Ehemalige Zisterzienserabtei und Stiftskirche der hl. Maria, des hl. Johannes Evangelist und des hl. Nikolaus
Zisterzienserabtei im Machtbereich der Fürstbischöfe von Würzburg
Im waldigen Tal der mittleren Ebrach, zwischen Würzburg und Bamberg gelegen, stiftet ein staufischer Ministeriale Land zur Gründung eines Zisterzienserklosters. Der Gründungskonvent kommt aus Morimond, dem Primärkloster nordöstlich von Langres. 12 Mönche mit dem ersten Abt Adam treffen 1127 ein. Das neue Kloster im abgelegenen Steigerwald ist nach Kamp die zweite Zisterziensergründung im heutigen Deutschland. 1138 wird der Staufer Konrad III. zum Kaiser gekrönt. Ebrach wird von ihm gefördert, seine zweite Gattin Gertrud von Sulzbach und ihr Sohn Friedrich IV. Herzog von Schwaben[1] werden in Ebrach begraben. Der erste Abt Adam ist Vertrauter des heiligen Bernhard von Clairvaux, der 1135 auch Ebrach besucht. Abt Adam gründet sechs Tochterklöster, nämlich Rein in der Steiermark, die fränkischen Klöster Langheim, Heilsbronn[2] und Bildhausen, das niederbayrische Kloster Aldersbach und in Böhmen das Kloster Nepomuk.[3] Wirtschaftlich ist Ebrach durch 29 Grangien[4] und zahlreiche Schenkungen abgesichert. In einigen dieser Schenkungen entstehen später schlossähnlichen Amtshöfe, so in Burgwindheim, Sulzheim, Oberschwappach und Mainstockheim. In Würzburg, Bamberg, Nürnberg und Schweinfurt besitzt Ebrach Stadthöfe. Zu den Förderern der Neugründung gehören anfänglich auch die Würzburger Fürstbischöfe, in deren Hoheitsgebiet Ebrach liegt. Bereits im 14. Jahrhundert schlägt dieses Wohlwollen in klare Ausbeutung um. Die wirtschaftliche Potenz Ebrachs im Spätmittelalter und das Streben der Abtei nach Reichsunmittelbarkeit lässt die Fürstbischöfe, die um ihren Machteinfluss fürchten und zudem dauernd in Geldnöten sind, schon im 14. Jahrhundert zu zerstörerischen Gegnern werden. Einen Höhepunkt erreichen diese teilweise kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Hochstift in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie bringen die ehemals blühende Abtei, mehr als die Zerstörungen im Bauernkrieg und der Verluste in der Reformationszeit, finanziell und personell an den Rand des Ruins.[5] Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts erholt sie sich wieder.
Frühgotische Stiftskirche
1200 wird der Grundstein zur Michaelskapelle und der zweiten Stiftskirche gelegt. 1207 erfolgt die Weihe der Michaelskapelle, die nördlichen Querschiffkapellen werden 1211, die Chorkapellen 1221, die südlichen Querschiffkapellen 1239 geweiht. Dann erst wird die romanische Kirche abgebrochen und das neue Langhaus begonnen.[6] 1285 ist der Neubau vollendet und kann eingeweiht werden. «Es ist der grossartigste frühgotische Bau, den Deutschland hervorgebracht hat», schreibt Dehio. Die dreischiffige Gewölbebasilika mit Querhaus hat einen gerade geschlossenen Chor mit Umgang und Kapellenkranz und verweist auf das Vorbild Cîteaux, wo 1193 diese Chorlösung entsteht. Sie wird reich ausgestattet und enthält Ende des 15. Jahrhunderts 31 Altäre. Diese Ausstattung wird 1525 im Bauernkrieg völlig zerstört.
Ebrach im Dreissigjährigen Krieg
Eine erste Blütezeit nach den Auseinandersetzungen mit dem Hochstift Würzburg und den Zerstörungen im Bauernkrieg erlebt Ebrach Anfang des 17. Jahrhunderts. Abt Hieronymus Hölein (1591–1615) ist ein repräsentationsfreudiger Renaissanceprälat. Seine Neuaustattung der Stiftskirche ist heute nicht mehr vorhanden, nur sein Alabastergrabmal im südlichen Seitenschiff mag einen Eindruck von der Qualität der Arbeiten vermitteln. Erhalten ist hingegen der von seinem Nachfolger Johannes Dressel (1618–1637) in Auftrag gegebene Altar des heiligen Bernhard an der nördlichen Stirnwand des Querschiffes, 1623–1627 vom Nürnberger Bildhauer Veit Dümpel erstellt.
Die Blüte ist von kurzer Dauer, denn 1631 erreichen die schwedischen Truppen Franken. 30 Konventmitglieder wechseln in sichere Klöster, der Abt und wenige Mönche bleiben in Ebrach, das die Schweden besetzen. Auch der Abt flüchtet später nach Köln. Den Kirchenschatz lässt er in den Würzburger Stadthof bringen, wo er von den Schweden aufgespürt wird und seither mit Ausnahme des Abtsstabes von Johannes Dressel verschwunden ist. Der Abtsstab gelangt nach Stockholm, wo er heute zweifelhaftes Prunkstück des Reichsmuseums ist. Immerhin entgeht er damit 1803 der Einschmelzung durch den bayrischen Kurfürsten. 1634 ziehen die Schweden wieder ab, das Kloster ist geplündert, aber nicht zerstört. Grosse Kontributionen an die Kriegsparteien schwächen Ebrach noch bis Kriegsende. Auch die Zahl der Konventmitglieder fällt auf ein Rekordtief. Sind es Anfang des 14. Jahrhunderts noch 102 Mönche und 72 Laienbrüder oder Konversen, wird nach den Auseinandersetzungen mit dem Hochstift Würzburg 1570 ein erster Tiefpunkt mit 19 Mönchen erreicht. Bis 1631 steigt die Zahl wieder auf gegen 50,[7] von ihnen verbleiben am Ende des Dreissigjährigen Krieges noch acht Mönche.
Barocke Erneuerung
Unter den beiden Äbten Petrus Scherenberger (1646–1658) und Albert Degen (1658–1686) erholt sich der Konvent wieder auf die Mitgliederzahl vor dem Dreissigjährigen Krieg. Die Klostergebäude und Amtshöfe werden wiederhergestellt, letztere unter Abt Albert Degen in Nürnberg, Bamberg und Elgersheim durch Neubauten ersetzt. Dieser Abt erreicht durch hervorragende Wirtschaftsführung die vollständige Entschuldung und kann letzte grosse Gütererwerbungen tätigen. Er legt den finanziellen Grundstock für die folgenden Grossbauten des Klosters, dies trotz noch immer anhaltenden finanziellen Forderungen des Würzburger Fürstbischofs.
Der «Neue Bau»
Abt Ludovicus Ludwig (1686–1696) beruft gleich nach seinem Amtsantritt den 26-jährigen Baumeister-Architekten Leonhard Dientzenhofer[8] für den Neubau der Abtei nach Ebrach. Leonhard ist vorher im Trupp von Abraham Leutner am Neubau der Zisterzienserabtei Waldsassen tätig.[9] Sein Bruder Georg ist dort Palier und hat soeben die Ausführung der Jesuitenkirche in Bamberg erhalten. Als Palier setzt er Leonhard ein. Dieser nimmt Wohnsitz in Bamberg und legt 1687 die Pläne für Ebrach vor. Sie sehen eine grosse geschlossene Rechteckanlage von 186 Metern Länge und 93 Metern Breite mit fünf geschlossenen Höfen und einem offenen Hof vor. Zusätzlich wird östlich des offenen Hofes ein Flügelbau angefügt, sodass die Gesamtlänge der nur zweistöckig geplanten Anlage 218 Meter beträgt. Baubeginn nach diesen Plänen ist 1688. Vorerst gilt es, die durch das Areal fliessende Ebrach für die geplanten Trakte neu zu kanalisieren. Das ausgeklügelte Netz von Haupt- und Nebenkanälen unter dem «Neuen Bau» ist nur auf den Plänen ersichtlich. Es ersetzt eine bereits vorhandene Kanalführung der mittelalterlichen Abtei. Bis zum Tod von Abt Ludovicus Ludwig 1696 entsteht unter der Leitung Dientzenhofers der Ostteil der Anlage. Stuckateure sind Francesco Giulio und Giovanni Battista Brenni[10] aus Salorino bei Mendrisio. Der Nachfolgeabt Candidus Pfister (1696–1702) kann in seiner Amtszeit nur noch den Kanzleitrakt bauen, dann ruhen die Arbeiten.
Zum eigentlichen Bauabt Ebrachs wird Abt Wilhelm I. Sölner (1714–1741). Wie alle barocken Äbte Ebrachs stammt er aus einer bürgerlichen fränkischen Familie und hat sich dem Kampf um volle Unabhängigkeit vom Hochstift Würzburg verschrieben. Er strebt die Reichsunmittelbarkeit der Abtei an. Dazu will er mit dem «Neuen Bau» und ab 1720 auch mit den neuen Amtschlössern eine gebaute Demonstration der wirtschaftlichen Potenz Ebrachs verwirklichen. Sofort nach seinem Amtsantritt führt er die seit 1702 unterbrochenen Arbeiten am «Neuen Bau» weiter. Dabei darf aber nicht die vom inzwischen verstorbenen Johann Leonhard Dientzenhofer geplante traditionelle zweigeschossige Klosteranlage weitergeführt werden. Ebrach soll ein Schloss-Stift in der Sprache des nahen Schlosses von Pommersfelden werden, das 1714 bereits unter Dach ist. 1715 taucht nebst dem bereits beauftragten fürstlich-würzburgischen Baumeister Joseph Greissing (1664–1721) auch der Name des Fähnrichs der Artillerie und späteren Architekten Balthasar Neumann (1687–1753) auf, der für Arbeiten in Ebrach im folgenden Frühjahr mit 100 Gulden[11] entschädigt wird, obwohl er im Trupp des Baumeisters arbeitet. Die separate Zahlung erklärt sich daraus, dass Neumann als Militärangehöriger[12] formell nicht einem Zivilisten unterstellt werden darf. Neumann ist aber auch zum Erlernen der Zivilarchitektur beim Baumeister Greissing tätig. Baupläne, die Neumann für Ebrach anfertigt, sind erhalten. Die Ausführungspläne, nach denen der jetzt dreigeschossige Saaltrakt des neuen Ehrenhofes mit dem in den Nordflügel vorstossenden Treppenhaus-Risalitbau gebaut wird, stammen aber ohne Zweifel von Greissing. Die eindrücklich nahtlosen Übergänge von der zweigeschossigen Klosterarchitektur zur nun dominierenden Schlossarchitektur sind ein Werk von Joseph Greissings, in welches vielleicht Entwürfe seines «Praktikanten» Neumann einfliessen, das aber vorwiegend das nahe Pommersfelden[13] als Vorbild hat. Dies ist besonders deutlich in der Anlage des Ebracher Treppenhauses spürbar. An der Ebracher Planung sind schon früh auch die Mainzer Hofstuckateure Daniel Schenk und Georg Hennicke beteiligt, die seit 1713 das Schloss in Pommersfelden stuckieren, und nun die Stuckarbeiten im Abtei- und Saalflügel des «Neuen Baus» ausführen. Das Ausstattungsprogramm von Treppenhaus und Festsaal, dem heutigen Kaisersaal, ist eine Darstellung des sakral legitimierten Herrschaftsverständnisses in seiner Beziehung zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Es wird nach dem Tod des Abtes Wilhelm I. Sölner geändert, da der spätere Fürstbischof Carl Friedrich von Schönborn (1729–1746) bei seinen Besuchen in Ebrach Anstoss nimmt.[14] 1723 ist dieser zweite Bauabschnitt mit Abteiflügel und Saalflügel fertig ausgestattet.
Erst 1730–1734 wird der noch fehlende Südflügel des Ehrenhofes erstellt. Damit ist der «Neue Bau» nach 46 Jahren vollendet. Die Ausführung dieser letzten Etappe erfolgt durch den Palier des nun verstorbenen Baumeisters Joseph Greissing, Hans Georg Geiling, der ab 1730 vom Kloster angestellt ist.
Mehr zum Treppenhaus von Ebrach in: «Das repräsentative Treppenhaus im süddeutschen Barock».
Barockgärten, Ökonomiegebäude und «Vorstadt»
Eine Planaufnahme von 1803 zeigt die Konventanlage mit den reichen Barockgärten, die das grosse Klostergelände architektonisch gestalten. Sie liegen in der Ebene im Westen und Osten des «Neuen Baus» und bilden im Norden und Süden Terrassen. Sie sind heute nur noch rudimentär vorhanden. Verschwunden ist der Konventgarten im Osten, den Abt Wilhelm I. 1736 als barocken Lustgarten anlegen lässt. Auch der Untere Abtsgarten ist in der westlichen Fortsetzung des Ehrenhofes wird zu Zeiten des Bauabtes geplant. Erst sein Nachfolger Abt Hieronymus Held (1741–1773) verwirklicht ihn. Der zentrale Herkulesbrunnen, 1744 durch den Bamberger Hofbildhauer Peter Benkert begonnen und bis 1747 von Jacob van der Auwera fertig gestellt, wird von der unter dem Garten verlaufenden, kanalisierten Ebrach gespeist. Die Verbindung der Gartenanlage zum Ehrenhof ist heute durch eine Strasse unterbrochen. Die dritte barocke Anlage, der Obere Abtsgarten, entsteht erst 1753–1780. Der mehrfach terrassierte Garten hat als Fundament einen Keller und ist eine Planung von Balthasar Neumann. Als Abschluss ist auf der obersten Stufe eine Orangerie[15] an die Klostermauer gebaut. Ein weiterer Garten liegt erhöht vor dem südlichen Ehrenhofflügel. Hier wird der von der Ebrach abgeleitete Mühlbach, wieder überdeckt, der neuen Mühle von 1729 zugeführt. Der Mühlbach wird im Plan von 1803 gar als Ebrach bezeichnet, mit der er dann wirklich unterirdisch wieder vereint wird. Die Wasserbaukunst der Zisterzienser des Mittelalters ist hier noch in der Barockzeit nicht vergessen. Neben dem stolzen Barockbau der Mühle liegt das Brauhaus von 1780. Weiter östlich, inmitten des grossen Krankenhausgartens, liegt das klassizistische «Neue Krankenhaus» von 1791. Mühle, Brauerei und Krankenhaus sind heute völlig umgebaute Bestandteile der heutigen Strafanstalt, die noch nicht über die alten Umfassungsmauern aus der Klosterzeit gewachsen ist. Deren Türmen und Tore sind bis auf den südwestlichen Wächterturm von 1745–1746 und das Bamberger Tor von 1750 verschwunden. Noch innerhalb der Mauern, nördlich des Bamberger Tors, legt Abt Wilhelm Sölner ab 1738 den grossen Ökonomiehof an. Er ist heute völlig verstümmelt, in der Form aber noch erkennbar. Westlich des heute abgebrochenen mittelalterlichen Torhauses dehnt sich die sogenannte Vorstadt aus. Der Viehhof mit den Offiziantenwohnungen, ebenfalls unter Abt Wilhelm 1734–1739 gebaut, ist eine repräsentative Zweiflügelanlage,[16] mit einer heute zerstörten westlichen Hofanlage. Nördlich gegenüber und oberhalb der Strasse liegen die Gesindewohnungen und das Klosterwirtshaus «Zum Adler».
Der Situationsplan von 1803 zeigt eine Abtei von wahrhaft fürstlicher Ausstrahlung. Der Klosterort ist zwar nur mit dem Unteren Abtsgarten über die mittelalterlichen Mauern gewachsen und noch ist der zisterziensische Genius Loci vorhanden. Das Bild hat sich aber radikal gewandelt. Schlossfassaden mit Ehrenhof und reiche, architektonisch gestaltete Lust- und Schaugärten zeigen jetzt den Anspruch auf Gleichwertigkeit mit den Reichsklöstern und mit den fürstlichen Häusern.
Frühklassizistische Innengestaltung der Stiftskirche
Als Abt Wilhelm II. Rosshirt (1773–1791) wenige Jahre nach seinem Amtsantritt beschliesst, den Kirchenraum neu zu gestalten, hat dieser bereits eine reiche barocke Ausstattung mit 27 Altären in Chor und Schiff, sowie drei Altären in der Michaelskapelle. Ende des 17. Jahrhunderts schafft Giovanni Battista Brenni die gewaltige Stuckumrahmung des Sakristeiportals mit dem bekrönenden Pfingstwunder. Abt Hieronymus Held (1741–1773), selbst Musiker, lässt die Hauptorgel und zwei Chororgeln vom Hoforgelbauer Johann Philipp Seuffert erstellen.[17] Der heutige Raumeindruck wird aber durch den 1776–1787 entstandenen frühklassizistischen Umbau des Würzburger Hofstuckateurs Materno Bossi (1739–1802)[18] bestimmt. Bossi schafft ein grosses Meisterwerk. Er verfremdet den mittelalterlichen Raum unter der Bewahrung seiner Tektonik, aber im völligen Ersatz der plastischen gotischen Werkstücke. Die Dienste werden korinthische Säulen, der gotischen Vertikalbestrebung wird unter den Fenstern ein kräftiges Horizontalgesims entgegengesetzt, den Gewölbekappen verpasst er eine Kassetierung. Überraschend ist auch die festliche Farbgebung. Gold und Weiss wird vom roten und blauen Stuckmarmor der Säulen und Altäre begleitet. Nicht das triste Grau des «goût grecque», wie ihn Abt Anselm II. zur gleichen Zeit in der Abteikirche von Salem verwirklicht, auch nicht die Farblosigkeit der purifizierten gotischen Innenräume, sondern ein lichte Farbigkeit empfängt den Besucher von Ebrach. Die Michaelskapelle verbleibt mittelalterlich. Generationen von Kunsthistorikern hätten die Stiftskirche am liebsten wieder auf den «reinen» Zustand der Michaelskapelle zurückgeführt.[19] Bossi hat aber keineswegs den Barock völlig ausgelöscht, wie dies Abt Anselm II. in Salem vorexerziert. Dazu hat er noch genügend Respekt vor barocken Meisterleistungen. Er stellt den frühbarocken Bernhard-Altar in einen klassizistischen Rahmen, belässt die Stuckgestaltung des Giovanni Battista Brenni und den Rokokostuck von Daniel Friedrich Humbach, auch die barocken Gitter werden respektiert. Die Stiftskirche von Ebrach, aussen noch immer ein mittelalterliches Aschenputtel, hat sich nun innen zum «Tempel» des Klosters mit grossem Ansehen bei den Zeitgenossen gewandelt, «ein Werk, das noch heute von Fremden bewundert wird» wie der Chronist Weigand 1834 schreibt.
Das Ende
In den Koalitionskriegen besetzen die Franzosen Ebrach zweimal, 1796 und 1800. Schon vorher sorgen Exilanten aus Frankreich, unter anderem der Abt des säkularisierten Mutterklosters Morimond, für böse Vorahnungen. Tatsächlich sichert sich nach dem Frieden von Lunéville der frankophone Kurfürst von Bayern, 1801 im Vertrag von Paris, die reichsunmittelbaren Hochstifte Augsburg, Bamberg, Freising und Würzburg als Ersatz für verlorene kleinere linksrheinische Gebiete zu. Er wird dafür zu Napoleons Gefolgsmann. Derart abgesichert, ergreift er bereits 1802 von den Hochstiften und deren Klöstern Besitz, und greift damit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 vor, in dem Ebrach dem Kurfürstentum Bayern zugesprochen wird. Ähnlich dem württembergischen Regenten, und im Gegensatz etwa zu Preussen, kennt das verschuldete Bayern keine Rücksicht auf Befindlichkeiten oder Kulturwerte. Abt Eugen Montag, 51 Patres und zehn Laienbrüder müssen die Abtei verlassen. Der Abt nimmt seine Gemäldesammlung mit, die er als Privatbesitz deklariert. Die restliche Ausstattung und die Bibliothek von 30 000 Bänden werden, soweit nicht schon vorher nach Würzburg transportiert, an einer Versteigerung verschleudert. Nur der reine Materialwert zählt. Goldene und silberne Kult- und Gebrauchgegenstände kommen in den Schmelzofen. Mit dem Ende der Abtei wechseln auch 7300 Untertanen in 300 Ortschaften vom milden geistlichen Regiment unter bayrische Herrschaft. 5000 Hektar Klosterwald werden Staatswald. Teile des Grundbesitzes und wenige Gebäude finden private Käufer. Für die Region des Steigerwaldes und für die 250 Angestellten des Klosters ist die Schliessung des umsatzstarken Arbeitgebers eine finanzielle Katastrophe. Die Gemeinde Ebrach, anfänglich nur aus ehemaligen Dienstleuten des Klosters bestehend, zählt 1840 trotz Staatsanstrengungen zur Wirtschaftsbelebung erst 400 Einwohner. Ihr wird die Stiftskirche vom Staat als Pfarrkirche zur Verfügung gestellt, obwohl die Gemeinde den Unterhalt nicht bestreiten kann.[20] Der «Neue Bau» steht vorerst leer, ein Käufer wird nicht gefunden. Auch Wiederbelebungsversuche des bayrischen Königs Ludwig I. um 1840 bleiben erfolglos. Erst 1851 richtet das Königreich Bayern eine Zwangsarbeitsanstalt ein. Damit sind die Gebäude gerettet. 1975–1985 erfolgt eine Restaurierung. Das ehemalige Klosterareal beherbergt heute eine Justizvollzugsanstalt für Jugendliche. Nur das Treppenhaus und der «Kaisersaal» können besichtigt werden. Die Kirche erfährt von 1995 bis 2009 eine umfassende und hervorragende Restaurierung.
Pius Bieri 2008
Benutzte Einzeldarstellungen:
Wiemer, Wolfgang: Zur Entstehungsgeschichte des neuen Baues der Abtei Ebrach, Würzburg 1989.
Wiemer, Wolfgang: Zisterzienserabtei Ebrach, Geschichte und Kunst, Kunstführer, München und Zürich 1992.
Weigand, P. Wigandus: Geschichte der fränkischen Cisterzienserabtei Ebrach, Landshut 1834.
Anmerkungen:
[2] 1555 in der Reformation aufgehoben, als Grablege der Ansbacher Markgrafen erhalten.
[3] 1420 von den Hussiten zerstört.
[4] Landwirtschaftliche Aussenstellen mit befestigtem Gutshof, Kapelle und Wohnräumen für den Leiter, einem Konversen des Klosters. Sie werden auch «Kurien» genannt.
[5] Markus Schütz kann in der Klosterbeschreibung im «Haus der Bayrischen Geschichte» trotzdem schreiben: «Als ein Zeichen ihrer Verbundenheit liessen die Würzburger Bischöfe zwischen 1287 und 1573 immer wieder ihre Herzen in der Abgeschiedenheit des Steigerwaldklosters beisetzen». Tatsächlich wird auch das Herz von Melchior von Zobel (1544–1558) in Ebrach beigesetzt. In der Geschichte Ebrachs ist aber der 1558 ermordete Fürstabt Melchior als Ausbeuter geschildert. Mit ihm streitet sich Ebrach auch vor dem Reichskammergericht in Speyer. Er kommt 1556 mit 70 Pferden und 40 Hakenschützen nach Ebrach, besetzt das Kloster, setzt den geflüchteten Abt ab und verfügt gegen ihn den Kirchenbann. Einer seiner Anklagepunkte lautet: «weil er (Abt Johann IV.) mit zehn Pferden geritten sei, und einen Junker gerechtfertigt habe». Die beschriebene «Verbundenheit», mittels Beisetzung der Herzen in Ebrach, kann auch als Symbol der noch im Tod beanspruchten Macht der adeligen Fürstbischöfe über die Bürgeräbte im aufmüpfigen Kloster gedeutet werden, wahrscheinlicher ist aber die Fortsetzung einer mittelalterlichen Tradition, die noch bis zum Tod des Fürstbischofs Friedrich von Wirsberg (1558–1573) fortlebt.
[6] Archäologische Untersuchungen 1999-2000 bestätigen diesen Bauablauf. Hier wird auch festgestellt, dass das ursprüngliche Fussbodenniveau der 1285 geweihten Kirche 70 cm unter dem Boden von 1778 liegt.
[7] Nach P. Wigandus Weigand, Geschichte der Fränkischen Cistercienser Abtei Ebrach, Landshut 1834.
[9] Bauherr ist Abt Martin I. Dallmayr von Fürstenfeld. Referenzen dieses Zisterzienserabtes haben sicher zur Wahl des noch unbekannten Leonhard Dientzenhofers beigetragen.
[10] Die Mitglieder der Familie Brenni werden in der lokalen Kunstgeschichte mit Brenno bezeichnet, obwohl sie sich nie so geschrieben haben. Giovanni Battista löst den 1694 verstorbenen Verwandten ab und stuckiert bis 1697 im Kreuzgang, im Ostflügel und auch in der Kirche. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.
[11] Die hohe Entschädigung «für verschiedene Abriss über den neuen Abteibau» kann nur im Zusammenhang mit umfangreichen Geometer- und Vermessungsarbeiten, verbunden mit Planungen und Zeichnerarbeiten im Trupp Greissings erklärt werden. Für reine Planungen wären sie selbst bei einem bereits bekannten Baumeister-Architekten mehrfach zu hoch. Neumann hat zu dieser Zeit weder Bekanntheitsgrad noch Erfahrung in Zivilarchitektur, für die er sich erst nach 1712 interessiert, er gilt also in dieser Sparte mit drei Jahren Erfahrung noch als «Praktikant». Die Kunstgeschichte, die grosse Namen bevorzugt und Praktiker vernachlässigt, hat trotzdem jahrelang dem Fähnrich und Architekturpraktikanten Neumann die Pläne für Ebrach zugesprochen.
[12] Balthasar Neumann ist als Mitglied der hochfürstlich-würzburgischen Schloss-Leibkompanie des Fürstbischofs angestellt. Er nimmt anschliessend von 1716 bis 1718, nun als Offizier, am Türkenfeldzug des Prinzen Eugen von Savoyen teil. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.
[13] Schloss Weissenstein vom Bamberger Fürstbischof 1711–1718 Lothar Franz von Schönborn erbaut. Baumeister: Johann Dientzenhofer, der Bruder des Ebracher Baumeisters Leonhard Dientzenhofer.
[14] Einschneidender sind dann aber die Begradigung der zurückgeschwungenen Galerie im 2. Obergeschoss und die Vorverlegung der Rückwand im ersten Obergeschoss bei der Einrichtung des Gefängnisses. Die Raumtiefe fehlt heute und das Deckengemälde wird für den Eintretenden durch die Galerie verdeckt.
[15] Heute Wohnungen
[16] Heute Hotel «Klosterbräu». Der letzte Klosterwirt des Wirtshauses «Zum Adler» kauft den Viehhof und verlegt den Betrieb über die Strasse in die barocke Zweiflügelanlage.
[17] Das Werk der Hauptorgel mit 56 Registern wird 1984 im Rokokogehäuse von 1742 rekonstruiert. Die beiden Chororgel-Werke von 1753 und 1760 sind original erhalten werden zurzeit restauriert, ihr Gehäuse gestaltet Materno Bossi zusammen mit dem Chorgestühle 1782–1784 neu.
[18] Neffe des Schöpfers der Rokokostuckaturen der Würzburger Residenz, Antonio Bossi aus Porto Ceresio am Luganersee.
[19] Dehio bezeichnet den Kirchenraum nach den Eingriffen von Bossi als «ästhetisch vernichtet».
[20] Mangelndes Interesse von Käufern dürfte sie vorerst vor Fremdnutzung oder Abbruch gerettet habe. Die frühklassizistische Umgestaltung und die frühgotische Architektur, die schon Anfang des 19. Jahrhundert als Werte gelten, retten die Kirche im Gegensatz zu barocken Bauwerken vor dem späteren Abbruch. In der Regel fallen Stiftskirchen bei mangelndem Kaufinteresse und bei Unterhaltspflicht durch den Staat sofort dem Abbruch zum Opfer, oder sie werden wie Münsterschwarzach auf Abbruch verkauft.
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Abtei-Ehrenhof mit Auwera-Brunnen von Westen. Bild: Wikipedia by author Franzfoto. | |
1648 veröffentlicht Matthäus Merian unter dem falschen Titel «Geroldshofen» einen Stich der kompakten vorbarocken Klosteranlage aus Norden. Die sich südlich der gotischen Stiftskirche befindlichen Gebäudegruppen, deutlich als Holzriegelbauten gezeichnet, werden ab 1688 abgebrochen. Vergleiche auch mit den gelben (abgebrochenen) Bauten im Lageplan. | |
Die Stiftskirche (1285 geweiht) beherrscht noch heute wie schon auf dem Merian-Stich die Anlage im Norden. Dies, obwohl ihr Nord-Querarm optisch in einer modernen Strassenaufschüttung versinkt. «Es ist der grossartigste frühgotische Bau, den Deutschland hervorgebracht hat», schreibt Dehio. | |
Eine Planaufnahme der 1770er-Jahre zeigt die Raumeinteilungen im Erdgeschoss der Klostertrakte. Wie schon auf dem grösseren Lageplan ist auch hier das durchdachte Kanalsystem der ver- und entsorgenden Kanalisationen gut ersichtlich. Bitte, wie immer, zur Vergrösserung und für die Legende anklicken. | |
Die Vogelschauansicht, wieder ein Plandokument zur Zeit der Säkularisation, zeigt die Klosteranlage von Westen, mit dem Ehrenhof und den «Unteren Abtsgarten» im Vordergrund. Erläuterungen bitte auf der Vergrösserung einsehen. | |
Der Mittelrisalit des Saalbaus aus der Bauphase von Hofbaumeister Greissing ist Abschluss des Ehrenhofes, wie er auf der oberen Vogelschauperspektive dargestellt ist. Die dort noch gezeichnete Attika wird leider1860 abgetragen. Bildquelle: Wikipedia by author Franzfoto. | |
Der Treppenhaus-Risalit des Nordflügels, auch ein Werk von Joseph Greissing, beherbergt die imposante Treppenanlage nach dem Vorbild der Schönborn-Sommerresidenz Pommersfelden. Hier sind die beiden Mainzer Stuckateure und Bildhauer Daniel Schenk und Georg Hennicke massgebend beteiligt, welche stark französisch orientiert sind. | |
Am Treppenhaus sind die beiden Mainzer Stuckateure und Bildhauer Daniel Schenk, der aber schon 1718 stirbt, und Georg Hennicke massgebend beteiligt. Der unten stehende Bauplan (1716) des Baubüros Gressing zeigt die Verwandtschaft der Treppe mit Pommersfelden. Leider ist heute die obere Galerie begradigt und der grosse rückwärtige Raum verkürzt, sodass das Deckenbild von Johann Adam Remele nicht mehr voll erlebt werden kann. Es stellt den Kampf der Apokalyptischen Frau und des Erzengels Michael gegen den Drachen dar. In der Randzone stürzen die Bösen über den Bilderrand ins Leere. Bildquelle: Wikipedia by author reinhold moeller. > zum den Änderungen der Strafanstalt im Treppenhaus. |
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Schon während der ersten Bauphase erstellt 1696–1697 Giovanni Battista Brenni, der in Deutschland zu Johann Baptist Brenno mutiert, dieses Stuckmarmor-Eingangsportal zur Sakristei. | |
1778–1780 erstellt Materno Bossi den prachtvollen Hochaltar. Er ist in Aufbau und Farbigkeit des Stuckmarmors noch barock, in den plastische Arbeiten schon klassizistisch. | |
Überraschend ist auch die Überformung der gotischen Tektonik durch das frühklassizistische Meisterwerk von Materno Bossi. | |
Die grosse Westorgel kann beim frühklassizistischen Kirchenumbau im Gegensatz zu den beiden Chororgeln nicht nur das barocke Werk mit 34 Registern, sondern auch den Prospekt von 1742–1742 beibehalten. Er umspielt das gotische Radfenster meisterhaft. Das heutige Orgelwerk ist ein Neubau mit von 57 Registern im alten Barockprospekt. | |
1744, kurz vor seinem überstürzten Wegzug nach Potsdam, beginnt Peter Benkert mit dem Herkulesbrunnen im «Unteren Abteigarten», den dann aber die Werkstatt des Jacob van der Auwera bis 1747 fertigstellt. | |
Der Wächterturm von 1745–1746 ist der einzige der ehemaligen Türme der Klosterbefestigung, welcher den Umbauten der Strafanstalt nicht zum Opfer gefallen ist. Bildquelle: Wikipedia by author Bbb. |