Die Meister des Bauwerks
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Enrico Zuccalli (um 1642–1724), Zuschreibung Roveredo Misox ZuccalliEnrico   Hofbaumeister ~1675   ~1678
Antonio Riva (1650–1713) Roveredo Misox Riva   Baumeister-Architekt 1684   ~1695
Giovanni Prospero Brenni (1638–1696), Zuschr. Salorino Tessin Brenni   Stuckateur ~1687   ~1691
Nicolò Perti (1656–1718), Zuschr. Rovenna Como PertiNicolo   Stuckateur ~1687   ~1691
Giulio Cristofero Zuccalli (um 1650–n. 1707), Zuschr. Roveredo Misox     Stuckateur ~1687   ~1691
Georg Asam (1649–1711) Rott am Inn Asam   Maler, Freskant 1687   1693
Johann Schmuzer (1642−1701) Wessobrunn SchmuzerJohann   Stuckateur 1701   1701
Br. Heinrich Zollikofer (1648–1726) St. Gallen     Bauleiter, Maler ~1701   ~1710
Johann Baptist Zimmermann (1680–1758) Wessobrunn ZimmermannJB   Maler und Stuckateur 1710   1710
Ehrgott Bernhard Bendl (1660–1738) Pfarrkirchen     Bildhauer ~1710   ~1710
Johann Baptist Gunetzrhainer (1692–1763) München WikiGunetzrhainer   Hofbaumeister ~1722   ~1746
Johann Baptist Zimmermann (1680–1758) Wessobrunn ZimmermannJB   Stuckateur 1728   ~1728
Melchior Bucher (1695–1758) Ingolstadt     Freskant, Maler 1731   1731
Johann Baptist Straub (1704–1784) Wiesensteig     Bildhauer ~1746   ~1746
Johann Georg Üblher (1703–1763), Zuschr. Wessobrunn     Stuckateur, Altarbauer ~1746   ~1746
Augustin Gigl (1715–1786) Wessobrunn     Stuckateur ~1768   ~1770
Benedikt Raffler (1737–1806) Wessobrunn     Stuckateur ~1768   ~1770
Matthäus Günther (1705–1788) Peissenberg     Maler, Freskant ~1768   ~1770
Joseph Götsch (1728–1791) Lengenfeld Tirol     Bildhauer ~1768   ~1770
Leo von Klenze (1784–1864) Schladen     Hofarchitekt 1817   1824


Tegernsee

Ehemalige Benediktinerabtei und Stiftskirche St. Quirinus

Gründung und Frühzeit
Tegernsee zählt mit Benediktbeuern und Wessobrunn zu den ältesten Klöstern in Bayern. Legendär im Jahr 719 stiften zwei adelige Brüder Ländereien am Tegernsee zur Gründung eines Klosters. Die beiden Stifter Adalbert und Otkar stammen aus der mächtigen Adelsfamilie der Huosi. Am Ostufer des Alpenrand-Sees wird ein Rodungskloster mit einer Salvator-Kirche errichtet. 748, wieder nach der Legende, ist die Weihe einer neuen Kirche mit dem Patrozinium St. Peter und Paul. Der Gründungskonvent kommt aus St. Gallen, wo seit 747 die Benediktusregel gilt. Sie ist in Tegernsee auch 787 bezeugt. Das neue Kloster ist von Anfang weg reich begütert. Im Süden reicht das Klosterland bis zur Tiroler Grenze, im Norden bis nach Holzkirchen. Dazu werden Güter im weiterem Umkreis gestiftet. Zu ihnen zählen auch Salzpfannen in Reichenhall. 817 wird Tegernsee als karolingisches Reichskloster aufgeführt. Es zählt um diese Zeit zu den reichsten Klöstern im Reich Kaiser Ludwigs des Frommen. Seit 804 ist es im Besitz der Reliquien eines römischen Märtyrers Quirinus.[1] St. Quirin wird wichtigster Patron in Tegernsee. Im Abwehrkampf gegen die Ungarn konfisziert 907–914 der Bayernherzog Arnulf I. einen Teil des Klostervermögens. Er stattet damit die ihm treuen Bischöfe, Äbte und Gefolgsleute aus, um mit ihrer Hilfe die eingefallenen Ungarn zu besiegen. 917 kann er das Herzogtum vollständig zurückerobern. Tegernsee verliert allerdings durch diese Aktion über 200 Orte zu beiden Seiten der Donau. Kein Wunder, dass die Klosterchronisten nur von «Arnulf dem Bösen» sprechen. Das Mönchsleben in Tegernsee erlischt nach diesem Aderlass vollständig. Das verlassene Kloster fällt 975 einem Grossbrand zum Opfer.

Neubeginn und Blüte im Hochmittelalter
978 sorgt Kaiser Otto II. für einen Neubeginn als Reichskloster. Mit der Entsendung von Mönchen aus St. Maximin in Trier gelingt eine Wiederbelebung im Geiste der Reform von Gorze.[2] In Tegernsee beginnt neue kulturelle Hochblüte. Für den Anfang des 11. Jahrhunderts wird ein Bestand von 200 Mönchen genannt. 1031 kann mit der Entsendung von Mönchen Benediktbeuern neu belebt werden. Tegernsee wird von den Stauferkaisern und den bayrischen Fürsten reich gefördert und ist im Hochmittelalter eines der wichtigsten Kulturzentren Bayerns. 1041 ist die Einweihung einer neuen romanischen Basilika. Im 14. Jahrhundert kann sich auch Tegernsee dem allgemeinen Niedergang der Klöster nicht entziehen. Die Reichsunmittelbarkeit geht verloren, von den Wittelsbachern wird Tegernsee immerhin die niedere Gerichtsbarkeit zugestanden. Ein erneuter Tiefpunkt ist Anfang des 15. Jahrhunderts erreicht. Tegernsee ist Versorgungsanstalt des Adels, dem Ruin nahe und stark verschuldet. Ein Klosterbrand 1419 und ein Choreinsturz 1424 markieren den Tiefpunkt.

Melker Reform und spätgotischer Kloster- und Kirchenneubau
Die erneute Wende gelingt Abt Kaspar Ayndorffer (1426–1461). Er öffnet das Kloster für Bürgerliche, entzieht die Adelspfründe und unterstellt das Kloster der bayrischen Landeshoheit. Er führt die Melker Klosterreform ein. Tegernsee kommt zu neuem Wohlstand. Seine wiederhergestellte mönchische Disziplin wird Vorbild für andere Abteien, die von der Reformabtei auch Äbte erhalten. 1455 besiedeln Mönche aus Tegernsee das Kloster Andechs neu. Reformabt Kaspar Ayndorffer ist auch Bauabt. Er baut einen neuen spätgotischen Chor mit zweigeschossiger Sakristei und ist für den völligen Neubau des Klosters besorgt. Sein Nachfolger, Abt Konrad V. Ayrenschmalz (1461–1492), baut 1471–1478 auch das romanische Langhaus um.[3] Er stattet die Kirche reich aus. Hervorragende Kunstwerke dieser spätestgotischen Ausstattung werden nach der Säkularisation in viele Museen zerstreut.[4] 1488 lässt der Abt auch ein neues Bibliotheksgebäude bauen. Im Jahr 1524 wird die Bibliothek mit 1869 Bänden als eine der grössten Bibliotheken gerühmt. Bis zur Säkularisation vergrössern sie die Äbte auf 40 000 Bände. Heute ist das meiste verschwunden.[5]

Tegernsee nach dem Dreissigjährigen Krieg
Tegernsee bleibt von den Reformationswirren verschont. Weiterhin kann sich die Abtei mit ihren gelehrten Mönchen und ihrer guten Schule rühmen. 1573 richtet Tegernsee eine Druckerei ein. Erst der Dreissigjährige Krieg trifft die Dörfer der Klosterherrschaft mit Truppendurchzügen und Pestepidemien hart. Die Erholung tritt aber rasch ein, auch weil das abgelegene Kloster unversehrt die Kriegsjahre übersteht. 1644 lässt Matthäus Merian die Klosteranlage in vier Vogelschauansichten aus unterschiedlichen Richtungen darstellen. Sie geben ein genaues Bild der im 15. Jahrhundert errichteten Bauten.

Die vorbarocke Anlage
Die Ansichten zeigen ein grosses und kompaktes, städtebaulich eindrückliches Ensemble, das mit der Süd- und Westseite an den See angrenzt. Seine Gebäude und eine ausgedehnte Gartenanlage sind zum Land durch eine Ringmauer mit tiefem Schanzgraben eingefasst. Beim Haupttor liegt im nordwestlichen Eckbereich innerhalb dieses Mauerrings die Pfarrkirche St. Johann Baptist und die Allerseelenkapelle.[6] Ein markanter Aquädukt leitet Wasser vom Berghang zur Klostermühle und versorgt anschliessend die Fischteiche und den Viehstall. Der Besucher des Klosters erreicht zuerst den geschlossenen grossen Westhof. Durchgänge unter dem Gastgebäude[7] führen wahlweise entweder in den Prälaturhof oder dann zum Kirchhof der zweitürmigen Stiftskirche. Alle vier Merian-Ansichten stellen die Kirche vereinfacht als dreischiffige romanische Basilika mit kurzem gotischem Chorabschluss dar. Tatsächlich folgt aber dem sechsjochigen basilikalen Langhaus ein eingezogener gotischer Chor mit ebenfalls sechs Jochen. Südlich an die Kirche ist der dreiflügelige, um einen Kreuzgarten angeordnete Konvent- oder Klausurtrakt angebaut. Die prominente Ausrichtung zum See wird mit dem Flügel des Abtes mit Saal und Fürstenzimmer weitergeführt, welcher den Prälatenhof im Süden abschliesst. Der Prälatur ist eine Aussichtsterrasse vorgelagert, und auch die Lust- und Wassergrotten im südwestlichen Abteigarten neben der Hafenanlage zeigen, dass der Abt fürstlichen Gewohnheiten durchaus nicht abgeneigt ist.
Es lohnt sich, das spätmittelalterliche Ensemble von Tegernsee anhand der Legende genau zu betrachten.[8]

Die Planung des barocken Klosters 1678–1689 und der Wening-Stich von 1701.
1673 wird Bernhard Wenzl[9] als Abt gewählt. Schon bald nach seiner Wahl beschäftigt er sich mit Neubauplänen für das Kloster. Die berühmte Idealplanung, die Michael Wening 1701 in der «Historico Topographica Descriptio» vorstellt, basiert auf einer Stichvorlage mit italienischer Legende, die um 1678–1689 zu datieren ist. Die Vorlage ist perspektivisch recht ungelenk gezeichnet, sicher nicht von Enrico Zucalli, dem der Idealplan zugeschrieben wird.[10] Der 1701 veröffentlichte Stich präsentiert das Kloster gemäss dieser Vorlage in der Vogelschauansicht aus Westen, berücksichtigt aber offensichtlich die um diese Zeit schon erfolgten Ausführungen des Baumeisters Antonio Riva.[11] Im Hintergrund ist bei Wening die Pfarrkirche St. Johann Baptist in Berglage eingefügt. Die bis zu ihrem Abbruch 1804 immer am Eingangstor liegende Kirche ist auch in der Stichvorlage nicht enthalten. Ist 1678 ihre Verlegung geplant?
Die Barockabtei Tegernsee wird ab 1678 tatsächlich entsprechend der Darstellung im Wening-Stich begonnen und im Lauf eines fast vollen Jahrhunderts auch getreu nach dem Ursprungsplan vollendet. Nur die barocke Doppelturmfront bleibt Planung. Damit wird die frühe barocke Idealplanung einer fürstlichen Abtei mit mehreren Höfen und einer in der Mittelachse «eingeschriebener» Stiftskirche Wirklichkeit.[12] Dies, obwohl Tegernsee weder die Einnahmen noch die Überschüsse der grossen Benediktiner-Reichs- und Fürstabteien erreicht. [13] Gründe für die gute finanzielle Lage der Abtei sind klug wirtschaftende Äbte, die Verteilung der Lasten auf mehrere Jahrzehnte und auch der Verzicht auf den teuren Neubau der Stiftskirche.

Umbau der Stiftskirche 1684–1693

Der neue barocke Raum
1684 beginnt Abt Bernhard mit der Barockisierung der Stiftskirche. Planer und Baumeister ist mit grösster Wahrscheinlichkeit Antonio Riva aus Roveredo.[14] Er belässt das aufgehende Mauerwerk und vier Jochachsen der Pfeilerbasilika, fügt vor dem spätgotischen Chor anstelle zweier Joche ein Querhaus mit Vierung ein. Er wölbt die Vierung mit einer Pendentifkuppel und die Querhausarme mit einer Tonne. Anstelle der gotischen Kreuzgewölbe des Langhauses baut er ein Stichkappen-Tonnengewölbe. Im «Unteren Chor», wie der heutige Altarraum genannt wird, führt er durch Zusammenfassung zweier Chorjoche den Jochrhythmus des Langhauses fort. Die Gewölbe der weiteren vier Joche im Psallierchor (dem «Oberen Chor») belässt er. Mit Gurtbögen, Pilastern und einem verkröpften Kranzgesims gliedert er Langhaus, Querschiff und den «Unteren Chor». Die Halbkreisfenster sind zwar weniger hoch als die ursprünglichen gotischen Fenster, bringen aber unvergleichbar mehr Licht in den Innenraum. Es ist ein gelungener Umbau, der aber nur gewürdigt werden kann, wenn man sich die Kirche in ihrer damaligen Länge vorstellen kann.[15] Denn die gebogene Abschlusswand hinter dem heutigen Hochaltar ist zur Klosterzeit nicht vorhanden. Vom Altar ist nur der heutige Unterbau mit der Brüstung vorhanden, dahinter beginnt der höhergelegene und zur Kirche offene Psallierchor. Vom Langhaus blickt man so ungehindert in den Psallierchor-Raum und zum 16 Meter entfernten Oberbau des Hochaltares, dem eigentlichen Abschluss des Chorraumes. Dahinter liegt der Eingang zum Psallierchor. Ihn erreichen die Mönche vom grossen Hauptpodest der Konvent-Osttreppe. Der Psallierchor liegt 4,6 Meter über dem «Unteren Chor».

Stuck, Fresken und Ausstattung bis 1693
«Italienische» Meister prägen 1688–1690 den Innenraum mit hochbarockem Stuck. Ihre Ornamentik weist formal, motivisch, in der Durchbildung und Auffassung auf die Theatiner- oder Kajetanerkirche in München. Dort ist, als Lehrling seines Vaters, auch Nicolò Perti tätig.[16] Der junge Perti arbeitet ab 1685 selbstständig. Für den schon seit zehn Jahren weitgehend fertig stuckierten Innenraum der Theatinerkirche ist er allerdings nicht mehr tätig.[17] Trotzdem wird er immer wieder als Schöpfer des dortigen Stucks bezeichnet. Da dieser in Tegernsee die teilweise gleiche Handschrift aufweist, wird Perti selbst für Tegernsee als einziger Stuckateur genannt.[18] Dass dem nicht so ist, zeigen die unterschiedlichen Handschriften des Stucks in Tegernsee. So können die grossflächige Figuralplastik oder die wellig aufgelegten Akanthusranken vielleicht doch Nicolò Perti oder Giovanni Prospero Brenni zugeschrieben werden.[19] Aber auch die Handschrift und Motivik von Giulio Zuccalli, der kurz vorher die Wallfahrtskirche Hl. Blut in Rosenheim stuckiert, ist zu erkennen.[20] Der ausdruckstarke Stuck von Tegernsee ist demnach als ein Werk von Stuckateuren aus dem Bereich des Comersees und der italienischen Schweiz zu betrachten und sollte ohne Nachweis nicht einem einzelnen Stuckateur dieser Gruppe zugeschrieben werden.
1689 schliesst Abt Bernhard einen zweiten Vertrag mit Hans Georg Asam für die Decken- und Wandfresken im «Unteren Chor» und im Langhaus. Die Familie Asam zieht schon 1688 von Benediktbeuern nach Tegernsee, wo Hans Georg Asam im gleichen Jahr die Psallierchor-Fresken malt. Asam arbeitet an den Fresken bis 1694, erstellt aber in der gleichen Zeitspanne auch acht Altarblätter für die Klosterkirche und für Filialkirchen des Klosters Tegernsee. Die Fresken in Tegernsee sind weniger illusionistisch als in Benediktbeuern, das zeichnerisch Perfekte ist Asam hier wichtiger. Für das grosse Kuppelfresko fehlt ihm der Erfahrungshintergrund, hier liefert ihm der in Venedig lebende Münchner Johann Carl Loth den Entwurf.[21] Auch das Hochaltarblatt und weitere Altarblätter malt Asam nach Gemälden Loths, die sich zwar im Besitz des Klosters befinden, aber wegen ihres Wertes wieder zu Geld gemacht werden sollen. Asam setzt sich intensiv mit der Malweise Loths auseinander und ist in dieser Periode stark von ihm beeinflusst. Im südlichen Querhausfresko scheint er sich als aus dem Bild schauenden Apostel selbst dargestellt zu haben.
Die barocke Ausstattung ist heute nur noch rudimentär erhalten. Von den 17 ursprünglichen Altären sind fünf erhalten, aber nur die beiden Altäre der Seitenkapellen sind noch im barocken Zustand. Die Querhausaltäre sind klassizistisch überformt. Der heutige Hochaltar setzt sich im unteren Teil aus dem barocken Abschluss zum Psallierchor und im oberen Teil mit dem klassizistisch gefassten Altarblatt aus dem ehemaligen Psallierchor-Hochaltar zusammen. Alle fünf noch bestehenden Altäre besitzen noch immer barocke Altarblätter, am Hochaltar und an den beiden Querschiffaltären sind es die Asam-Kopien von Loth. An der Kanzel ist nur der plastische Schmuck des Schalldeckels original.
Verschwunden sind seit 1803 das Chorgestühl, der Hochaltar im Psallierchor und elf weitere Altäre.

Seitenkapellen und Orgeln
Anlässlich der 1000-Jahr-Feier des Klosters 1746 lässt Abt Gregor I. die beiden Seitenkapellen zu Ehren des hl. Benedikt und des hl. Quirin anfügen. Die Rokoko-Räume sind durch hervorragenden Stuck, Stuckplastiken und Altäre ausgezeichnet. Während die Altarskulpturen von Johann Baptist Straub[22] stammen, wird für Altäre, Stuck und Stuckplastik der Wessobrunner Johann Georg Üblher[23] vermutet.
Für die grosse Musikkultur im Kloster erstaunt die bescheidene Orgel der Westempore. Sie wird 1782–1783 von Anton Bayr aus München umgebaut. Sie hat damals 17 Register und zwei Manuale. Von diesem Umbau soll auch der schlichte Orgelprospekt stammen. Trotz der klassizistischen Zeit zeigt er Barockformen. Ist es vielleicht Neubarock?[24] Denn 1909 wird die Orgel völlig neu gebaut. Auch dieses Werk wird 1980 ersetzt. Die Orgelbauwerkstätte Jahn erweitert die Orgel auf 33 Register mit drei Manualen und fasst den Prospekt durch ein neues Mittelpositiv zusammen. Die Orgel hat jetzt 33 Register und drei Manuale. Für den Psallierchor baut der Dachauer Orgelbauer Quirin Weber 1738 eine zweite Orgel mit acht Registern. Sie steht seit 1824 in Grosskarolinenfeld, wo das Werk noch erhalten sein soll, das Gehäuse aber klassizistisch überformt ist.

Unvollendete Westfront der Kirche
Die schon in der Vorlage zum Wening-Stich enthaltenen und der Westfassade vorstehenden barocken Türme werden nicht gebaut. Nur die mittlere Eingangsfassade, in der Mittelschiffbreite vorstehend, ist 1690 vollendet. Ihr Portal mit der integrierten Deckplatte des Stiftergrabes überlebt auch die Veränderungen des 19. Jahrhunderts.[25] Bis zu diesen radikalen Umgestaltungen der Westfassade im klassizistischen Sinn dominieren die beiden romanischen Türme mit ihren gotischen Spitzhelmen die Mitte des Klosters. Die barocke Fertigstellung der Turmfront ist vielleicht auch deshalb unterblieben, weil die Westfassade zur Klosterzeit nicht Hauptschauseite ist.

Der Klosterneubau

Die ersten Bauetappe 1678–1680 und 1689–1693/95
1678 beginnt Abt Bernhard den Klosterneubau gemäss dem Gesamtplan. Vermutlich baut er zuerst den Torbau, um anschliessend mit dem Nordflügel des westlichen Haupthofes zu beginnen. Die Ausführungen überträgt er einheimischen Maurer- und Zimmermeistern. Der vor allem als Kornspeicher dienende, dreigeschossige Bau ist 1680 im Rohbau vollendet, wie eine heute zweitversetzte Bautafel zeigt. 1689 schliesst der Abt den Vertrag mit Antonio Riva für den Neubau des Konvent-Westflügels beidseits der Kirchenfront und des Gästeflügels als Westabschluss des Haupthofes. Die dreigeschossigen Bauten müssen im Erdgeschoss gewölbt werden. Riva erstellt diese Bauten wahrscheinlich bis 1693, dem Jahr der festlichen Übertragung der Stifterreliquien in die fertig gestellte Kirche, spätestens aber bis 1695.[26]

Nord- und Ostflügel 1701–1720
1701 beginnt Abt Quirin Millon[27] den Bau des Konvent-Nordflügels. Er enthält im 1. Obergeschoss die zweigeschossige Bibliothek und im Erdgeschoss die Küche, anschliessend das Refektorium. Abt Quirin schliesst mit dem Wessobrunner Baumeister Johann Schmuzer den Akkord für den Bibliotheksflügel und auch für östlichen Konventflügel. Ein Unterschied zum Riva-Vertrag von 1689 fällt auf. Schmuzer kann, im Gegensatz zu den «Italienern», den Neubau im risikolosen Taglohn übernehmen. Zur Vertragsabschrift (PDF). Die Vergabe an einen Wessobrunner markiert auch die beginnende Abkehr von den «Italienern», die nun einheimischen Kräften Platz machen müssen. Schmuzer setzt für die Ausführung einen Palier ein, dessen Namen unbekannt bleibt. Schon wenige Monate nach Baubeginn stirbt Johann Schmuzer. Sein Palier führt den Bau weiter. Als Bauleiter wird auch Br. Heinrich Zollikofer erwähnt.[28] Bis 1703 kann er den Nordflügel weitgehend fertigstellen. Nun greift der Spanische Erbfolgekrieg auch auf Tegernsee über. Kontributionszahlungen an die Tiroler und Kriegslastenbeiträge an die österreichische Verwaltung in der Gesamthöhe von 21 000 Gulden, immerhin einer vollen Jahreseinnahme, belasten den Haushalt. Der Rohbau des Ostflügels bleibt unterbrochen. Die relative Ruhe nach 1707, die Verlagerung des Kriegsschauplatzes an den Rhein und eine finanzielle Erholung des Klosters werden für die Weiterführung des Bauvorhabens genutzt. 1710 sind beide Flügel fertig, noch wird aber stuckiert und ausgestattet. In diesem Jahr ist der Wessobrunner Stuckateur Johann Baptist Zimmermann[29] erstmals in Tegernsee tätig. Er stuckiert das Refektorium im Erdgeschoss. Noch bis 1720 wird an der Ausstattung der Bibliothek gearbeitet. Von seinen barocken Stuckaturen und Ausstattungen ist heute nichts mehr erhalten.

Die zentrale Osttreppe
Zwischen dem Psallierchor der Kirche und dem Konvent-Ostflügel liegt eine auch architekturhistorisch aussergewöhnliche Treppe. Sie spaltet sich nach einem kurzen Lauf ab dem bühnenartig ausgebildeten zentralen Podest in zwei Arme mit je zwei Läufen und erreicht im ersten Obergeschoss einen zweigeschossigen Treppenraum mit dem zentralen Zugang zum Psallierchor. Die Mönche können so den Psallierchor aus den Zellen beider Obergeschosse angenehm kurz erreichen. Das Konzept dieser Treppe dürfte schon im Gesamtplan von 1678 vorgelegen sein. Eine gleiche Treppe baut Carlo Antonio Carloni um 1701 in St. Florian, dort allerdings gegen die Aussenfassade mit Loggien geöffnet.[30] Während in St. Florian dadurch der Ursprung, die italienische Freitreppenlösung der Renaissance, noch deutlich spürbar ist, fehlt der Treppe von Tegernsee der freie Raum und heute auch das Licht. Denn im 19. Jahrhundert werden die Öffnungen zur Halle im ersten Obergeschoss zugemauert und die restlichen Loggien verglast. Auch die sechs Nischenfiguren von Ehrgott Bernhard Bendl sind seither entfernt.[31]

Konvent-Südflügel mit Refektorium und Abtei 1722–1746
Schon 1722 legt Abt Petrus Guetrather[32] den Grundstein für den südöstlichen Eckflügel mit dem neuen Refektorium und dem zweigeschossigen Rekreationssaal. Drei Jahre später ist auch Grundsteinlegung zum eigentlichen Südflügel mit der neuen Küche. Der nachfolgende Abt Gregor I. Plaichshirn[33] wird zum Vollender des Konventneubaus. Palier ist seit 1722 Benedikt Mittermayr (Müttermayr).[34] Als Baumeister des neuen Abtes wird der Münchner Hofbaumeister Johann Baptist Gunetzrhainer genannt.[35] Was in der gängigen Literatur als Wechsel von Mittermayr zu Gunetzrhainer beschrieben wird, muss in Wirklichkeit als eine Zusammenarbeit des Paliers mit dem Hofbaumeister betrachtet werden.[36] 1728 schliesst der Abt einen Vertrag mit dem Hofstuckateur Johann Baptist Zimmermann über die Stuckierung des Refektoriums. Die Stuckaturen werden nach 1816 zerstört. Erhalten sind einzig Stuck und Fresken im darüberliegenden Rekreationssaal, der nach der Säkularisation als königlicher Billardsaal und heute als Gymnasiums-Aula dient. Hier ist aber Johann Baptist Zimmermann nicht beteiligt.[37] 1732 können Küche und Refektorium bezogen werden. In den dadurch freigewordenen Räumen des Nordflügels lässt der Abt die Buchdruckerei einrichten.
1736 ist Grundsteinlegung für die Abtei oder Prälatur. Die Quellen über den Baufortschritt versiegen jetzt vollständig. Die Abtei und damit das Konventgeviert scheinen aber bis 1746 vollendet zu sein.

Haupthof-Südflügel (1765–1770)
Erst 1765 legt Abt Benedikt Schwarz[38] den Grundstein zum Südabschluss des westlichen Haupthofes.[39]  Die neue mehrläufige Hauptstiege mit grossem Treppenauge, welche an der Nahtstelle von Prälatur-Vestibül (dem «Marmorsaal») und neuem Flügel sitzt, soll nach Planquellen zu dieser letzten Bauetappe gehören. Im Obergeschoss des Westhof-Südflügels, an fast gleicher Stelle wie im Vorgängerbau, liegt der Quirinus- Ludwigs- oder Fürstensaal. Mit den bis 1770 fertiggestellten Stuckaturen von Augustin Gigl[40] und Benedikt Raffler,[41] den Fresken von Matthäus Günther[42] und der Figuralplastik von Joseph Götsch[43] muss er wirklich Fürstenglanz ausgestrahlt haben. Seit 1812 ist er nicht mehr vorhanden. Weder über die Zweckbestimmung der anderen Obergeschoss-Räume noch über den Baumeister dieser letzten Bauetappe sind verlässliche Quellen greifbar. Der Haupthof-Südflügel wird als Seminartrakt bezeichnet, vielleicht aus einem Missverständnis im Nekrolog des Abtes.[44]

Säkularisation und Umwandlung zum königlichen Schloss

Säkularisation
Am 17. März 1803 wird die Abtei Tegernsee vom bayrischen Kurfürsten aufgehoben. Sie ist zu diesem Zeitpunkt schuldenfrei, ihre Patres als Lehrkräfte und Wissenschaftler geschätzt und gesucht. Der letzte Abt Gregor II. Rottenkolber[45] wird abgesetzt, mit ihm verlieren 42 Konventualen ihre Klosterheimat. Der Besitz geht an den Staat über, der sofort Versteigerungen anberaumt. Die wichtigsten Kunstwerke und die wertvollsten Handschriften der grossen Bibliothek landen in staatliche Sammlungen, der grosse Rest wird verschleudert. Die Klostergebäude und die ehemalige Stiftskirche, wegen der abgelegenen Lage lange unverkäuflich, kommen 1805 in den Besitz eines Freiherrn von Drechsel. In erster Linie ist er an der Brauerei interessiert. Einen kleinen Teil der Gebäude kaufen ihm ehemalige Klosterangehörige zurück, um 1805–1817 als Pensionäre ihren Lebensabend in Tegernsee zu verbringen. Der letzte Konventuale stirbt 1861 in Egern am Tegernsee.

Gebäudeschicksale nach 1803
Freiherr von Drechsel verkauft sofort alle von ihm nicht benötigten Gebäudeteile auf Abbruch. Darunter fällt auch die Kirche St. Johann Baptist, weil jetzt die ehemalige Stiftskirche als Pfarrkirche dient. Bis um 1812 sind die drei Flügel des Haupthofes abgetragen, das Kloster ist damit um die Hälfte verkleinert. Die mittelalterlichen Doppeltürme, vorher die Klostermitte betonend, bilden nun zusammen mit dem Konvent-Westflügel die Schaufront. 1817 kauft der bayrische König die noch bestehenden Gebäude als Privatdomäne. Die Romantik hat die Gegend um den Tegernsee als hehre Gebirgslandschaft entdeckt, von München auf der Poststrasse in einem Tag leicht zu erreichen. Tegernsee wird dank des Königs jetzt Destination für den Sommeraufenthalt der Münchner Oberschicht.

Verwandlung der Konventgebäude in ein königliches Schloss
Die Folgen der Neunutzung für die noch nicht abgebrochenen barocken Konventgebäude sind verheerend. Kaum ein Innenraum bleibt von Umbauten verschont. Nur im Rekreationssaal werden die Stuckaturen und Fresken belassen. Die Fassaden werden unsensibel zugunsten grösserer Fenster verändert. Die Farbfassung wird umgekehrt. Anstelle der Gelbocker-Fassung von Ecklisenen und Fensteröffnungen wird die Fassade in Gelb mit weissen Fensterrahmungen gestrichen.

Klassizistischer Umbau der ehemaligen Stiftskirche
Auch die Kirche wird nicht verschont. Ihre barocke Grösse endet mit dem Einbau der trennenden Abschlusswand zum Psallierchor, mit dem Entfernen der Altäre und dem klassizistischen Umbau der verbliebenen Altäre. Nur die Gewölbestuckaturen, die Fresken, sowie die beiden Kapellen bleiben verschont. Radikal ist der Eingriff von Leo von Klenze[46] in die Doppelturmfront. Er verändert die gotischen Helme in niedliche Biedermeierabschlüsse und lässt sie hinter einem mächtigen klassizistischen Fassadenvorbau verschwinden. Dass er dabei den barocken Mittelteil einbezieht und die Gesamthöhe der Türme belässt, entschuldigt den Fehlgriff des grossen Architekten nicht.

Heute

Neue Besitzverhältnisse und ihre Folgen
Der noch bestehende Baukomplex hat heute drei Besitzer.
Die ehemalige Stiftskirche ist als Pfarrkirche nun Eigentum der katholischen Kirchenstiftung, der Staat hat noch subsidiäre Baupflicht. Der Bau ist letztmals 1998–2004 umfassend restauriert worden. Der heutige Zelebrationsbereich ist ein Werk des Bildhauers Kurt Sigrist aus Sarnen.
Die Konventflügel Süd und Ost, seit 1817 Schloss, werden bis 1979 wieder vom Staat zurückerworben und bis 1982 als Gymnasium umgebaut. Dabei werden die Klassenzimmer einer durchgehenden Glasfront zum südlichen Innenhof versehen.[47] Der ehemalige Rekreationssaal wird nun «Barocksaal» genannt und als Aula genutzt. Gleichzeitig mit dem Umbau zum Gymnasium erfolgt auch eine Aussenrestaurierung, welche aber die Farbfassung von 1824 nicht korrigiert.
Die Westflügel beidseits der Kirche und der Nordflügel bleiben im Besitz der Wittelsbacher Familie.[48] Ihnen gehört auch das Brauhaus Tegernsee, dessen beide Gastbetriebe heute die ganze Länge der Erdgeschosse der Westflügel beidseits der Kirche und auch des Nordflügels einnehmen.

Pius Bieri 2015


Wichtigste benutzte Literatur zu Tegernsee:
Lindner, Pirmin: Familia S. Quirini in Tegernsee. II. Teil, in: Oberbayrisches Archiv für vaterländische Geschichte, Ergänzungsheft zum 50. Band. München 1898.
Von Bezold, Gustav und weitere Autoren: Die Kunstdenkmale des Regierungsbezirkes Oberbayern, 2. Theil, München 1902.
Guldan, Ernst: Italienische Stukkatoren in Bayern, in: Arte e artisti dei laghi lombardi, Como 1964.
Lampl, Sixtus: Die Klosterkirche Tegernsee, in: Oberbayrisches Archiv, Band 100, mit Ergänzungsband. München 1975.
Dischinger, Gabriele: Zeichnungen zu kirchlichen Bauten bis 1803 im bayrischen Hauptstaatsarchiv. Wiesbaden 1988.
Götz Roland: St. Quirinus Tegernsee, Kunstführer, Regensburg 2009.
Jocher, Norbert: Die Graubündner Stukkatoren in Süddeutschland, in: Graubündner Baumeister und Stukkateure (Hrsg. Michael Kühlenthal). Lugano 1997.


Links:
Klöster in Bayern: Tegernsee
Kloster Tegernsee (Private Seite mit Rekonstruktionen)

Konventmitgleider der Barockzeit
Tabelle der Konventmitglieder 1673–1803 (pdf)

Anmerkungen:
[1] Der Benediktiner Metellus von Tegernsee schreibt im 12. Jahrhundert eine Vita des legendären Quirinus in lateinischen Hexametern nach dem Vorbild von Horaz und Vergil. Die Quirinalien des Metellus von Tegernsee und eine ältere Passio s. Quirini sind Grundlagen der frühen Klostergeschichte und vor allem für die Heiligenverehrung des Quirinus. Das Patrozinium des Quirinus besteht fortan nebst dem ursprünglichen, karolingischen Salvator-Patrozinium und den Kirchenpatronen St. Peter und Paul.

[2] Gorze bei Metz. Der neue Abt von Tegernsee kommt aus dem von Gorze reformierten Kloster St. Maximin in Trier.

[3] Der Vorgang wird in den Chroniken als Kirchenneubau bezeichnet. Da aber die beiden Westtürme (um 1010) und der Chor bestehen bleiben, die Masse sich also weder in der Breite noch in der Höhe verändern, darf nur von einem neubauähnlichen Umbau gesprochen werden. Ein Neubau als dreischiffige Basilika in der Zeit der Hallenkirchen-Spätgotik wäre auch absolut anachronistisch.

[4] Von den 26 Altären sind Bildwerke und Plastiken in Museen von Tegernsee, München, Freising, Burghausen, Nürnberg, Berlin und Madrid zu besichtigen.

[5] 1803 werden um die 5500 wertvollsten Bände in die Hofbibliothek nach München verfrachtet, 1434 Bände kommen an die Universitätsbibliothek und 605 Bände werden an Schulen verteilt. Der Rest wird als Altpapier verkauft. Allerdings tauchen noch 2015 Bände aus der Bibliothek auf, so 69 Bände bei einer Versteigerung der herzoglichen Psallierchor-Bibliothek.

[6] Hier wird 1692 Egid Quirin Asam getauft.

[7] Das mächtige und hofbildende Gebäude wird bei Merian nicht beschrieben. Die Lage spricht aber für den im Beschrieb fehlenden Gästetrakt, der vielfach im Erdgeschoss auch die Pferdestallungen beherbergt.

[8] Der Merian- Stich ist dank der Wiederholungen aus mehreren Himmelsrichtungen zuverlässig, was die Lage der Gebäude betrifft. Hingegen darf die Gebäudedarstellung nicht zum Nennwert genommen werden. So wird zum Beispiel der langgezogene gotische Chor der Kirche auf einen polygonalen Chorabschluss verkürzt. Auch die Beschriftung ist nicht immer korrekt. Vergleiche dazu den Lageplan mit Erläuterungen.

[9] Bernhard Wenzl (Wenzel), geboren 1637 in Henndorf am Wallersee, Abt in Tegernsee 1673–1700. Gestorben 1714. Siehe Biografie.

[10] Enrico Zuccalli (um 1642–1724) aus Roveredo ist seit 1673 Hofbaumeister in München. Ihm schreibt Sixtus Lampl die Gesamtplanung zu. Die Vorlage zum Wening-Stich basiert auf dieser seit 1678 vorhandenen Gesamtplanung. Der Stich von 1701 berücksichtigt dann bereits die seit 1689 erfolgten Änderungen. Die italienische Legende muss vom Gesamtplan, der nicht mehr vorhanden ist, übernommen worden sein.

[11] Einer der engsten Mitarbeiter von Enrico Zuccalli ist Antonio Riva (1650–1713), ebenfalls aus Roveredo. Er übernimmt auch Bauausführungen von Planungen Zuccallis. Nur Riva wird in Tegernsee erwähnt. Da Riva mit seinem Trupp spätestens seit 1684 für Abt Bernhard baut, könnte die Legende der Stichvorlage von ihm oder einem Mitarbeiter in seinem Trupp stammen.

[12] Vergleichbare Anlagen des gleichen Typus sind: (Vorau, ab 1619), Zwiefalten (ab 1668), Wessobrunn (ab 1680, bleibt Torso), Einsiedeln (ab 1704), Wiblingen (ab 1714, bleibt Torso), Weingarten (ab 1715, bleibt Torso).

[13] Mit 61 000 Gulden Jahreseinnahmen, 21 000 Gulden Rohüberschuss und 333 000 Gulden Kapital-Aktivsaldo (Stand 1802) ist Tegernsee Ende des 18. Jahrhunderts zwar eines der reichen Klöster Kurbayerns. Aber schon Benediktbeuern hat eine höhere Wirtschaftsleistung, und die Einnahmen der nichtbayrischen Reichsstifte wie Ottobeuren oder Kaisheim betragen das Doppelte. Über den damaligen wirklichen Vermögensbesitz Tegernsees herrscht bis heute völlige Unklarheit. Der viel genannte Reichtum Tegernsees ist der kurfürstlichen Steuerveranlagung zu verdanken. Sie erfolgt auf der Basis von «Hoffüssen», welche aufgrund der Anzahl Höfe erfolgt und die Einnahmen nicht berücksichtigt. Reichtum wird dabei ausschliesslich mit dem Grundbesitz und nicht mit der Ertragskraft definiert. So wird Benediktbeuern mit 280, Tegernsee aber mit 403 «Hoffüssen» belastet. Mit Recht wehrt sich der letzte Abt Georg II. Rottenkolber gegen diesen Unsinn. «Das Kloster hat weder Acker noch Plug, und das Ganze, was es besitzt, sind hohe Alpen und Waldungen», schreibt er 1799.

[14] Sixtus Lampl will Enrico Zuccalli auch als Planer des Kirchenumbaus beweisen. Ein Vertrag oder andere Quellen zum Umbau sind nicht mehr vorhanden. 1689 wird mit Antonio Riva ein Vertrag geschlossen, der nebst den Klosterneubauten auch Fertigstellungsarbeiten der Kirche einschliesst. Die ergäbe keinen Sinn, wenn Riva nicht auch den Kirchenumbau erstellt hätte. Zuccalli und Riva sind stilistisch nicht zu unterscheiden, und Zuccalli ist als Gewölbebauer bisher nicht bekannt. Er wird in den Aufzeichnungen der Abtei Tegernsee nie erwähnt. Bei der Nennung Zuccallis für den Kirchenumbau drückt die moderne Akademiker-Unterscheidung des planenden (Hof-) Architekten zum rein ausführenden Baumeister durch. Sie existiert aber bei den Misoxer-Baumeistern des 17. Jahrhunderts noch nicht. Vergessen geht zudem die Rolle des an Bildung weit überlegenen Abtes, der sich mit Sicherheit auch in Baukunst auskennt, und der vor allem engste Kontakte mit dem Planer von Benediktbeuern, dem Abt Placidus Mayr pflegt. Eher als Zuccalli dürfte Abt Bernhard das Umbaukonzept geprägt haben.

[15] Man darf der gotischen Kirche und ihrem vermeintlich höheren gotischen Innenraum nicht nachtrauern, wie dies Hermann Bauer in «Klöster in Bayern» (1985) tut. Der gotische Innenraum war im Gewölbescheitel nicht höher als die heutige Kirche. Ihre ganze Länge war eine reine Addition von Kreuzgewölben, in Chor und Mittelschiff auf gleicher Höhe, ähnlich einer Dominikanerkirche, aber mit den gedrückten Proportionen von nur 14,40 Meter Raumhöhe bei 10 Meter Mittelschiffbreite.

[16] Giovanni Nicolò Perti (1656–1718) aus Rovenna am Lago di Como. Sein Vater Lorenzo (1624–1692) ist mit Carlo Brentano Moretti ab 1672 an den Stuckierungen der Münchner Theatinerkirche tätig. Obwohl damals noch Lehrling bei seinem Vater, wird ihm von ausgewiesenen bayrischen Kunsthistorikern der dortige Stuck zugeschrieben. Die ärgerliche Zuschreibung wird im «Dehio» 2006 noch ergänzt: «Stuck, 1674 von Niccolò Perti und Abraham Leuthner». Abraham Leuthner arbeitet sicher nie in München, Perti erstmals selbstständig 1685 in Benediktbeuern und ist dann unter Zuccalli auch an den Aussenfassaden der Theatinerkirche tätig. 1692 wird er kurfürstlicher Hofstuckateur. Diese Ernennung dürfte der Grund sein, warum er heute als einziger Stuckateur unverdient und unrichtig für die Theatinerkirche und in der Folge auch für Tegernsee genannt wird.

[17] Siehe dazu Guldan, Ernst: Italienische Stukkatoren in Bayern.

[18] Der Kunstführer 2009 nennt zwar korrekt, dass Namen nicht überliefert sind, aber vermerkt dann doch die Beteiligung von Perti. Anders im «Dehio 2006» und weiteren Publikationen. Dort wird er ohne Vorbehalt als ausführender Stuckateur gesetzt.

[19] Norbert Jocher in: Die Graubündner Stukkatoren in Süddeutschland. Zu Brenni oder Brenno siehe die Biographie auf dieser Webseite.

[20] Giulio Cristofero Zuccalli (um 1650–nach 1707), von Roveredo. Er könnte ein Bruder von Enrico Zuccalli sein. Er ist Stuckateur in Rosenheim, Herrenchiemsee, Sachrang, Grassau. Norbert Jocher schreibt ihm auch den Stuck in der Kirche Albertaich und die Mitwirkung in Tegernsee zu.

[21] Johann Carl Loth (1632–1698) aus München, siedelt 1655 nach Venedig über. Die Verbindung zu Loth stellt der Ettaler Benediktiner P. Corbinian Leittner her, der Beichtvater in Säben im Südtirol ist.

[22] Johann Baptist Straub (1704–1784) aus Wiesensteig. Hofbildhauer in München seit 1737.

[23] Johann Georg Üblher (1703–1763) von Gaispoint, arbeitet 1738–1744 in der Stiftskirche Münsterschwarzach (BM Balthasar Neumann). Fast immer ist er in Werkstattgemeinschaft mit Johann Michael III und Franz Xaver Feichtmayr I tätig.

[24] Eine solche Frage wird bei den Orgelfachleuten nicht erörtert, weil gemäss der Zeitschrift für Instrumentenbau 29 (1908/09) die Firma Maerz massive Veränderungen am Erscheinungsbild mit der «Beibehaltung des originalen Gehäuses» beschwichtigt.

[25] Das Stiftergrab-Relief (1457 von Hans Haldner) ist in der Art einer Supraporte in das Barockportal aus Tegernseer-Marmor eingefügt. Es wird im Winterhalbjahr mit einem weiss-gelben Kasten geschützt.

[26] Es sind keine Quellen zu Fertigstellung vorhanden. Wahrscheinlich ist aber schon 1693 der Rohbau fertiggestellt, weil weder die Verdingsumme von 9000 Gulden noch die Einfachheit der Bauten eine längere Bauzeit als vier Jahre erfordert hätten, und weil auch keine Unterbrüche bekannt sind.

[27] Quirin Millon (1654–1715) aus München, Abt 1700–1715. Siehe Biografie.

[28] Br. Heinrich Zollikofer (1648–1726), aus St. Gallen, Maler, Zeichner, erstellt auch Baupläne für Weyarn (Lindner 1898). Aus dem Klosterarchiv ist unter «Pau Sachen» ein Gesamtriss des Klosters aufgelistet, wie es «nach dem Aufsaz Herrn Antoni Riva eines Italiensichen Pau-Maisters zu pauen angefangen und nachmallen durch R. Fr. Henricum Zollickofer, dan mehr anderen fortgesezet unter verschiedenen HH. Prelathen».

[29] Johann Baptist Zimmermann (1680–1758) aus Wessobrunn, wird 1728 Hofstuckateur.

[30] Die Treppe in St. Florian und diejenige in Garsten, ebenfalls von Carlo Antonio Carloni, entstehen zeitgleich mit Tegernsee. Älter sind die freigestellten Treppen dieser Art im Palazzo Reale von Neapel oder im Gesandten-Treppenhaus von Versailles. Sie haben das gemeinsame Vorbild in den Freitreppen der italienischen Renaissance (Francesco Martini 1490). Siehe dazu auch den Beitrag «Treppe und Raum».

[31] Ehrgott Bernhard Bendl (1660–1738), aus Pfarrkirchen, seit 1684 in Augsburg als «führender Bildhauer seiner Zeit».

[32] Petrus Guetrather (1672–1725) aus Salzburg, Abt 1715–1725. Siehe Biografie.

[33] Gregor I. Plaichshirn (1685–1762) aus Dorfen, Abt 1726–1762. Siehe Biografie.

[34] Über den Palier Benedikt Mittermayr ist nichts bekannt, ausser dass seine Unterschrift «M∙B: Müttermayr» auf dem einzigen vorhandenen Grundriss-Plan des Klosters vorhanden ist. Ist er ein Schwager des Oberhofbaumeisters Joseph Effner (1687–1745), Ehemann dessen 14 Jahre älterer Schwester Maria Anna?

[35] Johann Baptist Gunetzrhainer (1692–1763) aus München ist seit 1721 unter Joseph Effner Hofbaumeister. Er wird von Pirmin Lindner in: Familia S. Quirini, 1898, als Leiter des Bauvorhabens während der Regierung von Abt Gregor I. bezeichnet.

[36] Weder mit Gunetzrhainer noch mit Mittermayr sind Verträge überliefert. Die raren noch erhaltenen Aufzeichnungen geben keinen Hinweis auf den Bauverlauf. Es würde aber keinem vernünftigen Bauherrn einfallen, einen Bau mit einem ausführenden Palier (Baumeister) zu beginnen, um dann zu einem (nur leitend tätigen) Hofbaumeister zu wechseln.

[37] Stuck von Niklas Lichtenfurter aus Freising, Fresken von Melchior Bucher aus Ingolstadt.

[38] Benedikt Schwarz (1715–1787), Abt 1762–1787.

[39] Die Baunachrichten über diesen Trakt fehlen völlig. Auch der Baumeister und der Palier sind unbekannt. Selbst über die Zweckbestimmung sind sich die Historiker nicht einig. Im Nachruf auf Abt Benedikt Schwarz wird er für die Verdienste als Bauherr des Südtraktes, für die Ausschmückung des Gästetraktes, für den Zuwachs an Büchern in der Bibliothek, für den Aufbau (Seminarium as omnem decentiam instructum) des Seminars und des physikalisch-mathematischen Armariums, aber auch für die Neuausstattung der Brauerei gelobt. Als Bauherr eines Seminarstockes oder Gästetraktes, wie der Südflügel manchmal bezeichnet wird, bleibt er unerwähnt.

[40] Augustin Gigl (1715–1786) aus Wessobrunn, wohnt in Rottach am Tegernsee.

[41] Benedikt Raffler (1737–1806) aus Wessobrunn.

[42] Matthäus Günther (1705–1788) aus Peissenberg freskiert in den 1760er-Jahren unter anderem Aldersbach, Rott am Inn, frühe Zusammenarbeit mit Johann und Joseph Schmuzer in Welden, Garmisch, Tölz, Mittenwald, Oberammergau, Hohenpeissenberg, Friedberg und Rottenbuch.

[43] Joseph Götsch († 1791 in Aibling), Schüler und Mitarbeiter von Ignaz Günther.

[44] Siehe auch Anmerkung 37. Als Seminar wird in Tegernsee die Ausbildung von Sängerknaben bezeichnet. Erst der letzte Abt führt ein Gymnasium mit Konvikt ein.

[45] Gregor II. Rottenkolber (1750–1810) aus Deutenhofen, Bauernsohn, Abt 1787–1803.

[46] Leo von Klenze (1784–1864) aus Buchladen bei Schladen, klassizistischer Architekt, seit 1816 Hofarchitekt, prägt das Gesicht Münchens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts massgebend (Glyptothek, Pinakothek, Propyläen am Königsplatz, Königsbau der Residenz). Hauptwerke ausserhalb Münchens: Walhalla bei Donaustauf und Befreiungshalle bei Kelheim.

[47] Architekt Matthias Ferwagner, Rosenheim.

[48] Zurzeit ist Max Emanuel «Herzog in Bayern» der Besitzer von Brauhaus und Schloss Tegernsee sowie von Wildbad Kreuth, dem ehemaligen Klosterbad.

 

 

 

 

 

 

 


  Ehemalige Benediktinerabtei Tegernsee  
  «Aussicht gegen das Kloster Tegernsee - Vue du Couvent de Tegernsee en Bavière» von Johann Georg Dillis (del.) und Simon Warnberger (sc.).
Kolorierte Umrissradierung.
Verlegt in Mannheim bei Domenico Artaria (1756–1823).
Grösse 43 x 28,5 cm.
Aus einer Serie von 12 Blättern über Bayern, verlegt um 1803.

Source: Osterreichische Nationalbibliothek, dort mit falschen Bezeichnungen und falscher Datumsangabe 1823! (1823 sind die Gebäude schon sechs bis acht Jahre abgebrochen, die Ansicht würde nach 1803 nicht mehr mit Couvent/Kloster bezeichnet.
Provider: The European Library.

Bildvergrösserung durch Anklicken!
 
Ort, Land (heute) Herrschaft (18.Jh.)
Tegernsee, Bayern D Kurfürstentum Bayern

Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Freising 1678
Bauherr und Bauträger
Wenzl Abt Bernhard Wenzl (reg. 1673–1700)

Millon Abt Quirin Millon (reg. 1700–1715)

Guetrather Abt Petrus Guetrather (reg. 1715–1725)

Plaichshirn Abt Gregor I. Plaichshirn (reg. 1726–1762)

leer Abt Benedikt Schwarz (reg. 1762–1787)
 
  Tegernsee um 1803, kurz vor dem Abbruch grosser Teile der Benediktinerabtei. Ansicht aus Norden, von Johann Georg Dillis. > Zur Bildlegende.   pdf  
   
TegernseeGrRissBarock
Lageplan der Abtei Tegernsee um 1800. Für Vergrösserung (Legende) bitte anklicken!  
   
Tegernsee1644
Lageplan um 1644, nach Merian. Der Vergleich mit dem Barockzustand (oben) zeigt, dass vieles der ab 1678 konsequent durchgeführten Neubau-Planung städtebaulich vom Altkloster vorgegeben ist. Für Legende und Vergrösserung bitte anklicken. Die Nummerierung entspricht dem Merian-Stich (unten).  
TegernseeMerian1644
Das Kloster Tegernsee von Westen, in der Topographia Bavariae von Matthäus Merian 1644. Die Vergrösserung (bitte anklicken) zeigt die untere Bildhälfte mit den beiden Eckbildern und der Legende.  
> zum Gesamtplan Merian in mapy.mzk.cz  
TegernseeWening
1701 veröffentlicht Michael Wening in der «Historico Topographica Descriptio Bavariae» die Gesamtansicht des Benediktinerklosters Tegernsee. Der Kupferstich in der Grösse 71x26 cm basiert auf einem Gesamtplan, der Enrico Zuccalli zugeschrieben wird. Siehe dazu die Beschreibung im Text.  
TegernseeKirche1
Die Stiftskirche St. Quirin ist nach dem 1680 erstellten Nordflügel des Haupthofes (der heute abgebrochen ist) das erste Bauwerk des neuen Klosters. Antonio Riva baut die spätgotische Kirche 1684–1693 grundlegend um. Der Innenraum atmet trotz grossen klassizistischen Eingriffen, dank der Wirkung von Gewölbestuck und -Fresken, noch immer hochbarocken Geist.  
TegernseeGrRissKirche
Der Grundriss der Stiftskirche (bitte vergrössern) im heutigen Zustand. Erst 1817 wird die Kirche um den ganzen Psallierchor gekürzt und der heutige Westvorbau erstellt (hier blau angelegt). Der barocke Umbau fügt in die eher langweilige Tektonik der gotischen Kirche ein Querschiff ein und wiederholt die Langhausachsbreite auch im «Unteren Chor».
Vergleiche mit dem gotischen Grundriss im Lageplan 1644!
 
TegernseeKirche2
Die hochbarocken Stuckaturen sind ein Gemeinschaftswerk von Meistern aus dem Gebiet der oberitalienischen Seen und des Misox. Genannt werden als Stuckateure Giovanni Prospero Brenni, Nicolò Perti und Giulio Zuccalli.  
TegernseeKirche3
1689 beginnt Hans Georg Asam mit den Fresken im «Unteren Chor», im Langhaus und in der Vierung, nachdem er die Fresken im «Oberen»- oder Psallierchor schon 1687 gemalt hat. Altaroberbau und die Trennwand von 1817/23 verschliessen heute den Blick in den Psallierchor mit den Fresken von Asam.
Foto: Wikipedia by Kassandro.
 
TegrenseeKirche4
Hans Georg Asam signiert das Kuppelfresko der Vierung 1690. Er ist mit der Darstellung des «sotto in sù» noch nicht vertraut, weshalb der Maler Johann Carl Loth in Venedig um Vorzeichnungen für die Figuren des Heiligenhimmels angefragt wird. Es ist der erste Heiligenhimmel in kurbayrischem Gebiet, noch nicht von der Dichte und Kraft des Heiligenhimmels von Tencalla im Passauer Dom (1680), aber in seiner Leichtigkeit und Frische eine überzeugendes frühes Kuppelfresko eines deutschen Malers.  
TegernseeKirche5
Auf die Geschichte und Bedeutung von Tegernsee verweisen die beiden Fresken von Hans Georg Asam an den Seitenschiff-Westwänden. Sie sind an die Wand gemalte Belege für althergebrachte Rechte. Im südlichen Fresko (oben) ist die Wiederherstellung des Klosters durch die deutschen Kaiser und ihren Stiftungen dargestellt, wie auch die Inschrift  «RESTAURATIO ET ACCESSIONES MONASTERII PER IMPERATORES» bezeugt.  
> Zur Erläuterung des Bildinhaltes und des Bildaufbaus.
 
TegernseeKirche6
Ausschnitt aus dem Fresko «RESTAURATIO ET ACCESSIONES MONASTERII PER IMPERATORES». Hans Georg Asam stellt den Baubetrieb mit einzelnen neckischen Details dar. So löst sich dem unten arbeitenden Steinmetz der Hammerkopf genau in diesem Moment vom Stiel und fliegt ihm um die Ohren. Dies beobachtet, rückwärtsblickend und lachend, der zum Gerüst aufsteigende Pflasterbube. Ihm schwappt dafür der Mörtel auf die Hose. Auf dem Gerüst versetzen Maurer die Steinquader. Oben steht der dirigierende Bauleiter, mit einem Rock bekleidet und einen langen Stab haltend. Im Hintergrund bricht ein Arbeiter altes Gemäuer ab.  
TegernseeKirche7
Das zweite Wandfresko im nördlichen Seitenschiff ist mit «FUNDATIO ET INITIA MONASTERII CIRCA ANNUM DCCXIX» beschriftet. Es stellt also die Stiftung des Klosters Tegernsee mit dem Gründungsdatum 719 dar. In der Bildmitte sitzen die beiden adeligen Stifter Adalbert und Otkar. Sie übergeben einer Gruppe von Mönchen im linken Bildteil die Benediktusregel. Dies halten die Abtsinsignien für den Stifter und ersten Abt Adalbert bereit. Rechts wird von Pagen das Kirchenmodell präsentiert. Oben ist ein geviertetes Wappen zu sehen. 1 und 4 zeigt die blau-weissen Wittelsbacher Rauten, 2 und 3 in Blau einen goldenen Löwen. Das dem kurbayrischen Schild ähnliche Wappen ist als Stifterwappen eingesetzt, obwohl Wappen zu Zeit der Gründung nicht existieren. Auch die Übergabe der Benediktusregel ist anachronistisch. Sie wird frühestens Mitte des 8. Jahrhunderts eingeführt.  
TegernseeKirche8
Ein Deckenfresko der Vorhalle stellt das Martyrium und die Glorie des hl. Quirinus dar. Hans Georg Asam malt es 1693. Die Darstellung im volkstümlichem Barock zeigt den Heiligen, wie er von Engelchen begleitet auf einer Wolke zum Himmel auffährt, während unten die legendäre Enthauptung auf der Tiberbrücke in Rom stattfindet.  
TegernseeKirche9
Im Jahr 804 werden die Reliquien des hl. Quirinus feierlich in der 748 geweihten Klosterkirche St. Peter und Paul beigesetzt. Er wird später Hauptpatron der Kirche. Zum Weihejubiläum 1748 wird die Quirinuskapelle an das nördliche Seitenschiff angefügt. Die Stuckaturen und der Altar sind Wessobrunner Arbeiten (Johann Georg Üblher?), die Figuren von Johann Baptist Straub.
 
TegernseeKirche10
1823–1825 gestaltet Leo von Klenze die Kirche neu. Das Hauptaltarbild, vorher rund 13 Meter weiter östlich im Hochaltar des Psallierchors als oberer Teil des Doppelaltars sichtbar, wird jetzt in eine schwere klassizistische  Marmorretabel über den barocken Altarunterbau des «Unteren Chors» eingefügt. Dahinter wird eine Trennmauer hochgezogen. Das Altarblatt mit der Kreuzigung ist ein Werk von Hans Georg Asam. Er malt es um 1692 als Kopie eines nur wenig älteren Gemäldes von Johann Carl Loth, das dieser 1690 nach Tegernsee geliefert hat. Noch heute wird die Asam-Kopie als Werk des in Venedig wohnhaften Loth bezeichnet, so im «Dehio» 2006.  
TegernseeKirche11
Der Blick zur Empore und der Orgel zeigt noch einmal den Reichtum von hochbarockem Stuckkleid und Asam-Fresken.  Die Orgel passt nicht ganz dazu, obwohl ihr Prospekt noch barocke Formen nachahmt. Der Prospekt soll im Aufbau der Seitenteile noch von 1783 stammen, Ergänzungen und das gesamte Orgelwerk weisen das Baujahr 1980 auf.
Bildquelle: Wikipedia by mtag.
 
TegernseeKircheWest1803
Mit dem Umbau von Tegernsee zum Schloss überformt Leo von Klenze nach 1817 auch die Westfassade der Kirche. Wie die Doppelturmfront ohne diesen klassizistischen Eingriff heute aussehen würde, zeigt die Rekonstruktion in einer privaten Webseite von Dr. Georg Glonner, Tegernsee. Auch die weiteren Rekonstruktionen sind ein Besuch dieser Seite wert.
> Zum Beitrag Tegernsee von Dr. Georg Glonner.
 
Tegernsee1
Statt der wuchtigen Turmfront beherrscht heute ein mächtiger klassizistischer Fassadenvorbau, hinter dessen Terrasse die auf «Biedermeier» getrimmten Turmoberteile wie verloren wirken. Wie konnte der grosse Architekt Leo von Klenze nur eine derartige Fehlplanung begehen?  
Tegernsee2
Am vorspringenden südöstlichen Eckbau mit den ehemaligen Refektoriums- und Rekreationssälen kann trotz grosser Eingriffe nach 1817 noch immer der ehemalige barocke Charakter der Konventbauten abgelesen werden.  
Tegernsee1900
Tegernsee wird im 19. Jahrhundert zur eigentlichen Destination für den Sommeraufenthalt der Münchner Oberschicht. Noch um 1900 ist der Ort, der sich um das ehemalige Kloster entwickelt, noch immer wenig überbaut und lässt mit seiner Umgebung die romantische Sehnsucht nach idealer Natur nachvollziehen.
Bild: Fotochrom-Lithografie um 1900 aus der Sammlung der Library of Congress in Washington, D.C.
 
TegernseeGoogle
Wie diese Luftaufnahme von Google-Earth vom August 2012 zeigt, erinnert die Umgebung der ehemaligen Abtei nur noch südwestlich, an der Stelle des abgebrochenen grossen Hofs, an die romantische Verklärung des 19. Jahrhunderts. Die nördliche Hälfte des ehemaligen Klosterareals ist heute brutal überbaut oder besteht aus Parkplätzen, und selbst der nördliche ehemalige Konvent-Innenhof ist noch immer von unmöglichen Bauten belegt.  
Lageplan der Reichsabtei um 1800
Grundlagen:
Grundriss Aufnahme-Plan von 1825.
Umgebungsplan Johann Caspar Klickh 1747.

Für Vegrösserung und Legende anklicken.

Plan von Kirche und Kloster 1825, Ausschnitt.
Aufnahmeplan des Königlichen Rentamtes. Klosterarchiv Wettenhausen.
Foto: Andreas Beck, Bochum.

Tegernsee1803