Die Meister des Bauwerks im 18. Jahrhundert
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Br. Heinrich Mayer SJ (1636–1692) Altenburg in Sachsen ok   Jesuitenbaumeister, Stuckateur 1676   1682
Michael Hartmann (1640–nach 1695) Wasserburg am Inn     Bildhauer, Altarbauer 1680   1681
Caspar Wolfgang Muoss (1654 - 1728) Zug     Maler 1680   1680
Jakob Dub (18. Jahrhundert) Luzern     Kunstschlosser 1766   1766
David Vogel (1744–1808) Zürich     Architekt 1798   1799

Luzern
Ehemaliges Ursulinenkloster und Kirche Maria Hilf

Die Ursulinen in Luzern
1535 in Brescia als gegenreformatorischer Orden mit dem Ziel der Lehrtätigkeit für die weibliche Jugend gegründet, behaupten sich die Ursulinen nach grossen Anfangsschwierigkeiten in Mailand und Como. Ihr Förderer ist der Mailänder Kardinal Karl Borromäus. Noch im 16. Jahrhundert entstehen südlich der Alpen auch auf eidgenössischem Gebiet Niederlassungen. Den Weg in den Norden findet der Orden allerdings auf dem Umweg über französische Gründungen, welche die Augustinerregel mit Klausur annehmen und 1614 das erste Kloster in Lüttich gründen. Im Gegensatz zu diesen Frauenkonventen liegen die Wurzeln der Luzerner Gründung und der weiteren Ursulinenkonvente der heutigen deutschen und französischen Schweiz[1]   in der 1606 gegründeten Kongregation der Ursulinen von Dole in der Franche-Comté. Die Ursulinen von Dole verzichten auf die Klausur, tragen eine einfache schwarze Witwentracht als Habit und widmen sich mit ähnlichen Grundsätzen wie die Jesuiten der Lehrtätigkeit. Ihre Anlehnung an die jesuitische Regel ist nicht ganz ungefährlich, wie die 1628 erfolgte päpstliche Aufhebung des ähnlichen Ordens der «Englischen Fräulein» zeigt.[2] Mit Hilfe des Basler Fürstbischofs können aber die Ursulinen von Dole eine Niederlassung in Pruntrut eröffnen. 1634 erfolgt von dort die Gründung von Freiburg (Fribourg). Mit Unterstützung der Jesuiten gründen 1659 diese Freiburger Schwestern den Konvent in Luzern. Der Rat von Luzern stellt zur Bedingung, dass die Schwestern wohlqualifizierte Lehrerinnen sind und aus wohlhabenden Familien stammen. Er legt die Mitgift beim Neueintritt mit 1800 Gulden für eine Lehrschwester und 500 Gulden für eine Laienschwester fest. So wird ein Betritt zu den Ursulinen nur noch für Töchter des Patriziats möglich. Der Schulunterricht wird 1660 aufgenommen. Der Lehrplan gleicht demjenigen der Jesuiten. 30 Lehrschwestern unterrichten 1680 an der öffentlichen und völlig unentgeltlichen Töchterschule und im internen Pensionat bis 350 Mädchen. Damit ist der katholische Stand Luzern im Bereich der Mädchenbildung den reformierten Ständen Zürich, Bern, Basel und Genf weit voraus. Das Erfolgsmodell führt 1696 noch zu einer weiteren Neugründung durch vier Luzerner Ordensschwestern in Freiburg im Breisgau.

Neubau von Kloster und Kirche Maria Hilf auf Musegg
Am Südhang der Musegg, unterhalb des Schirmer- und Pulverturms der mittelalterlichen Stadtbefestigung, können die Ursulinen Land erwerben. Br. Heinrich Mayer SJ (1636–1692), der 1672 für die Fertigstellung und Stuckierung der Jesuitenkirche nach Luzern kommt, erstellt ein Holzmodell und Pläne. Er plant am steil abfallenden Gelände eine langgezogene S-Form mit der Kirche im Osten. Unter seiner Leitung erfolgt die Bauausführung ab 1676. 1678 ist der Süd-Nord verlaufende Pensionatsflügel und der unten rechtwinklig nach Westen angesetzte Schulfügel bezugsbereit. Ein Jahr später wird das südorientierte, an das Pensionat rechtwinklig anschliessende Konventgebäude und die in dessen östlicher Fortsetzung liegende Kirche begonnen. Die Bauten sind Ende 1679 unter Dach, denn schon im Mai 1680 ist das Kirchengewölbe erstellt.[3] Superiorin während der Bauphase bis 1681 ist Maria Margareta Gassmann (1631–1701). Die Ausstattung der Kirche bis zu Einweihung 1684 begleitet Maria Ursula Studer (1631–1705). Der Bau kostet 33 500 Gulden.
Wie die Anlage zur Barockzeit aussieht, können wir auf dem 1791 erschienenen Vogelschauplan von Franz Xaver Schumacher sehen. Mittelpunkt der Anlage bildet das Konventgebäude mit zwei Turmaufbauten. Entlang dem nach Süden abfallenden Barockgarten führt eine Treppe zum Konvent- und Kircheneingang. Die Kirche mit den originellen seitlichen Rundtürmen und der um einen Rundchor umlaufenden Sakristei fällt als fast schon exotisches Bauwerk auf.

Die Kirche Maria Hilf und ihre Stellung im süddeutschen Barock
Das fremdartige Aussehen im äusseren Erscheinungsbild erklärt sich mit dem Grundriss. Die beiden Rundtürme sind die konchenartig ausgebildeten Arme eines Querschiffes. Hier und vor allem in der Aussenerscheinung spielt Br. Heinrich Mayer mit Elementen bayrisch-böhmischer Wallfahrtsarchitektur. Die Kirche selbst ist aber, auch wenn sie mit ihren Innenmassen[4] sehr bescheiden ist, entwicklungsgeschichtlich eines der wichtigen Bauwerke des süddeutschen Barock. Nach seiner Jesuitenkirche von Brig baut Br. Heinrich Mayer hier den zweiten Wandpfeiler-Emporensaal, nun schon mit der typischen Pfeilerkopfausbildung der späteren Vorarlberger.[5] Tatsächlich haben die ersten Wandpfeiler-Emporenkirchen der Vorarlberger in Obermarchtal, Hofen und Irsee ein gemeinsames Vorbild. Es ist aber nicht die Ursulinenkirche von Luzern, sondern die Jesuitenkirche von Solothurn, die der Br. Heinrich Mayer 1680 beginnt und die aufs nächste mit seiner Luzerner Kirche verwandt ist. Die von Meyer selbst entworfene reiche Stuckausstattung der Jesuitenkirchen von Luzern, Solothurn oder der Schönenbergkirche von Ellwangen finden wir allerdings in der Ursulinenkirche Maria Hilf nicht.[6]

Revolutionsarchitektur für die Ursulinenkirche
1798 wird das «Ancien Régime» in Luzern von den französischen Armeen hinweggefegt. Die neue helvetische Regierung beschliesst, im Ursulinenkloster den eidgenössischen Regierungssitz zu eröffnen. Die 39 Ursulinen und die Pensionatstöchter müssen die Gebäude räumen. Im Kirchenschiff wird der Parlamentssaal nach Plänen des Zürcher Architekten David Vogel (1744–1808) eingerichtet.[7] Die barocke Ausstattung wird zerstreut. Aber schon 1799, noch bevor die erste Sitzung abgehalten ist, verlegt die Regierung den Sitz nach Bern. Die Ursulinen dürfen nun zurückkehren, aber nur fünf Schwestern nehmen das Angebot an. Die Niederlassung kann deshalb erst 1843 mit Hilfe von Landshuter Ursulinen wieder eröffnet werden. Schon 1847, nach dem gewonnenen Sonderbundskrieg, verfügt die neue freisinnige Luzerner Regierung die endgültige Aufhebung des Klosters und die Ausweisung der Ursulinen wegen ihrer Nähe zu den Jesuiten. Die Gebäude werden enteignet und zu städtischen Töchterschulen umgebaut.

Gebäudeschicksale bis heute
Der Rückbau des Parlamentssaals zur Kirche wird noch zur Zeit der Helvetischen Republik begonnen. 1818 kann die Kirche wieder geweiht werden. Die Ausstattung ist seit diesem Umbau klassizistisch minimal und nüchtern. Die Raumschale, ehemals weiss gefasst, wird 1843 mit Dekorationsmalereien verfälscht. Nur noch die Vorhallengitter, eine Rokokoarbeit von 1766, und die wieder eingesetzten Altarblätter sind ursprünglich. Die Kirche wird seit längerem nicht mehr für den Gottesdienst benutzt und ist innen dringend sanierungsbedürftig. Weniger gelitten hat das Äussere der Kirche, sieht man von der neuen Umgebung ab. Die anschliessenden ehemaligen Konvent-, Pensionats- und Schulgebäude dienen heute ausschliesslich Schulzwecken der Luzerner Oberstufe. Südlich des ehemaligen Konventgebäudes und der Kirche sind nun anstelle der abgestuften barocken Gartenanlage umfangreiche Hartplätze für Pause und Sport aufgeschüttet. Mit Ausnahme eines neu angefügten nordwestlichen Flügels und der üblichen unsensiblen Umbauten der letzten Jahre hat sich die barocke Grundstruktur der Klosteranlage erhalten.

Pius Bieri 2010

 

Benutzte Einzeldarstellungen:
Reinle, Adolf: Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern, Band II, Die Stadt Luzern I, (Kunstdenkmäler der Schweiz, Band 30 der Gesamtreihe), Bern 1953.
Kottmann, Anton: Ursulinen Luzern, in: Helvetia Sacra, Abteilung VIII, Band I, Basel 1994.
Waltenspühl, Beat: Restauratorische Untersuchungen der frühbarocken Mariahilfkirche in Luzern. Diplomarbeit, Bern 2008.

Anmerkungen:

[1] Pruntrut 1619, Freiburg 1634, Luzern 1659, Brig 1661, Delsberg 1698.

[2] Die Gründerin Mary Ward (1586–1646) wird von der römischen Kurie, welche die männlich dominierte Kirchendisziplin mit den «Jesuitinnen» in Gefahr sieht, verurteilt und ihre Häuser werden 1628 aufgehoben.

[3] Der bauleitende Jesuitenbruder Heinrich Mayer hat in der Zwischenzeit auch die Jesuitenkirche von Solothurn im Bau begonnen, verabschiedet sich aber 1682 aus Luzern und beginnt nebst der Jesuitenkirche von Freiburg im Breisgau auch die Fertigstellung der Schönenbergkirche in Ellwangen.

[4] Innenhöhe bis Gewölbescheitel 15 Meter, Länge innen 29 Meter, Breite im Schiff 12.50 Meter.

[5] Misoxer und Oberitaliener bauen nach dem Dreissigjährigen Krieg im östlichen Inngebiet die ersten Wandpfeiler-Emporensäle. Gaspare Zuccalli baut 1665 einen ersten recht schwerfälligen Kirchenraum in Gars und 1675 eine zweiten, besseren, in Traunstein. Pietro Francesco Carlone erstellt in Passau 1665–1677 die erste Jesuitenkirche als Wandpfeiler-Emporensaal. Für die Kirchen Mayers in Brig und Luzern kann Gars  nicht Vorbild sein. Traunstein und Passau entstehen parallel. Die klassischen «Vorarlberger» Elemente der Freipfeilerartig wirkenden Pfeilerköpfe oder Pfeilergebälke sind erstmals in der Ursulinenkirche Maria Hilf in Luzern zu finden.

[6] Sie ist gemäss Adolf Reinle auch vor dem 1798 erfolgten Umbau in einen Parlamentssaal nicht vorhanden.

[7] David Vogel ist 1763–1765 Schüler Winckelmanns in Rom. 1773–1776 baut er das Pfarrhaus von Rorbas, 1779–1780 die Kirche von Embrach. 1793–1797, zur Revolutionszeit, ist er in Paris. 1798 wird er «Nationalarchitekt» der Helvetischen Republik. Für seine hochklassizistische Architektur ist die Zeit noch nicht reif. 1801 sucht ihn die Luzerner Regierung wegen Verleumdung steckbrieflich. Er endet in Armut.

 

 

 

  Ehemaliges Ursulinenkloster und Kirche Maria Hilf Luzern  
  UrsulinenLuzernPlan  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Luzern.
Kanton Luzern (CH)
Eidgenössischer Stand Luzern
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Konstanz 1676
Bauherr und Bauträger

Superiorinnen:
Gassmann Maria Margareta Gassmann (1631–1701)
Studer Maria Ursula Studer (1631–1705)

 
  Grundriss von Schul- und Pensionatsflügel, südorientiertem Klosterflügel und der Wandpfeiler-Emporenkirche mit den ungewöhnlichen Querschiffabschlüssen.   pdf  
   
LuzernUrsulinenSchumacher
Darstellung des Klosters auf dem Schumacher-Prospekt von 1790. > Quelle.  
   
Mariahilf1
Der gerundete Querschiffabschluss wird beidseitig mit einem runden Mezzaningeschoss und Helmabschluss betont. In diesem Ostabschluss spielt Heinrich Mayer mit Elementen bayrisch-böhmischer Wallfahrtsarchitektur.  

Mariahilf2

Die Kirchen-Südfassade und das anschliessende viergeschossige Kloster mit dem hier angeschnittenen östlichen der zwei sechsgeschossigen Risalite, die auf dem Schumacher-Prospekt gut sichtbar sind.  

Mariahilf3

Ein Blick von der Stadtbefestigung auf der Musegg über Mariahilf ins Seebecken.  

Mariahilf4

Die Chor-Nordwand heute. Ihr Erscheinungsbild ist durch den Umbau von 1798 und den Rückbau von 1843 geprägt. Das innere soll, nach jahrzehntelanger Vernachlässigung, in nächster Zeit restauriert werden.  

Mariahilf5

Nebst dem Abschlussgitter unter der Empore ist das 1680 entstandene Altarblatt von Caspar Wolfgang Muoss eines der wenigen Ausstattungsstücke der Barockzeit, welche die Umbauten überlebt haben. Es stellt im Zentrum die Muttergottes mit Kind dar. Vorlage ist ein Gemälde von Lucas Cranach, das dieser 1517 in Wittenberg malt. Als Mariahilf-Gnadenbild in der Kirche St. Jakob von Innsbruck schnell berühmt, malt es auch Mouss in Luzern, hier im Zentrum eines Kreises von Engeln, der Taube des Heiligen Geistes und darüber Gottvater.  
Quelle: Luzern, Plan der Stadt, Ausschnitt, geometrisch aufgenommen von Franz Xaver Schumacher, Grossrat, Alt Landvogt in Kriens. Vier Blätter 71 x 52cm. Kupferstich. Original im Staatsarchiv Luzern, Sign. PL 5258/2. Urheberrecht abgelaufen.