Meister des Konviktneubaus 1603–1621 | |||||||
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Name | Herkunft | Text | Tätigkeit | von | bis | ||
Hans Alberthal (um 1575–1648) | Roveredo Misox | Baumeister-Architekt | 1603 | 1621 |
Ehemaliges Konvikt St. Hieronymus und ehemaliges Jesuitenkolleg
Neubau 1603–1621
Nach dem Neubau des Jesuitenkollegiums 1568 befinden sich in engster Nachbarschaft zwei Kollegien, nämlich dasjenige der Jesuiten (collegium S.J.) und das Kollegium zum hl. Hieronymus (collegium S. Hieronymi), welches den Studierenden an der Universität dient. Es wird von den Jesuiten geleitet und erhält seiner dem Klosterleben ähnlichen Funktion später den Namen Konvikt. Dieses Konvikt St. Hieronymus wird ab 1603 neu gebaut. Planender und ausführender Baumeister ist Hans Alberthal. Er erstellt anstelle der bisherigen Einzelbauten, im Osten an das Jesuitenkolleg angrenzend, eine dreigeschossige Zweiflügelanlage. Sie kann 1605 bezogen werden. Im siebenachsigen Nordflügel, dem «Domus religiosorum» oder Religiosenbau, wohnen die studierenden Kleriker, meist Ordensleute. Im elfachsigen Ostflügel, dem «Domus saecularium minorum» oder Alumnenbau, wohnen die weltlichen Studenten. Schlafräume für die rund 300 Studenten befinden sich ursprünglich auch im Dachstock, in den beiden oberen Geschosse sind geheizte Studierräume, Krankenräume und weitere Schlafräume untergebracht, im breiten Erdgeschoss des Nordflügels liegt die grosse Hauskapelle zum Hl. Kreuz.[1] Alberthal orientiert sich, vor allem bei den Innenhoffassaden mit ihren Bogenstellungen und toskanischen Pilaster, an römischen Bauwerken, führt aber die Loggien des Nordflügels mit Korbbogen aus.[2]
1619–1621 baut Alberthal auch den vom Ostflügel abgesetzten Südflügel, der als «Domus saecularium maiorum» für die weltlichen adeligen Studenten gebaut wird. Dieser ebenfalls dreigeschossige Bau mit 47 Metern Länge grenzt mit der Südfassade an die Herrengasse.[3] Im Erdgeschoss liegt das «Triclinium», der Speisesaal des Konvikts. Regens und Subregens des Konvikts beziehen im Obergeschoss Räume, weshalb er auch Regentiebau genannt wird. Die Fassaden sind mit profilierten Geschossgesimsen horizontal gegliedert. Der dreigeschossige Runderker über der westlichen Gebäudeecke und die steile, nochmals mit zwei Geschossbändern getrennte Giebelfassade sind noch Reminiszenzen der deutschen Renaissance.
Zerstörungen im 19. und 20. Jahrhundert
Die 1803 erfolgten Einverleibung Dillingens in das Kurfürstentum Bayern bedeutet das Ende der Universität und des Konvikts. In die Gebäude wird das Priesterseminar des Bistums Augsburg verlegt und das Seminar in Pfaffenhausen geschlossen. Den Bauten des ehemaligen Konvikts von Baumeister Hans Alberthal bringen diese Änderungen kein Glück. 1909–1910 wird die vorzügliche Gebäudeanlage zugunsten eines neuen Seminargebäudes abgebrochen, dessen Nordfront in kaum mehr zu überbietender neubarocker Monumentalität heute die Altstadtgrenze bildet.[4] Schöne neubarocke Innenräume trösten wenig über den folgenreichen Eingriff im Stadtgefüge. Nur der Regentiebau bleibt, innen vollständig ausgekernt und modernisiert, noch in der Aussenhülle erhalten.
Gründung des Kollegs 1564
Der Augsburger Fürstbischof und Kardinal Otto Truchsess von Waldburg[5] eröffnet 1549 in Dillingen die «Hohe Schule», die 1551 vom Kaiser zur Universität erhoben wird. 1563 gelingt es dem Fürstbischof, die Jesuiten zur Leitung der Universität und zur Eröffnung eines Kollegs zu gewinnen. 1564 wird in Dillingen die dritte Ordensniederlassung der Oberdeutschen Ordensprovinz eröffnet.[6] Den Jesuiten wird dabei in einem feierlichen Akt das Universitätsgebäude und der dazugehörende Konviktbau, das«Collegium S. Hieronymi» übertragen.
Erster Kollegbau 1565–1568
Für das Kollegium der Jesuiten, dem «Collegium S. J.», legt der Fürstbischof am 11. August 1565 selbst den Grundstein. Dieser erste Kollegbau ist durch einen erst nach Mitte des 18. Jahrhunderts entstandenen Stich überliefert, der den Zustand zwischen 1689 und 1732 festhält.[7] Er zeigt eine dreigeschossige Vierflügelanlage mit grossem Innenhof an gleicher Lage wie der heute noch bestehende Neubau von 1713–1738. Die Gassenfassade ist mit Geschossbändern gegliedert, ähnlich der Fassade am Regentiebau des Konvikts St. Hieronymus (1619–1621). Sie ist mit zwei fassadenbündigen Quergiebeln abgeschlossen, der westliche ist durch den späteren Kirchenneubau stark gekürzt. Die Aussagekraft der Architektur ist allerdings in den bekannten Bilderzyklen der Jesuitenniederlassungen sehr gering und auch widersprüchlich.[8] Der erste Kollegbau scheint jedenfalls ein einfacher Spätrenaissancebau zu sein, der zur Jesuitengasse mit Quergiebeln, Fassadenerker und Geschossbänder ausgezeichnet ist.
Kollegneubau 1713–1738
Die Kollegbauten des 16. Jahrhunderts genügen nach fast 150 Jahren den gestiegenen Raumansprüchen nicht mehr. Für den Neubau wird 1713 aus Konstanz der Jesuitenbaumeister Br. Christian Hueber SJ gerufen.[9] Nach einem Modell und seinen Plänen wird im Ostflügel des Innenhofs mit dem nun vierstöckigen Bau begonnen. Aber schon im April 1713 stirbt der Baumeister. Ein weiterer Jesuitenbaumeister, Br. Jakob Amrhein SJ, wird zur Fortsetzung der Arbeiten aus Hall im Tirol beordert.[10] 1717 sind seine Aufgaben in Dillingen beendet, fehlende Finanzen der Jesuiten verhindern geplante weitere Bauten. Erst 1732 folgt mit einem «Umbau» des gassenseitigen Südflügels ein weiterer Schritt. Über diesen wichtigen und stadtbildprägenden Bauvorgang schweigen die Quellen. Weder der Planer noch der tatsächliche Umfang der Arbeiten werden erwähnt. Es ist allerdings schwer vorstellbar, wie aus dem simplen dreigeschossigen Bau von 1568 nun plötzlich ein viergeschossiges, in der Fassade der benachbarten Universität völlig angeglichenes, vornehm-barockes Gebäude mit durchgehend gleichen Achsfolgen entstehen sollte, wenn nicht durch einen Neubau. Bezieht sich das Datum 1732 vielleicht nur auf die Fassadenfertigstellung und ist der Bau zusammen mit dem Ostflügel bis 1717 entstanden?[11]
Erst 1736 wird auf den Grundlagen des massgebenden Modells[12] und Plänen des Jahres 1713 weitergebaut. Die Bauleitung nimmt der Jesuitenbruder Ignaz Merani wahr.[13] Die Ausführung übernimmt der Dillinger Maurermeister Joseph Eberhardt und der Hofmaurermeister Balthasar Suiter. Zuerst wird der viergeschossige äussere Westflügel gebaut. Der 179 Fuss[14] oder 52,4 Meter lange Flügel wird bis zum Winter 1736 fertiggestellt. Im November 1737 ist auch der Nordflügel bezugsbereit. In seinem Mittelrisalit befinden sich drei grosse Säle von 17,6 Meter Länge und 8,8 Meter Breite. Im Erdgeschoss ist es das Refektorium (triclinium), im ersten Obergeschoss befindet sich der Rekreationssaal, und im zweiten Obergeschoss liegt der über zwei Geschosse durchgehende Bibliothekssaal.
1738 ist auch der westliche Innenhofflügel vollendet.
Stuck und Deckenmalerei
Refektorium, Rekreationsraum, Hauskapelle und Treppenhäuser erhalten 1737 und 1738 reichen Bandelwerkstuck und Deckengemälde, teils als Fresken, teils als eingelegte Leinwandbilder. Der Stuckateur ist unbekannt, die Fresken werden Joseph Ignaz Schilling zugeschrieben, für den das Fresko des Bibliotheksaals verbürgt ist.[15]
Bibliothek
Im über zwei Geschosse reichenden Bibliotheksraum erstellt 1738 der Kunstschreiner und Bildhauer Johann Georg Bschorer[16] eine reiche Einbauarchitektur in Naturholz. Sie lebt durch die Pracht der Bildhauerarbeit. Auf die Flachdecke malt Joseph Ignaz Schilling ein deckenfüllendes Fresko mit dem Thema der Wissenschaften, abhängig von der Sapientia Divina. Stuckaturen sind nicht vorhanden. Raum und Ausstattung sind eine vereinfachte und kleinere Nachbildung des berühmten Kaisheimer Bibliotheksaales.[17]
Nach 1773
Mit der Auflösung des Jesuitenordens verliert Dillingen 1773 auf einen Schlag die wichtigsten Lehrkräfte der Universität. Die meisten der 33 Jesuiten ziehen weg. Neue Lehrkräfte müssen nun, nach über 200 Jahren unbesoldeter Ordenslehrkräften, durch das Hochstift besoldet werden. Sie wohnen im ehemaligen Kolleg, das nun Akademisches Haus genannt wird. Bis zur Säkularisation des Hochstiftes Augsburg werden seine Räume nicht umgenutzt. Die grossen Nutzungsänderungen im 19. und 20. Jahrhundert gehen dann nicht spurlos an den bis heute bestehenden ehemaligen Kolleggebäuden vorbei. Der grösste Eingriff geschieht erst 1980–1981 mit der Verlängerung des äusseren Westflügels nach Norden. Ein Glasdach überdeckt heute den Innenhof. Trotz diesen baulichen Veränderungen ist das ehemalige Kolleg der Jesuiten noch immer wichtiger Zeuge der grössten Periode in der Geschichte Dillingens.
Pius Bieri 2014
Benutzte Einzeldarstellungen:Anmerkungen:
[1] Dreischiffig, Breite innen 8,45 m; Länge innen 19,23 m; Höhe 4,65 m.
[2] Domenica Fontana veröffentlicht 1590 seine Fassade der Vatikanischen Bibliothek (Baubeginn 1587).
[3] Heute Kardinal-von-Waldburg-Strasse.
[4] Architekt: Otto Mayr aus Bamberg. Der Bau in der Grundrissform eines Tau-Kreuzes sprengt in seiner Grösse und Rücksichtslosigkeit die gewachsene städtebauliche Struktur zwischen der alten Hauptachse (Jesuitengasse und Herrengasse) und des nördlichen Stadtabschlusses (heute Konviktstrasse). Dem Neubau muss auch die im Nordhof angeordnete Konviktbrauerei weichen, die mit einem Neubau unterhalb der alten Lage (heutiges Convikt-Hotel) ersetzt wird.
[5] Otto von Waldburg ist die überragende Persönlichkeit der Gegenreformation im Bistum Augsburg. Er wird in der kirchlichen Literatur immer als Kardinal Otto bezeichnet.
[6] Die Oberdeutsche Provinz umfasst das Gebiet der Bistümer Eichstätt, Freising, Konstanz, Regensburg, Salzburg, Brixen, Trient, Basel, Chur, Lausanne und Sitten, dazu die Ajoie und das Tessin. Die 1564 bereits bestehenden Niederlassungen sind Ingolstadt (1556), München (1559), Innsbruck (1561).
[7] Autor ist Gabriel Bodenehr (1673–1765), sein Stich ist im vierten Zyklus von Ansichten von Jesuitenniederlassungen der Oberdeutschen Provinz enthalten, der sich im Münchner Archiv des Jesuitenordens befindet.
[8] Eine noch im 17. Jahrhundert entstandene Vogelschauansicht aus dem ersten Zyklus, eine lavierte Federzeichnung von Br. Johannes Hörmann SJ, hilft auch nicht weiter. Die Ansicht des bauerfahrenen, zeitgenössischen Jesuitenbruders ist erstaunlicherweise weder in der Darstellung der Anlage (der Innenhof geht bis hinter die Universität) noch in der Architekturdarstellung (das Kolleg setzt die Universitätsfassade fort) glaubhaft.
[9] Br. Christian Hueber (1657–1713) aus Messensee in Osttirol. Er ist Baumeister des Zentralbaus der Iddakapelle in Fischingen.
[10] Br. Jakob Amrhein (1673–1724) aus Beromünster. Er ist 1719–1723 in Ellwangen, wo er die Jesuitenkirche und das Kollegium mit Gymnasium baut.
[11] In den Quellen wird 1732 von einer Neutünchung und der Anpassung der Strassenfassade an die benachbarte Universitätsfassade gesprochen. Das Desinteresse der Kunsthistoriker an diesem wichtigen Bauschritt ist ärgerlich. Noch im Band VI der Kunstdenkmäler von Bayern (1964) wird die Darstellung von Specht (1897) fast wörtlich in einem einzigen, belanglosen Satz übernommen. Wahrscheinlich wird 1732 eine geplante Fassadengestaltung des nun viergeschossigen Bauwerks ausgeführt, dieses muss aber schon bis 1717 erstellt sein. Dann wäre die Anwesenheit Amrheins in Dillingen bis 1717 und auch die Nachricht auf Neutünchung 1732 erklärbar.
[12] Holzmodell (um 1713) und Pläne (1713) sind im Besitz der Hochschule Dillingen. Holzmodelle oder Visiere sind im Barock immer Grundlagen für einen Baubeginn und meist auch für die Baumeisterverträge, in denen das Modell auch als Visierung bezeichnet wird.
[13] Br. Ignaz Merani SJ (1693–1762) aus Prag.
[14] Die Massangaben erfolgen im bayrischen Fuss des 19. Jahrhunderts, der dem alten Ulmer Fuss entspricht: 293 mm. Der Westflügel ist heute auf 68,5 Meter nach Norden verlängert. Der Nordflügel hat noch das alte Mass von 75 Meter.
[15] Joseph Ignaz Schilling (1702–1773) aus Villingen. Er wird von den Jesuiten auch in Pruntrut, Freiburg, München und Straubing beigezogen.
[16] Johann Georg Bschorer (1692–1763) aus Oberndorf am Lech.
Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_Bschorer.
[17] Der Kaisheimer Bibliothekssaal ist heute zerstört, die Einrichtung kommt 1804 in den Marianischen Kongregationssaal von Neuburg an der Donau. Die Kaisheimer und Dillinger Bibliothek gehört zum sogenannten Einbautypus, der wegen seiner ausschliesslichen architektonischen Gestaltung durch Schreinerarbeit so genannt wird. Weitere Säle diese Typus sind Waldsassen und Ellwangen. In Dillingen wird die vorgesehene Teilfassung des Naturholzes, wie dies im Kaisheimer Vorbild (in Neuburg) der Fall ist, nicht ausgeführt. Quelle: Edgar Lehmann, Bibliotheksraume des Barock (1996).
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Ehemaliges Jesuitenkolleg und Konvikt St. Hieronymus, Dillingen | ||||||||||||||||
«Kollegium St. Hieronymus». Blick von Westen auf den Innenhof und den Gebäuden des Kollegiums (später Konvikt genannt). Mit Erläuterungen der einzelnen Bauten. Kupferstich von Wolfgang Kilian, 1627. 20,8 x 29,5 cm. Schefold 43291. Sign.: Graphik Di U 2.2. Die Gebäudefolge von rechts nach links:
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Das Collegium S. Hieronymi (später Konvikt St. Hieronymus) von Westen. Kupferstich von Wolfgang Kilian, 1627.> Bildinformation. |
Jesuitenkolleg (5) und Konvikt (1–3) im Lageplan. Für Vergrösserung anklicken! | |
Das Collegium S. Hieronymi (später Konvikt St. Hieronymus) von Süden. Kupferstich von Wolfgang Kilian, 1627. Das im Vordergrund stehende Gebäude Nr. 3 ist das Haus für adelige Studenten, später als Regentiebau bezeichnet. Es ist (innen vollständig umgebaut) als einziges Gebäude des ehemaligen Konviktes noch erhalten. Links anschliessend die Marienkapelle mit der Prokuratur und den Räumen des Regens im Obergeschoss. Sie wird 1688 zugunsten des neuen Universitätsgebäudes abgebrochen. Der Durchgang (Y) wird dabei übernommen. | |
Gabriel Bodenehr (1673–1765) ist um 1750 Stecher von mehreren Ansichten des Konvikts und des Jesuitenkollegs. Sie sind unzuverlässiger als die präzisen Stiche Kilians. Die Ansicht «Convictus Dilinganus Patronus S. Hieronymus» stellt den Baubestand nach dem Neubau der Universität dar, welche Bodenehr allerdings völlig falsch (mit Zwischenbau beim Durchgang) darstellt. Der Stich ist im vierten Zyklus von Ansichten von Jesuitenniederlassungen der Oberdeutschen Provinz enthalten, der sich im Münchner Archiv des Jesuitenordens befindet. | |
Vom 1909 abgebrochenen Nordflügel des Konviktes, dem Religiosenbau, stammt die gerettete Wappentafel, die heute am Konviktneubau von 1910 angebracht ist. Unter dem neubarocken Kupferdach ist über der Wappentafel ein Ovalschild mit der Inschrift «SEMINARII PARENS HENRICVS V. DE KNOERINGEN ANTISTES NOSTRAS» angebracht. Text und Chronogramm mit der Jahreszahl 1616 weisen auf eine vom Kardinal geförderte Stiftung, dem Seminarium S. Josephi für arme Studenten. Der Wappenschild selbst ist mit 1605 datiert. Dies ist das Jahr der Fertigstellung des Nordflügels für die Studenten geistlichen Standes, dem sogenannten Religiosenbau. Der Schild mit dem Wappen Knöringen ist flankiert vom hl. Hieronymus und einem hl. Bischof (Ulrich von Augsburg?). | |
Die Westfassade des Regentiebaus (1619–1621). Foto: GFreihalter in Wikipedia, Ausschnitt. | |
Der Stecher Gabriel Bodenehr stellt um 1750 das Jesuitenkolleg in einer Vogelschauansicht aus Süden vor. Der Stich «Collegium Soc. Jesu Dilingae B. V. M.» gehört zur Serie der oben vorgestellten Ansichten von Jesuitenniederlassungen.. Die Gebäudedetails sind auch in diesem Stich sehr ungenau und die Zahl der Fensterachsen falsch. Links oben ist der Bau des Seminarium S. Josephi (1735) angeschnitten. | |
Die 1736 bis 1738 erbauten Nord- und Westflügel des Jesuitenkollegs von Norden gesehen. Im siebenachsigen Mittelrisalit des Nordflügels befinden sich ursprünglich im Erdgeschoss der Speisesaal (triclinium), im ersten Stock der Rekreationssaal (hypocaustum recreationis) und darüber die zweistöckige Bibliothek. Foto: Johannes Schlund in Wikipedia. | |
Der Südflügel des Jesuitenkollegs soll erst 1732 als vierstöckiger Neubau anstelle eines dreigeschossigen Altbaus zwischen Kirche und Universität eingefügt worden sein. So wird eine zeitgenössische Notiz über eine Neutünchung und Anpassung der Strassenfassade irrtümlich interpretiert. Der dreigeschossige Südflügel von 1565 ist aber wahrscheinlich schon seit 1713–1716 durch den heutigen Bau ersetzt. Die Angleichung an die Fassade des anschliessenden Universitätsgebäudes (1688) wäre schon 1716 eine Stilverspätung, 1732 müsste man sie als schöpferische Denkmalpflege «avant la lettre» bezeichnen. | |
Das Hauptportal der Südfassade des Kollegiums, eine von Altaraufbauten abgeleitete Bildhauerarbeit des Spätbarocks, steht im Kontrast zur strengen übrigen Fassadengliederung. Régence-Elemente an Portal und Türe weisen auf die Umbauphase 1732–1738 hin. |
Die akademischen Gebäude in Dillingen und ihre wechselnden Bezeichnungen |
Bezeichnung alt | Baujahre | Spätere bauliche Veränderungen | Bezeichnung 1824 | Bezeichnung heute |
Universität | 1557–1558 Erster Neubau, freistehend, Lage nördlich. |
1688–1689 Neubau. BM: Heinrich Mayer SJ. 1761–1764 Umbau Goldener Saal. |
Kollegium (Jesuitengasse) |
Akademie für Lehrerfortbildung (Kardinal-von-Waldburg-Str. 6) |
Konvikt St. Hieronymus |
1549 Mehrere Häuser als Collegium S. Hieronymi. |
1603–1607 Neubau von Nordflügel (Religiosenbau) und Ostflügel (Alumnatsbau) als Konvikt St. Hieronymus. BM: Hans Alberthal. Abriss 1909 für Neubau Priesterseminar 1910–1911. |
Priester-Seminar |
Akademie für Lehrerfortbildung (Kardinal-von-Waldburg-Str. 7) |
1619–1621 Neubau des Südflügels (Regentiebau des Konvikts St. Hieronymus). BM: Hans Alberthal. | Priester-Seminar (Herrn-Gasse) |
Akademie für Lehrerfortbildung (Königstrasse 7) | ||
Jesuitenkolleg | 1565–1568 Erster Neubau. (Baumeister unbekannt). |
1713–1717 Ostflügel und Südflügel Neubau. BM: Christian Hueber SJ und Jakob Amrhein SJ. 1732 Südflügel. Fassade? 1736–1738 Nord-, West- und Innenhofflügel. Neubau. BM: Ignaz Merani SJ. |
«Kollegium», auch Akademisches Haus (Jesuitengasse) |
Akademie für Lehrerfortbildung (Kardinal-von-Waldburg-Str. 6) |
Jesuitenkirche Mariä Himmelfahrt |
1610–1617 Neubau. BM: Hans Alberthal. |
1750–1751 Fresken und Stuck durch Chr. Thomas Scheffler. 1755–1763 Vollständige Erneuerung der Ausstattung. |
Jesuitenkirche, auch Akademische Kirche (Jesuitengasse) |
Studienkirche (Kardinal-von-Waldburg-Str. 5) |
Gymnasium | 1724–1725 Planung Jakob Amrhein SJ 1721, Joh. Georg Fischer 1723. |
1894–1896 Umbau, mit Zerstörung der Aula. Als Baumeister wird Amrhein vermutet, der jedoch 1724 stirbt. 1966–1968 Rekonstruktion, innen Auskernung. |
Gymnasium (Jesuitengasse) |
Studienbibliothek (Kardinal-von-Waldburg-Str. 51) |
Seminarium S. Josephi (Konvikt für wenig begüterte Studenten). |
1580 erstes Haus. 1682 Neubau an der Stelle des späteren Gymnasiums. |
1735 Neubau. BM: Johann Georg Fischer. 1805 Umbau zum Gasthaus. 1956–1959 Auskernung, nur Aussenmauern bleiben bestehen. |
Gasthof
«Zum Mondschein». (1861–1956 Knabenseminar St. Ulrich) |
Amtsgericht (Sankt-Ulrichs-Platz 3) |
Bischöfliche Residenzstadt Dillingen |
Gründung
Gegründet wird die Stadt von den Grafen von Dillingen, wahrscheinlich von Hartmann IV. (1180–1258) am Anfang des 13. Jahrhunderts bei seiner schon seit dem 10. Jahrhundert bestehenden Fluchtburg auf dem Hügelsporn an der Stelle des heutigen Schlosses. Der Augsburger Bischof Hartmann V. von Dillingen, einziger überlebender Sohn Hartmanns IV., übereignet Burg und Stadt Dillingen 1258 dem Hochstift Augsburg.
Stadtgestalt
Die bischöfliche Stadt wächst rasch und hat schon im Spätmittelalter die noch Anfang des 19. Jahrhunderts bestehende Ausdehnung. Noch heute ist dieser Stadtgrundriss klar ablesbar. Er setzt sich aus der nördlich der Burg liegenden Kernstadt der Gründung und drei Stadterweiterungen zusammen. Die Kernstadt bildet im Grundriss ein Rechteck, geteilt von einer breiten, West-Ost verlaufenden, dem Markt dienenden breiten Strasse. Eine erste Erweiterung nach Westen übernimmt noch die Rechteckstruktur der Kernstadt. Die zweite Erweiterung, die östliche «Grosse Vorstadt» des 14. Jahrhunderts, ist durch eine von Süden nach Norden führende Strasse von der Kernstadt getrennt. Diese Querachse ist Teil der über die Donaubrücke führenden Strasse von Augsburg nach Ellwangen und Würzburg. Sie dient heute als Staatsstrasse 2033 dem Durchgangsverkehr.
Residenz der Fürstbischöfe von Augsburg
Im 15. Jahrhundert wird die Burg Residenz der Augsburger Fürstbischöfe. Dillingen wird so Regierungssitz des Hochstifts, nur die geistliche Regierung des Bistums und das Domkapitel verbleiben in Augsburg. Während den Reformationswirren des 16. Jahrhunderts in Augsburg ist Dillingen auch für sie meist sicherer Zufluchtsort. Nur im Schmalkaldischen Krieg (1546) und im Fürstenbundaufstand (1552) wird Dillingen durch Besatzungen direkt betroffen.
Zentrum der Gegenreformation
Die überragende Persönlichkeit dieser Zeit ist der von 1544 bis 1573 regierende Augsburger Fürstbischof und Kardinal Otto Truchsess von Waldburg. Er eröffnet 1549 in Dillingen die «Hohe Schule», die 1551 vom Kaiser zur Universität erhoben wird. Der Universität ist das «Collegium S. Hieronymi» angegliedert, ein Konvikt für die geistlichen und weltlichen Studenten. Der gegenreformatorisch engagierte Fürstbischof bereichert aus Eigenmitteln die Universität mit einer Buchdruckerei. Die Professoren, meist Dominikanerpatres, stammen aus Spanien oder den spanischen Niederlanden, deutsche katholische Gelehrte sind nach der Reformation rar. 1564 gelingt es dem Fürstbischof, die Jesuiten zur Leitung der Universität und zur Eröffnung eines Kollegs zu gewinnen. Nach seinem Tod hemmen fehlende Finanzen und der Widerstand des Domkapitels eine weitere Entwicklung. Erst der von 1598 bis 1646 regierende Fürstbischof Heinrich V. von Knöringen setzt sich wieder mit grossem Engagement für die Weiterentwicklung ein. Die Dillinger Universität wird im 17. Jahrhundert die wichtigste Ausbildungsstätte für die katholische Führungsschicht und die Ordensleute in Schwaben und der Schweiz. Das Stadtbild verändert sich mit den frühbarocken Bauten der Jesuiten, der Universität und der Stadtpfarrkiche entscheidend.
Barocke Blütezeit nach dem Dreissigjährigen Krieg
Im Dreissigjährigen Krieg ist Dillingen von 1632 bis 1650 dauernd besetzt, abwechselnd von schwedischen und kaiserlichen Truppen. Beide hausen in der Stadt und in ihrer Umgebung ähnlich unmenschlich, dank Kontributionen kann aber eine Brandschatzung der Stadt verhindert werden. Erstaunlich verhalten sich die Schweden. König Gustav Adolf selbst garantiert für die Institutionen der Jesuiten. Während der schwedischen Besatzungen wird deshalb in Dillingen mit Ausnahme der Hofkapelle keine Kirche geplündert. Nach dem Abzug der letzten Truppen und einer kurzen Erholungsphase beginnt die zweite barocke Blütezeit Dillingens, der selbst die erneuten Besetzungen durch bayrische und französische Truppen während des Spanischen Erbfolgekrieges nichts mehr anhaben können.
Jesuitenverbot und Säkularisation des Fürstbistums
1773 wird der Jesuitenorden auf Druck der europäischen Monarchien durch den Papst aufgehoben. Die Universität Dillingen verliert mit einem Schlag die meisten Lehrkräfte. Trotz fieberhaftem Suchen nach Professorenersatz geht es mit den Dillinger Schulen nun rapide abwärts. Dillingen verliert seine Lebensader endgültig, als 1802 das Hochstift Augsburg im Napoleonischen Länderschacher dem Kurfürstentum Bayern zugeschlagen wird und der bayrische Kurfürst 1803 die Universität aufhebt. Die ehemalige Residenzstadt ist jetzt Landstadt der neuen bayrischen Provinz mit dem unglücklichen Namen «Schwaben». In der am Anfang des 19. Jahrhunderts verarmten Stadt erinnern nur die ehemaligen hochfürstlichen und jesuitischen Gebäude an bessere Zeiten.
Dillingen ist wieder Studienstadt
Heute befinden sich in den Schulgebäuden der Barockzeit wieder Lehranstalten. Nachdem 1827 König Ludwig I. die Wiederherstellung von Franziskanerinnen- und Kapuzinerkloster erlaubt, beginnt auch eine Restauration des Ordenslebens in Dillingen. Hochblüte der neuen kirchlichen Lehrtätigkeit ist am Beginn des 19. Jahrhunderts. Dem Priesterseminar fällt allerdings 1909 der feingliedrige Konviktbau von 1605 zum Opfer. Der nordseitige Abschluss der Kernstadt wird seither von einem übergrossen neubarocken Schulpalast des Priesterseminars dominiert, der selbst die grosse Stadtkirche konkurrenziert.
Im wesentlichen ist aber das Bild der ehemaligen barocken Studienstadt dank nur wenig zerstörerischen Eingriffen bewahrt geblieben.
Pius Bieri 2014
Dillingen von Süden mit Donau. Kupferstich von Gabriel Bodenehr, um 1710. Aus Europens Macht und Pracht. Verlegt und hrsg. von Gabriel Bodenehr, Augsburg, ca. 1710. Grösse B 32.5 cm H 16cm. Studienbibliothek Dilligen. Sign.: Graphik Di 2.8.