stiftskirche Unserer Lieben Frau zur alten Kapelle begraben. Sein Epitaph ist dort noch vorhanden. «Peter Franz Appiani, Italus, geboren zu Mailand, gestorben zu Stadtamhof 14. August 1724» lautet die Inschrift.
Pius Bieri 2011
Anmerkungen:
[1] Giovanni Nicolò Perti (1656–1718) kommt mit seinem Vater Lorenzo Perti (1624–1692), der als Maurermeister die Theatinerkirche baut, nach München. Die falsche Schreibweise Niccolò hat sich leider in der Literatur eingebürgert.
[2] In Fürstenfeld arbeitet auch Francesco Marazzi (um 1670–1724) aus Mendrisio.
[3] In Stadtamhof, heute ein Stadtviertel von Regensburg.
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Jahr | Arbeitsort und Werk | Bemerkungen | Quelle |
1696– 1698 |
Fürstenfeld, Zisterzienserabtei, Klosterneubau, Stuckaturen. | Mit Nicolò Perti, Francesco Marazzi (1670/72–1724). Refektorium, Kapitelsaal, Sommerabtei, Gänge und Treppenhäuser durch P. F. Appiani. Baumeister: Viscardi. | Vollmer |
1700 | Rebdorf bei Eichstätt, Augustinerchorherrenstift. | Mit Nicolò Perti. 1715 Neubau durch Gabriel de Gabrieli. | Vollmer S.D. |
1700– 1701 |
Helfenberg (Oberpfalz), Schlossneubau. Stuck. | Mit Nicolò Perti. Baumeister: Viscardi. Das Schloss wird 1807 auf Abbruch verkauft. | S.D. |
1703 | München, Schloss Nymphenburg, Stuckarbeiten. | Auftrag von Viscardi. | Guldan |
1705– 1707 |
Zangberg (bei Ampfing). Schloss. Stuck im Ahnensaal. | Neubau der Anlage 1684–1687 durch Antonio Riva. Stuck im Fürstensaal durch Giovanni Battista Benni. Heute Kloster. | S.D. |
1708– 1709 |
Freystadt (Oberpfalz). Stuck und Stuckmarmoraltäre. | Neubau der Wallfahrtskirche Maria Hilf. Baumeister: Viscardi. > Gehe zur Akkordabschrift vom 11. März 1708 (PDF). | S.D. |
1710– 1711 |
München, Kongregations- oder Bürgersaal, Stuck der Deckenzone. | Baumeister: Viscardi. Appiani wird 1710 als Mitglied eingeschrieben. Akkord für Stuck der Deckenzone 1650 Gulden. Georg Joseph Bader erstellt für 680 Gulden die Wände. Rekonstruktion nach Kriegszerstörung 1944. | Guldan S.D. |
1711 | München, Jesuitenkolleg. Stuckarbeiten. | Das Kolleg wird nach dem Krieg 1953–1955 neu erbaut. | S.D. |
1711- 1716 |
Frankreich (Lothringen). | Keine Nachweise. | |
1717– 1723 |
Kaisheim, Zisterzienserabtei, Konventneubau, Stuck. | Baumeister: Franz Beer II von Bleichten. Stuck gemeinsam mit Bruder Jacopo. Heute Gefängnisräume. | Dehio |
1718– 1723 |
Fürstenfeld, Zisterzienserabtei, Kirchenneubau. Chor. Stuck- und Stuckmarmorarbeiten. | Baumeister: Ettenhofer, nach Planung Viscardi. Fresken: Cosmas Damian Asam. Verwandte von Appiani und Asam sind hier Patres. | S.D. |
1720– 1721 |
Pielenhofen, Zisterzienserinnenabtei, Konvent- und Kirchenneubau. | Baumeister: Franz Beer II von Bleichten. Stuck und Stuckmarmorausstattung gemeinsam mit Bruder Jacopo. | Dehio |
1720– 1724 |
Regensburg, Damenstift Niedermünster, Stiftsgebäude und Kirche. | Neubau Konventgebäude durch Franz Beer II. Stuck von Appiani in Konvent, Hauskapelle und Kirche. Zuschreibung Kanzel. | Dehio |
1723 (um) |
Regensburg, Deutschordenskomturei. | Acht Stuckdecken. | Guldan, Dehio |
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