Nicolò Perti (1656–1718)

Stuckateur

Rovenna
Giovanni Nicolò Perti[1] ist Sohn des Baumeisters Lorenzo und seiner Ehefrau Isabella. Er wird am 27. September 1656 geboren.[2] Sein Vater trifft im April 1663 zusammen mit dem Baumeister Agostino Barelli in München ein. Barelli soll für die Theatiner in München Kirche und Kloster bauen.[3] Die Herkunft der Perti wird, auch in der neueren Literatur, mit Como bezeichnet. Damit ist aber das Bistum gemeint.[4] Er stammt in Wirklichkeit aus Rovenna, einem Dorf auf einer Aussichtsterrasse am Comersee, eineinhalb Wegstunden von Como entfernt.[5]

München
Vielleicht kommt der junge Nicolò schon Ende der 1660er-Jahre, als Lehrling bei seinem Vater, nach München. Erstmals erwähnt wird er 1685 im Zusammenhang mit den letzten Stuckarbeiten im Theatinerkloster. Es handelt sich um den Stuck im kurfürstlichen Oratorium und in heute abgebrochenen Kapellen.[6] Seine Erwähnung als Stuckateur des Innenraums der Theatinerkirche  ist falsch, auch wenn dies noch immer in neuen Publikationen wiederholt wird. Meisteraufträge in den 1670er-Jahren müssen nur schon wegen seines Alters ausgeschlossen werden. Hingegen sind mit Antonio Perti (1673) und Carlo Antonio und Alexander Perti (1686) gleich mehrere Verwandte als Stuckateure der Theatinerkirche erwähnt. Auch an der kurfürstlichen Residenz ist Nicolò Perti nie als Meister engagiert.[7]

Benediktbeuern und Tegernsee
Um 1683/85 wird die Benediktiner-Abteikirche von Benediktbeuern stuckiert. Nicolò Perti soll hier die Stuckaturen zusammen mit Giovanni Prospero Brenni erstellt haben. Brenni, in Deutschland Brenno genannt, ist der erfahrene Stuckateur, der schon seit 1673 an der Theatinerkirche in München und 1680 auch an der dortigen Residenz als Meister tätig ist. Tatsächlich wird Perti 1694 von Brenni bevollmächtigt, die Restzahlung in Benediktbeuern einzufordern. Weniger klar ist die Beteiligung der beiden Stuckateure in der neuen Abteikirche von Tegernsee. Für die zwischen 1688 und 1690 entstandenen Stuckaturen werden Perti und Brenni nur vermutet.[8]

Fürstenfeld
1692 stirbt der Vater Lorenzo in München. Im gleichen Jahr erhält Nicolò Perti den Titel des Hofstuckateurs. Er ist in diesen Jahren auch ausserhalb Kurbayerns tätig, so in Augsburg oder in Eichstätt. 1695 beginnt er in den Räumen des Klosterneubaus der Zisterzienser in Fürstenfeld und ist unter anderem am Fürstensaal tätig. 1696 stossen auch Pietro Francesco Appiani und Francesco Marazzi dazu. Wie schon in Benediktbeuern und Tegernsee ist auch hier wieder Hans Georg Asam als Freskant tätig. Die Arbeiten sind 1698 beendet.

Grossaufträge 1700 und 1701
Im Juni 1700 schliesst Nicolò Perti mit dem Landschaftskommissariat des Kurfürsten von Pfalz-Neuburg einen Akkord über die Stuckierung der neuen Klostergebäude der Ursulinen in Neuburg an der Donau. Im Juni 1701 folgt der Akkord für den Kirchenstuck. Für die schon 1701 beendeten Arbeiten erhält er 2204 Gulden. Die ausführenden Stuckateure sind nicht bekannt. Perti selbst ist in Neuburg nur für monatliche Kontrollen anwesend, er schreibt 1701, dass er «ausserdem zehn tage von früh bis spät selbst Hand angelegt» habe. Zeitlich wäre ihm ein längerer Aufenthalt auch gar nicht möglich, denn gleichzeitig hat er weitere Aufträge angenommen. 1700 ist er auch, zusammen mit Pietro Francesco Appiani, im Kloster Rebdorf bei Eichstätt tätig, und im gleichen Jahr beginnt er den noch grösseren Auftrag im Tilly-Schloss Helfenberg in der Oberpfalz, wieder mit Appiani und nun auch wieder mit Hans Georg Asam als Maler und Freskant. Die Arbeiten in Helfenberg sind 1701 beendet.

Werke nach 1702
Nur noch ein Werk, die Stuckaturen der Wallfahrtskirche Niederachdorf, wird Nicolò Perti in Kurbayern nach 1701 zugeschrieben. An Bauten des Hofes dürfte er noch bis 1703 beteiligt sein, auch wenn jetzt Appiani vorgezogen wird. Inzwischen beginnt bei den Stuckateuren eine Abkehr vom italienisch geprägten, hochbarocken Stuck zum leichten Stuck der Régence. Nicolò Perti kann nicht mehr mithalten. Als 1716 sein ehemaliger Arbeitsgenosse Appiani von einem sechsjährigen Aufenthalt in Frankreich zurückkehrt, wird er sofort zum begehrten Stuckateur und auch für die Klosterkirche Fürstenfeld vorgezogen.
Perti muss sich um diese Zeit mit kleineren Aufträgen ausserhalb Kurbayerns begnügen. Der letzte Auftrag führt ihn 1718 in die Benediktinerabtei Isny, wo er in den Abteiräumen einen feinen Akanthusstuck anbringt. Es ist das letzte Lebenszeichen des inzwischen 62-Jährigen, der in diesem Jahr stirbt.

Pius Bieri 2015

Literatur:

Guldan, Ernst: Quellen zu Leben und Werk italienischer Stukkatoren des Spätbarock in Bayern, in: Arte e Artisti dei Laghi Lombardi, II, Como 1964.
Heunoske, Werner: Tessiner Stuckatoren im Umkreis des Münchner Hofes in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Band 61, Heft 2. Zürich 2004.
Vollmer, Eva  Christina: Die Stuckdekorationen im Konventgebäude, in: Kloster Fürstenfeld, Hrsg. Werner Schiedermair. Lindenberg 2013.
Kaps, Wolfgang: Neuburg an der Donau: Vom Ursulinenkloster zum Studienseminar und Gymnasium. Onlinepublikation Stand April 2015.

Anmerkungen:
[1] Falsche Schreibweisen in Deutschland: Niccolo oder Niccolò Perti.

[2] Quelle: Ursula Stevens (artistiticinesi-ineuropa.ch). Vater Lorenzo Perti stirbt 1692 mit 68 Jahren in München, nachdem er aus einem Heimataufenthalt wieder auf die Münchner Baustelle zurückgekehrt ist.

[3] Die Initiantin der Theatinerkirche ist Kurfürstin Henriette Adelheid von Savoyen. Ihr Wunscharchitekt, der Theatinerpater Guarino Guarini, durch sein Projekte für den savoyardischen Hof in Turin bekannt, muss ihr absagen. Er arbeitet seit 1662 an der Theatinerkirche in Paris. Sie beauftragt deshalb im gleichen Jahr Agostino Barelli (1626–1697, siehe Anmerkung 5) aus Bologna für den Bau. Dieser reist 1663 mit dem im Bauwesen höchst erfahrenen (maestro intendentissimo) Lorenzo Perti an, um sofort mit dem Bau zu beginnen.

[4] Als aus Como stammend wird im barocken Deutschland fast jeder Meister der Gegend um die oberitalienischen Seen bezeichnet.

[5] Aus Rovenna, Teil der heutigen Gemeinde Cernobbio, stammt auch der Vater von Agostino Barelli, Giovan Battista, Baumeister in Bologna. Sein Sohn Agostino wird am 26. Oktober 1626 in Bologna geboren und ist dort am 29. Januar 1697 gestorben. Quelle: Maria Felicia Nicoletti in ihrer Publikation (2012) über Agostino Barelli. Dies erklärt auch den Beizug von Lorenzo Perti.

[7] Siehe Abschreibungen im Werkverzeichnis.

[8] Der Abt von Tegernsee übernimmt vieles von Benediktbeuern, auch den Freskanten Hans Georg Asam. Zudem entstammt der Baumeister in Tegernsee, Antonio Riva, dem engsten Kreis um den Hofbaumeister Zuccalli, zu dem auch Perti gehört.

  Nicolò Perti (1656–1718)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  27. September 1656 Rovenna bei Cernobbio   Lombardei (I)  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Herzogtum Mailand   Como  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  1718 Unbekannt   Unbekannt  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Unbekannt   Unbekannt  
  Kurzbiografie        
 

Nicolò Perti, Stuckateur aus Rovenna über dem Comersee, ist seit 1692 Hofstuckateur am kurfürstlichen Hof in München. Er kann nicht Stuckateur der Theatinerkirche sein, wie dies in Publikationen nachzulesen ist. Ihr Innenraumstuck ist schon 1675 beendet. Erst zehn Jahre später, jetzt ist Perti 29-jährig, wird er erstmals erwähnt. Sieht man von Zuschreibungen in Benediktbeuern und Tegernsee ab, sind die Stuckaturen im Neubau des Klosters Fürstenfeld sein erster grosser Auftrag. Hier beginnt 1696 auch die Zusammenarbeit mit dem bedeutend jüngeren Pietro Francesco Appiani, die sich noch bis 1701 fortsetzt. Dann wird es ruhig um Perti, der sich im Gegensatz zu Appiani nicht mehr dem neuen französischen Laub- und Bandelwerkstuck öffnet und sich bis 1718 mit kleineren Aufträgen ausserhalb Kurbayerns durchschlägt.

    Perti1718  
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Die letzte Arbeit von Nicolò Perti sind die Deckenstuckaturen der Konventgebäude in der Reichsabtei Isny, die er 1718  erstellt. Aufnahme Bieri 2009.

Werke von Giovanni Nicolò Perti, soweit bekannt:

Jahr Arbeitsort, Bauwerk, Arbeit Bauherr (B) Baumeister (A) Maurermeister (M) Freskant (F)
1683–
1686
Benediktbeuern. Benediktinerabtei. Neubau Abteikirche und Kloster. Stuckaturen in der Kirche (und im Kapitelsaal?) durch Giovanni Prospero Brenni und Nicolò Perti. B: Abt OSB Plazidus Mayr.
A: Caspar Feichtmayr.
F: Georg Asam
1685–
1688
München. Neubau Theatinerkirche und -kloster. Stuckaturen am kurfürstlichen Oratorium und in der Heilig-Grab-Kapelle und der Kapelle oberhalb der Heiligen Stiege (beide 1820 abgebrochen). B: Kurfürstliches Hofbauamt.
A: Enrico Zuccalli.
M: Lorenzo Perti
1688
(um)
Lustheim (Schleissheim). Schlossneubau. Fassadenstuck. B: Kurfürstliches Hofbauamt.
A: Enrico Zuccalli
1688–
1690
Tegernsee. Benediktinerabtei. Neubau der Abteikirche. Zuschreibung der Stuckaturen, auch an Giovanni Prospero Brenni und an Giulio Zuccalli. B: Abt OSB Bernhard Wenzl, Tegernsee.
A: Antonio Riva.
F: Georg Asam.
1692–
1693
Augsburg. Hl.-Kreuz–Kapelle am Dom. (Abgebrochen 1863). Stuckaturen, Stuckmarmor-Altar. B: Domkapitular Johann Martin Miller.
1693 Aurolzmünster. Schlossneubau. Stuckaturen.
Akkord 250 Gulden.
B: Graf Franz Albrecht von der Wahl.
A: Antonio Riva.
1693 München. Residenz. Zweites und drittes Steinzimmer. Stuckaturen. B: Kurfürstliches Hofbauamt.
A: Enrico Zuccalli.
1694
(vor)
Eichstätt. Dom. Seitenkapellen? Stuckaturen. Mit Giovanni Prospero Brenni. B: Fürstbischof
Johann Eucharius Schenk von Castell.
A: Giacomo Angelini (Jakob Engel).
1695–
1698
Fürstenfeld. Zisterzienserabtei. Klosterneubau. Stuckaturen 1695/96 im Kurfürstensaal, ab 1696 mit Pietro Francesco Appiani und Francesco Marazzi. B. Abt OCist Balduin Helm.
A: Giovanni Antonio Viscardi.
F: Georg Asam
1698 Holzhausen. Pfarrkirche Hl. Kreuz. Barockisierung. Stuckaturen. Zuschreibung Dehio 1990 an Appiani und Perti.
Zuschreibung Dehio 2006 an Johann Schmuzer.
B: Abt OCist Balduin Helm, Fürstenfeld.
(Holzhausen ist eine Filialkirche von St. Vitus in Gilching und ist dem Kloster Fürstenfeld inkorporiert).
1700 Rebdorf bei Eichstätt. Augustiner-Chorherrenstift. Neubauten (Refektorium, Dormitorium, Bibliothek und Wirtschaftsbauten). Stuckaturen, mit Pietro Francesco Appiani. B: Propst des Augustiner-Chorherrenstiftes.
A: Giacomo Angelini (Jakob Engel).
1700-
1701
Neuburg an der Donau. Ursulinenkloster. Neubau Kloster und Klosterkirche. Stuckaturen.
Akkord 2188 Gulden, Zahlung 2204 Gulden.
B: Kurfürst Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, vertreten durch das Landschaftskommissariat..
A: Valerian Brenner.
1700–
1701
Helfenberg bei Langenfeld (Oberpfalz). Schlossneubau. Stuckaturen, mit Pietro Francesco Appiani. Akkord 3000 Gulden. B: Graf Ferdinand Lorenz Franz Xaver von Tilly.
A: Giovanni Antonio Viscardi.
F: Georg Asam.
1704–
1705
Niederachdorf (Niederbayern). Neubau der Wallfahrtskirche Hl. Blut. Stuckaturen. A: Johann Georg Endress.
1717–
1718
Kisslegg im Allgäu. Altes Schloss. Stuckaturen und Marmorierarbeiten, mit Antoni Frast aus Kisslegg.
Zahlung 175 Gulden.
B: Graf Johann Ernst II. von Waldburg-Trauchburg
A: Johann Georg Fischer.
1718 Isny. Benediktinerabtei. Konventgebäude. Stuckaturen im Gang des zweiten Obergeschosses, in der Tafelstube, den oberen Zimmern und den unteren Zellen. Akkord 200 Gulden. B: Abt OSB Alphons Torelli, Isny.
A: Unbekannt (Neubau 1657 von Michael Beer).

Abschreibungen:

Jahr Arbeitsort, Bauwerk, Arbeit Begründung
1665–
1667
München. Residenz. Stuckaturen in den
Päpstlichen Zimmer und in der Josephskapelle. Zuschreibung Dehio (2006).
Nicolò Perti wäre um diese Zeit noch Lehrling.
1672–
1674
München. Neubau Theatinerkirche.
Zuschreibung Dehio (2006): «Der schwere Stuck,  1674 von Niccolò Perti…»
Bei den im Stuckateurtrupp Brentano-Moretti tätigen Meister ist ein Antonio, aber kein Nicolò Perti aufgelistet.
1680–
1685
München. Residenz. Umbauten am Grottenhof (Alexander- und Sommerzimmer).
Zuschreibung in Residenzführer 1986.
Alle Arbeiten in diesen Räumen werden von Giovanni Prospero Brenni mit einem Gesellen, einem Lehrling und einem Tagwerker ausgeführt.