Meister des Bauwerks | |||||||
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Name | Herkunft | Text | Tätigkeit | von | bis | ||
P. Franz Georg Übelacker (1742–nach 1800) | Meersburg | Liebhaberarchitekt | 1768 | 1771 |
Rom in Konstanz
983 gründet Bischof Gebhard II. jenseits des Konstanzer Domhügels, am unbesiedelten Nordufer des alten Rheinübergangs, ein bischöfliches Eigenkloster mit Benediktinerregel. Die Klostersiedlung ist bis ins 12. Jahrhundert nur mit der Fähre erreichbar. Die Mönche und auch die ersten fünf Äbte kommen aus Einsiedeln, dem Modellkloster der Herzöge von Schwaben. Bischof Gebhard II. nennt die Pioniergründung «Petri domus», er hat dabei die Ewige Stadt als Vorbild: Wie in Rom die Peterskirche mit dem Vatikan am anderen Ufer des Tibers, so soll die liturgische Gemeinschaft der Konstanzer Kirchen durch ein Peterskloster auf der anderen Rheinseite zu einem Ring geschlossen werden. 995 weiht Gebhard II. die erste Kirche zu Ehren des hl. Papstes Gregor des Grossen, dessen Schädel er in Rom erworben hat. Die Basilika ist, wieder nach dem Vorbild von Sankt Peter in Rom, nach Westen orientiert. Der Gründerbischof stirbt im Jahr der Einweihung, er wird in der neuen Klosterkirche beerdigt und 1124 heiliggesprochen.
Hirsauer Reformkloster im 11. Jahrhundert
Der Hirsauer Mönch Gebhard von Zähringen wird 1084 als Gebhard III. Bischof von Konstanz. Er setzt in «Petrihusa», wie das Kloster jetzt genannt wird, zusammen mit Abt Dietrich[1] die Hirsauer Reform durch. Das reformierte und erstarkte Bischofskloster kann sich nun an Neugründungen wagen: Mehrerau (1097) und Fischingen (1135) werden von Mönchen aus Petershausen besiedelt. Die Regierungszeit des Abtes Dietrich, er wird 1086 gewählt, ist die grosse Blütezeit des Klosters. Sie endet 1116 mit dem Tod Dietrichs, der in Sutri, auf dem Weg nach Rom, stirbt.
Gegnerschaft in Konstanz
1159 zerstört ein Brand Kloster und Kirche. Der Wiederaufbau dauert ungewöhnlich lange. Das Kloster befindet sich mit dem Konstanzer Bischof in Auseinandersetzungen um lokale Rechte. Von den Bürgern darf es keine Hilfe erhoffen. Es wendet sich den Staufern zu, die dem Kloster am strategisch wichtigen, nun begehbaren Rheinübergang materielle Unterstützung leisten und ihm auch die Reichsunmittelbarkeit zugestehen.
Die neue Kirche kann erst 1180 geweiht werden. Sie ist auf den Fundamenten der ottonischen Basilika gebaut, im Grundriss nur im Chorbereich verändert. Wir kennen ihre wertvolle romanische Bauplastik aus den Aufnahmen beim Abbruch 1831 und aus verstreuten Überresten, ihr Aussehen aus verlässlichen Bildquellen. Nicht erst im 19. Jahrhundert bedauert kein Konstanzer die Zerstörung, schon im Spätmittelalter haben die Bürger der Bischofsstadt mit dem ungeliebten Petershausen nichts anders im Sinn, als die klösterliche Vorstadtsiedlung einzugemeinden und deren Rechte zu schmälern. Die Widerstandskraft des reichsfreien Klosters ist im 15. Jahrhundert gebrochen, es verliert die Hoheitsrechte an Konstanz und steht wirtschaftlich vor dem Ruin. 1530 tritt Konstanz zur Reformation über und hebt Petershausen auf. 1548 wird die freie reformierte Reichsstadt von spanischen Truppen erobert und, gewaltsam rekatholisiert, zur vorderösterreichischen Landstadt degradiert. Die Mönche kehren 1556 ins wiederhergestellte Kloster zurück. Das Verhältnis zu den Stadtbürgern bleibt selbstredend belastet. Im späten 16. Jahrhundert erholt sich die Abtei langsam, dank dem adlig-ländlichen Freundeskreis ausserhalb von Konstanz.
Die Barockzeit
Im Dreissigjährigen Krieg wird das Kloster in den Festungsbau der Stadt einbezogen, es muss die Schanzen auf eigene Kosten errichten. Matthäus Merian hat den Zustand der befestigten Abtei bei der Belagerung von 1633 in seiner Topographia Sueviae festgehalten. Nach diesem Krieg beginnt eine langsame Erholung der Abtei. Petershausen zeichnet sich innerhalb der oberschwäbischen Benediktinerkongregation durch eine reiche kulturelle Tätigkeit aus, ohne aber in der Bautätigkeit mithalten zu können. Kurz vor dem Ende der Barockzeit hat es als einziges Kloster der Kongregation noch das mittelalterliche, organisch gewachsene und ungeordnete Aussehen bewahrt. Ausnahme ist nur die nach den reformatorischen Zerstörungen 1551–1563 als Südabschluss neu erbaute Prälatur entlang der Strasse nach Radolfszell, der heutigen Spanierstrasse. Die mittelalterliche Kirche wird zwar mit einer reichen barocken Ausstattung[2] versehen, aber erst um 1750 erwacht der Wille, einen Neubau zu planen, der den anderen Ordensklöstern nicht nachstehen soll. Die Planungen, u. a. mit Baumeister Jakob Emele und Xaver Thumb, dem Sohn von Peter Thumb in Konstanz, versanden. Abt Georg Strobel (1761–1786) zieht 1765 den französischen Klassizisten und herzoglich-württembergischen Ingenieur-Oberstlieutnant Philippe de la Guêpière bei. Sein hervorragendes (klassizistisches) Projekt scheitert an der Kostenfrage. De la Guêpière erhält auch nicht das verlangte Honorar, da ihm die Pläne zurückgegeben werden. Vorher hat sie allerdings der Konventuale P. Franz Übelacker sorgfältig kopiert. Dem 37-jährigen Autodidakten, der vorher weder geplant noch gebaut hat, wird 1767 die Neubauplanung übertragen. Er wird 1768 zudem «Jnspector aedificii». Der Konvent will damit das Honorar für einen Architekten, «den man vier Jahre hätte miethen müssen», sparen.
Der Neubau
Mit der Ausführung der neuen Konventbauten nach einem Plan von P. Franz Übelacker, wird vermutlich schon 1768 begonnen[3] . Die Bauzeit dauert nach späteren Angaben Übelackers «drey volle Jahre». Gebaut werden der Ost- und Nordtrakt, und ein Teil des Westtraktes. Gegenüber den abgelehnten Vorgängerprojekten ist der nun erstellte Konventbau ein klarer Rückschritt, man sieht, dass ein unerfahrener Laie hier geplant hat. Aus den selbstgefälligen Aufzeichnungen Übelackers erfahren wir den Namen des Paliers und der beteiligten Handwerker nicht. Die Baukosten betragen 150 000 Gulden.[4]
Säkularisation und Zerstörung
1802 weist der Reichsdeputationshauptschluss Petershausen den Söhnen des Grossherzogs von Baden zu, die sich nun «Grafen von Petershausen» nennen. Sie gewähren den Konventmitgliedern einen Verbleib mit Benutzung der Kirche. Für ihre seltenen Aufenthalte benutzen die Grafen die alten Abteiräume. Mit dem Erlöschen des Konventes um 1830 wird das Kirchengebäude als überflüssig betrachtet. Die romanische Basilika, mit dem Grab des heiligen Bischofs Gebhard II. und mit wertvollster Plastik des Mittelalters und des Barock, wird 1831 auf Abbruch versteigert. Die Baulücke ist noch heute vorhanden. 1850 verkauft das Haus Baden die verbleibenden Gebäude und den Grund an das badische Kriegsministerium. 1851 wird Petershausen Kaserne. Bis zu deren Aufhebung 1978 sind vom ehemaligen Kloster nebst den Konventbauten noch Ost- und Nordtrakt des ehemaligen Ökonomiehofes vorhanden. Anstelle des Osttraktes findet man heute einen Autoparkplatz für Beamte. Ein moderner Ausstellungsbau (Architekten Lohrer, Stuttgart, 2002) wird vor die Ostfassade des ehemaligen Klosters gestellt, anstatt die Baulücke des Kirchenabbruches zu schliessen. Nur die Konventbauten Übelackers und die Bauten entlang der heutigen Ausfallachse nach Westen sind noch vorhanden. Sie vermögen dem informierten Besucher noch immer einen Eindruck der Klosteranlage vor den Zerstörungen seit 1802 zu geben.
Pius Bieri 2008
Quellen:
Borst, Arno: Mönche am Bodensee; Sigmaringen 1997.
Spahr, P. Gebhard u. a.: 1000 Jahre Petershausen; Konstanz 1983.
Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Petershausen
Anmerkungen:
[1] Auch Theoderich geschrieben.
[2] 1663 liefert der grosse Konstanzer Maler Johann Christoph Storer die Altargemälde für 300 Gulden. Die Gemälde, in einen Hochaltar in der Art des heutigen Hochaltars der Klosterkirche Disentis eingefügt, werden 1834 für 24 Gulden an das Augustiner-Chorherrenstift Kreuzlingen verschleudert. Sie sind 1963 verbrannt. Heute ist in Kreuzlingen eine originalgetreue Rekonstruktion zu sehen.
[3] 1769 gemäss einer Abschrift einer Chronik von 1797. Damit wäre Übelacker erst 1771/72 nach Wien gereist. Sicher falsch ist die Bauzeitangabe in Dehio (1997) mit dem Fertigstellungsdatum 1772, denn Frühjahr 1769 + 3 Baujahre ergibt spätestens Herbst 1771.
[4] Nach Pirmin Lindner, 1910.
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Der Mittelrisalit des Nordflügels, erbaut 1768/69–1770/71. | |
Ein Ausschnitt aus dem Merian-Plan der Belagerung von 1633 zeigt die Brückenkopffunktion der Reichsabtei jenseits des Rheins. Bildquelle: Wikipedia. | |
Noch auf dem Dufourplan (Blatt IV 1855) sind die Schanzen um Petershausen eingetragen, die ehemalige Stiftskirche ist aber bereits abgebrochen. |
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Die Neubauplanungen umfassen auch den Um- oder Neubau der alten Stiftskirche. Das Ölgemälde von Josef Mathias Ott (18. Jh.) zeigt die wahrscheinlich letzte, aber nicht ausgeführte Planungsvariante eines Neubaus an alter Stelle. Bildquelle: Wikipedia. |
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Kur vor der Säkularisation 1802 erstellt Stadtbaumeister Peter Nenning einen Aufnahmeplan der wirklich gebauten Gebäude. Nur die blau angelegten Gebäude überleben die nachfolgenden zwei Jahrhunderte. Für Infos und Legende anklicken! |
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Die Lithographie (1831) von Niklaus Hug zeigt die Stiftskirche kurz vor ihrem Abbruch. Rechts ist der Nordostpavillon und der Ostflügel, links die Prälatur sichtbar. Bildquelle: Ausstellungskatalog Badisches Landesmuseum Karlsruhe 1984. |
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Das 2002 erstellte Ausstellungsgebäude liegt vor dem Ostflügel des Konventbaus und ist mit seinem Südwest-Eckabschluss (links) identisch mit der Südecke der verschwundenen romanischen Kirche. Siehe obenI Bildquelle: Wikipedia user Fb78. |
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Der ehemalige Innenhof der Abtei. Bildquelle: Wikipedia user Fb78. |