1738 malt Jacob Carl Stauder das Altarblatt des Hochaltars in St. Katharinenthal. Das Gemälde stellt die mystische Vermählung der hl. Katharina dar. Es ist das letzte erhaltene Gemälde Stauders aus seiner grossen Schaffenszeit und zeigt noch immer die grosse Virtuosität des Künstlers, der auch Entwerfer des Altars ist.

Jacob Carl Stauder (1694–1756)

«Carl Stauder Kunstmahler von Constantz»[1]

Jacob Carl Stauder wird am 17. Oktober 1694 in Oberwil als Sohn des Malers Franz Carl Stauder und der Esther Almain-Kündig getauft. Mit der schon verheirateten Zürcherin lebt sein Vater 1693 bis 1702 in Bigamie. Dieser ist 1690 als Deserteur aus Konstanz in das im Fürstbistum Basel gelegene Dorf geflüchtet. 1701 zieht er mit Sohn Jacob Carl (dieser hat sich nie «Karl» genannt!) und seiner neuen Ehefrau in die eidgenössische Stadt Solothurn, die noch im Bistum Basel liegt. Jacob Carls älterer Stiefbruder Franz Leopold (geb. 1686) ist nicht mehr dabei. Er hat sich nach dem Tod seiner Mutter, erst sieben Jahre alt, «unwüssenderdingen hinweckh begeben und davon gemacht» da er von der neuen Stiefmutter Esther geb. Kündig «hart traktiert» wird. Diese kehrt 1702, Sohn Jacob Carl ist jetzt acht Jahre alt, zu ihrem ersten Ehemann zurück, und bereits 1703 heiratet Vater Franz Carl zum dritten Mal, diesmal eine 21-jährige Solothurnerin. Zu ihr hat Franz Carl eine gute Beziehung und schreibt über sie später sogar von «meiner muoter». Diese Kindheit mag auch die eigenwillige, unstete und wenig aufnahmebereite Art des späteren Künstlers erklären.
Über seine Ausbildungszeit ist wenig bekannt. Er macht beim Vater die Lehre, der 1702 bis 1713 für die Abtei Salem tätig ist. Der Abt Stephan I. Jung fördert den jungen Stauder und bezahlt ihm wahrscheinlich auch einen Ausbildungsaufenthalt in Augsburg. Sein erstes nachweisbares Gemälde ist ein Reiterbildnis Kaiser Karls VI. im Kaisersaal der Zisterzienserabtei Salem, das er im Frühsommer 1714 malt. Im gleichen Jahr stirbt sein Vater. Jacob Carl Stauder hat sich in der Lehrzeit auch bei den anderen kirchlichen Auftraggebern seines Vaters gut eingeführt und kann alle laufenden Arbeiten weiterführen. Das nun bekannte Frühwerk bis 1718 zeichnet sich noch nicht durch grosse Eigenständigkeit aus und ist noch stark von der Kompositions- und Malweise der Vorgängergeneration geprägt. 1716 lässt sich Stauder in Konstanz nieder und heiratet Maria Francisca Bettle (ca. 1690–1763), die Tochter eines angesehenen Konstanzer Goldschmieds. Der Ehe entstammen neun Kinder.
In der wirtschaftlich heruntergekommenen Stadt findet er zwar keine Auftraggeber. Für die Arbeiten in den wohlhabenden Abteien des Bodenseegebietes ist aber die zentrale Lage von Konstanz ideal. Geschäftstüchtig knüpft er hier ein Netz von Verbindungen, aufbauend auf die Auftraggeber seines Vaters. Er wird vom gesuchten Vorarlberger Baumeister Franz Beer II und den Wessobrunner Stuckateuren Schmuzer, mit denen schon Vater Franz Carl zusammengearbeitet hat, gefördert und wächst nebst der Altar- und Portraitmalerei in die kirchliche Monumentalmalerei hinein. Ab 1719 entstehen unter Mitarbeit seiner Werkstatt, beginnend mit den Deckengemälden in den Kirchen Franz Beers II von Münsterlingen und Weissenau, unzählige scheinarchitektonische Deckenbilder nach den Traktaten des Andrea Pozzo. Dabei entwickelt Stauder eine spezielle Ölfarben-Technik, die auf einer Mischung aus Ölfarben und Tempera beruht. Da diese «al secco»-Malerei im Gegensatz zur Malerei des «Fresco buono» nicht an das schnelle Tagewerk[2] auf feuchten Verputz gebunden ist, erlaubt sie ein Arbeiten wie in der Werkstatt. Der geschäftstüchtige Stauder vermarktet diese problematische, weil schlecht alternde Malweise als Novität und hat damit grossen Erfolg. Sein Ansehen trägt ihm den Titel des fürstbischöflichen Hofmalers und die Wahl in den grossen Rat der Stadt Konstanz ein.
In den 1720er-Jahren steht Stauder auf der Höhe seines künstlerischen Werdegangs. Unübersehbar ist jetzt der Gewinn an Lockerheit in der Disposition der Figurengruppen. Ein hellerer Kolorit und eine leichthändige, freie Pinselführung zeichnen nun seine Werke aus. Bezeichnend dafür ist das Hochaltarbild in Rheinau (1723) oder das Deckenbild über dem südlichen Treppenhaus beim Kaisersaal in Ottobeuren (1725).
Aber jetzt verpasst Stauder den Anschluss an die Entwicklung hin zum Rokoko, obwohl er in Ottobeuren noch mit einer illustren Künstlergesellschaft zusammengearbeitet hat, von denen etwa der Venezianer Jacopo Amigoni oder der Wangener Franz Josef Spiegler in ihren Arbeiten bereits die nächste Periode vorwegnehmen. Mit dem Tod von Franz Beer II (1726) reisst zudem die Folge lukrativer Grossaufträge ab. Die vom grossen Vorarlberger geprägte strikte Trennung der Malerei von der Architektur ist nun überholt. Franz Beer II hätte in seinen Kirchen einen Cosmas Damian Asam nie geduldet, der malerische Illusionismus sollte sich bei ihm auf das applizierte Gemälde beschränken. Diesen Einstellungen hat sich Jacob Carl Stauder gefügt und weicht auch bei seinem nächsten grossen Werk, der Klosterkirche St. Katharinenthal (1733–34), nicht davon ab. Trotzdem sind es noch immer Meisterwerke mit einer zupackenden Erzählfreude und von grosser plastischer Kraft.
Stauder verschliesst sich in dieser Zeit nicht nur der neuen Richtung in der Malerei: Viel tragischer ist seine Entfremdung von Familie und Bürgerstadt. Als unsteter, wenig charakterfester und dauernd abwesender Familienvater kommt er seinen Pflichten nicht nach. Der Rat von Konstanz vermerkt, dass er «Eheconsortin und Kündt»[3] in «sich allgemach eysserdem nothstandt» sitzen gelassen hat. Um 1740 wird Stauder aus dem Konstanzer Rat ausgeschlossen. Er hat sich jetzt auch von der Familie getrennt und lebt in St. Blasien.
Hier baut der Sohn von Franz Beer, Johann Michael Beer II von Bleichten eine neue Klosteranlage und zieht für die Ausstattung Jacob Carl Stauder zu. Es ist sein letzter Grossauftrag. Er wohnt und arbeitet in St. Blasien bis 1744. Hier duldet er die Konkurrenz des fast gleichaltrigen Riedlinger Protagonisten Franz Joseph Spiegler nicht und verlässt St. Blasien.[4] Von den Arbeiten in den neuen Stiftsgebäuden ist nichts mehr erhalten, sie fallen dem Grossbrand von 1768 zum Opfer.
Stauder zieht sich jetzt wieder in die Schweiz zurück. Er wohnt vorerst in Beromünster, dann in Luzern. Von hier aus entfaltet er nochmals eine produktive Tätigkeit als verspäteter Barockmaler für Kapellen und einfache Landkirchen. Sein letztes Werk ist ein 1755 entstandenes Leinwand-Deckengemälde für die Wallfahrtskapelle St. Jost in Blatten.
Jacob Carl Stauder stirbt im Alter von 61 Jahren am 9. Februar 1756 in Luzern. Seine Hinterlassenschaft reicht nicht aus, um die Schulden zu begleichen.

Pius Bieri 2008

Benutzte Literatur:
Onken, Thomas: Jacob Carl Stauder, Sigmaringen 1972.
Onken, Thomas: Zu den Altarbildern der Klosterkirche Rheinau, in: Die Klosterkirche Rheinau, Zürich 1997.
Brinkmöller-Gandlau, Harriet: Stauder, Jakob Karl, in: Biografisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (Bautz), Band X,  Herzberg 1995.

Anmerkungen:

[1] In Tagebuch Abt Rupert II. von Ottobeuren.

[2] Das Tagewerk des «fresco buono» umfasst die Fläche des frischen Feinputzes, in welche innerhalb eines Arbeitstages vorgezeichnet und mit kalkverträglichen und wasserlöslichen Farben bemalt werden kann.

[3] Vermutlich sterben sieben der neun Kinder im frühen Kindesalter, eine 1724 geborene Tochter ist geistesgestört und stirbt 1755 im Asyl. Sie dürfte mit dem «Kündt» gemeint sein. Die Ehefrau stirbt 1763 armengenössig im Asyl.

[4] Grund für die Abreise könnte auch die bedeutend schlechtere Bezahlung gewesen sein: So erhält Stauder für das Deckengemälde über der Hofstiege 50 Gulden, während Spiegler für seine Arbeit im Hofsaal und in der Bibliothek 1000 Gulden bekommt.

Werkverzeichnis (Auswahl)

Vollständige Werkliste in Onken, Thomas: Jacob Carl Stauder, Sigmaringen 1972.

Decken und Wandbilder:

1718/19 Münsterlingen (CH), Benediktinerinnen-Klosterkirche, (Deckenbilder im dritten Langhausjoch, in der Hauptkuppel und in der Flachkuppel, als Scheinkuppel nach Pozzo).
1719/20 Weissenau (D), Prämonstratenser-Abteikirche, (Deckenbilder in Flachkuppel der Vierung, im dritten Langhausjoch, im Mitteljoch und im Joch vor dem Chor).
1720/21 Donauwörth (D), Benediktiner-Abteikirche, (Deckenbilder in fünf Jochen, in der Kuppel, sowie 39 Deckenbilder über und unter allen Emporen. Das Kuppelbild ist zerstört und 1941 durch ein neues Bild ersetzt worden).
1720/21 Wessobrunn (D), Benediktiner-Abtei, (Sechs Deckenbilder, heute zerstört).
1721 Ottobeuren (D), Benediktiner-Abtei, (Deckenbild und Kartuschenbilder im Speise-«Salettl»).
1721/22 Pielenhofen (D), Zisterzienserinnen-Klosterkirche, (18 Deckenbilder).
1722 Münsterlingen (CH), Benediktinerinnen-Klosterkirche, (Deckenbilder im ersten und zweiten Langhausjoch sowie Rundbild im Altarhaus).
1722/23 Weissenau (D), Prämonstratenser-Abteikirche, (weitere 2 grosse und 12 kleinere Deckenbilder).
1723/25 Ottobeuren (D), Benediktinerabtei, (Deckenbilder und Nebenbilder in drei Treppenhäusern, im Vorraum zum Kaisersaal, und Deckenbilder im Kaisersaal).
1737 St. Katharinenthal (CH), Dominikanerinnen-Kloster, 1733 (Deckenbilder im Nonnenoratoruim, heute evangelischer Betsaal); 1734/35 (15 Decken- und Wandbilder in der Klosterkirche); (Deckenbild in der Einsiedlerkapelle).
1740 Kirchhofen i.Br. (D), Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt, (4 Deckenbilder und 14 Kartuschenbilder).
1740/44 St. Blasien (D), Benediktiner-Fürstabtei, (6 Deckenbilder, 1768 zerstört).
1751 Luzern (CH), Jesuitenkirche, Aloysiuskapelle, (4 Szenen an Decke und Wand).
1753 Hasle (CH), Wallfahrtskirche Heiligkreuz, (Deckengemälde Öl auf Leinwand).
1755 Blatten (CH), Wallfahrtskirche St. Jost, (Deckengemälde, Öl auf Leinwand).


Grössere, noch vorhandene Altarblätter:

1717 Bühl (D), Pfarrkirche St. Notburga und Mariä Himmelfahrt, (Hl. Notburga, 200 x 305 cm).
1717 Unbekannter ursprünglicher Ort, heute Freiburg i. Br. (D), Pfarrkirche Maria Hilf (Mariä Himmelfahrt, 218 x 370 cm).
1717 Fischingen (CH), Benediktiner-Abteikirche, Iddakapelle, (Die hl. Idda wird von ihrem Gatten wiedergefunden, 214 x 361 cm).
1717 St. Urban (CH), Zisterzienser-Abteikirche, (Kreuzigung Christi, 280 x 430 cm).
1721 Moorenweis (D), Pfarrkirche, (Christus und Maria erscheinen dem hl. Sixtus, 203 x 356 cm).
1723 Rheinau (CH), Benediktiner-Abteikirche, (Mariä Himmelfahrt, 360 x 690 cm).
1726 Lützel, Zisterzienser-Abteikirche, zwei Altarblätter (Martyrium der hl. Agatha und Tod des hl. Joseph), heute in der Kirche Saint-Laurent von Winkel (Haut-Rhin F).
1735 Konstanz (D), Chorstift St. Johann, heute Murg bei Säckingen (D), Pfarrkirche St. Magnus (Taufe Christi, 200 x 360 cm).
1735 St. Katharinenthal (CH), Dominikanerinnen-Kloster, Klosterkirche, (Rosenkranzspende, 255 x 600 cm ; Maria und die hll. Dominikus und Franziskus als Fürbitter, 255 x 600 cm); Nonnenoratorium, (Abschied Jesu von Maria, 255 x 600 cm).
1737 St. Katharinenthal (CH), Dominikanerinnen-Kloster, Einsiedler-Kapelle, (Engelweihe, 400 x 520 cm ; Ermordung des hl. Meinrad, 310 x 330 cm; Tempelgang Mariä, 310 x 330 cm); Nonnenoratorium, 1737 (Anbetung der Könige, 255 x 600 cm).
1738 St. Katharinenthal (CH), Dominikanerinnen-Kloster, Klosterkirche (Hochaltar und Altarblatt der mystischen Vermählung der hl. Katharina, 192 x 213 cm).

 

  Jacob Carl Stauder (1694–1756)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  17. Oktober 1694 Oberwil     Basel-Land CH  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Fürstbistum Basel     Basel  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  9. Februar 1756 Luzern     Luzern CH  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Eidgenössischer Stand Luzern     Konstanz  
  Kurzbiografie        
 

Ausgebildet von seinem Vater und von diesem bei den grossen Bodenseeabteien eingeführt, wird Franz Carl Stauder von Baumeister Franz Beer II stark gefördert und bei den meisten Kirchen- und Klosterbauten des Vorarlbergers beigezogen. Auf Putzgrund malt er im Gegensatz zu den grossen Kontrahenten der Zeit nicht Nass in Nass «al fresco», sondern in Tempera und Öl «al secco». In den 1720er Jahren erreicht er seinen künstlerischen und unternehmerischen Höhepunkt. Um 1740 hat sich sein spätbarockes, körperbetontes Formenvokabular überholt. Der jahrzehntelang verwöhnte Maler kann  sich mit seiner Rückstufung gegenüber den Konkurrenten nicht abfinden. Er verlässt die Familie und die Stadt Konstanz unter unschönen Umständen und zieht sich in die Innerschweiz zurück.

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