Die Appiani aus Porto Ceresio

Die im 18. Jahrhundert im Gefolge von Baumeistern aus Graubünden und Süddeutschland tätige Stuckateuren- und Malerfamilie Appiani stammt aus Porto Ceresio.  Das kleine Fischerdorf am südwestlichen Ende des Luganersees wird damals Porto Morcote genannt und liegt im Herzogtum Mailand, nur wenige Fussminuten von der Grenze zur eidgenössischen Vogtei Lugano entfernt. In Porto Ceresio ist auch die vor allem in Franken berühmte Stuckatorenfamilie der Bossi beheimatet.

Jacopo Appiani (1687–1742)

Stuckateur des Régence in Süddeutschland

Er ist der jüngere Bruder des Pietro Francesco und wird am 22. Juni 1687 in Porto Morcote (Ceresio) als Giacomo Andrea geboren. Aus Giacomo wird Jacopo oder Jakob. Bis heute ist wenig über seine Ausbildung und sein Leben bekannt. Lediglich ein Teil seiner Werke ist belegt. Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder wird er nicht in Deutschland sesshaft und stirbt am 24. Juni 1742 in Porto Morcote (Ceresio), was zeigt, dass die Beziehungen zu seiner Heimat nicht abbrechen.[1] Seine Ausbildung muss er beim Bruder erhalten haben, ist jedenfalls schon früh in dessen Münchner Werkstatt tätig und übernimmt diese 1711, als Peter Franz für sechs Jahre nach Frankreich verreist. Den familiären Beziehungen des Bruders zu Patres in Kaisheim und Fürstenfeld, aber auch seinem inzwischen gewachsenen Bekanntheitsgrad verdankt er die grossen Aufträge der Zisterzienseräbte dieser Klöster, die er gemeinsam mit seinem Bruder bewältigt. 1724 stirbt Peter Franz unerwartet in Regensburg. Jacopo Appiani übernimmt alle Arbeiten, auch die vielleicht noch durch seinen Bruder entworfene Bibliothek der Zisterzienserabtei Waldsassen. Er kann auch die Stuckmarmoraltäre der Stiftskirche erstellen. 1729 wird er wieder nach Fürstenfeld gerufen. Die Stuck- und Stuckmarmorausstattung des Kirchenschiffes ist sein grösster Auftrag. Er arbeitet hier nochmals mit dem jetzt berühmten Maler Cosmas Damian Asam zusammen. Schon 1708 haben sich die beiden fast gleichaltrigen Künstler in Freystadt kennengelernt. Die Arbeiten in Fürstenfeld, zu denen auch die Stuckierung des Sommerrefektoriums gehört, sind 1735 beendet. Nachher ist er nördlich der Alpen nicht mehr lokalisierbar, auch wenn einzelne zweifelhafte Zuschreibungen noch bis 1742, seinem Todesjahr, vorhanden sind.

Pius Bieri 2011

Literatur:
Guldan, Ernst: Quellen zu Leben und Werk italienischer Stukkatoren des Spätbarock in Bayern, in: Arte e Artisti dei Laghi Lombardi, II, Como 1964.
Dinkelacker, Susanne: Die barocke Klosteranlage und Kirche in Fürstenfeld, in: 750 Jahre Kloster Fürstenfeld, Ausstellungskatalog Band II, Fürstenfeld 1988. (Quellenangabe: S.D.).
Vollmer, Eva Christina: Die Stuckdekorationen in Kloster und Kirche Fürstenfeld, in: 750 Jahre Kloster Fürstenfeld, Ausstellungskatalog Band II, Fürstenfeld 1988.
Weidinger, Wilhelm: Barockbaumeister und -stukkatoren aus den Südalpen in der Oberpfalz in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg (VHVO) Nr. 147, Regensburg 2007.

Anmerkungen:

[1] Es ist eher aussergewöhnlich, wenn die Meister aus dem Gebiet der oberitalienischen Seen im Norden Wohnsitz nehmen. Nur bei Anstellungen an Höfen oder bei Heirat mit einer Tochter aus deutschen Familien ist dies der Fall. Der Grossteil der Tessiner, Italiener und Misoxer verbringt die Monate November bis März in der Heimat. Vor allem die Hinreise im Frühjahr ist wegen des Schnees auf den Pässen oft beschwerlich. Der Weg führt über den Luganersee nach Porlezza, dann an das Nordende des Comersees. Hier treffen sich die Meister der oberitalienischen Seen mit denjenigen des Misox, die selten den direkten Weg über der San Bernardino nehmen. Über Chiavenna erreichen sie den Septimerpass nach Chur und Schwaben oder den Malojapass und den Inn nach Österreich und Bayern.

 

Werke von Jakob (Jacopo) Appiani (1687–1742):

Jahr Arbeitsort und Werk Bemerkungen Quelle
1702-1711   Im Trupp von seines Bruders Peter Franz, der 1702 in München eine Werkstatt eröffnet. S.D.
1714 Zisterzienserabtei Wilhering bei Linz Kloster und Kirche brennen 1733 ab. Keine Arbeiten von Appiani erhalten. S.D.
1717–1723 Kaisheim, Zisterzienserabtei, Konventneubau, Stuck. Baumeister: Franz Beer II von Bleichten. Stuck gemeinsam mit Bruder Peter Franz. Kaisersaal eventuell Werk von Jacopo.[1] Dehio
1718–1723 Fürstenfeld, Zisterzienserabtei, Kirchenneubau. Chor. Stuck- und Stuckmarmorarbeiten. Gemeinsam mit dem führenden Bruder Peter Franz. S.D.
1720–1721 Pielenhofen, Zisterzienserinnenabtei, Konvent- und Kirchenneubau. Baumeister: Franz Beer II von Bleichten. Stuck und Stuckmarmorausstattung.  Gemeinsam mit dem führenden Bruder Peter Franz. Dehio
1724 Puch, Filialkirche des Klosters Fürstenfeld. Stuck. «Der originellste Stuck des 18. Jahrhunderts im Landkreis Fürstenfeldbruck», Zuschreibung. Vollmer
1724–1725 Waldsassen, Zisterzienserabtei, Bibliothek. Stuck und Fassungen. Im Trupp ist Francesco Paolo Marazzi (um 1701–1774). Entwurf 1724 vielleicht noch von Peter Franz, an den der Auftrag erteilt wird. (Quelle: Weidinger) S.D.
1725 Waldsassen, Zisterzienserabtei, Stiftskirche. Stuckmarmoraltäre. Vier Stuckmarmoraltäre des Schiffes gesichert. Zuschreibung aller sechs Altäre. Leut heusser
1726 Amberg, Jesuitenbibliothek, Stuck. Zuschreibung Vollmer
1728 Rheinau, Benediktinerabtei, Kirche und Konventbau. Stifterepitaph in der Kirche und Stuck im Festsaal des Männergasthauses. Beide Arbeiten heute zerstört. Guldan
1729–1731 Fürstenfeld, Zisterzienserabtei, Stuck und Stuckmarmorarbeiten im Langhaus. Kostenvoranschlag 11 900 Gulden nur für Stuck. Fresken durch Cosmas Damian Asam. S.D.
1730 (um) Fürstenfeld, Zisterzienserabtei, Sommersakristei «Der phantasievollste Stuck in Fürstenfeld», Zuschreibung. Vollmer
1732 Herrliberg am Zürichsee, Landhaus Schipf, Stuckaturen. Reicher Stuck im grossen und kleinen Festsaal.  Mit Fresken seines Neffen Joseph Ignaz. Alof
1742 (vor) Reichenbach (Oberpfalz), Benediktinerabtei, Stuck. Entwurf Stuck im Sommerrefektorium. Ausführung durch Werkstatt Appiani. Zweifelhafte Zuschreibung. Dehio

[1] Die bayrische Denkmalpflege schreibt im Restaurierungsbericht 1989 den Kaisersaal ohne Begründung und im nur im Quervergleich mit Waldsassen Jakob Appiani zu. Dies, obwohl familiäre Verbindungen zu Kaisheim von Peter Franz zum Auftrag führen und obwohl dieser dafür aus Frankreich zurückkehrt und vermutlich sogar die Entwürfe für den Bibliotheksaal in Waldsassen 1724 noch erstellt. (Quelle: Vollmer).

 

  Jacopo Appiani (1687–1742)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  22. Juni 1787 Porto Ceresio   Varese Italien  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Herzogtum Mailand   Varese Italien  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  24. Juni 1742 Porto Ceresio   Varese Italien  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Herzogtum Mailand   Como  
  Kurzbiografie        
 

Jacopo Appiani übernimmt 1724 die Stuckierung der Bibliothek in Waldsassen. Der Auftrag erfolgt noch an seinen älteren Bruder, der aber vor Werkbeginn verstirbt. Der feine Régence-Stuck dürfte noch auf einen Entwurf seines Bruders zurückgehen. Das Hauptwerk von Jacopo oder Jakob Amigoni sind die Stuckierungen und Stuckmarmorarbeiten in Fürstenfeld, wo er 1729–1731 einen nun wieder dichteren, die ganze Gewölbezone überziehenden Langhausstuck erstellt, der zudem noch bunt gefasst ist. Er ist ein Gemeinschaftswerk mit Cosmas Damian Asam, für den Entwurf zeichnet aber nur Jacopo Amigoni. Nach Fürstenfeld ist er 1732 noch am Zürichsee tätig, dann fehlen Werknachweise im Norden. Er stirbt in seiner Heimatgemeinde.

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Die Deckenstuckaturen von Jacopo Appiani im Langhaus von Fürstenfeld sind von einer derartigen Dichte und Farbigkeit, dass die Fresken von Cosmas Damian Asam fast gleichwertig wirken. Sicher ist diese Verschmelzung auch im Sinne des Malers, der hier im Fresko mit dem Thema der Einkleidung des hl. Bernhard und seiner Geschwister sowie der Himmelfahrt Christi auch über den Bildrand hinaus geht und von Putten des Stuckateurs eine Draperie hochhalten lässt.