Die Baumeisterfamilie Dientzenhofer

Die bekannten Barockbaumeister Dientzenhofer sind Söhne und Neffen des Georg Dientzenhofer (1614–1673). Als zweitgeborener Sohn muss er den väterlichen Hof Gundelsberg am Nordfuss des Wendelsteins verlassen und zieht nach der Heirat auf den Hof der Frau nach Wiechs, eine halbe Wegstunde östlich des Heimathofes.[1] In zweiter Ehe mit Barbara Thanner übernimmt er ein Anwesen in Oberuilpoint bei Litzldorf. Hier werden 1643 Georg, 1645 Anna, 1648 Wolfgang und 1650 Abraham geboren. 1654 kann Vater Georg den Hof in Oberuilpoint gegen den Gugghof in St. Margarethen ob Flintsbach am Inn tauschen.[2] Auf dem Gugghof werden 1655 Christoph und 1657 Barbara geboren. 1660 folgen Leonhard und 1663 Johann. Mit Ausnahme des 1650 geborenen Abraham finden wir später alle Söhne und zwei Enkel als Baumeister in Böhmen und Franken, obwohl ihnen keine Zunft wie in Wessobrunn oder Au den Berufsweg vorgibt. Nachdem sich Georg anschliessend an Maurerlehre und Wanderschaft Mitte um 1675 in Prag niederlässt, folgen ihm alle Geschwister nach.
Die böhmische Hauptstadt lebt seit der Rekatholisierung nach der Schlacht am Weissen Berg im Jahre 1620 in einem barocken Baufieber. Baumeister und Stuckateure stammen vorwiegend aus dem Gebiet der oberitalienischen Seen, die wichtigsten sind die Lurago und Orsi aus dem Val d'Intelvi und Francesco Caratti aus Bissone.[3] Einer ihrer Schüler ist Abraham Leuthner von Grundt (1639–1701). Er ist seit 1665 Stadtbürger und errichtet 1668–1677 für Caratti das Palais Czernin[4] auf dem Hradschin. 1677, inzwischen Hofmaurermeister, veröffentlicht er ein Lehrbuch «Grundtliche Darstellung, Der Fünff Seüllen», in dem Beispiele von Bauten und Stuckaturen vorgestellt werden. Er ist einer der frühesten selbständigen Baumeister böhmischer Herkunft. Alle Dientzenhofer-Brüder arbeiten bei ihm. Für die jüngeren Geschwister ist er auch Lehrmeister. Die Beziehungen vertiefen sich, als Anna Dientzenhofer 1678 Wolfgang Leuthner, einen Verwandten des Baumeisters, heiratet.
Nur einer der Brüder Dientzenhofer, Christoph, bleibt aber in Prag. Er heiratet hier und macht sich im gleichen Jahr, in dem sein Sohn und späterer Prager Hofbaumeister Kilian Ignaz geboren wird, als Maurermeister selbstständig. Mit dem Tod von Kilian Ignaz Dientzenhofer 1751 endet die kurze, aber die Baulandschaft Böhmens und Frankens prägende Tätigkeit der Dientzenhofer als Baumeister.

Joh. Leonhard Dientzenhofer (1660–1707)

Baumeister in Bamberg

Er wird am 20. Februar 1660 auf dem Gugghof, dem Berghof über dem Inntal am Südosthang des Wendelsteins, als siebtes von acht Kindern geboren. Seine Schwester Anna heiratet 1678 in Prag Wolfgang Leuthner, einen Verwandten des führenden Prager Baumeisters Abraham Leuthner. Leonhard[5] ist an der Hochzeit anwesend. Er dürfte zu dieser Zeit noch in der Lehre bei Abraham Leutner sein, in dessen Trupp auch Leonhards Bruder Georg tätig ist. Leuthner erhält 1681 den Auftrag für den Klosterneubau in Waldsassen. 1682 finden wir drei Dientzenhofer-Brüder auf dieser Baustelle. Der älteste Bruder Georg ist hier Palier. 1685, mit dem Beginn des Kirchenneubaus, übernimmt Georg die Bauleitung gleichberechtigt mit Abraham Leuthner. Mit ihm arbeitet der Bruder Christoph. Leonhard ist anfänglich auch dabei. Leonhard ist anfänglich auch dabei. Anschliessend wirkt er als Maurermeister in Amberg, als Palier am Klosterneubau in Speinshart, dort wahrscheinlich auch als Planer der Kirche und ist Planer der Wallfahrtskirche Maria Namen in Trautmannshofen. Diese übernimmt nun Bruder Georg, der ihm dafür die Ausführung der grossen Jesuitenkirche in Bamberg überlässt. 1686, im Jahr der Grundsteinsteinlegung der Jesuitenkirche, erhält er den Auftrag für den Klosterneubau in Ebrach. Hier ist die Grundsteinlegung nach seinen Plänen 1687. Inzwischen hat er in Waldsassen Maria Anna Hager, eine Schwester der Ehefrau seines Bruders Georg, geheiratet. 1687 zieht die Familie nach Bamberg. Hier baut er sich ein Wohnhaus an der langen Strasse 18 und wird Stadtbürger. Er ist nun gesuchter Baumeister und wird 1690 hochfürstlich bambergischer Hofbaumeister. 1693 kommt der spätere Mainzer Kurfürst und Erzbischof Lothar Franz von Schönborn auf den Bamberger Bischofsstuhl. Für ihn baut Dientzenhofer 1697 bis 1703 die Neue Residenz in Bamberg. Er erstellt Klosterneubauten in Langheim, Banz, Schöntal und auf dem Michelsberg in Bamberg. 1696 wird er auch vom Markgrafen von Bayreuth zum Hof- und Landesbaumeister ernannt. 1699 stirbt seine erste Frau. Er heiratet im gleichen Jahr Anna Margaretha Sünder aus Staffelstein. Aus beiden Ehen gehen drei Söhne und sechs Töchter hervor. Alle Söhne werden später Juristen. Am 26. November 1707 stirbt Leonhard Dientzenhofer überraschend beim Kirchgang, im Alter von nur 47 Jahren. Die Fertigstellung seiner Bauten übernimmt der jüngere Bruder Johann, der viele davon schon als Palier betreut hat. Die Architektur der repräsentativen Bauten von Leonhard Dientzenhofer zeigt Sicherheit in den Proportionen, die Fassaden wirken aber recht akademisch, wie in einem Lehrbuch der Architekturtheorie, und zeigen auch nach 1700 kaum Elemente des neuen bewegten Prager Barocks, wie sie sein Bruder Christoph jetzt anwendet. Es verwundert deshalb nicht, wenn er 1697 selbst zum Verleger einer Neuauflage des Architekturlehrbuches von Charles Philippe Dieussart[6] aus dem Jahre 1682 wird.

Pius Bieri 2009

Benutzte Literatur :

Brucker, Johannes: Die Herkunft der Dientzenhofer, in: Die Dientzenhofer, Ausstellungskatalog, Rosenheim 1991.


Weblinks zur Baumeisterfamilie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Dientzenhofer
http://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Leuthner
http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Baptiste_Mathey

Weblink Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Leonhard_Dientzenhofer

Anmerkungen:

[1] Auf 630 Meter über Meer über dem heutigen Bad Feilnbach im Kreis Aibling.

[2] Der Gugghof liegt am Südostfuss des Wendelsteins auf 700 Meter über Meer. Das Bauernhaus, ein alpiner Blockbau aus dem Jahr 1542 in schönster Aussichtslage über dem Inntal («Zum Gugg»), ist noch heute erhalten.

[3] Nebst den «Italienern» ist auch ein in Rom geschulter Franzose, Jean Baptiste Mathey (1630–1695), zu dieser Zeit in Prag von grosser Bedeutung als einflussreicher Liebhaberarchitekt, der aber mangels Zunftzugehörigkeit nicht selbst baut.

[4] Am Palais wird nach Unterbrüchen bis 1723 weitergearbeitet. Nach Zerstörungen im Österreichischen Erbfolgekrieg 1740–1748 und provisorischen Nutzungen erfolgt 1929–1934 ein Umbau für das Aussenministerium.

[5] Den Vornamen Johann legt er sich erst später zu, was auch prompt zu dauernden Verwechslungen mit seinem jüngeren Bruder führt.

[6] Charles Philippe Dieussart (1625–1696), holländischer Hugenotte im Dienste der Mecklenburger, Brandenburger und Bayreuther. Er ist in Bayreuth Vorgänger von Leonhard Dientzenhofer. Das Lehrbuch Dientzenhofers ist im Internet abrufbar unter:
http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/diglit/dieussart1697

 

Ausgewählte Werke von Leonhard Dientzenhofer:

(nach Johannes Brucker, nur ausgeführte Bauten):

Waldsassen, Zisterzienserabtei, Konventneubau, im Trupp Abraham Leuthner, 1682–1685.
Speinshart, Prämonstratenserabtei, Konventneubau, als Palier und auch als Planer, 1683–1686.
Trautmannshofen, Wallfahrtskirche Maria Namen, Planung 1686, Ausführung durch Georg Dientzenhofer, 1686-1689, Fertigstellung durch Wolfgang Dientzenhofer.
Bamberg, Jesuitenkirche, heute St. Martin, Ausführung nach Plan von Georg Dientzenhofer, 1686–1693.
Ebrach, Zisterzienserabtei, Konventneubau, Planung und Ausführung, 1687–1698.
Bamberg, eigenes Wohnhaus an der Langen Strasse 18, 1687–1688.
Baunach, Fürstbischöflich-Bambergisches Amtshaus, Neubau, 1689.
Burgwindheim, Heilig-Blut-Brunnen, Neubau, 1690.
Greifenstein, Fürstbischöfliche Burg, Umbau, 1691–1693.
Kulmbach, Amtshof des Klosters Langheim, Neubau, 1691.
Langheim, Zisterzienserabtei, Neubauplanung und Neubau des Abteiflügels, 1691–1704
Nassanger, Gutshof des Klosters Langheim, Neubau um ovalen Innenhof,[1] 1692–1693.
Bamberg, Karmeliterkloster, Umbau mit weitgehendem Neubau der Kirche, 1692–1707.
Tambach, Schloss, Sommerresidenz der Langheimer Äbte, Neubau 1694–1700.
Gaibach, Schloss der Schönborn, Umbau in ein Barockes Lustschloss, 1694–1704.
Banz, Benediktinerabtei, Klosterneubau, Abteibau, 1695–1704.
Bamberg, Benediktinerabtei auf dem Michelsberg, Neubau Konventgebäude und vorgeblendete Kirchenfassade, 1696–1702.
Bamberg, Neue Residenz, 1697–1702.
Gaibach, Schloss der Schönborn, Heiligkreuzkapelle im Schlosspark, Neubau, 1697–1698.
Bayreuth, Altes Schloss, Vollendung Innenhof und Entwurf Markgrafenbrunnen, 1699.
Schöntal, Zisterzienserabtei, Planung Neubau Konvent und Stiftskirche, Ausführung Ostflügel, 1701–1707.
Bamberg, Langgass-Kaserne. Neubau 1700, abgebrochen 1894.
Kupferberg, Oberamtshaus, Neubau, 1701.
Bamberg, Langasser Tor, 1701, abgebrochen 1808.
Weismain, Kastenhof am Kirchplatz, Neubau, 1701–1704.
Banz, Benediktinerabtei, Klosterneubau, mittlerer und östlicher Querflügel, 1704–1707
Hollfeld, Kapelle St. Salvator, Neubau 1704.
Weiher bei Hollfeld, Schloss, Neubau, 1705.
Bamberg, Curia Sancti Lamperti, heute Dompropstei Domstrasse 5, Neubau, 1705–1706.
Kirchschletten, Pfarrkirche Johannes der Täufer. Neubau unter Einbezug des Turmes, 1706–1707
Weblinks Werke:

http://de.wikipedia.org/wiki/Martinskirche_%28Bamberg%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Michelsberg
http://de.wikipedia.org/wiki/Karmelitenkloster_am_Kaulberg
http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Residenz_%28Bamberg%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Banz
http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Ebrach
http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Langheim
http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Sch%C3%B6ntal
http://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Greifenstein_%28Fr%C3%A4nkische_Schweiz%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Tambach

Anmerkungen:

[1] Dehio: Der Bau ist ein Unikum, einer der interessantesten Zweckbauten der deutschen Barockarchitektur: Höchste Funktionalität verbindet sich mit einer möglicherweise von antiken Vorbildern angeregten idealen Form.

  (Johann) Leonhard Dientzenhofer (1660–1707)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum (Taufe) Geburtsort     Land  
  20. Februar 1660 Gugghof St. Margarethen     Bayern D  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Kurfürstentum Bayern     Freising  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  26. November 1707 Bamberg     Bayern D  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Hochstift Bamberg     Bamberg  
  Kurzbiografie        
  Leonhard Dientzenhofer ist zweitjüngster der fünf Söhne aus der Baumeisterdynastie der Dientzenhofer. Wie seine Brüder lernt er in Prag. Im Entwurf ist er den beiden ältesten Brüder überlegen. 1686 erhält er den Auftrag für den Neubau der Klosteranlage in Ebrach und kann gleichzeitig in Bamberg die Jesuitenkirche für seinen Bruder Georg bauen. Er nimmt jetzt hier Wohnsitz und wird geschätzter Hofbaumeister des Kurfürsten und Bamberger Fürstbischofs Lothar Franz von Schönborn. Seine Bauten sind noch nicht vom neuen bewegten Prager Barock geprägt. Dem jüngeren Bruder Johann ebnet er den Weg nach Bamberg. 1710, drei Jahre nach dem frühen Tod seines älteren Bruders, wird Johann mit dem Kirchenneubau von Banz den kurvierten Barock auch in Franken einführen.     DientzenhoferMichaelsberg  
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Ab 1696 baut Leonhard Dientzenhofer die neuen Klostergebäude auf dem Michelsberg in Bamberg und blendet der Stiftskirche bis 1700 eine barocke Westfassade vor.
Bild aus Wikipedia, by Flickr author Allie Caulfield.