Die im 18. Jahrhundert vor allem in Franken tätige Familie von Stuckateuren stammt aus Porto Ceresio. Das kleine Fischerdorf am südwestlichen Ende des Luganersees wird damals Porto Morcote genannt, liegt im Herzogtum Mailand, nur wenige Fussminuten von der Grenze zur eidgenössischen Vogtei Lugano entfernt. In Porto Ceresio ist auch die ebenso berühmte Stuckateur- und Malerfamilie der Appiani beheimatet, mit der die Familie Bossi verschwägert ist.[1]
Als erster Sohn der Eheleute Natale Bossi und Clara Daldini wird Luigi Antonio am 1. September 1731 in Porto Ceresio geboren. Er benutzt später nur seinen ersten Vornamen in der Namensvariante Ludovico oder Lodovico. Sein Onkel ist der Würzburger Hofstuckateur Giuseppe Antoni Bossi. Seine Mutter stammt aus einer Familie aus Vezia bei Lugano.[2] 1758 arbeitet Ludovico Bossi an der Residenz Ludwigsburg. Er wird 1762 als Hofstuckateur des Herzogs Carl Eugen von Württemberg aufgeführt und arbeitet an den Residenzen von Ludwigsburg, am «Neuen Schloss» in Stuttgart und am «Neuen Seehaus», dem dann Monrepos genannten Lustschloss bei Ludwigsburg. Oberbaudirektor ist von 1752 bis 1768 der französische Klassizist Pierre Louis de la Guêpière, der dem phantasievollen süddeutsche Rokoko am württembergischen Hof ein schnelles Ende bereitet.[3] Die ersten bekannten Arbeiten Bossis im Vestibül des zweiten Obergeschosses im Neuen Corps de Logis von Ludwigsburg sind allerdings keine steifen Zopfdekorationen. Sie sind dank einer Fast-Symmetrie noch meisterlich gezähmtes Rokoko. Während der Lehrmeister des neuen württembergischen Hofstuckateurs nicht bekannt ist, kennen wir dafür seinen wichtigsten Schüler. Es ist Johann Valentin Sonnenschein, der 1763–1766 bei Bossi die Lehre absolviert.[4] Auch der jüngere Bruder Materno ist vor 1762 für die Arbeiten im Schloss Monrepos als Stuckateur tätig, vielleicht auch der jüngere Bruder Agostino. Beide sind bei ihrem Onkel Giuseppe Antonio in Würzburg in die Lehre gegangen und ziehen nach dessen Erkrankung nach Ludwigsburg. Als Ludovico 1762 in Stuttgart die in Ludwigsburg wohnhafte Maria Anna Priscionello heiratet, ist Materno Trauzeuge. 1763, beim Tod des Onkels, erbt Ludovico ein Viertel des Vermögens.[5] 1764 beruft ihn der Würzburger Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim für die Stuckierung des Treppenhauses der Residenz. Nicht im Sinne seines Onkels Giuseppe Antonio Bossi, der das Deckengemälde Tiepolos niemals derartig museal isoliert hätte, sondern im nun modischen «goût grecque» erstellt er 1765 die Stuckaturen. Seine beiden Brüder kommen mit ihm nach Würzburg zurück. Unter der Leitung von Ludovico arbeiten sie auch im fürstbischöflichen Sommerschloss Werneck, unter anderem sind sie Schöpfer der Stuckmarmoraltäre von 1766 in der Schlosskirche. In der Würzburger Residenz vollenden sie gleichzeitig einige Paradezimmer der Gartenfront, hier mit bedeutend mehr Einfühlung in die Rokoko-Welt ihres Onkels. Während Materno und Agostino in Würzburg bleiben, geht Ludovico 1766 wieder nach Stuttgart. Hier ist er bis 1768 erneut für Pierre Louis de la Guêpière tätig, unter anderem am Schloss Solitude. Schon 1771 wird er in Stuttgart als «der ehemalige Hofstuckateur bezeichnet». Er arbeitet um diese Zeit im Umkreis des französischen Klassizisten Pierre Michel d'Ixnard[6] in Freiburg im Breisgau und in der Abtei St. Blasien. In Freiburg stuckiert er 1770 das Stadtpalais Sickingen.[7] In der wiederaufgebauten Abtei St. Blasien ist er der Schöpfer aller frühklassizistischen Stuckaturen im Chor der neuen Kirche und in der Abtei.[8] Hier ist er bis 1773 nachgewiesen. Um diese Zeit dürfte er auch die Stuckaturen im Festsaal des Neuen Schlosses der Herren von Schönau in Wehr erstellt haben. Nachher verlieren sich seine Spuren.
Pius Bieri 2011
Literatur:
Sedlmaier, Richard und Pfister, Rudolf: Die fürstbischöfliche Residenz zu Würzburg. München 1923.
Röhlig, Ursula: Bossi, Giuseppe Antonio, in: Neue Deutsche Biographie 2, Seite 485 f. München 1955.
Jahn, Wolfgang: Stukkaturen des Rokoko. Sigmaringen 1990.
Friedrich, Verena: Die Stukkatorenfamilie Bossi in Franken, in: Frankenland, Zeitschrift für fränkische Landeskunde und Kultur, Heft 12. Würzburg 1999.
Links:
http://www.treccani.it/enciclopedia/lodovico-bossi
Stammbaum der Künstlerfamilie Bossi in: www.tessinerkuenstler-ineuropa.ch
[1] Joseph Ignaz Appiani (1706–1785), kurmainzischer Hofmaler, heiratet 1732 Antonia Bossi, die allerdings schon 1737 stirbt. In den 1770er-Jahren arbeitet Appiani vorwiegend für Freskenaufträge, die er auf Vermittlung von Materno Bossi erhält (St. Michael in Würzburg, Heidenfeld, Triefenstein). Eine gemeinsame Tätigkeit der Stuckateure Appiani und Bossi ist nicht bekannt.
[2] Ein Familienstamm der Daldini stellt um diese Zeit Stuckateure in Deutschland. Francesco Antonio Daldini (1687–1747) ist in Ansbach, Apolda, Ilmenau und im Kloster Langheim tätig. Sein Bruder Carlo Daldini (1706–1748) ist Bayreuther Hofstuckateur, zusammen mit Pietro Ludovico Bossi. Ein Giuseppe Bossi, auch Bozi genannt, wird 1738 in Langheim und 1739 in Ilmenau mit Francesco Antonio Daldini zusammen genannt. Über diesen Giuseppe Bossi im Umkreis des Weimarer Hofbaumeisters Krohne sind keine Lebensdaten bekannt.
[3] Pierre Louis de la Guêpière (1715–1773 ) Schüler von Jacques-François Blondel.
[4] Johann Valentin Sonnenschein (1749–1828) aus Stuttgart, Bildhauer, Porträtist und Zeichenlehrer. Modelleur für die Porzellanmanufakturen in Ludwigsburg und Kilchberg bei Zürich. Ab 1775 in der Schweiz tätig.
[5] Ludovico erbt 3021 Gulden, ein kleines Vermögen, beim Jahreslohn eines Stuckaturgesellen von 120 bis 150 Gulden.
[6] Pierre Michel d'Ixnard (1723–1795), aus Nîmes, Autodidakt, plant 1768–1776 die Neubauten im Damenstift Buchau und 1768–1774 die Neubauten der Abtei St. Blasien.
[7] Salzstrasse 17, 1944 zerstört.
[8] Nach der Säkularisation brennt Kirche und Kloster mehrfach ab, sodass nur noch einzelne, aber eindrucksvolle Stuckaturen von Ludovico Bossi in den Repräsentationsräumen der ehemaligen Abtei erhalten sind. Die Stuckaturen und Altäre im Langhaus erstellt Johann Kaspar Gigl.
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