Carlo Lurago (1615–1684)

Baumeister in Prag und Passau

Herkunft 
Die Lurago aus Pellio im Val d'Intelvi sind im 17. Jahrhundert als Baumeister, Bildhauer und Stuckateure in der Lombardei, vor allem aber im Norden der Alpen tätig. Der Name Lurago wandelt sich später in Luraghi. Das Val d'Intelvi (italienisch «la Valle Intelvi») ist ein Hochtal zwischen Comersee und Luganersee in der heutigen Provinz Como. Carlo (Antonio) Lurago wird in Pellio Superiore am 14. Oktober 1615 geboren. Er ist der dritte Sohn von Giovanni Antonio di Cesare und dessen Ehefrau Margherita Lurago. Die Eheleute sind seit 1608 verheiratet und haben mit ihrer Heirat zwei getrennte Familienstämme von Pellio zu einer grossen Verwandtschaft vereint. Wie mehrere Brüder und Cousins lernt Carlo von 1628 bis 1632 das Maurer- und Stuckateurhandwerk.[1] Sein Lehrmeister ist unbekannt. Wahrscheinlich erwirbt er die Kenntnisse der Baukunst bei einem saisonal in Prag tätigen Baumeister aus der nahen Verwandtschaft.[2]

Mitarbeiter Stammbaum Lurago

Jesuitenbaumeister in Prag
Carlo lebt sich in Prag sehr schnell ein. 1638, mit 23 Jahren, ist er in Prag erstmals aktenkundig. Er erhält von den Prager Jesuiten den Auftrag für den 1638–1659 stattfindenden Umbau der Kirche
St. Salvator
in der Prager Altstadt. Die Jesuitenkirche ist ein basilikales dreischiffiges Bauwerk des 16. Jahrhunderts. 1618 bis 1620 ist sie in protestantischen Händen und wird innen zerstört. Lurago gibt ihr mit der Einfügung von Seitenemporen und der damit verbundenen Erhöhung der Seitenschiffe die heutige frühbarocke Form. Auch die Stuckaturen sind sein Werk. Er muss um diese Zeit bereits über einen Bautrupp von Fachkräften aus seiner Heimat verfügen und kann mit der Effizienz seines Unternehmens die Jesuiten für sich gewinnen. Sie erteilen ihm deshalb den Auftrag für den Neubau der Jesuitenkirche und des Kollegs in Březnice. Die Kirche ist eine Wandpfeiler-Basilika mit Seitenemporen und Doppelturmfront. Das Schema von Březnice wird zum Standard der nachfolgenden Jesuitenkirchen in Böhmen.[3] Lurago ist zwar ausführender Baumeister und auch Ausführungsplaner. Mitplaner sind, wie bei allen Jesuitenkirchen dieser Zeit, in Baukunst geschulte Jesuiten. Lurago setzt ihre Ideen aber überzeugend in Zeichnung und Ausführung um. Er wird damit zum bevorzugten Baumeister der Jesuiten in Böhmen. Sie werden im Zuge der militanten Gegenreformation nach der Schlacht am Weissen Berg 1620 auch in der böhmischen Landschaft aktiv. Noch während des Dreissigjährigen Krieges lösen so neue begüterte katholische Heerführer zusammen mit den herbeigerufenen Jesuiten eine umfangreiche Bautätigkeit aus. Mit den grösseren Neubauten werden fast ausschliesslich Bauleute aus dem Gebiet der oberitalienischen Seen beauftragt. Gründe sind ihre Vertrautheit mit der hochgeschätzten italienischen Baukultur und ihr katholischer Glaube.[4]

Die «Welschen» und der Familienbetrieb Lurago in Prag
Die Präsenz der «Welschen», wie die italienischsprachigen Meister und Kaufleute genannt werden, ist schon im Prag des 17. Jahrhunderts gross und manifestiert sich im ausgedehnten Gebäudekomplex des «wälschen» Spitals St. Borromäus auf der Kleinseite.[5] Die welschen Bauleute sind sich in der Abwehr deutscher und tschechischer Konkurrenz einig. Untereinander sind sie sehr zerstritten. Die Konkurrenz unter welschen Baumeistern ist allerdings um 1640 noch sehr bescheiden.[6] Nebst dem kaiserlichen Schanzbaumeister Santino Bossi[7] ist nur Francesco Caratti aus Bissone,[8] der um diese Zeit das Palais Michna baut, beim böhmischen Adel ähnlich beliebt wie Lurago bei den Jesuiten. Mit Caratti arbeitet Lurago nicht zusammen, auch wenn dieser später im Zusammenhang mit der Kuppel und dem Portikus der Salvatorkirche erwähnt wird und vielleicht auch die Grundlagen für das Clementinum schafft.[9]
Lurago übernimmt, wie damals üblich, die Arbeiten nach seinen Plänen und Kostenberechnungen im Akkord. Die Stuckaturen sind darin enthalten. Für sie entwirft er die Ausführungspläne und vergibt die Arbeiten im Unterakkord. Er beschäftigt meist aus dem Val'Intelvi stammende Maurermeister, Bildhauer und Stuckateure. Volles Vertrauen setzt er in seine Verwandtschaft. Er fördert vor allem seine Neffen[10] , aber auch den jungen Giovanni Domenico Orsi, der später selbst zu einem bekannten Prager Baumeister wird.[11]

Mitarbeiter Paliere, Stuckateure und Partner von Carlo Lurago

1648 erhält er das Bürgerrecht und die Gewerbefreiheit der Stadt. Eigene Kinder hat Carlo Lurago keine. Er heiratet zwar, aber zwei Kinder dieser Ehe sterben im frühen Kindesalter und auch die Ehefrau wird früh als verstorben gemeldet.[12]
Lurago hat aufgrund der Gerichtsakten einen cholerischen und gegenüber seinen direkten Konkurrenten sehr rücksichtslosen Charakter. In der rauen Zeit am Ende des Dreissigjährigen Krieges scheinen ihm viele Gesetzesverstösse, zu denen auch ein Totschlag gehört, offensichtlich nicht zu schaden.[13]

Hauptwerke in Böhmen, Schlesien und Österreich nach 1648

Kaiserlicher Schanzbaumeister in Prag
In Konkurrenz zum etablierten Prager Schanzbaumeister Santino de Bussi erhält Lurago kurz nach dem Ende des Dreissigjährigen Krieges den Auftrag für den Bau der Fortifikationen um die Altstadt, die Neustadt und auf dem Vyšehrad. Der Akkord lautet auf die Abrechnung im Kubik-Ausmass. Es ist ein gewaltiger Auftrag. Bis 1665 werden der Bauunternehmung Lurago 124 000 Gulden bezahlt, über das zehnfache der Zahlungen für den Palais Lobkowitz auf der Burg. Dieser Auftrag dürfte die Grundlage für den Wohlstand Luragos schaffen, der sich auch in seinem vielfachen Liegenschaftenbesitz zeigt. Trotz der hohen Vergütungen für den Schanzenbau scheinen Lurago oder seine Vertreter aber keine Skrupel gegen unrechtmässige Bereicherungen zu haben, wie Prozesse gegen seine Person zeigen.[14]

Bauten für den Reichsadel
Bauherr des ersten grösseren Bauwerks nach dem Westfälischen Frieden ist Fürst Octavio Piccolomini, dem der Kaiser als Belohnung für die Beihilfe an der Ermordung Wallensteins die Herrschaft Náchod schenkt. Hier baut Lurago ab 1651 das alte Schloss um und fügt ein Stockwerk dazu. Im Norden ergänzt er die Anlage mit dem grossen Piccolomini-Bau, in dessen Kapelle er reiche frühbarocke Stuckaturen ausführen lässt.
Ein weiterer Feldherr des Dreissigjährigen Krieges, Fürst Wenzel Eusebius von Lobkowitz, lässt von Lurago 1651–1669 auf dem Prager Hradschin das bestehende Palais Lobkowitz umbauen und es vor allem innen reich ausstuckieren. Den bedeutend grösseren Neubau in Raudnitz überträgt der Fürst allerdings an Francesco Caratti.
Den grössten Auftrag aus Adelskreisen erhält Lurago in Grafenort in der damals böhmischen Grafschaft Glatz. Er kann für Graf Johann Friedrich von Herberstein nicht nur die Pfarrkirche neu bauen, sondern vor allem ein Schlossgebäude des frühen 17. Jahrhunderts zu einer frühbarocken Schlossresidenz erweitern. Reiche Stuckaturen in den Schlossflügeln, die Anlage und der grosse Barockgarten mit seinen Gebäuden sind leider nach einer seit 1930 dauernden Verwahrlosungsperiode nur noch teilweise erhalten.[15]
In Neustadt an der Mettau ist der schottische Baron Walter Leslie Besitzer von Schloss und Herrschaft. Er hat die Besitzungen der Beteiligung an der Ermordung Wallensteins zu verdanken. Das Renaissance-Schloss lässt er 1655–1661 durch Lurago barock umbauen.
Eigenartig wirkt das turmartige Jagdschloss Humprecht, über ovalem Grundriss auf einem Hügel über Sobotka 1667–1668 erbaut. Den Grafen von Czernin, der später von Francesco Caratti den berühmten Palais in Prag erbauen lässt, sollen orientalische Erfahrungen zum Konzept dieses heute veränderten Bauwerks bewegt haben.
Für Michael Oswald Graf von Thun-Hohenstein[16] baut er in Klösterle 1665–1670 die Dreifaltigkeitskirche, gleichzeitig mit der Jesuitenkirche St. Ignatius in der Prager Neustadt. Wie diese ist die Dreifaltigkeitskirche eine Wandpfeilerbasilika mit Seitenemporen, das Mittelschiff kürzer und weniger breit, aber im Innenraum bedeutend ausgewogener. Wie in Prag verzichtet Lurago auch hier auf die Türme. In der tschechischen Literatur wird als weiterer Baumeister ein «Rossi de Lucca» gehandelt, bei dem es sich um den Stuckateur Domenico Rossi handeln könnte.[17] Ihm wird auch der gleichzeitige Wiederaufbau der Schlossanlage zugeschrieben. Der ausgedehnte Komplex liegt unweit der Kirche an der Eger. Auch hier dürfte Lurago anstelle «Rossi de Lucca» in Frage kommen.

Bauten für die Jesuiten
1654 erhält Lurago wieder einen Auftrag der Jesuiten. Er kann die Kirche des Kollegs in Königgrätz bauen. Die zweitürmige Wandpfeilerbasilika ist ein Bauwerk, das in Grösse und Architektur der 12 Jahre jüngeren Jesuitenkirche von Luzern entspricht. Über den quadratischen Chorraum der Kirche von Königgrätz baut Lurago eine hohe Pendentifkuppel mit Laterne. Er entwirft auch den Kollegneubau, der aber erst 1712 gebaut wird.
In Klattau beginnt er 1656 mit einer weiteren grossen Jesuitenkirche. Erstmals ist es eine Wandpfeilerbasilika mit Querschiff und einer böhmischen Kappe als Vierungskuppel. Wie bei allen Jesuitenkirchen Luragos wölbt ein Stichkappen-Tonnengewölbe mit Gurtbögen das Mittelschiff des Langhauses. Finanzierungsschwierigkeiten verzögern den Bau. Die Emporen treten jetzt geschwungen zurück und Pilaster gliedern die Wandpfeilerköpfe. 1666 übernimmt der bisherige Palier Luragos, Giovanni Domenico Orso de Orsini, die Baustelle. Ihm ist auch sicher die Gestaltung der Doppelturmfront zu verdanken.
Schlichter ist die Doppelturmfront der Jesuitenkirche in Komotau (1663–1671). Im Innenraum  setzt Lurago erstmals doppelte Halbsäulen anstelle der Pilaster an die Wandpfeilerstirne. Durch einen stark betonten Balustradenumgang über dem Gebälk teilt er aber den Raum unvorteilhaft.
Die letzte seiner Jesuitenkirchen ist St. Ignatius in Prag. Lurago baut die in der Prager Neustadt gelegene Kirche 1665–1678. Mit ihrer turmlosen Fassade schliesst sie an die 200 Meter lange Fassade des Jesuitenkollegs an. Der Gebäudetypus der Kirche hat sich seit Březnice nicht geändert. Nur die Verbreiterung der Wandpfeilerstirnen mit den damit geschaffenen, im Grundriss einem Oval angenäherten Seitenkapellen ist neu. Die Stuckaturen sind nun nicht mehr, wie noch in Komotau, auf die Seitenkapellen beschränkt. Sie beherrschen den ganzen Innenraum. Ob Lurago diese Stuckaturen mit ihrer eigenwilligen Interpretation der Wand-Tektonik noch selbst entwirft, ist eher unwahrscheinlich, denn sie werden erst nach der Einweihung ausgeführt. Stuckateur ist Tommaso Soldati, der sie im Zusammenhang mit dem Portikusvorbau und dem Turmneubau ausführt.[18] Der Baumeister des langen Kollegiengebäudes ist nicht dokumentiert. Aufgrund vorhandener Fassadenpläne und der gleichen Bautermine dürfte es ebenfalls Lurago sein.
Gesichert ist seine Beteiligung am grössten Kollegbau der böhmischen Jesuiten, dem Clementinum in Prag. Anschliessend an die Altstädter Jesuitenkirche St. Salvator, seinem ersten Werk, beginnt er 1653 mit dem Bau des neuen Westflügels. Die 100 Meter lange Strassenfassade zeigt noch deutlich Anklänge an die manieristische Renaissance. Kantig rustizierte Kolossalpilaster in jeder Fensterachse fassen die Fenster der drei Geschosse vertikal. Lurago baut bis 1674 auch den Nordflügel. Das Clementinum nimmt eine Fläche von rund 19 000 Quadratmeter ein und hat fünf Innenhöfe. Erst 1724 sind alle Flügel durch nachfolgende Baumeister fertig erstellt.[19]

Wallfahrtsorte
Das kleine Benediktinerkloster St. Johann unter dem Felsen, dessen Vorsteher der Abt von St. Nikolaus in der Prager Altstadt ist, liegt im Waldgebiet bei Beroun. 1657–1661 ist Lurago  Baumeister eines Klostergevierts mit mittig vorstehender Kirche. Die Anlage ist eher von romantischem Wert als von architektonischer Bedeutung.
Bedeutend ist hingegen die Klosteranlage auf dem Heiligen Berg (Svatá Hora) über Příbram. Der Jesuitenpater Benjamin Schleyer SJ entwirft das Konzept des Marien-Wallfahrtsortes. Wie bei vorchristlichen Tempelbergen ist das zentrale Heiligtum mit einem wehrhaft wirkenden Säulenhof eingefasst. Lurago baut die Anlage 1659–1673. Er erweitert das bestehende Marienheiligtum symmetrisch mit sechs neuen Kapellenräumen und zwei Vorhallen. Gleichzeitig baut er den   Säulenhof mit  oktogonalen Eckkapellen, der das tempelartig terrassierte Heiligtum einfasst . Er erstellt auch die nördlich anschliessende Jesuitenresidenz.
1663–1673 errichtet er ein Franziskanerkloster um das bestehende Loretoheiligtum in Hájek am Weg von Prag nach Kladno. Die zweigeschossige Vierflügelanlage mit offenem Kreuzgang ist entsprechend der Ordensregel sehr einfach gebaut.[20]
1671–1673 ist Lurago in Maria Taferl tätig. Der Wallfahrtsort liegt an der Donau bei Melk. Die neue Wallfahrtskirche ist seit 1660 im Bau. Lurago, der gleichzeitig in Passau arbeitet, wird schon 1673 wegen hoher Unkosten wieder entlassen. Erst 1707 übernimmt Jakob Prandtauer die Fertigstellung der Kirche, die 1724 geweiht wird. Die wesentlichen Teile der Wallfahrtskirche sind zwar ein Werk Luragos, die Urheberfrage des Entwurfes ist aber ungeklärt.

Der Dom in Passau

Wiederaufbau 1668-1680
Beim Stadtbrand von Passau verwüstet das Feuer 1662 auch den Dom. Nur der Chor und das Querhaus sind nicht eingestürzt. Nach ersten Sicherungsmassnahmen einheimischer Baumeister schliesst der Fürstbischof 1668 einen ersten Akkord mit Carlo Lurago, den er aufgrund der Referenzen seines Bruders abschliesst.[21] Erstmals umfasst der Akkord nur die reinen Baumeisterarbeiten ohne die Stuckaturen. 1680 sind die Arbeiten abgeschlossen. Lurago plant das neue Langhaus des Passauer Domes wie alle seine vorherigen Kirchen als Wandpfeilerbasilika. Das basilikale Schema bleibt in der Folge die einzige Gemeinsamkeit. In Passau sind die Wandpfeiler als plastische Elemente in den Raum vorgezogen und wirken dank den verbundenen Seitenschiff-Kapellen und dank den fehlenden Emporen wie Freipfeiler. Betont wird dies durch die Reduktion des Gebälks auf die Pfeiler. Völlig neu ist auch die Gewölbezone behandelt. Erstmals baut Lurago im Hauptschiff anstelle der Stichkappentonne eine Addition von Hängekuppeln über Pendentifs. Der Dom in Passau wird sein grösster und wichtigster Auftrag. 

Dombaumeister
Die Stuckateure Carlone und der Maler Tencalla sind bereits am Werk, als 1680 ein neuer Stadtbrand die Dächer erfasst und ihre Arbeiten beschädigt. Inzwischen wird Lurago offiziell als Dombaumeister bezeichnet. Weil beim neuen Brand vor allem die Fresken und Stuckaturen gelitten haben, sind es nun Inspektionen der laufenden Arbeiten, die er noch bis 1683 vornimmt.
Am 12. Oktober 1684 stirbt er im Alter von 69 Jahren in Passau.

Zur Bedeutung von Carlo Lurago

Wichtiger frühbarocker Baumeister in Böhmen
Der Frühbarock in Böhmen ist wesentlich mit dem Namen Carlo Lurago verbunden. Als Baumeister der Jesuiten beherrscht er zwischen 1640 und 1670 das kirchliche Baugeschehen in Böhmen fast vollständig. Er profitiert von einem Betätigungsfeld, das ausschliesslich die «Welschen» mit ihren handwerklichen und organisatorischen Fähigkeiten, vor allem aber wegen ihres katholischen Glauben fördert. Die Jesuiten sind gelehrte, vielfach in Baukunst erfahrene Bauherren und deshalb meist am Entwurfskonzept mitbeteiligt. Lurago kann ihre Vorgaben zeichnerisch und als Generalunternehmer zu ihrer Zufriedenheit durchführen. Er verlässt sich dabei auf qualifizierte Maurermeister und Stuckateure seiner Heimat, die er im Unterakkord beschäftigt.

Sakralbauten
Nie ändert Lurago das Grundkonzept der Jesuitenkirchen in Böhmen. Es sind immer tonnengewölbte Wandpfeilerkirchen mit basilikalem Querschnitt. Die Wandpfeilerhallen der grösseren Ordenskirchen der oberdeutschen Jesuitenprovinz sind ihm fremd.[22] Die Kirchen Luragos haben römische Wurzeln. Vom Urtyp der Jesuitenkirchen, Il Gesù von Vignola, unterscheiden sie sich trotzdem. Die hohen, gut belichteten Abseiten mit Seitenemporen sind nicht italienisch, sondern den Einflüssen der lichten böhmischen Freipfeilerhallen des 16. Jahrhunderts zu verdanken. Auch die Doppelturmfronten verraten wie beim Dom von Salzburg deutschen Einfluss. Sein reifstes Werk, weit entfernt von den römischen Vorgaben Vignolas, ist die Jesuitenkirche von Klattau. «In reinster Form zeigt sich das bauliche Streben des Jesuitenordens, wie es bald nach dem Dreissigjährigen Krieg sich äusserte, in der mächtigen Ignazkirche zu Klattau in Böhmen» schreibt  Cornelius Gurlitt 1889. Das Hauptwerk von Carlo Lurago, der Dom von Passau, ist ein Spezialfall. Mit den Vorgängerkirchen Luragos hat die Domkirche Passau ausser dem basilikalen Querschnitt nichts gemeinsam. Die Gestaltung des Passauer Doms kann nur durch die frühzeitige Zusammenarbeit von Carlo Lurago mit den in Passau tätigen Familienmitgliedern der Carlone erklärt werden. Diese sind seit 1665 in Passau tätig. Carlo Antonio Carlone ist beim Dombau Palier Luragos. Obwohl keine Quellen vorhanden sind, muss von einer gemeinsamen Planung der Arbeitsgemeinschaft Lurago und Carlone mit klaren Vorgaben des in Baukunst erfahrenen Fürstbischofs ausgegangen werden.[23] Die Kunstgeschichte hat die Tendenz, für Bauten des 17. Jahrhunderts immer den ausführenden Baumeister als Architekt, das heisst als Entwerfer zu bezeichnen. Im Beispiel Passau ist dieser Automatismus sicher falsch.

Profanbauten
Weit geringer als im Sakralbau ist die Bedeutung Luragos bei seinen Kolleg- und Residenzbauten. Hier ist er wenig innovativ und muss die Hauptaufträge an Francesco Caratti und Antonio della Porta überlassen.  

Nachfolger
Giovanni Domenico Orsi de Orsini leitet schon vor 1670 mit seinen Bauten in den Hochbarock über. Der begabte Schüler Luragos stirbt aber 1679. Nachfolger bei den Jesuiten wird Paul Ignaz Bayer. Er beendet zusammen mit Abraham Leuthner die Vorherrschaft italienischer Baumeister in Prag. Um 1680 treten mit Jean-Batiste Mathey und Guarino Guarini zudem zwei römisch geschulte Architekten in Prag auf, die keine Bauunternehmer sind, aber wegweisende Impulse für die Barockarchitektur Böhmens setzen. Die Baumeisterfamilie der Dientzenhofer nimmt ihre Anregungen auf und kann nach 1700 die Basis für den «kurvierten» Spätbarock legen. Anselmo Martino Lurago ist im zweiten Viertel des 18. Jahrhundert würdiger letzter Vertreter der Baumeistersippe aus dem Val d'Intelvi. Als Nachfolger von Kilian Ignaz Dientzenhofer stirbt er 1765 als königlicher Hofbaumeister in Prag.

Pius Bieri 2017


Literatur:

Duras, Amelie: Die Architektenfamilie Lurago. Disseration, Prag 1933.
Franz, Heinrich Gerhard: Bauten und Baumeister der Barockzeit in Böhmen. Leipzig 1962.
Reuther, Hans: Lurago, Carlo in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 527 f. [Onlinefassung].
Ramisch, Hans: Drei Fürstbischöfe aus dem Hause Thun-Hohenstein als Mäzene barocker Kunst, in: Barockberichte, Heft 31, Salzburg 2001.
Pizzagalli, Sonia: Emigrazione e strategie familiari dalla Valle Intelvi: il caso di Pellio Superiore 1650–1750. Milano 2003.
Uibo Elsa: Lurago Carlo, in: AIA [Artisti Italiani Austria, Onlinefassung] 2005.
Pinto, Benedetta: Lurago, in: Dizionario Biografico degli Italiani - Volume 66-2006.
Cavarocchi, Franco: I Lurago, stuccatori tra 1600 e 1700 (www.luigi-rossi.com, ohne Datum).


Anmerkungen


[1] Carlos älterer Bruder Tommaso (1608–1670) ist seit 1638 als Bildhauer und Hofbaumeister in Modena tätig. Der jüngere Bruder Antonio (1626–1687) folgt ihm als Hofbaumeister in Modena nach. Ein dritter Bruder, Anselmo (1623–1676), ist Notar und mit einer Carlone verheiratet. Deren Sohn Giovanni Antonio (1653–1727) ist ebenfalls Baumeister und wird 1682 Prager Bürger. Ein weiteres Familienmitglied, Sohn des Tommaso Giuseppe und Neffe des Carlo ist Anselmo Martino (1701–1765), der in Prag als Hofbaumeister tätig ist. Siehe dazu den Stammbaum der Webseite. Zu den Brüdern Antonio und Tommaso und den Neffen Giovanni Antonio und Anselmo Martino siehe die Eintragungen in Tessiner Künstler in Europa.

[2] Möglich wäre Giovanni Battista Orsi aus dem Nachbardorf San Fedele, der 1626-1631 die Loretokapelle auf dem Hradschin in Prag baut. Seine Lebensdaten sind nicht erforscht. Er heiratet 1627 in San Fedele Lucia Retacco, Tochter des Wiener Hofbaumeisters Simone Retacco und der Francesca Carlone. Er stirbt vor 1641, denn in diesem Jahr heiratet seine Witwe den Baumeister Andrea d'Allio. 1634 ist Orsi in Wien, wo ihm der Sohn Giovanni Domenico (1634–1679) geboren wird. Auch bei Giovanni Domenico ist der Lehrmeister nicht bekannt. Es dürfte der zweite Stiefvater Silvestro Carlone sein. Spätestens 1654, mit 20 Jahren, ist er als Geselle bei Carlo Lurago tätig. Die bleibende Partnerschaft der beiden Landsleute könnte auf eine schon ältere Beziehung zur Familie Orsi hindeuten.

[3] Zum Begriff der Wandpfeilerbasilika siehe das Glossar Baukunst in dieser Webseite. Die Höhenentwicklung des Innenraums und die Doppelturmfront setzen sich vom ursprünglichen Vorbild Il Gesù ab.

[4] Etwa 90 % der Bevölkerung Böhmens sind 1620 «Häretiker», wie die Protestanten genannt werden. 1624 werden alle Nichtkatholiken aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. 1627 wird der alte Adel zur Konversion gezwungen oder muss das Land verlassen.

[5] Das Wälsche Spital ist eine grosse Vierflügelanlage am Wälschen Spitalplatz (Vlašská 34) gegenüber dem Palais Lobkovic (Vlašská 19), gebaut als Stiftung der italienischsprachigen «Welschen» mit dem Ziel der Versorgung der Armen und Gebrechlichen. Das heutige Gebäude und die Kirche stammen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Anfang des 18. Jahrhunderts ist das Wälsche Spital in erster Linie Waisenhaus (1779: 786 Kinder!). Der Name St. Borromäus geht Mitte des 19. Jahrhunderts an den 80 Meter westlich gelegenen Spitalkomplex (1852/56) über. Das Wälsche Spital ist heute italienisches Kulturinstitut. An der Wälschen Gasse oder Vlašská ulice sind noch heute die barocken Wohnhäuser der «Welschen» zu sehen. 

[6] Deutsche Baumeister sind praktisch inexistent. Erst um 1670 treten mit Abraham Leuthner (1639–1701) und ab 1680 auch Georg Dientzenhofer (1643–1689) auf. Die grösste Architektenpersönlichkeit zwischen 1675 und 1695 ist aber der aus dem Burgund stammende Jean-Baptiste Mathey (~1630–1695). Siehe dazu auch das Kapitel «Nachfolge».

[7] Santino Bossi, auch de Bossi (Schanzbaumeister und Amtsrat, 1663/66 Vorsteher des Wälschen Spitals, *1602/03 in Monte, †1673 in Prag). Er bürgt 1648 noch für Lurago, verfeindet sich aber später.

[8] Francesco Caratti (1610–1677) aus Bissone. Zu ihm siehe die Biografie in Tessiner Künstler in Europa.

[9] Nennung von Caratti (ohne Quellennachweise) für die Kuppel und den Portikus der Salvatorkirche, sowie für die Grundlagenplanung des Clementinums.

[10] Es sind die beiden in Prag tätigen Söhne des Rocco di Anselmo, nämlich Francesco Anselmo (1634–1693) und Domenico Antonio (1638–n.1670). Wahrscheinlich ist auch Martino (1623–1683) ein Neffe. Ihn setzt Carlo Lurago schon 1642 als Palier in Březnice ein. Die beiden jüngeren Neffen sind zwar erst ab 1658 in Prag nachgewiesen, aber wahrscheinlich schon länger im Trupp des Carlo Lurago tätig.

[11] Zu Giovanni Domenico Orsi de Orsini (1634–1679) siehe die Anmerkung 2 und die Werkliste.

[12] Die Heirat ist weder in Prag noch in Pellio vermerkt. Die Ehefrau heisst Elisabeth, der erste Sohn Karl Anton wird 1654 geboren, stirbt aber noch vor 1656, der Geburt des zweiten Sohnes. Dieser stirbt 1656, die Ehefrau wohl wenig später.

[13] So beschreibt die Biografin Amelie Duras und später auch Elsa Uibo in AIA (2005), wie Lurago 1645 im Streit «seinen eigenen Steinmetzen Zacharias Campione erdolchte». In Prag ist um diese Zeit als Steinmetz nur Zaccaria (Zacharius) Bussi von Campione bekannt, der nach dem Tod seines Onkels Giovanni Battista Bussi von Campione 1622 in Prag Wohnsitz nimmt und 1645 tatsächlich stirbt. Von einem gewaltsamen Tod ist in seiner Biografie in Treccani allerdings keine Rede. Eine prozessuale Auseinandersetzung mit Schanzbaumeister Santino de Bossi (1603–1673, aus Monte) basiert auf Quellen. Bossi, der noch 1648 Bürgschaft für die Aufnahme von Lurago als Stadtbürger leistet, ist jetzt nicht nur Konkurrent, sondern auch erbitterter Feind. 1661 wird Lurago nach einem Streit mit dem Prager Bürgermeister in Haft genommen.

[14] Auf dem Vyšehrad beginnt sein Konkurrent Santino de Bossi 1656 mit dem Bau des Zeughauses. Nach Intrigen gegen Bossi geht die Fertigstellung an Lurago über. Unregelmässigkeiten bei der Materialbeschaffung und eine schlechte Ausführung der Fertigstellung führen zu Untersuchungen und Prozessen gegen seine Person. Lurago entschuldigt sich für die Unregelmässigkeiten mit seiner Abwesenheit von Prag, bleibt aber den Verhandlungen meist fern. Noch 1685 verlangen die Erben Nachzahlungen für den Zeughausbau, für dessen Fertigstellung Lurago die vereinbarte hohe Summe von 6000 Gulden aber bezogen hat. Noch bis zu seinem Tod wird ihm zusätzlich zu den Baukontrakten ein Jahresgehalt als Schanzbaumeister von 480 Gulden bezahlt, obwohl er seit 1668 kaum mehr in Prag ist.  

[15] Siehe die Anlage und den heutigen Zustand in der Webseite Stiftung Fundacja Pałac Gorzanów (deutsch) und die Gartengeschichte in Architectus 4/2016 (PDF, Tschechisch/Englisch)

[16] Michael Oswald Graf von Thun-Hohenstein (1631–1694) ist der Bruder des Passauer Fürstbischofs Wenzeslaus Graf von Thun-Hohenstein (1629–1673). Er ist in der von Lurago errichteten Kirche von Klösterle begraben.

[17] Dazu die (leider nur in Tschechisch vorhandene) Dissertation von Jakub Pátek über die Kunstpatronage des Grafen Michael Oswald von Thun-Hohenstein.

[18] Tommaso Soldati (1665–1743) aus Ponna im Val d'Intelvi wird als Stuckateur «1667–1699» genannt. Er dürfte aber frühestens 1686, vielleicht erst 1697 im Zusammenhang mit den Veränderungen von Paul Ignaz Bayer (1650–1733) am Bau tätig sein. Bayer erstellt 1686 den Turm und 1697–1699 den Fassadenportikus und die neue Fassade.

[19] Die Baumeisterfrage nach 1674 ist nicht genügend erforscht. Gemäss Heinz Gerhard Franz wird jetzt ein Vertrag mit Francesco Anselmo Lurago geschlossen. Giovanni Domenico Orsi die Orsini ist aber offensichtlich bis 1679 auch mit dem Bau beschäftigt. Erst später, Anfang des 18. Jahrhunderts, sind František Maxmilián Kaňka und Kilian Ignaz Dientzenhofer tätig.

[20] Während der kommunistischen Nachkriegsherrschaft wird das Kloster geplündert und dem Verfall überlassen.

[21]Wenzeslaus Graf von Thun-Hohenstein (1629–1673) regiert 1664–1673. Er ist der Bruder von Graf Michael Oswald, für den Lurago in der Herrschaft Klösterle an der Eger seit 1665 baut. Der neue Fürstbischof ist auch Halbbruder der Salzburger Fürstbischöfe Guidobald (reg. 1654–1668) und Johann Ernst (reg. 1687–1709). Alle Familienmitglieder betreiben eine ausgesprochene Kunstpatronage. Der nachfolgende Fürstbischof Sebastian Graf von Pötting, der von 1673 bis 1689 regiert, setzt das Bauvorhaben mit hohem Kunstverstand fort, wie sein Beizug von Carpoforo Tencalla als Freskant zeigt.

[22] Jesuitenkirchen Dillingen 1610, Eichstätt 1617, Mindelheim 1625, Landshut 1631, 

[23] Pietro Francesco Carlone (1606–1681) werden die Jesuitenkirchen von Leoben und Linz zugeschrieben. Er ist 1665–1671 in Passau (Jesuitenkirche) und beginnt dann mit der Stiftskirche in Garsten. Seine Söhne Carlo Antonio (1635–1708) und Giovanni Battista (1642–1721) arbeiten meist mit ihm zusammen und werden nach seinem Tod als Baumeister und Stuckteure selbstständig. Mehr zur Familie Carlone (Carloni) siehe in den Biografien dieser Webseite.

  Carlo Lurago (1615–1684)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  14. Oktober 1615 Pellio   Val d'Intelvi I  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Herzogtum Mailand   Como  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  12. Oktober 1684 Passau   Bayern D  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Hochstift Passau   Passau  
  Kurzbiografie        
 

Der Frühbarock Böhmens ist mit dem Namen Carlo Lurago verbunden. Als Baumeister der Prager Jesuiten beherrscht er hier zwischen 1640 und 1670 das kirchliche Baugeschehen fast vollständig. Er profitiert im noch bis 1620 protestantisch geprägten Land von der Bevorzugung der «Welschen» durch die Jesuiten und durch kaisertreue neuen Herren. Seine Bauorganisation lässt den Unterakkordanten, fast ausschliesslich Landleute aus dem Val d'Intelvi, viel gestalterischen Freiraum. Seine Kirchen sind meist Wandpfeilerbasiliken, die sich im Innenraum nie vom römischen Hochrenaissance-Typus eines Vignola entfernen. Erst mit der Domkirche in Passau gelingt ihm ein wirklich innovativer Bau.

    Koeniggraetz  
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Die Jesuitenkirche Maria Himmelfahrt in Königgrätz (Hradec Králové) kann als typisches Sakralbauwerk von Carlo Lurago bezeichnet werden. Er baut die doppeltürmige Kirche 1654–1666. Nach der Einäscherung durch die Preussen wird sie 1765 neu hergerichtet. Die Turmhelme dürften aus dieser Zeit stammen. Das anschliessende Jesuitenkolleg wird nach Plänen Luragos erst 1712 gebaut.
Foto: Kixx 2012 in Wikipedia.

Werke von Carlo Lurago

Aus zugänglichen Quellen zusammengestellt

Jahr Ort, Werk Beschrieb
1638–
1640
Prag Altstadt
Jesuitenkirche St. Salvator beim Collegium Clementinum
Umbau der Ende des 16. Jahrhunderts gebauten Jesuitenkirche (Emporeneinbau, Stuck). Kuppel 1648 siehe unten. Fassade 1653 siehe unten.
1640–
1642
Březnice in Böhmen
(heute CZ)
Jesuitenkirche
St. Franz Xaver und St. Ignatius von Loyola, mit Kollegneubau
Neubau der Wandpfeiler-Basilika mit Doppelturmfront. Erster Kirchenneubau von Carlo Lurago. Entwurfskonzept vielleicht durch einen Jesuitenpater. Palier ist Martin Lurago. Der Kollegneubau, in dem die Kirche integriert ist, wird gleichzeitig gebaut.
Bresnice
Březnice um 1910
1642 Březnice in Böhmen
(heute CZ)
Maria-Magdalena-Kapelle im Ortsteil Dobrá Voda (Gutwasser)
Neubau des oktogonalem Zentralbaus. Bauherr ist der kaiserliche Prokurator von Březnice, Přibík Jeníšek z Újezda (1580–1651).
1645–
1649
Březnice in Böhmen
(heute CZ)
Rochus-Kapelle
Neubau der Friedhofskirche (Vertrag 1644) als quadratischer Zentralbau mit drei Konchen.
1648 Prag Altstadt
Jesuitenkirche St. Salvator.
Kuppel
Neubau der Kuppel nach Planungen des 16. Jahrhunderts, Zuschreibung an Lurago durch Amelie Duras auf Grund der fortlaufenden Verträge (1638, 1654 und 1659).
Umbau 1638 siehe oben
Fassade 1653 siehe unten
Foto Innenraum: Aconcagua 2010 in Wikipedia
Salvatorkirche
1649–
1665
Prag. Altstadt, Neustadt und Vyšehrad
Fortifikationen
Bauherr ist der Wiener Kriegsrat, vertreten durch Rudolph Graf  von Colloredo. Planung und Oberaufsicht bei Francesco Pieroni. Die Anlage der Kleinseite führt Santino de Bussi aus. 1659 sind 78 000 Gulden mit Lurago abgerechnet. Zeughausbau im Vyšehrad durch Santino de Bussi, Fertigstellung durch Lurago. Die Arbeiten werden nach 1658 durch den Neffen Francesco Anselmo als Oberschanzbaumeister geleitet. Abrechnung 1665 mit weiteren 46 000 Gulden.
1650
(um)
Prag Kleinseite
St. Maria unter der Kette
Kostel Panny Marie podřetězem
Barockisierung der mittelalterlichen Kirche des Malteserordens. Als ausführender Stuckateur wird Giovanni Baptista Spinetti genannt. Die Ausführungsjahre sind unklar.
1650–
1653
Prag Altstadt.
Östlicher Brückenturm der Karlsbrücke.
Umbau des gotischen Brückenturms (Peter Parler,
14. Jh.) nach den Zerstörungen im Dreissigjährigen Krieg. Mitarbeiter ist Giovanni Spinetti.
1651–
1660
Náchod in Böhmen (heute CZ)
Schloss
Umbau und Erweiterungen für den neuen Besitzer Octavio Piccolomini (1559–1656). Barockisierung der Schlossapelle durch die Stuckateure Giovanni Domenico de Rossi aus Pellio und Andrea Cyrus. Die Stuckaturentwürfe stammen von Carlo Lurago. Bildhauer ist Giovanni Battista Spinetti.
1651–
1669
Prag Hradschin
Palais Lobkowitz auf der Burg
Wenzel Eusebius von Lobkowitz lässt den schlichten Palast auf der Prager Burg vor allem innen vollständig umbauen. Der Neffe Giovanni Antonio und der Stuckateur Domenico Galli sind beteiligt.
1653–
1658
Grafenort in der damals böhmischen Grafschaft Glatz, heute Gorzanów (PL)
Pfarrkirche St. Maria Magdalena
Die alte Pfarrkirche wird unter Johann Friedrich von Herberstein durch Carlo Lurago und seine Mitarbeiter Domenico Antonio de Rossi (aus Pellio, Vater von Giovanni Domenico), Andrea Galli, Andrea Cyrus, Carlo Serena, Giovanni Baptista Spinetti (aus Mendrisio?) und Biagio Verda grundlegend im Barockstil umgebaut und 1658 neu konsekriert.  
Grafenort
Schloss, Pfarrkirche und Garten von Gorzanów (Grafenort) um 1738, in einem Stich von F. A. Pompejus 1862.
1653–
1658
Grafenort der damals böhmischen Grafschaft Glatz, heute Gorzanów (PL),
Schloss und Barockgarten
Johann Friedrich von Herberstein lässt die Schlossanlage 1653–1658 durch Carlo Lurago unter Leitung von Lorenzo Niceli (?) und Andrea Garove erweitern und barockisieren. Stuckateure dürften die am gleichzeitigen Kirchenbau tätigen Meister sein. Die Arbeiten umfassen auch Gartenlusthäuser mit Grottenwerk. Siehe dazu Architectus 4/2016 (PDF, Tschechisch/Englisch).
1653–
1674
Prag Altstadt
Jesuitenkolleg Clementinum
(grösster Profanbau mit Ausnahme der Burg)
Jesuitenkirche St. Salvator, Fassade
Leuthner1677
Grundsteinlegung 1633. Unterbruch wegen des Krieges. Lurago baut  den Westflügel an der Křižovnická ulice (bis 1658) und anschliessend den Nordflügel. 1674 neuer Vertrag mit Francesco Anselmo Lurago. Giovanni Domenico Orso de Orsini ist auch beteiligt. Steinmetzmeister sind Francesco della Torre und Giova nni Battista Passerini. 1654 und 1659 Verträge mit Lurago für die Fassade. Nennung von Domenico Galli als Stuckateur von 1649–1659.
Clementinum Salvator3   Links:
Fassade aus dem Stichwerk von Abraham Leuthner 1677.
Mitte:
Ausschnitt mit Salvatorkirche aus einem Gemälde des 18. Jahrhunderts.
Rechts:
Salvatorkirche, Fassade.
Foto: Brabcaak in Wikipedia.
1654–
1666
Königgrätz in Böhmen,
heute Hradec Králové (CZ)
Jesuitenkirche Mariä Himmelfahrt
 
Neubau der Wandpfeiler-Basilika mit Doppelturmfront. Zweigeschossige Seitenschiffe mit Emporen. Hängekuppelgewölbe erst 1765. Das Jesuitenkollegium wird 1712 nach Plänen Luragos gebaut.
1655
1667
Glatz (Grafschaft Glatz, Böhmen),
heute Kłodzko (PL)
Jesuitenkolleg
Neubau des Jesuitenkollegs. Vertrag 1642, Grundstein 1655. 1667 sind Südflügel und Schule fertig, Palier ist Francesco Canavale. 1688–1689 Bau des Nordflügels. Der Vertrag wird aber 1667 mit Andrea Garove abgeschlossen.
1655–
1661
Neustadt a. d. Mettau in Böhmen, heute Nové Město nad Metují (CZ)
Schloss
Feldmarschall Walter Leslie (1637–1667) erhält nach seiner Mitwirkung an der Ermordung Wallensteins 1634 die Herrschaft vom Kaiser geschenkt. Er lässt das Schloss durch Lurago umbauen. Erwähnt wird hier auch Domenico Rossi.
1656–
1666
Klattau in Böhmen,
heute Klatovy (CZ)
Jesuitenkirche St. Ignatius
Grundsteinlegung 1656, Neubau zusammen mit dem 1655 begonnenen Jesuitenkolleg, dessen Planer der Rektor P. Theodor Moretus SJ ist. Geldmangel verzögert den Bau. 1666 führt ihn anstelle von Lurago Giovanni Domenico Orso de Orsini weiter, der bis zu diesem Zeitpunkt als Palier für Lurago arbeitet. 1675 wird die Kirche geweiht. Sie ist eine Wandpfeilerbasilika mit Emporen, Querschiff und Vierungskuppel.
LattauGrRiss   KlattauSchnitt   KlattauFassade
Klattau / Klatovy (CZ). Jesuitenkirche St. Ignatius.
Grundriss und Längsschnitt aus der Kunstdenkmälertopgraphie des Königreichs Böhmen, Prag 1905.

Fassade aus Wikipedia (User Lubor Ferenc, 2011)
 
1657–
1659
Náchod in Böhmen (heute CZ)
Barockes Rathaus
Neubau für den Rat der Stadt Náchod. Das barocke Rathaus wird im 19. Jahrhundert umgebaut.
1657–
1661
St. Johann unter dem Felsen, bei Braunau in Böhmen. Heute Svatý Jan pod Skalou (CZ)
Benediktiner-Wallfahrtskirche
Neubau einer zweigeschossigen, dreijochigen Wandpfeilerkirche vor einen bestehenden Turm. Neuwölbung 1711 durch Christoph Dientzenhofer. Bauherr ist Matthäus Ferdinand Sobek von Bilenberg OSB, Abt von St. Nikolaus in der Prager Altstadt und auch Bischof von Königgrätz. Klostergebäude von Christoph Dientzenhofer.
1658–
1667
Prag Neustadt, Karlsplatz
Jesuitenkolleg St. Ignatius am damaligen Viehmarkt
Der 200 Meter lange Kollegbau am Karlsplatz ist das dritte Kolleg der Jesuiten in Prag. Der Planungs- und Bauauftrag für die in der Fassadenflucht liegende Kirche (1665) lassen auf Lurago als Baumeister schliessen.
  JesuitenkollegNeustadtPrag
Foto: Diligent in Wikipedia  
1659–
1673
Příbram in Böhmen (heute CZ). Kloster Svatá Hora oder Heiliger Berg
SvataHora
Erweiterung der zentralen Kapelle um vier neue Kapellenräume  und einer Arkadenhalle zu einer Wallfahrtskirche. Neubau des Arkaden-Kreuzganges mit vier Eckkapellen (80×70m), die Terrasse um den Sakralbau als Tempelberg ausbildend. Konzept von P. Benjamin Schleyer SJ. Neubau der Jesuitenresidenz  ab 1662 vermutlich auch von Lurago. Stuckateure sind Giovanni Battista Cometa und Santino Cereghetti.
svataHoraSchnitt Grundriss und Schnitt West-Ost der Anlage auf dem Heiligen Berg in Příbram.
Quelle: Kunstdenkmäler-topographie des Königreichs Böhmen, Bezirk Pribram, Prag 1902.
   
1663–
1671
Komotau in Böhmen, heute Chomutov (CZ)
Jesuitenkirche St. Ignatius
Neubau der zweitürmigen Wandpfeilerbasilika mit Emporen mit Anschluss an das bestehende Jesuitenkolleg. Steinmetzmeister ist Francesco della Torre.
1663–
1673
Kloster Waldl in Böhmen.
Heute Klášter Hájek
Franziskanerkloster und Wallfahrtsort Sacra Silva
Um die seit 1623 gebaute Loretokapelle, in der Wegmitte zwischen Prag und Kladno gelegen, wird eine Vierflügelanlage mit Kreuzgang gebaut. Vertrag mit Carlo Lurago und Giovanni Domenico Orso de Orsini, der den Bau 1664 übernimmt. Palier ist Francesco Anselmo Lurago.
1665–
1678
Prag Neustadt, Karlsplatz
Jesuitenkirche St. Ignatius oder
Kostel svatého Ignáce
Kirchenneubau 1665–1671, die Ausführung durch den Neffen Domenico Antonio. Der Vertrag mit Lurago wird 1671 aufgelöst. 1686 Turm und 1697–1699 die heutige Fassade durch Paul Ignaz Bayer. Stuckateur ist Antonio Soldati, später Tommaso Soldati.   LuragIgnazkirchePrag
St. Ignatius am Karlsplatz. Foto: Alvesgaspar in Wikipedia
1665–
1670
Klösterle in Böhmen,
heute Klášterec nad Ohří (CZ)
Dreifaltigkeitskirche
Schloss-Wiederaufbau.
Neubau der Stadtkirche, einer Wandpfeilerbasilika, im Auftrag von Michael Oswald Graf von Thun-Hohenstein nach Plänen von Carlo Lurago mit Ausführung durch einen «Baumeister Rossi de Luca». Verballhornung von Luca de Rossi? Vermutet wird Domenico Rossi.
1667–
1669
Sobotka in Böhmen
Jagdschloss Humprecht
Für Humprecht Johann Graf Czernin von Chudenitz baut Lurago ein turmartiges Schloss auf ovalem Grundriss. Palier ist Francesco Ceresola aus Lanzo d’Intelvi, der das Schloss nach dem Brand 1678  verändert wieder aufbaut. Weitere Beteiligte: Francesco della Torre, Giovanni Battista Passerini.
1668–
1684
Passau
Domkirche St. Stephan

Passau
Der Neubau des beim Stadtbrand 1662 eingestürzten Langhauses wird von Fürstbischof Wenzeslaus Graf von Thun 1668 an Carlo Lurago verdingt. Er realisiert hier in Zusammenarbeit mit den Carlone sein wichtigstes Bauwerk. In den Akkorden sind jeweils nur die Baumeisterarbeiten enthalten. Palier ist Carlo Antonio Carlone.  Steinmetz ist Francesco Torre.

Bild: Längeschnitt aus Kunstdenkmäler im Königreich Bayern, 1919.
1670–
1673
Maria Taferl (Niederösterreich)
Wallfahrtskirche zur Schmerzhaften Muttergottes
Neubau aufgrund eines bereits vorhandenen Modells, mit Baubeginn schon 1662. Lurago erstellt den Grossteil des Neubaus, wird aber 1673 wegen Baukostenüberschreitung entlassen. Fertigstellung mit Kuppel 1707–1724 durch Jakob Prandtauer. Stuckateur für Lurago ist Giovanni Battista Colomba.


Bauwerke, welche nur Mitarbeitern von Carlo Lurago zugeschrieben werden dürfen (Stuckateurtrupp des Unternehmers Lurago)


Jahr Ort, Werk Beschrieb
1640
(um)
Březnice (Böhmen, heute CZ).
Schlosskapelle
Die Schlosskapelle wird vom Förderer der Jesuiten in Březnice, Přibík Jeníšek z Újezda (1580–1651), nach einheitlichen Angaben der Literatur 1725–1732, anschliessend an den Schlossneubau gebaut. Ihre noch gotische Erscheinung und auch das Baudatum lassen Lurago als Baumeister ausschliessen. Die frühbarocken Ausstattungselemente könnten aber dem Stuckateurtrupp Lurago zugeschrieben werden.
1660–
1670
Glatz (Grafschaft Glatz, Böhmen),
heute Kłodzko (PL).
Jesuitenkirche Mariä Himmelfahrt
1624 wird die gotische Kirche von den Jesuiten übernommen. Sie wird ab 1660 barockisiert, allerdings sind keine Eingriffe (Stuck Andrea Garove) in die Bausubstanz vorhanden. Lurago hat höchstens Unternehmerfunktion.
1680 Brieg, heute Brzeg Głogowski (PL)
Pfarrkirche Corpus Christi
Stuck im Langhaus. Lurago ist um diese Zeit in Passau wohnhaft.

Bauwerke, die nicht Carlo Lurago zugeschrieben werden können

Jahr Ort, Werk Beschrieb
1660 Glogau in Schlesien,
heute Głogów (PL)
Franziskanerkloster
Kapellenanbau an die Kirche St. Stanislaus, heute zerstört. Die Kapelle ist ungenügend dokumentiert. Zudem ist das Baudatum unklar und wird auch mit 1680 angegeben.
1660–
1673
Regensburg
Klosterkirche St. Joseph der Unbeschuhten Karmeliten
Nach dem Klosterneubau 1640–1660 wird mit dem Kirchenneubau ein «Italiener» beauftragt. Die Zuschreibung an Lurago ist rein spekulativ und sachlich nicht begründet.
1676–
1681
Prag Kleinseite
St. Nikolaus,
Professhaus der Jesuiten
Das rund 70×70 Meter messende Klostergeviert mit der Kirche St. Nikolaus ist das ehemalige Professhaus der Jesuiten. Die Kirche wird erst 1703 durch Christoph Dientzenhofer begonnen. Die Gesamtplanung des Komplexes ist von Giovanni Domenico Orso de Orsini, der den Bau bis zu seinem Tod 1679 leitet. Fertigstellung durch Francesco Anselmo Lurago.