Vorgängerbauten
Die Gründung des Benediktinerklosters in der Ortenau erfolgt um 734 durch Bischof Etto von Strassburg. Die Klosterherrschaft, zu der ursprünglich auch Ettenheim zählt, wird Anfang des 11. Jahrhunderts zum grösseren Teil von den Strassburger Bischöfen annektiert. Der Abtei verbleiben nebst vielen Patronatsrechten und Eigenhöfen nur noch wenige Dörfer, die insgesamt 5280 Hektaren umfassen und in unmittelbarer Nähe liegen. Verwüstungen erleidet das Kloster 1290 durch Brand, 1440 durch seine «Schutzvögte» und 1525 im Bauernkrieg. Es wird nach 1592 in die Auseinandersetzungen um den Sitz des Strassburger Fürstbischofs hineingerissen. Die protestantischen Strassburger vertreiben die Mönche und verpfänden das Kloster an Württemberg. Erst 1604, nach dem Sieg der österreichischen Partei, setzt mit Hilfe der Abtei Gengenbach wieder klösterliches Leben ein. Während mehreren Jahren des Dreissigjährigen Krieges ist der Konvent wieder auf der Flucht. Der Abt stirbt in St. Gallen. 1650 zerstört ein Grossbrand die mittelalterliche Stiftskirche. Abt Franciscus Hertenstein (reg. 1653–1686) beginnt 1669 ihren Neubau. Die tonnengewölbte Wandpfeilerkirche mit eingezogenem Chor wird am 16. Oktober 1683 eingeweiht. Eine Doppelturmfront gotischen Charakters bildet ihren Westabschluss. Aufgrund einer allerdings sehr laienhaften Zeichnung und auch aufgrund der Kirchendarstellung im Wappen des Abtes darf vermutet werden, dass der unbekannte Baumeister[1] in der doppeltürmigen Westfront mittelalterlichen Baubestand weiterverwendet und nur Schiff und Chor in der Art der Dillinger Jesuitenkirche auf alten Fundamenten neu erstellt.
Barocker Klosterneubau
Bereits 1718, nur ein Vierteljahrhundert später, schliesst Abt Johann Baptist Eck (reg. 1710–1740) einen Hauptakkord mit dem Vorarlberger Baumeister Peter Thumb. Er übernimmt für 28 400 Gulden sämtliche Maurer- und Zimmermannsarbeiten «zu dem gantz Newen Clostergebauw, item: einen theil der Kirchen, item: eines Kirchthurns, item: Anhengeten Ambt-undt Handwerckshauss, item: Gebäws über St. Landolini-Bronnen, item: Eines Überzwerchen Fligels an dem Wirtshauss undt endtlich item: Eines gantz Newen Baadhausses». Thumb sollte also die Konventgebäude neu bauen, die Kirche des Abtes Franciscus umbauen und einen neuen, höheren Turm anstelle der Doppeltürme errichten. Im Akkord sind auch Neubauten bei der 500 Meter westlich gelegenen Wallfahrtskirche St. Landelin enthalten. Hier verpflichtete sich Thumb für die Erstellung eines Gebäudes über dem Landelinsbrunnen an der Westseite der 1688 erstellten Kirche und für die zweigeschossige Vierflügelanlage des Badhauses.[2]
Thumb und sein Vorarlberger Bautrupp beginnen 1719 mit dem repräsentativen, 120 Meter langen Südflügel. Zwei Eckrisalite und ein Mittelrisalit geben dem mit Mansarddächern gedeckten und 34 Fensterachsen umfassenden Flügel das Aussehen einer Residenz. Der Bau ist 1721 unter Dach. Bis 1727 ist auch der West-, Nord- und Querflügel erstellt. Nach dem Abbruch der alten Konventbauten kann bis 1730 auch der östliche Abteiflügel unter Dach gebracht werden. Die neue dreigeschossige Klosteranlage mit zwei Innenhöfen wird bis 1733 ausgestattet.[3] Sie ist um einiges grösser als die ähnlich konzipierte Klosteranlage von St. Peter im Schwarzwald, die Thumb nur wenige Jahre später baut.
Der Kirchenumbau
Im Hauptakkord von 1718 verpflichtet sich Thumb, vor die Doppelturmfront der alten Kirche einen neuen Turm zu erstellen, dessen Gemäuer «ausser dem fundament huntert und zwelff schuhe in die Höhe gezogen werden sollte, damit ein wohlproportionierter Thurn herauskome». 1724 beginnt Thumb mit dem Abbruch der alten Westfront und richtet bis 1729 den neuen Turm auf. Der mächtige Turm im Schnittpunkt von Quer- und Nordflügel bildet unübersehbares Wahrzeichen der Abtei. Im Turmknopf verewigen sich Abt Baptist und 19 Mönche. Anstelle der abgebrochenen Westfront baut Thumb in Verlängerung der Kirche von 1683 einen neuen Westchor und ein neues Querhaus. Die Klosterkirche ist auch Pfarrkirche. Anstelle des alten Ostchores wird deshalb eine durch ein Prunkportal ausgezeichnete Eingangskapelle mit Dachreiter erstellt. Der umgebaute Innenraum zeigt einen starken Längszug, betont noch durch die neuen Wandpfeileremporen, für die Thumb in beiden Geschossen Durchgänge in die Pfeiler brechen muss.[4] Am ehesten kann man sich ein Bild vom 56 Meter langen Innenraum machen, wenn man sich die Pfarrkirche von Lachen am oberen Zürichsee um drei Joche verlängert vorstellt. Diese von Thumb 20 Jahre vorher gebaute Kirche zeigt die gleichen Massverhältnisse und Emporenausbildungen wie Ettenheimmünster.
Nicht bekannt ist über die Stuckaturen von Franz Joseph Vogel und die erst 1736 von einem Johann Baptist Stöber aus Wien begonnenen Fresken.
Die Ausstattung
Während wir uns heute über die Stuckaturen und die Freskomalerei kein Bild mehr machen können, gelingt dies umso besser bei der Ausstattung. Sie zieht sich bis weit in die Rokokozeit hin. Ein Bild vom Reichtum der Ausstattung geben zwei Beichtstühle aus der Klosterkirche, mit virtuos ausgeführten Schnitzereien, die heute in der nahen Kirche St. Landelin im Chor stehen. Es sind Werke des Klosterbruders Aegidius Butsch (1725–1785). Ebenfalls aus der Klosterkirche stammen das dortige Chorgitter, die Kirchenbänke und das wertvollste Ausstattungsstück, die Orgel aus der Strassburger Werkstatt des Johann Andreas Silbermann (1712–1783) mit zwei Manualen und 21 Registern. Sie wird 1767–1769 für die Klosterkirche geschaffen. Br. Aegidius Butsch ist Schöpfer des Orgelgehäuses. Zwei Seitenaltäre der ehemaligen Klosterkirche, ebenfalls von Bruder Aegidius, befinden sich heute in der 1828 erbauten Kirche von Münchweiler. Auch der Hochaltar dieser Kirche ist ein Seitenaltar aus Ettenheimmünster.[5] Einen weiteren Seitenaltar finden wir heute als Hauptaltar in der Martinskirche von Grimmelshofen im Wutachtal. Weitere Altäre, im 19. Jahrhundert allerdings ihrer gelüsterten Fassung beraubt, befinden sich in Gütenbach bei Furtwangen. Verschwunden ist hingegen der grosse freistehende Hochaltar des Bildhauers Johann Michael Winterhalder (1706–1759).
Die Orangerie
1772 lässt Abt Augustin Dornblueth südöstlich des Klosters von Klosterbaumeister Johann Joseph Hirschbühl ein repräsentatives Orangeriegebäude mit Mansarddach erstellen. Das Gebäude mit Freitreppe im Norden und sieben hohen Fenstern in tiefen Leibungen gegen Süden soll die Länge von 22 Meter haben. Sein Eingangsportal ist heute an der Kirche von Ettenheimweiler zu finden. Teile der filigranen Schmiedearbeiten der Einzäunung des Orangeriegartens sind heute hinter der Stiftskirche in Lahr wieder verwendet.
Säkularisation und Zerstörung
1803 wird die Abtei Ettenheimmünster vom neuen badischen Staat enteignet und das Kloster aufgehoben. Abt und Konventualen müssen das Kloster verlassen. Die 20 000 Bände der Bibliothek werden beschlagnahmt, und die Konventgebäude mit der Ausstattung zum Verkauf ausgeschrieben. Vorher gelingt es der Lehrerschaft des neugegründeten Gymnasiums von Lahr, 860 Bände für die neue Bibliothek zu retten. Die Klosterkirche wird profaniert und ausgeräumt. 65 Einwohner von Ettenheimmünster bemühen sich 1811 um einen Kauf, um die Gebäude zu erhalten. Vergeblich, das Grossherzogtum verkauft im gleichen Jahr alle Gebäude, auch die Klosterkirche und die Orangerie an einen Privaten. 1823 erwirbt die Stadt Ettenheim das Orangeriegebäude auf Abbruch. 1828 wird von den neuen Besitzern der mächtige Kirchturm gesprengt und die Klosterkirche abgebrochen. Dem Abbruch fallen anschliessend auch alle Gebäude um den Westhof zum Opfer. 1860 erwirbt ein neuer Besitzer den noch stehenden Ostteil auf Abbruch. 1866 ist von der alterwürdigen Abtei nichts mehr vorhanden. An einem verbliebenen Rest der alten Umfassungsmauer ist heute eine Bronzetafel angebracht. Sie stellt den einzigen Hinweis auf das verschwundene Kulturgut dar.
Pius Bieri 2010
Benutzte Einzelliteratur:
Gubler, Hans Martin: Peter Thumb, Sigmaringen 1972.
Weis, Dieter: Klosterkirche Ettenheimmünster, Offenburg 1999.
Kraus, Franz Xaver: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogtums Baden, Sechster Band, Die Kunstdenkmäler des Landkreises Freiburg, Tübingen und Leipzig 1904.
Anmerkungen:
[2] Das heute nur noch dreiflügelige Badhaus mit 3250 Quadratmeter Geschossfläche wird nach der Aufhebung Badhotel, dann Ordensschule, um 1970 psychosoziale Klinik und ist 2010 von einer Immobilienfirma gekauft worden. Sie will das 15 000 Quadratmeter umfassende Gelände spekulativ nutzen und verspricht eine denkmalpflegerische Sanierung des ehemaligen Bad- und Gasthauses.
[3] Die Stuckaturarbeiten im Südtrakt werden noch vom Vorarlberger Jakob Felder aus Schoppernau ausgeführt, während die anderen Flügel dem Wessobrunner Franz Joseph Vogel (1684–1756) zugeschrieben werden, der zu dieser Zeit auch in St. Landelin stuckiert. Für die Ausmalung des Festsaales und des Refektoriums wird 1737 ein Akkord mit Johann Baptist Stöber, der auch die Kirche freskiert, abgeschlossen.
[4] Thumb weigert sich aus statischen Gründen vorerst zur Erstellung dieser Durchbrüche (Gubler, Anm. 94, Seite 199). Deshalb können in der alten Kirche von 1683 keine Wandpfeileremporen angenommen werden.
[5] 1897 umgebaut und mit neuem Altarblatt versehen.
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Der Klostergrundriss, eingefügt in die heutige Topografie. | |
Nur eine Tafel am noch bestehenden kurzen Stück der südlichen Klostermauer erinnert an die grosse Abtei. Beim Tor handelt sich allerdings nicht um den Klostereingang, dieser liegt östlich der Anlage. Das dortige Torgebäude besteht schon auf dem Gemälde von 1828 nicht mehr. | |
Ein Klosterangehöriger erstellt um 1683, nach dem Wiederaufbau der Stiftskirche, diese allerdings recht unzuverlässige Vogelschauansicht aus Westen. Die doppeltürmigen Kirche mit noch mittelalterlicher Westfront ist durch einen Hof von den Konventbauten getrennt. Quelle: Wikipedia. Originalzeichnung im GLA Karlsruhe. |
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Eine nun sehr präzise Darstellung erstellt der Kupferstecher Peter Mayer 1759. Da das nur 9,4 x 16,0 cm grosse Andachtsbild zu Ehren des hl. Landelin gestochen wird, ist die Landelinkirche (1) im Zentrum mehrfach überhöht dargestellt. Zuverlässig ist die Darstellung des Klosters (2) mit Osthof und Torhaus. Im Hintergrund ist das neue Gast- und Badhaus (3) und am Horizont ist die Kirche von Münchweiher zu sehen. Bildquelle: «Peter Mayer» (Morath Rudolf 1983) nach einem Druck in den Sammlungen St. Paul Kärnten. |
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Eine Planaufnahme um 1806 ist Grundlage dieses Grundrissplanes des Erdgeschosses, der 1904 in «Die Kunstdenkmäler des Herzogtums Baden» erscheint. |
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Schon 1804 wird die Ausstattung der Klosterkirche ausgebaut und teilweise in Pfarrkirchen der näheren Umgebung wieder aufgestellt. Die Wallfahrtskirche St. Landelin wird nun Pfarrkirche. Die hier im Chor aufgestellten Beichtstühle (1764) stammen aus der Klosterkirche. Sie sind ein Werk des Klosterbruders Aegidius Butsch. Auch die weiteren Rokoko-Bildhauerarbeiten in der Klosterkirche und in der Kirche St. Landelin fertigt dieser begabte Bildhauer. | |
1769 stellt Johann Andreas Silbermann die neue Orgel in der Klosterkirche auf. Die Bildhauerarbeiten sind ebenfalls von Br. Aegidius. Die Orgel wird 1804 ebenfalls in die Kirche St. Landelin versetzt. Ihr Werk (heute 23 Register, 2 M+P) ist noch weitgehend original. |