Br. Jakob Kurrer SJ (1585–1647)

Jesuitenbaumeister

Landsberg
Jakob Kurrer wird 1685 in Ingolstadt geboren. Er tritt 1611 als ausgebildeter Maurer in den Jesuitenorden ein. Nach dem Noviziat bleibt er im Kolleg Landsberg am Lech, wo er ab 1612  unter der Leitung des erfahrenen und älteren Br. Stephan Huber[1] den östlichen Novizentrakt baut. 1615 wird er in das vorderösterreichische Ensisheim im Elsass geschickt, um dort die Erweiterungsbauten für das neu gegründete Jesuitenkolleg zu bauen.[2] Der Baubeginn verzögert sich. Für die Jahre 1617 und 1618 fehlen seine Personalakten.

Eichstätt
In Eichstätt wird 1617 die Jesuitenkirche begonnen. Sie ist eine reine Wandpfeilerhalle. Hans Alberthal baut den ersten dieser für den Barock wegweisenden Kirchentypus 1610–1617 in Dillingen. Vertraut mit dem Ort, könnte Hans Alberthal auch für die Jesuitenkirche von Eichstätt Planer sein.[3] Als Baumeister des Kollegs und seiner Kirche nennen die Jesuiten aber nur Jakob Kurrer.[4] Er muss also schon 1617 den Bau der Kirche geleitet haben, vielleicht mit Alberthal als ausführenden Meister.

Innsbruck
1619, die Eichstätter Kirche ist soeben unter Dach, arbeitet Kurrer wieder an einem Bau von Alberthal. In Innsbruck baut der Baumeister von Dillingen unter der Leitung des Rektors P. Christoph Scheiner[5] die neue Jesuitenkirche. Scheiner beruft Kurrer als Adjunkt nach Innsbruck. Mit Ausnahme einer Anwesenheit von Januar bis April 1620 in Eichstätt hält er sich jetzt in Innsbruck auf. Die Rolle Kurrers, noch mehr aber diejenige Scheiners, in der unglücklichen Innsbrucker Bauorganisation ist unklar.[6] P. Christoph Scheiner überwirft sich 1621 mit Alberthal, der sich endgültig aus dem Innsbrucker Baugeschehen zurückzieht. Im April des gleichen Jahres wird auch Kurrer von Innsbruck nach Ingolstadt abberufen. Er ist jetzt bis 1623 wieder in Ingolstadt, arbeitet auch in Regensburg und nochmals für wenige Monate in Innsbruck.

Eichstätt und Ensisheim
Im Januar 1624 geht er auf Wunsch von Fürstbischof Johann Christian von Westerstetten wieder nach Eichstätt, um das neue Jesuitenkolleg zu bauen. Bis 1627 sind hier alle Bauten vollendet.
Dann wird er für den Kolleg- und Kirchenneubau nach Ensisheim gerufen, wo er die Planung des Jahres 1615 verwirklichen soll. 1628–1632 erstellt er den Kollegbau. Er wird hier von Br. Paul Beck SJ unterstützt.[7] Der anschliessende Kirchenneubau wird durch die Besetzung des Elsasses durch die Schweden gestoppt und nach dem Wechsel zu Frankreich nicht mehr ausgeführt.

Luzern und Einsiedeln
Die Schreckensjahre des Dreissigjährigen Krieges verbringt Kurrer in der Schweiz. Anfang Mai 1633 kann er ans Luzerner Jesuitenkolleg wechseln. Im Vorort der katholischen Eidgenossenschaft ist die Stadtkirche St. Leodegar, genannt Stift im Hof, seit zwei Monaten eine Brandruine. Der Stadtrat bemüht sich sofort um den Jesuitenbaumeister von Eichstätt und Ensisheim und kann, wahrscheinlich durch Vermittlung des in Innsbruck am Wiederaufbau tätigen Rektors P. Johann Baptist Cysat,[8] vom Provinzial eine Ausnahme für den Beizug des Jesuitenbaumeisters erreichen.
Kurrer errichtet in Luzern sein Hauptwerk. Im September 1633 ist Grundsteinlegung. Er muss die noch stehende Turmfront des 16. Jahrhunderts und auch die Umfassungsmauern beibehalten, Langhaus und Chor aber neu erstellen. Vor der Turmfront legt er Arkadenhallen in der Form eines Camposanto für die Grabepitaphien des Klerus und Patriziates. 1639 ist der Bau mit dem Aufsetzen der beiden Spitzhelme vollendet. Der Bau wird mit 213 000 Gulden abgerechnet. Kurrer wird in Luzern derart geschätzt, dass ihm das Hofstift nicht nur eine ewige Jahrzeit gewährt, sondern im Langhaus in eine Nische der Westwand auch sein Bildnis als Architekt gemalt wird.[9]
Noch im ersten Jahr seines Luzerner Aufenthaltes wird er vom Abt des Klosters Einsiedeln für eine Neubauplanung angefragt. Die Planung wird nicht verwirklicht. Der sogenannte Kurrerplan von 1633 ist die erste Überlegung zur Umgestaltung der Klosteranlage und bildet den Ausgangspunkt für die vier Jahrzehnte später beginnenden barocken Klosterneubauten.[10]  
1639 kehrt Kurrer nach Ingolstadt zurück. Die Stadt Luzern verehrt ihm zum Abschied ein Reitpferd und 100 Dukaten; sie lässt ihn zudem bis München von einem Stadtreuter[11] zu Pferd begleiten.

Die letzten Jahre
Die letzten Aufenthaltsorte und die Arbeiten von Jakob Kurrer nach der Rückkehr sind schlecht, die ersten vier Jahre überhaupt nicht dokumentiert. Zwar hätte er seinem kriegszerstörten Eichstätter Kolleg und an anderen Orten genügend Arbeit, aber noch herrscht kein Frieden und meist fehlt das Geld. Erst 1643 wird Kurrer wieder erwähnt. Er baut in Burghausen den neuen Kollegbau. In seinem Nekrolog wird auch eine Tätigkeit für «verschiedene» Klöster vermerkt. Nebst der Planung für Einsiedeln ist aber nur der Konvent-Ostflügel in Herrenchiemsee bekannt, den er 1645–1647 baut. Am 16. Oktober 1647 stirbt er im Alter von 62 Jahren in der Jesuitenniederlassung Ebersberg.

Würdigung
Jakob Kurrer ist, wie sein Hauptwerk in Luzern zeigt, ein Jesuitenbaumeister der ausklingenden Renaissance. Noch ist der Barock bei ihm nur erahnbar, etwa in der Beachtung der Kirchenbauempfehlungen des hl. Karl Borromäus. Kurrer leitet in Luzern eine Entwicklung ein, die schon eine Generation später zur Jesuitenkirche in vollendetem Barock führt. Er hat nicht wie die jesuitischen Liebhaberarchitekten an einer Universität Mathematik und Baukunst studiert. Seine Ausbildung ist praxisorientiert. Sein theoretisches Fundament bilden wie bei allen damaligen Planern die Traktate der Renaissance, die er in den Kollegien einsehen kann. Mit diesem Rüstzeug ist er befähigt und auch willens, die Entwürfe seiner Vorgesetzten oder von beigezogenen Malerarchitekten derart umzusetzen, dass die Bauwerke den Anforderungen der Baukunst genügen.

Pius Bieri 2017


Anmerkungen:

[1] Br. Stephan Huber SJ (1554–1616) aus Ingolstadt. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[2] Erzherzog Leopold von Österreich (1586-1632), ist 1607–1626 auch Fürstbischof von Strassburg. Er übergibt den Jesuiten 1614 ein bereits bestehendes Seminar in Ensisheim. Die Jesuiten kommen 1615 aus dem Kolleg Pruntrut, nicht aus Freiburg, das erst 1620 gegründet wird! 1618 entstehen Schwierigkeiten mit der Dotation von zwei Cluniazenserpropsteien (St. Morand und Ölenberg) durch Österreich, deren Enteignung vom Cluniazenserorden angefochten wird. (Sie können erst 1626 als Jesuitenniederlassungen dem Kolleg Freiburg übergeben werden). Ensisheim fällt 1658 aus dem oberdeutschen Ordensverband und kommt zur Ordensprovinz Champagne.

[3] Joseph Braun vermutet allerdings für Dillingen, Eichstätt und Innsbruck den Malerarchitekten Johann Matthias Kager (1575–1635) aus München als Planer. Dies auf Grund einer Notiz der Mitarbeit Kagers in Innsbruck. Braun dürfte allerdings die mangelnde bautechnische Erfahrung Kagers  ebenso wie die Planungserfahrung Alberthals unterschätzt haben.
Zu Hans Alberthal (um 1575–1648) siehe die Biografie in dieser Webseite.

[4] Gemäss Joseph Braun im Nekrolog Kurrer: «Collegia duo Eystadiense cum suo templo et Ensisheimianum a fundamentis erexit»

[5] In Innsbruck ist 1617–1620 Christoph Scheiner SJ (1573–1650), Physiker und Entdecker der Sonnenflecken, Rektor des Kollegs und seit 1619 auch verantwortlich für den Kirchenneubau, den er völlig unprofessionell organisiert und sich mit dem Baumeister Alberthal überwirft. Bereits 1622 sind alle leitenden Meister und auch Scheiner nicht mehr zuständig.

[6] Der Chor der Kirche stürzt 1626 beim Einwölben ein. Die Kirche wird in der Folge vollständig abgebrochen und nach dem Vorbild des Salzburger Doms neu errichtet. Siehe dazu auch die Biografie Santino Solari in dieser Webseite.

[7] Br. Paul Beck SJ (1606–1657) aus Konstanz, ist Maler, Zeichner, Stuckateur und bildet sich in Baukunst weiter.

[8] Johann Baptist Cysat SJ (1587–1657) aus Luzern, studiert in Ingolstadt bei Christoph Scheiner SJ und wird sein Nachfolger als Professor der Mathematik. 1623–1627 ist er Rektor in Luzern, 1627–1628 Mathematikprofessor in Madrid. 1624 wirkt er in Luzern. 1637–1646 ist er Rektor in Innsbruck, hier auch Liebhaberarchitekt für den Neubau der Jesuitenkirche,  dann bis 1650 In Eichstätt. 1650 bis zu seinem Tod wirkt er am Kolleg in Luzern. Sein Vater Renward Cysat ist bekannter Politiker und kann die Jesuiten nach Luzern holen.
Siehe auch: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D25197.php.

[9] Siehe zum Gemälde, 1644 durch Caspar Meglinger ausgeführt, den Bildbeschrieb.

[10] Siehe dazu den Beitrag Einsiedeln, Klosteranlage in dieser Webseite: Einsiedeln_Kloster.html

[11] Stadtreuter sind Mitglieder eines stehenden oder freiwilligen Korps einer Stadtmiliz. Sie müssen mit Pferd antreten.


Literatur:
Braun SJ, Joseph: Die Kirchenbauten der deutschen Jesuiten, zweiter Teil. Freiburg im Breisgau 1910.


Werke von Br. Jakob Kurrer SJ (ohne Vollständigkeit):
1612–1615 Landsberg am Lech, Jesuitenkolleg, Neubau des Novizentrakts unter der Leitung des Jesuitenbaumeisters Br. Stephan Huber.
1615–1616 Ensisheim im Elsass, Jesuitenkolleg, Planung des Neubaus (Verwirklichung ab 1628)
1617–1620 Eichstätt, Jesuitenkolleg, Neubau der Schutzengelkirche, vielleicht nach Plänen von Hans Alberthal und/oder Matthias Kager.
1619–1621 Innsbruck, Jesuitenkolleg, Neubau der Jesuitenkirche zur Hl. Dreifaltigkeit. Leitung durch P. Christoph Scheiner SJ. Planung und Ausführung durch Hans Alberthal und/oder Matthias Kager. Die Tätigkeit von Jakob Kurrer kann sich nur auf die Bauüberwachung beziehen.
1621–1623 Ingolstadt, Jesuitenkolleg und Universität. Diverse Bauarbeiten. Entsendung ins Kolleg  Regensburg für unbekannte Arbeiten.
1623 Innsbruck, Jesuitenkolleg, Neubau der Jesuitenkirche zur Hl. Dreifaltigkeit. Kurzer Aufenthalt, vielleicht Besprechungen mit dem neuen Bauleiter und Liebhaberarchitekten P. Paul Fontaner SJ und dem immer noch tätigen Matthias Kager.
1624–1627 Eichstätt, Jesuitenkolleg, Neubau der Kolleggebäude und neubauähnlicher Umbau des Gymnasiums. Planung und Bauüberwachung.
1628–1632 Ensisheim im Elsass, Jesuitenkolleg. Neubau der Kolleg- und Schulbauten. Planung und Bauleitung. Planung der Kirche (nicht ausgeführt). Mit Br. Paul Bock SJ.
1633 Einsiedeln. Benediktinerabtei. Masterplan für den Klosterneubau.
1633–1639 Luzern. Stadtkirche St. Leodegar im Hof. Neubau, Planung und Bauleitung.
1639–1641 Keine Dokumentation der Arbeiten von Br. Jakob Kurrer.
1642–1647 Herrenchiemsee. Augustiner-Chorherrenstift. Neubau des Konvent-Ostflügels seit 1642. Kurrer ist 1645 als Baumeister erwähnt.
1643–1644 Burghausen, Jesuitenkolleg. Neubau des ersten neuen Kollegflügels. Planung und Bauleitung. Die Kirche schon 1630/31 nach Planung von Isaak Pader und Leitung von Br. Paul Bock SJ.

 

  Br. Jakob Kurrer SJ (1585–1647)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  1585 Ingolstadt   Bayern D  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Kurfüstentum Bayern   Augsburg  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  16. Oktober 1647 Ebersberg   Bayern D  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Kurfürstentum Bayern   Freising  
  Kurzbiografie        
  Jakob Kurrer wirkt als Jesuitenbaumeister der oberdeutschen Provinz in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Sein Hauptwerk ist die Luzerner Stiftskirche St. Leodegar im Hof, die er von 1633–1639 noch als Pfeilerbasilika der Renaissance baut. Weit fortschrittlicher und den Frühbarock einleitend sind seine Jesuitenkirchen in Eichstätt (1617–1620) und Innsbruck (1619–1621). Vorbild dieser beiden Kirchen ist die Wandpfeilerhalle der Jesuitenkirche Dillingen. Mangels Quellen und vielleicht zu Unrecht werden Jakob Kurrer nur die Bauleitungen in Eichstätt und Innsbruck zugestanden. Dies ist vor allem bei der Jesuitenkirche von Eichstätt nicht glaubhaft, da in Zeitdokumenten nur Kurrer als Architekt bezeichnet wird.     KurrerHofkirche  
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An der Westwand im Langhaus der Hofkirche St. Leodegar in Luzern ist südlich der Empore das Bildnis des Jakob Kurrer in einer manieristisch gefassten Nische zu sehen. Die Obrigkeit gibt das Ehrenmal des Baumeisters ihrer Stadtkirche 1644 in Auftrag. Gleichzeitig lässt sie für den verantwortlichen städtischen Vertreter des Kirchenneubaus nordseitig ein Pendant erstellen.[1]
Maler ist Caspar Meglinger.[2]
Meglinger malt den Jesuitenbaumeister kniend vor einem Altar mit dem Standbild der Maria zum Schnee, welches durch die hll. Jakobus und Ignatius gehalten wird. Ein Bild der Hofkirche mit ihren gotischen Türmen bildet das Antependium. Links hängen die Architektenwerkzeuge an der Wand. Rechts ist der Grundrissplan der Hofkirche aufgehängt. Darunter ist der kleine Wappenschild Kurrer zu sehen, der in der Mitte das Zeichen des Jesuitenordens enthält.
Die Inschrift unter der Nische lautet:
Jacobus Khurrer der Societett Jesu Religioso und Baumeister des Löblichen Stiffts S:Leodegarij und S:Mauritij Alhie zu Lucern. Ist gebürdrig zu Ingolstatt in Peijeren. Seines Alters 55 Jahr. Anno 1639.

[1]«Bauherr» ist Ludwig Meyer (1587–1663). Er ist Luzerner Statthalter, Landvogt und Ritter, auch grosser Förderer der Jesuiten und stiftet den theologischen Lehrstuhl am Jesuitenkolleg.

[2] Caspar Meglinger (1595–um 1670) aus Luzern. Die 1626-37 entstandenen, ursprünglich 72 Tafeln des Totentanzzyklus für die Spreuerbrücke in Luzern gelten als sein wichtigstes Werk.
Siehe:
Wikimedia Spreuerbrücke