Joseph Wannenmacher (1722–1780)

Schwäbischer Kirchenmaler in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts

Sein Leben und sein Wirken
Joseph Wannenmacher wird am 16. September 1722 als Sohn des Hafners Johann Georg (1664–1740) und seiner dritten Ehefrau Barbara Schmid (1683–1767) in Tomerdingen geboren. Er ist Erstgeborener dieser dritten Ehe und bis zur Geburt seines Bruders Johann Georg (geb. 1724) einziges Kind, da die sieben Kinder aus der ersten Ehe schon verstorben sind und die zweite Ehe kinderlos geblieben ist. Der Geburtsort Tomerdingen bleibt Lebensmittelpunkt von Joseph Wannenmacher. Der Marktort mit damals um die 600 Einwohner, zwei Wegstunden nordwestlich von Ulm, liegt im Herrschaftsbereich der drei Wegstunden entfernten Abtei Elchingen und ist katholische Enklave zwischen dem Herzogtum Württemberg und dem Gebiet der Reichsstadt Ulm. Die Taufpatin Wannenmachers ist Schwester des elchingischen Oberpflegers. Vielleicht vermittelt sie ihrem Patenkind nach den ersten Schuljahren in Tomerdingen die weiterführende Lateinschule in der Benediktiner-Reichsabtei Elchingen, denn Wannenmacher zeigt später gute Lateinkenntnisse. Als Lehrmeister Wannenmachers wird der Maler Anton Enderle (1700–1761) in Günzburg vermutet, der unter Johann Baptist Zimmermann in Steinhausen gearbeitet hat und dem dann Dominikus Zimmermann die Deckengemälde in der Frauenkirche Günzburg vermittelt. 1741, mit 19 Jahren, malt Wannenmacher das erste bekannte signierte Gemälde, die Verzückung der heiligen Teresa. Es ist vielleicht sein Gesellenstück. Über seine Gesellenjahre tappt man wieder im Dunkeln. Vor seinen Erstlingswerken in der Pfarrkirche von Strass (1747–1748) und in der Stiftskirche Elchingen (1748-1751) ist ein Romaufenthalt sicher, denn er nennt sich später «Accademico Romano pittore».[1] Die Finanzierung dieses Romaufenthaltes durch den Elchinger Abt Amandus Schindele[2] ist wahrscheinlich, denn die meisten frühen Aufträge Wannenmachers entstammen dem Umfeld der Reichsabtei. 1753 heiratet er Anna Eva Lutz (1726–1814) aus dem bambergischen Eltmann. Zwischen 1754 und 1768 werden neun Kinder geboren, von denen vier das Erwachsenenalter allerdings nicht erreichen. Wannenmacher kann noch im Jahr der Heirat ein Haus und die Meistergerechtigkeit in Tomerdingen erwerben. Für Aufträge ist er von der Reichsabtei Elchingen und deren Referenzen abhängig. Wannenmacher malt Tafelbilder, Altarblätter, hauptsächlich aber Wand- und Deckengemälde entsprechend dem gewünschten ikonographischen, immer aber religiösem Programm. Seine Deckengemälde sind vorwiegend in dunklen Erdtönen gehalten und, meist unter Verzicht auf jede Scheinarchitektur, von ausdruckstarken Heiligen bevölkert. Sie wirken trotz der guten Tiefenwirkung wie an die Decke gemalte Leinwandgemälde. Die überzeugende Kraft des Kolorits der leichten und duftigen Rokokofresken seiner wichtigsten süddeutschen Konkurrenten fehlt ihnen. Mit Johann und Januarius Zick, mit denen er vielleicht in Elchingen 1749 sogar zusammenarbeitet, oder mit Johann Baptist Enderle, dem Neffen seines Lehrmeisters, kann er sich nicht messen, ganz zu schweigen von den Schülern des Augsburgers Johann Georg Bergmüller, wie der für Salem arbeitende Gottfried Bernhard Göz oder der im nahen Weissenhorn tätige Franz Martin Kuen. Allerdings sind seine Honoraransprüche auch bedeutend bescheidener. Seinen grössten Auftrag, die Ausmalung der Stiftskirche und der Bibliothek der Benediktinerabtei St. Gallen, hat Wannenmacher aber ausschliesslich den guten Referenzen seiner Arbeiten für Elchingen zu verdanken. Der Fürstabt von St. Gallen, Coelestin II. Gugger von Staudach (1701–1767), regiert zur gleichen Zeit wie der Elchinger Abt Amandus Schindele. Er beauftragt 1757 den Freiburger Künstler und Unternehmer Christian Wenzinger (1710–1797) für die Innenausstattung im Kirchenschiff seines Stiftskirchenneubaus in St. Gallen. Ob der Hinweis auf Wannenmacher vom Fürstabt stammt oder ob Wenzinger Wannenmacher bereits kennt, ist unklar, jedenfalls stellt ihn Wenzinger 1758–1760 für die Ausführung ein. Für die Deckengemälde des Chors, die 1764–1766 erstellt werden, erhält Wannenmacher von Fürstabt Coelestin dann den Direktauftrag für die Summe von 4800 Gulden, was dem Gegenwert von 50 Jahreseinkommen eines Gesellen darstellt. Weitere 2700 Gulden werden ihm für die Deckengemälde der Stiftsbibliothek bezahlt. Der grosse Auftrag in St. Gallen reicht zur Bezahlung angehäufter Schulden und zum Bau eines neuen Wohnhauses. 1767 kann er Leinwandbilder in die auf Ulmer Gebiet liegende evangelische  Pfarrkirche der Nachbargemeinde Scharenstetten liefern.[3] Dann folgt eine Zeit ohne grössere Arbeiten. Die Schulden häufen sich wieder. Erst 1773 findet er im Benediktinerkloster Mönchsdeggingen im Ries und 1776 in Schwäbisch Gmünd Arbeit. Hier hat er schon 1752 für die Franziskaner gearbeitet und kann  jetzt den Gemäldezyklus der Friedhofskapelle erstellen.[4] Die Bilder dieser Arbeiten sind von deutlich hellerem Kolorit, die rauchigen Wolken von St. Gallen weichen einem warmen Himmel in Gelb- und Rotocker. Sein letztes erhaltenes Werk sind die 1778–1779 gemalten Deckengemälde in der Pfarrkirche von Donzdorf.
Am 6. Dezember 1780 stirbt Joseph Wannenmacher im Alter von 58 Jahren in Tomerdingen.

Die Maltechnik Wannenmachers am Beispiel St. Gallen

Wannenmacher malt keine Fresken im Sinne einer Malerei mit kalkechten Pigmenten auf frischen Kalkputz, wie sie seine zeitgenössischen Konkurrenten anwenden. Diese malen auf frischen Putz «al fresco», mit Vollendungen «al secco», und gehen dabei beim Farbauftrag vom Hellen ins Dunkle. Mit der Freskotechnik könnte aber Wannenmacher seinen dunklen Rembrandt-Kolorit gar nicht erreichen. Er trägt deshalb auf den geglätteten Putz ähnlich der Leinwandtechnik eine Rotocker-Leimgrundierung auf und malt mit einer knapp wasserlöslichen Emulsion aus Ei und Öl vom Dunklen ins Helle. Damit erreicht er die Wirkung eines monumentalen Ölgemäldes.[5] Ein Vergleich der Kuppel von St. Gallen mit der wenige Jahre später gemalten Kuppel von Neresheim zeigt den Unterschied zwischen der reinen Secco-Technik Wannenmachers und der Fresko-Technik deutlich[6].

Pius Bieri 2011

Literatur:
Reistle, Michel: Joseph Wannenmacher, St. Ottilien 1990.

Links:
http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4030048

Anmerkungen:

[1] Nach Nicole Beyer (Sikart 1998) findet dieser Aufenthalt 1741–1744 in der Accademia di San Luca statt. Die gleiche Autorin meldet auch einen Gesellenaufenthalt 1747 bei Johann Zick.

[2] Amandus Schindele, geboren 1680 in Kempten, Profess in Elchingen 1697, Abt 1740–1763, gestorben 1764.

[3] 1786 schreibt Johann Herkules Haid (in: Ulm mit seinem Gebiete), dass die Kirche vor wenigen Jahren vom Tomerdinger Maler Joseph Wannenmacher mit schönen Bildern bemalt worden sei, so dass sie das Ansehen einer katholischen Kirche habe.

[4] Die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd liegt wie die Abtei Elchingen im Bistum Augsburg und ist katholisch, dies im Gegensatz zu den nahen Reichsstädten Ulm oder Aalen.

[5] Da diese «al secco»-Malerei im Gegensatz zur Malerei des «Fresco buono» nicht an das schnelle Tagewerk auf feuchten Verputz gebunden ist, erlaubt sie ein Arbeiten wie in der Werkstatt. Schon der geschäftstüchtige Konstanzer Maler Jacob Carl Stauder (1694–1756) vermarktet diese problematische, weil schlecht alternde Malweise als Novität und hat damit grossen Erfolg. Eine Verbindung Wannemachers zu Stauder könnte über dessen Schüler Johann Zick möglich sein. Zu den Maltechniken des Barock siehe Manfred Koller, in: Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken, Band 2, Stuttgart 1990.

[6] Der Bauabt von Neresheim, Vetter des ab 1767 in St. Gallen regierenden Fürstabtes, unternimmt für die Wahl des Malers eine Besichtigungsreise bis nach Ettal, wo Martin Knoller soeben die Chorfresken erstellt. Er beauftragt ihn 1769 für Neresheim, obwohl er die St. Galler Arbeit Wannenmachers gut kennen muss. Die schon damals allgemein als zu dunkel betrachteten Deckengemälde in St. Gallen werden 1819–1821 mit Ölfarben in völlig anderer Thematik heller übermalt. Erst 1963 wird die Malerei Wannenmachers mit grossen Verlusten wieder freigelegt und in recht grosszügiger Art und teilweise auch zu schöpferisch restauriert.

Joseph Wannenmacher
Werkliste ortsbezogener Ausstattungen:

Jahr Arbeitsort und Auftraggeber Werk  Zustand
1747 Strass. Pfarrkirche St. Johannes der Täufer und St. Johannes Evangelist. Auftrag Abt Amadeus Schindele, Reichsabtei Elchingen. Mehrere Deckengemälde im Schiff, Chor und in der Sakristei. Bilder der Emporenbrüstung. Seitenaltarblätter. Akkord (ohne Altäre) 240 Gulden. Erhalten. Restauriert 1888 und 1963.
1748–
1751
Elchingen, Benediktiner-Reichsabtei. Stiftskirche St. Peter und Paul. Auftrag Abt Amadeus Schindele. Mehrere Deckengemälde im Hauptschiff und in den Seitenschiffen. Decken- und Wandgemälde im Chor. Akkordsumme 1000 Gulden. Nicht erhalten. Nach Brand 1773 erhält Januarius Zick 1782 den Auftrag.
1751–
1752
Thalfingen. Pfarrkirche St. Laurentius.  Auftrag Abt Amadeus Schindele, Reichsabtei Elchingen. Mehrere Deckengemälde im Schiff, Chor und in der Sakristei. Bilder an Emporenbrüstung und Kanzelaufgang. Akkordsumme 250 Gulden. Erhalten. Restauriert 1903, 1958 und 1990.
1752–
1753
Schwäbisch Gmünd. Klosterkirche der Franziskaner. Auftrag Florian Geiger, Guardian. Vermittlung über Stuckateure Ulrich und Johann Jakob Schweizer, Deggingen. Mehrere Deckengemälde im Schiff und Chor. Medaillons an den Wänden. Bilder an Emporenbrüstung. Akkordsumme 300 Gulden. Erhalten. Restauriert 1910, 1933, 1956 und 1991.
1753 Schwäbisch Gmünd. Katharinenkapelle, «Kathreinerle» Decken- und Wandgemälde im Chor und Schiff. Werklohn 67 Gulden. Erhalten. Renoviert nach 1995.
1753 Schwäbisch Gmünd. Haus Münsterplatz 19. Auftrag Michael König, Bürgermeister 1769–1783. Mehrere Deckengemälde, als Folgeauftrag. Sie sind weder im «Dehio» noch in der Stadt bekannt. Unbekannt.
1753 Schwäbisch Gmünd. Häuser Marktplatz 20 und 25. Privataufträge von Handelsleuten. Marktplatz 20: Giebelbild (Michael mit dem Drachen).
Marktplatz 25: Fassadenmalerei.
Zerstört.
1754 Deggingen. Wallfahrtskirche Ave Maria. Auftragsvermittlung über Stuckateure Ulrich und Johann Jakob Schweizer, Deggingen. Deckengemälde in Schiff und Chor. Sinnbilder an der Decke und Apostelzyklus an den Chorwänden. Stationenbilder. Erhalten, mit Ausnahme der Stationenbilder , Restauriert 1976.
1755 Rottweil. Dominikanerkirche. Auftrag Prior Hermenegild Linsenmann. Deckengemälde in Schiff, Chor und in den Seitenkapellen. Akkord 1754 mit Anton Morath (420 Gulden). Erhalten. Restauriert 1925 und 1974.
1757–
1760
St. Gallen. Benediktiner-Fürstabtei. Stiftskirche. Auftrag als Generalakkord an Johann Christian Wenzinger, Freiburg. Deckengemälde im Schiff und Kuppelgemälde. Nach Entwürfen Wenzingers. Erhalten. Freilegung 1963–1967. Restaurierung 2003.
1762–
1763
St. Gallen. Benediktiner-Fürstabtei. Stiftsbibliothek. Folgeauftrag durch Fürstabt Coelestin II. Gugger von Staudach. Deckengemälde und zwei Äbtebildnisse.
Akkordsumme  2700 Gulden.
Erhalten. Restaurierungen 1869, 1934, 2003.
1764–
1766
St. Gallen. Benediktiner-Fürstabtei. Stiftskirche. Folgeauftrag durch  Fürstabt Coelestin II. Gugger von Staudach. Deckengemälde im Chor. Akkordsumme 4800 Gulden. Erhalten. Freilegung 1963–1967. Restaurierung 2003.
1764 St. Gallen. Benediktiner-Fürstabtei. Schutzengelkapelle. Folgeauftrag durch Fürstabt Coelestin II. Gugger von Staudach. Deckengemälde in der Kuppel des Zentralbaus, vermutlich von Johann Michael Beer von Bildstein 1764 erbaut. 1807 durch Abbruch zerstört.
1767 Scharenstetten. Evangelische Kirche St. Nikolaus. Auftrag Pfarrer Georg Philipp Kerler. 18 Gemälde eines Apostelzyklus, sowie Abendmahl, St. Laurentius, Kreuzigungs- und Mosesdarstellung. Erhalten, aber 1958 umgehängt.
1773 Mönchsdeggingen im Ries. Benediktinerabtei. Kirche und Konventräume. Auftrag Abt Anselm Molitor. Deckenbilder in den Seitenschiffen der Kirche (Nordflügel zerstört).
Deckenbilder in Refektorium und Bibliothek (1844 abgebrochen).
Von 14 Bildern in den Seitenschiffen sind nur noch sechs erhalten.
1774 Elchingen, Benediktiner-Reichsabtei. Sakristei. Auftrag durch Abt Robert I. Koch Deckengemälde und Wandbild in Nische. Thesenbild. Erhalten.
1776 Schwäbisch Gmünd. Friedhofkapelle St. Leonhard. Auftrag der städtischen Leonhardspflege. Deckengemälde /Fresko in Schiff und Chor. Wandfresken. Embleme. Akkordsumme 750 Gulden. Hochaltarblatt (225 Gulden). Erhalten. 1907 und 1999 restauriert.
1778–
1779
Donzdorf (Herrschaft Rechberg) bei Göppingen. Pfarrkirche St. Martin. Auftrag des Reichsfreiherren Max Emanuel von Rechberg (1736–1819). Deckengemälde im Chor und im Schiff. Der Entwurf ist vermutlich von Augustin-Joseph Demel (1724–1789). Werklohn 458 Gulden. Erhalten. Restaurierungen  1939, 1962, 1987.
  Joseph Wannenmacher (1722–1780)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum (Taufe) Geburtsort     Land  
  16. September 1722 Tomerdingen     Baden-Württemberg D  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Reichsabtei Elchingen     Konstanz  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  6. Dezember 1780 Tomerdingen     Baden-Württemberg D  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Reichsabtei Elchingen     Konstanz  
  Kurzbiografie        
  Joseph Wannenmacher aus Tomerdingen nennt sich selbst «Accademico Romano Pittore». Den Romaufenthalt 1741–1744 hat er seinem Förderer, dem Elchinger Reichsprälaten Amadeus Schindele zu verdanken. Abt Schindele ist anschliessend Hauptauftraggeber. Bei der Freskierung der Stiftskirche Elchingen ist auch Johann Zick beteiligt. Mit Zick und weiteren zeitgenössischen süddeutschen Malern darf Wannenmacher nicht gemessen werden, denn diese bringen dank der reinen Freskomalerei Licht und Kolorit in die Deckengemälde. Er aber malt mit aschigen Erdfarben in Seccotechnik. Vielleicht gerade wegen dieser Andersartigkeit ist er trotzdem gesuchter Maler. 1758–1761 erstellt er in St. Gallen einen der grössten Deckengemäldezyklen der Zeit.     Wannenmacher  
  bio pdf werkliste     legende  
Der hl. Gallus empfiehlt das Kloster St. Gallen dem Schutz der Gottesmutter. Das Deckenbild im Schiffsjoch gegen die Kuppel malt Joseph Wannenmacher um 1759. Es ist wie alle Deckengemälde seines St. Galler Hauptwerkes in dunklen Erdtönen gemalt. Wannenmacher malt nicht «al fresco» auf den frischen Putz, sondern bevorzugt Secco-Aufträge, was dann die düsteren Farben erlaubt.