St. Gallen und Kempten: Zwei barocke Fürstabteien

Karte   1 Grosse Territorialherrschaft
  2 Gemeinsames Erbe
  3 Stadtentwicklung und Stadtfreiheit
  4 Gegnerschaft zur Stadt
  5 Barocke Grossbauten der Vorarlberger
  6 Mittelalterliche Stadtstrukturen
  7 Säkularisation
  8 Erhaltung der Baudenkmäler
  9 Dreissigjähriger Krieg
  10 Lage und Grösse der Siftsbezirke
  11 Adelsprivileg und Bürgeräbte
  12 Mediatisierung und Kantonshauptstadt
  13 Neue Bistümer
Klosteranlage   zurück zum Klosterstaat St. Gallen und der barocken Klosteranlage
Stiftskirche   zurück zur Stiftskirche St. Gallen (heute Kathedrale)

Die vielen Gemeinsamkeiten

Grosse Territorialherrschaft
Die Fürstäbte beider Fürststifte regieren einen geschlossenen Territorialstaat von beachtlicher und praktisch gleicher Grösse. Im 18. Jahrhundert leben im gefürsteten Land der Abtei St. Gallen 100 000 Einwohner, in demjenigen der Abtei Kempten 40 000.

Gemeinsames Erbe

Beide Fürstabteien sind seit der Karolingerzeit der Benediktinerregel verpflichtet. Kempten ist aus einer Missionszelle der St. Galler Abtei hervorgegangen. Beide Fürstabteien liegen im Bistum Konstanz.

Stadtentwicklung und Stadtfreiheit

Vor den Toren der Abtei entstehen im Mittelalter Handwerker- und Händlersiedlungen. Sie erkämpfen sich das Stadtrecht, werden freie Reichsstadt (Kempten) oder schliessen sich der Eidgenossenschaft an (St. Gallen).

Gegnerschaft zur Stadt

Die freien Bürgerstädte und die Fürststifte sind in dauernden Auseinandersetzungen um Vorrechte. Sie werden in der Reformation zu Feinden. Die Bürger beider Städte übernehmen das zwinglianische Glaubensbekenntnis. Die Fürstäbte müssen die reformierten Handelsstädte in ihrem «Fürstenland» dulden. Hauptwirtschaftszweig beider Städte ist das Leinwandgewerbe.

Barocke Grossbauten der Vorarlberger

Beide Fürstabteien verwirklichen in der Barockzeit grosse Bauvorhaben. Sie ersetzen die mittelalterlichen Gebäude durch repräsentative Barockbauten. Die Baumeister sind Vorarlberger, in Kempten mit dem ersten, in St. Gallen mit dem letzten grossen Werk.

Mittelalterliche Stadtstrukturen

In beiden Städten bleibt die mittelalterliche Stadtstruktur bis ins 19. Jahrhundert erhalten. Der Barock findet keinen Einzug.

Säkularisation

Beide Abteien werden zur Zeit der napoleonischen Herrschaft aufgehoben.

Erhaltung der Baudenkmäler
Beide Stiftskirchen sind heute vorbildlich restauriert.
Beide Konventbauten sind mit Ausnahme von einzelnen Räumen (Kempten: Prunkräume, St. Gallen: Bibliothek) durch die neue Nutzung übel mitgenommen worden. Von Barock ist im Innern nicht  mehr viel vorhanden. Aussen ist das Erscheinungsbild erhalten, in Kempten vorbildlich restauriert.


Die Unterschiede

Dreissigjähriger Krieg
St. Gallen bleibt vom Dreissigjährigen Krieg verschont. In der Stadt Kempten sinkt die Einwohnerzahl während des Krieges von 6000 auf 900.

Lage und Grösse der Siftsbezirke
Der Stiftsbezirk Kempten liegt vor den Stadttoren und umfasst auch eine Siedlung («Neustadt»). Sie hat Ende des 18. Jahrhunderts 2900 Einwohner und ist fast so gross wie die Reichsstadt («Altstadt») mit 3150 Einwohnern.
Die Stadtrepublik St. Gallen hat zur gleichen Zeit 8000 Einwohner, im Stiftsbezirk der Abtei sind nebst den Konventualen nur wenige Klosterdienstleute angesiedelt. Dies auch, weil der St. Galler Stiftsbezirk vollständig von der Stadt eingeschlossen ist.

Adelsprivileg in Kempten, Bürgeräbte in St. Gallen
Die Fürstäbte in St. Gallen sind seit dem Spätmittelalter meist bürgerlicher Herkunft, darunter die hervorragenden Ulrich Rösch (1461–1491) und Beda Angehrn (1767–1796). Die Konventualen von St. Gallen sind fast auschliesslich bürgerlicher Herkunft.
In Kempten werden nur Adelige mit Adelsnachweis aufgenommen. Die Fürstabtei und der grosse Hofstaat werden zur Versorgungsanstalt des süddeutschen Reichsrittertums. Damit isoliert sich Kempten von den Brüderklöstern im süddeutschen Raum.

Mediatisierung von Kempten – Kantonshauptstadt St. Gallen

Die freie Reichsstadt Kempten teilt 1802 das Schicksal der Fürstabtei und wird in den bayrischen Staat integriert. Die Stadtrepublik St. Gallen wird 1805 Hauptort eines neuen Kantons, der zum grossen Teil aus dem ehemaligen Fürstenstaat besteht.

Bistum St. Gallen und Bistum Augsburg
Die Säkularisation des Bistums Konstanz hat zur Folge, dass der neue Kanton St. Gallen ein eigenes Bistum wird. Damit wird die ehemalige Stiftskirche «Kathedrale» und ein Teil des ehemaligen Klosters Bischofssitz.
Kempten wird zum Bistum Augsburg geschlagen.