Gründung nach 1100
Gesichert ist die Gründung in einem undatierten Stiftungsbrief des Augsburger Bischofs Hermann, der 1096−1133 regiert.[1] Stifter sind vermutlich die Edlen von Eberstall-Reisensburg, welche im Lehensverband mit den mächtigen Grafen von Berg einen Herrschaftskomplex in der südlichen Donauregion von der Günz bis zur Mündung des Lech aufbauen.[2] Die Grafen von Berg erhalten die Vogtei über die neugegründete Chorherren-Gemeinschaft. Graf Heinrich von Berg, ein staufischer Gefolgsmann, nennt sich 1218 Markgraf von Burgau. Wettenhausen liegt in der Mitte dieser neuen Markgrafschaft, die allerdings kein geschlossenes Territorium darstellt. 1301 erwirbt König Albrecht I. von Habsburg die Markgrafschaft als heimgefallenes Lehen und damit auch die Vogtei über Wettenhausen.
Abgewehrte Reformation und Reichskloster
Die Gründungsausstattung des Klosters hat sich inzwischen durch Schenkungen und Ankäufe zu einer ausgedehnten Grundherrschaft im unteren Kemmeltal vergrössert. 1412 wird die freie Vogtwahl gewährt, die Wettenhausen vorerst den Herren von Knöringen, nach 1469 der Reichsstadt Ulm und 1531 dem Fürstbischof von Augsburg überträgt. Ziel der Pröpste von Wettenhausen ist allerdings die Vogteiunabhängigkeit. Am Augsburger Reichstag 1566 erreichen sie mit der Aufnahme ins Prälatenkollegium und der Reichsstanderklärung ihr Ziel. Vorausgegangen ist diesem Erlass des Kaisers Maximilian eine gelungene Abwehr der Augsburger Reformation durch die Chorherren von Wettenhausen unter der Leitung des Propstes Georg I. Frey (reg. 1532−1552). Probst Jakob Flexlin (reg. 1605−1628) führt mit der Erweiterung des Ostflügels bis 1616 die bauliche Erneuerung fort, die mit dem Turm- und Chorneubau des Propstes Ulrich Hieber (reg. 1505−1532) begonnen haben. Der Dreissigjährige Krieg unterbricht die Bautätigkeit. Er führt zu grossen Verlusten in der Herrschaft. Am Ende des Krieges ist das Chorherrenstift mangels Einkünften praktisch verarmt. Es herrsche eine so entsetzliche Not, dass selbst die schwedischen Offiziere das Kloster bedauert hätten, schreibt der Propst 1649.
Probst Dionysius von Rehlingen
1658 wird der bis dahin im Augsburger Chorherrenstift Heilig Kreuz tätige Dionysius von Rehlingen zum Propst Wettenhausen postuliert.[3] Der gebildete und ausserordentlich an Mathematik und Baukunst interessierte Prälat wird auch als guter Ökonom geschildert.[4] Seine Aufbauarbeit in der Klosterherrschaft und im Konvent führt zu einer neuen Blüte. Dank ihr wird Propst Dionysius als «zweiter Gründer» des Klosters bezeichnet.[5] 1670 kann er mit dem grossen Klosterneubau beginnen. Er zieht den Vorarlberger Baumeister Michael Thumb für die Planung bei und erteilt ihm den Ausführungsauftrag. Es ist eines der ersten selbstständigen Werke und der erste Kirchenneubau des Schülers und Mitarbeiters von Michael Beer.[6] Die Wahl fällt auf den noch nicht berühmten Vorarlberger, weil er vorher in Landshut und Mindelheim als Palier wichtige Jesuiten-Neubauten geleitet hat. Propst Dionysius ist als Jesuitenschüler und Förderer der jesuitischen Spiritualität mit führenden Jesuiten befreundet. Der talentierte Nachfolger des 1666 verunglückten Michael Beer kann dem Propst nur durch Jesuiten vermittelt worden sein.[7]
Die Vorgängerbauten und ihre Ausstattung
Ein 1532 gemaltes Fresko im Chor, das Stifterbild des Ulmer Meisters Martin Schaffner, wird 1673 übertüncht, aber vorher getreu in Öl auf Leinwand übertragen. In einer illusionistisch gemalten, geöffneten Renaissance-Arkade ist die Stiftung des Klosters Wettenhausen gemäss der Klosterüberlieferung dargestellt. Die Gräfin von Roggenstein überreicht das Klostermodell der Muttergottes. Im Hintergrund ragt mächtig die Burg Roggenstein auf, links unten kniet Abt Georg I. Frey. Die Komposition ist noch dem Mittelalter verpflichtet, die Darstellung des Klosters aus Südosten ist aber sehr realistisch und zeigt die Gebäude nach Vollendung der Neubauten des Propstes Ulrich Hieber. Dieser erste Bauprälat und grosse Kunstliebhaber baut 1514−1520 den Turm, auf dem Stifterbild noch mit einem Spitzhelm über dem Oktogon des Glockengeschosses, und 1522−1523 den spätestgotischen Chor, der das alte romanische Langhaus überragt. Südlich der Stiftskirche sind die um den Kreuzgang angeordneten Konventbauten dargestellt. Es sind spätgotische Baukörper mit drei Geschossen. Der Ostflügel ist auf dem Gemälde mit einem Rundturm abgeschlossen und hat im ersten Obergeschoss einen bis zum Fluss auskragenden Latrinenausbau.
Die Kirche erhält zur Zeit des Propstes Ulrich Hieber auch eine sehr wertvolle Ausstattung an der Wende der Spätgotik zur Renaissance. Vor allem von zwei hervorragenden Ulmer Meistern um 1520, dem Maler Martin Schaffner und dem Bildhauer Niklaus Weckmann, sind Werke bis heute erhalten. Wertvoll sind die Teile ihres Hochaltars von 1524. Das plastische Mittelstück des mehrflügeligen Wandelaltars, eine Marienkrönung, wird um 1685 im barocken südlichen Querhausaltar wieder eingebaut. Die vier bemalten Flügel von Martin Schaffner kommen nach der Säkularisation in die Alte Pinakothek in München, wo sie heute im halbgeschlossenen Sonntagszustand zu bewundern sind.[8] Auch die Bildfolge eines in der romanischen Kirchenvorhalle aufgestellten Ölbergs der beiden Ulmer Künstler ist, falsch als «erster Wettenhausener Altar» bezeichnet, in Teilen in der Staatsgalerie Augsburg zu sehen.
Nach dieser ersten Bauphase im frühen 16. Jahrhundert folgt eine zweite Erneuerung der Klosteranlage unter Probst Jakob Flexlin. 1606−1617 baut er den Ostflügel, nun viergeschossig, als grosszügigen Umbau mit zwei Fassadentürmen, dem nordwärts gelegenen Treppenhausturm und einem südlichen Eckturm, dem heutigen Mittelturm. Auch der Südflügel erhält ein viertes Stockwerk und der nur zweigeschossige Westflügel wird mit dem «Musaeum», dem Studiersaal im Obergeschoss, neu erstellt. Im Innern lässt er die Decken von den Wessobrunner Stuckateuren Christoph und Jörg Schmuzer stuckieren.[9] Der Quadratur- und Felderstuck ist im Kapitelsaal, im Osttreppenhaus und im ehemaligen Musaeum noch erhalten. Mit der Datierung 1617 dürften sie die frühesten erhaltenen Wessobrunner Stuckdecken sein. Der Kirchturm erhält 1612 anstelle der gotischen Glockenstube mit Spitzhelm einen Oktogonaufsatz mit Zwiebelhaube.[10]
Die neue Stiftskirche und ihre Ausstattung 1670−1687[11]
Der Baumeister Michael Thumb
Als 1670 Propst Dionysius von Rehlingen ein halbes Jahrhundert nach der letzten Erneuerungsphase den Vorarlberger Michael Thumb als Baumeister verpflichtet, besteht die Stiftskirche aus dem Langhaus des 12. Jahrhunderts, wahrscheinlich von basilikalem Querschnitt, und aus dem neuen, höheren Chor von 1523. Das Schiff wird auch als Laienkirche benutzt.[12] Thumb fügt an den bestehenden Chor ein beeindruckendes Langhaus an. Es ist ein Tonnensaal mit ausladenden quertonnengewölbten Mittelquerarmen. Die durchgezogene hohe Tonne verwischt den Eindruck der mittebetonten Kreuzform, wie sie sich im Grundriss oder im Aussenbau abliest. Diese einfache Saallösung, die den Gewölbeschub durch die Querarme aufnimmt, wiederholt sich in späteren Bauten, vor allem bei Valerian Brenner.[13] Valerian Brenner dürfte auch der in Wettenhausen tätige Palier sein.[14] Auch die Aussenfassaden sind von hoher architektonischer Qualität. Schweif- und Volutengiebel zeichnen Querhaus und Westfassade aus. Der dreigeschossige Giebel der Westfassade ist zudem mit Figurennischen versehen. Diese der deutschen Spätrenaissance verpflichtete Giebellösung wird hier von Thumb wieder angewendet. Sie ist schon im Südgiebel des Ostflügels von 1617 vorhanden, vielleicht spielt auch der Eindruck der Augsburger Bauten von Elias Holl und Joseph Heintz ein Rolle.[15]
Wessobrunner Stuckateure
Bedeutenden Anteil an der Raumwirkung haben die reichen Stuckaturen an Gewölben und Wänden. Kannelierte Pilaster mit phantasievollen Gesimsen und Fensterarchitekturen mit Sprenggiebeln, im Chor durch Kartuschenstuck überhöht, prägen die Wandflächen. Blattschnüre akzentuieren die Stichkappengräte der Gewölbe.[16] Engelsplastiken verbinden die Stäbe mit den Gewölbespiegeln, diese wiederum sind mit Rollwerk und Kartuschen bereichert. Kartuschenrahmen in den Stichkappenfeldern setzen weitere Akzente. Auffallend ist die sehr gezähmte Verwendung des Akanthus. Die Meister sind Wessobrunner. Sie erstellen die Stuckaturen vor der Orgelinstallation 1679 und damit zeitgleich mit denjenigen im Kreuzgang, von denen sie sich nur wenig unterscheiden. Der dort vermutete Matthias Schmuzer II, ein Bruder des berühmten Johann Schmuzer, könnte deshalb auch in der Kirche gewirkt haben.[17] Aber erst 1685 werden mit den in Wettenhausen sesshaft gewordenen Christoph Gigl und Georg Vogel I wieder Namen von Wessobrunner Stuckateuren genannt.[18]
Vielleicht ist Michael Thumb für die Pilaster- und Fensterarchitektur selbst mitplanend tätig.[19] Für den Deckenstuck könnte nebst Propst Dionysius auch der unbekannte Entwerfer der Emblemrahmungen im «Mundus Symbolicus» des Wettenhausener Chorherrn Augustin Erath Anregungen geliefert haben.[20]
Der Maler Johann Georg Knappich
In die Gewölbespiegel und in die Stichkappen-Kartuschen malt der Augsburger Johann Georg Knappich Deckenbilder, drei kleinere im Chor, drei Medaillons am Chorbogen, vier grössere Deckengemälde im Schiff und unter der Empore, sowie sechs Kartuschen-Medaillons in den Stichkappen.[21] Sie werden als Fresken bezeichnet, müssten damit zusammen mit den Stuckarbeiten um 1679 entstanden sein und würden so einen den frühesten Freskenzyklus eines deutschen Malers darstellen.[22] Ob allerdings Knappich in der sicheren und haltbaren Technik des «al fresco» in den frischen Putz malt, oder ob er wie die Embleme im Kreuzgang in Kaseinfarben «al secco» arbeitet, ist unbekannt. Denn die Gemälde werden 1892, nun mit Sicherheit in Kaseinfarben-Technik, stark überarbeitet.[23] Auch das Hochaltarblatt der himmelfahrenden Maria stammt von Knappich. Es ist eines der ersten gesicherten Werke des Augsburger Malers und weist in Komposition und Farbe schon in den Spätbarock. Die Seitenaltarblätter, zwischen 1680 und 1685 gefertigt, sind Werke des ebenso berühmten Augsburger Malers Johann Heiss, während das Blatt des nördlichen Querhausaltars 1694 von Matthias Pusjäger gemalt wird.[24] Auch die Altäre sind nach Entwürfen von Knappich gefertigt. Ihr prunkvoll vergoldeter bildhauerische Dekor kann aber die Schwächen der steifen, nach frühbarocken Vorbildern gefertigten Schreinerarchitektur nicht verbergen.[25] Dies gilt nicht für den kostbaren Retabel des südlichen Querhausaltars. Er lebt von der Bildhauerarbeit der hier wieder eingesetzten Marienkrönung aus dem Mittelteil des Wandelaltars von 1524.
Der Holzbildhauer Ferdinand Zech
Weitere, nun wirklich hochbarocke Bildhauerarbeiten sind die Kanzel, der Orgelprospekt, das Emporengitter, und das Kirchen- und Chorgestühl. Es sind alles hervorragende Werke des Holzbildhauers und Kunstschreiners Ferdinand Zech.[26] Er erstellt vorgängig auch die Schreinerarbeiten in der Sakristei. Das Chorgestühl, eine noch reichere Arbeit als die beiden intakt verbliebenen Stallengestühle in den Abseiten, ist im 19. Jahrhundert verstümmelt worden. Die Kanzel ist ein besonderes Meisterwerk der hochbarocken Bildhauerkunst, sicher nicht 1670, sondern wie alle Kunstschreinerarbeiten in Wettenhausen zwischen 1677 und der Einweihung 1687 entstanden.[27] Der vergoldete Orgelprospekt, mit 1679 datiert, und die gleichzeitig erstellten Brüstungsgitter sind ebenfalls Arbeiten von Ferdinand Zech. Die Orgel ist in der 1678 erschienenen Erstausgabe der Übersetzung des Werkes «Mundus symbolicus» bereits abgebildet.[28] Dies führt auch zur Frage, ob der unbekannte Entwerfer der dort gedruckten Darstellungen nicht sogar auch für Entwürfe der Holzbildhauerarbeiten und des Orgelprospektes in Frage kommt.[29] Das barocke Werk der Orgel, ursprünglich vom Orgelbauer Paul Prescher aus Nördlingen geliefert, wird 1901 durch ein neues romantisches Orgelwerk mit 21 Registern ersetzt.[30] Irritierend an der Emporenbrüstung ist das noch hochbarocke Wappen des Propstes Augustin Bauhof, der 1755−1776 regiert und dem die Stiftskirche nur die Rokoko-Beichtstühle zu verdanken hat. Das fast ungezügelte Spiel mit der Rocaille in den schwungvollen Naturholzgehäusen, hochstehende Werke eines unbekannten Meisters, wird mit eingelegten dreipassförmigen Ölbildern noch gesteigert. Die Bilder mit Kreuzwegstationen und Marienszenen stammen wahrscheinlich von Johann Baptist Enderle.[31]
Baumeister Michael Thumb
Am Volutengiebel der Prälatur ist die Jahreszahl 1690 angebracht. Der um drei Fensterachsen vorstehende Mittelrisalit mit den Repräsentations- und Wohnräumen des Prälaten ist der letzte Neubau der Bauvorhaben des Propstes Dyonisius an der dreiflügeligen Konventanlage. Der Bautrupp Thumbs unter der Leitung des Paliers Valerian Brenner beginnt bald nach 1670, dem Beginn der Arbeiten an der Stiftskirche, mit den beiden Flügelverlängerungen.[32] Der Ost- oder Gartenflügel, noch 1607−1617 aufgestockt, wird um sechs Fensterachsen oder 20 Meter nach Süden verlängert. Der zum Hof gerichtete Südflügel, ebenfalls bis 1617 aufgestockt, wird um 17 Fensterachsen oder 60 Meter nach Westen verlängert. Beide Flügel erhalten abschliessende Ecktürme in Angleichung an den Ostflügel-Eckturm von 1617, der jetzt mittlerer Fassadenturm wird. Die beiden Schaugiebel sind ähnlich der Kirchengiebel und gleich wie die Vorgängerbauten von 1617 als dreigeschossige Schweif- und Volutengiebel ausgeführt.[33] Mit der zehn Jahre jüngeren, 1690 an den alten Südflügel angefügten Prälatur wird Repräsentationswille gezeigt. Die Erschliessung dieses Mittelrisalites geschieht durch den Umbau des bis 1670 den Südflügel abschliessenden Saales in einen Vorraum. Dieses sogenannte Vestibül bildet einen eigentlichen Verkehrs-Schaltraum in drei Richtungen. Im Äussern ist das Prälaturgebäude durch Geschossteilungen mit Gesimsbändern, durch Fensterverdachungen im Wechsel von Segment- zu Dreieckgiebel und mit einem nun ausgeprägt barocken Schaugiebel mit kräftigen Voluten als besonderes Gebäude hervorgehoben.
Die Stuckaturen der Konvent- und Gastflügel
Die Gänge, Vorplätze und die repräsentativen Räume sind mit prachtvollen und hochplastischen Stuckaturen versehen. Sie zeigen, beginnend im Kreuzgang und fortgesetzt in den Obergeschossen, die Entwicklung des Wessobrunner Stuckes am Ende des 17. Jahrhunderts und markieren auch den Führungswechsel in Wettenhausen. 1692 tritt Friedrich I. Vogel die Nachfolge des verdienstvollen Propstes Dionysius von Rehlingen an. Noch unter Propst Dionysius werden der Kreuzgang, die Gänge im Ostflügel und die Gänge der Obergeschosse im alten Teil des Südflügels stuckiert. In die Gewölbespiegel des Kreuzgangs lässt er einen emblematischen Gemäldezyklus von 24 ovalen Deckengemälden malen. Auch für die stuckumrahmten freien Deckenspiegel der Obergeschosse gibt er das Thema der meist allegorischen Gemälde vor. Als Maler werden Johann Georg Knappich und Paul Etschmann vermutet.[34] Der Stuck dieser ersten Phase unter Propst Dionysius wird dem Wessobrunner Matthias Schmuzer II zugeschrieben. Wie in der Kirche verwendet dieser das Akanthusmotiv anfänglich noch sehr zurückhaltend. Ein Wechsel findet in den Vorplätzen und den weiteren Gängen der Obergeschosse im Südflügel und in der Prälatur statt. Deren Deckenstuck, nun unter der Regierung des neuen Propstes Friedrich I. Vogel von 1692 bis 1695 erstellt, verwendet das Motiv der Akanthuspflanze flächendeckend und hochplastisch. Schön ist dies im Vestibül des ersten Obergeschosses zu sehen, das bereits voll dem plastischen Akanthus verpflichtet ist, während der durchlaufende Gang das Motiv noch recht gezähmt verwendet. Beides sind hochbarocke Wessobrunner Arbeiten, einmalig, und zeigen den schnellen Wechsel der Wessobrunner zum expressiv hochplastischen Stuck, der mit den gleichzeitigen Stuckaturen des Johann Schmuzer in der Abtei Wessobrunn verwandt ist.[35] Als Meister werden Matthäus Gigl I und Hans Jörg Brix genannt. Matthäus Gigl I ist auch der Schöpfer aller Stuckmarmorarbeiten.[36] Brix, ein Schüler des inzwischen verstorbenen Matthias Schmuzer II, heiratet 1693 in Augsburg dessen Tochter.[37] Er ist namentlich für die Stuckarbeiten in den Räumen der Prälatur und in deren Vorplätzen des zweiten und dritten Obergeschosses erwähnt. Sein Hauptwerk in Wettenhausen ist der Deckenstuck des Kaisersaals.
Der emblematische Gemäldezyklus im Kreuzgang
1653 erscheint in Mailand das umfangreiche Emblembuch «Mondo Simbolico» im Druck. Verfasser ist der Augustinerabt Filippo Picinelli.[38] Das Werk ist Grundlage des um 1680 entstandenen Zyklus in der Stuckdecke des Kreuzgangs. Es wird 1678 wird durch den Wettenhausener Chorherrn P. Augustin Erath ins Lateinische übersetzt und mit neuen Illustrationen versehen, deren Rahmenwerk mit den gleichzeitigen Wettenhausener Stuckaturen und Bildhauerarbeiten übereinstimmt. Das Emblembuch des P. Augustin Erath erscheint in den folgenden Jahren in elf Auflagen, was seine Wichtigkeit für die barocke Vorliebe für verschlüsselte Sinnbilder zeigt. Der Kreuzgang, aber auch die Sinnbilder in den Gängen der Konventgeschosse legen dafür Zeugnis ab. Die Vorgaben stammen vom Propst Dionysius und seinem in Wettenhausen wissenschaftlich wirkenden Chorherrn P. Augustin Erath.
Der Kaisersaal
Der im zweiten Obergeschoss des Gästeflügels liegende Saal belegt die volle Gebäudebreite und zwei Stockwerke. Er wird von Propst Friedrich I. Vogel bis 1695 vollendet. Seine Bestimmung als Verherrlichung der Casa de Austria, wie das spanisch-habsburgische Kaiserhaus sich selbst nennt, ist in den Deckenbildern des Paul Etschmann ablesbar. Das Programm der zehn um das Mittelbild angeordneten ovalen Deckenbilder dürften auch hier noch auf Propst Dionysius und P. Augustin Erath zurückgehen. Das grössere ovale Mittelbild ist ein Lobpreis auf Austria, die auf einem Wolkenthron schwebt und die Huldigungen der Erdteile entgegennimmt. Die zehn kleineren Deckenbilder verherrlichen das Kaiserhaus durch Inschriften und mit den entsprechenden Attributen.[39] Die Bilder sind von einem üppigen, tief hinterschnittenen und naturalistisch geformtem Akanthusstuck umflossen, der in seiner Expressivität schon überspitzt wirkt. Es ist das Hauptwerk von Hans Jörg Brix, der die Decke 1694 erstellt. Er arbeitet in Wettenhausen mit Giovanni Prospero Brenni zusammen, der als Schöpfer der vollplastischen Engelsfiguren an der Decke gilt.[40] Die plastische Wirkung des Stuckes wird durch die kräftige Blaufassung des Deckengrundes, deren Intensivität irritiert und sicher nicht ursprünglich ist. Der heutige Saaleindruck wird nicht nur durch diese Überbetonung gestört, es sind vor allem die kahlen Wände, die nicht zum Reichtum der Decke passen. Tatsächlich sind um 1820 durch Zwischenböden-Einbauten für die Getreidelagerung die Malereien und der Stuck der Fensterwände zerstört worden, die heute kahlen Stirnwände haben nach der Säkularisation ihre Gobelins verloren und auch der ursprüngliche gestaltete Steinboden ist einem modernen Holzparkett gewichen.
Noch vor den einschneidenden Kriegsereignissen des Spanischen Erbfolgekrieges ist Wettenhausen baulich vollendet. Wenig wird im 18. Jahrhundert verändert. Erwähnenswert sind die Neustuckierungen der Régencezeit im dritten Obergeschoss des Südtraktes und im Prälatenzimmer des ersten Obergeschosses. Einschneidend ist die Neugestaltung der Bibliothek im zweiten Obergeschoss des Südflügels, einem zweigeschossigen Pendant zum Kaisersaal, die 1795 ausgeführt wird. Noch sind die umlaufenden Emporengalerien mit ihren feinen Stuckmarmorsäulen und auch der Stuck vorhanden, sodass trotz der 1880 erfolgten Umgestaltung in eine Hauskapelle der klassizistische Bibliotheksaal noch erahnt werden kann. Verschwunden ist allerdings die letzte grosse Freskoarbeit von Johann Baptist Enderle. Ihr Zustand nach der jahrzehntelangen Vernachlässigung des Gebäudeunterhalts zwischen Säkularisation und dem Einzug der Dominikanerinnen gibt 1883 Anlass zu einer Neuschöpfung im nazarenischen Stil.
Ein 1759 veröffentlichter Stich zeigt unter dem Porträt des Prälaten Augustin Bauhof die Vogelschauansicht des Klosters von Osten gesehen. Sehr detailliert beschreibt sie jedes einzelne Gebäude. Nicht dargestellt sind die ausserhalb der Klostermauer liegenden Bauten entlang der heutigen Dossenberger Strasse, die meist schon im 17. Jahrhundert als Dienstgebäude oder Gasthäuser durch das Kloster gebaut werden. Wir finden sie auf einem 1747 entstandenen Grundriss von Wettenhausen des Geometers Johann Caspar Klickh. Beide Darstellungen zeigen übereinstimmend die Kernanlage der Konventflügel mit der Kirche und dem südlichen grossen Klosterhof, der dem kleinerer Hof vorgelagert ist. Der einzige Zugang ins Klosterareal erfolgt durch ein Torgebäude im Westen. Eine mit Rundtürmen bewehrte Klostermauer umschliesst die Anlage und die Konventgärten jenseits der Kammel. Die Gärten sind durch eine Brücke in der Achse des Ostflügel-Treppenhauses erreichbar. Eine weitere Brücke verbindet den Wirtschaftshof mit dem Sägereihof. Die Klosterlandschaft verändert sich im 18. Jahrhundert nicht mehr und ist, wie im Stich von 1759 beschrieben und im hier dokumentierten Lageplan dargestellt, im wesentlichen schon um 1690 in dieser Form gebaut.
Der Klosterhof, flächenmässig grösser als die eigentliche Konventanlage, ist mit Wirtschaftsbauten gefasst, die gleichzeitig mit dem Klosterbau im 17. Jahrhundert entstehen. Entsprechend der ihn umgebenden Gebäuden ist der Platz funktional in zwei Hälften getrennt. Der nördliche Teil dient als Zugangsfläche zum Südflügel des Klosters. Die Nutzungen der begrenzenden Gebäude, dem Torgebäude mit den anschliessenden Wohn- und Speicherbauten im Westen und der Brauerei und Mühle im Osten sind wenig störend. Die südliche Platzhälfte ist mit Werkstätten und den Stallgebäuden umgeben, welche auf die Nutzung des Innenhofes angewiesen sind. Um 1740 wird ein weiterer Hof angefügt und damit die Schaf- und Schweinehaltung noch weiter nach Süden verlegt.[41] Die Pferdeställe verbleiben im grossen Hof. In der Platzmitte ist der schon 1681 im Emblembuch «Mundus Symbolicus» veröffentlichte Fontänenbrunnen zu finden. Noch ist die Gesamtstruktur dieser Gebäude ablesbar. Aus der Bauzeit von 1670−1680 sind aber nur noch das Brauerei- und Mühlegebäude und Teile des westlichen Strassenflügels erhalten, und selbst diese sind hofseitig stark verändert. Während die Strassenfassade in einer Aufschüttung von 1970 förmlich «versäuft» und auch die Toreinfahrt deshalb nicht mehr benutzbar ist, ist die Architektur von Michael Thumb mit den typischen Rundfenstern an der südlich der Brücke gelegenen Ostfassade noch schön sichtbar.
1802 nimmt der bayrische Kurfürst das Reichsstift Wettenhausen in seinen Besitz. 5400 Untertanen erhalten eine neue Herrschaft. Der Reichsprälat Friedrich II. Raab, der seit 1788 regiert, und die 30 Chorherren erhalten Pensionen.[42] Der letzte Konventuale der Gruppe, die in Wettenhausen verbleiben, stirbt 1825. Die Klosterkirche, nun im Besitz Bayerns, bleibt Pfarrkirche. Der restliche Besitz wird versteigert. Durch Zufall wird von einem Kunstkenner der Wert der vorreformatorischen Altarblätter des Wandelaltars von Martin Schaffner bemerkt, sie entgehen wie die wertvolleren Bücher der Bibliothek den Versteigerungen. Die Konventgebäude finden keinen Käufer, entgehen aber dem sonst üblichen Abbruch und werden mit diversen Neunutzungen belegt, welche bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Unterhalts wichtige Räume zerstören. So wird der Kaisersaal als Getreidespeicher mit Zwischenböden unterteilt, die ausgeräumte Bibliothek ist Wäscheraum und das Refektorium wird als Schweinestall genutzt. Eine Wende bringt das Jahr 1865. Augsburger Dominikanerinnen ziehen ein und nutzen die Räume wieder als Kloster, verbunden mit einer Lehrerinnenbildungsanstalt. Sie betreiben auch die Klosterökonomie, deren Gebäude vielfach umgebaut werden. 1875 wird das Klostertor, 1884 der Südflügel des Wirtschaftshofes neu gebaut. Eine Bausünde dieser Zeit ist der Abbruch der südwestlichen Eckgebäude des Hofes zur Schaffung einer neuen Zufahrt, des heutigen unwürdigen Haupteingangs. Auch der Abbruch der alten Klostermauern ist zu bedauern, vor allem weil der neue Betonmauerverlauf ein bedeutend vergrössertes Areal einfasst. Den Dominikanerinnen ist es aber gelungen, die wichtigen Hauptgebäude unversehrt in die Gegenwart zu retten und sie mit viel Aufwand sachgemäss zu restaurieren. Leider geht auch ihr Einsatz zu Ende, denn die nur noch zehn Schwestern suchen zusammen mit einer Stiftung nach Investoren für eine Neunutzung des Klosters.
Pius Bieri 2012
Benutzte Einzeldarstellungen:
Winbeck, Sr. Katharina und Rank, Gertrud: Kloster Wettenhausen. Lindenberg 2011.
Winbeck, Sr. Katharina: Die Säkularisation des geistlichen Reichsstifts der Augustiner-Chorherren Wettenhausen. Günzburg 2012.
Von Hagen, Berndt und Wegener-Hüssen Angelika: Denkmäler in Bayern, Band VII.91/1, Landkreis Günzburg. München 2004.
Wartena, Sybe: Die süddeutschen Chorgestühle von der Renaissance bis zum Klassizismus. München 2008.
Links:
Wikipedia: Emblematischer Gemäldezyklus in Wettenhausen
Anmerkungen:
[1] Die Klosterüberlieferung und deren unreflektierte Übernahme durch Historiker sieht die Gründung gegen 200 Jahre früher. Es wird ein Gründungsdatum von 982 genannt und als Stifterin eine Gräfin Gertraut von Roggenstein aufgeführt. Beides ist wahrscheinlich erfunden, sicher aber nicht belegt. Zwar sind Regularkanoniker-Stifte schon im 9. Jahrhundert bekannt. Neugründungen ausserhalb von Siedlungen und Städten werden aber zur Zeit der ottonischen Kaiser meistens der Benediktinerregel unterstellt. Die Augustinusregel wird erstmals 1067 in Reims angewandt. Fast alle Augustiner-Chorherren-Stifte im deutschsprachigen Raum sind Gründungen des 11. und 12. Jahrhunderts. Auch die legendären Stifter sind fragwürdig. Das Niederadelsgeschlecht Roggenstein mit Sitz bei Wettenhausen taucht erstmals im 12. Jahrhundert auf, es ist aber weder ein Grafengeschlecht noch ist eine Gertraut urkundlich nachgewiesen. Das Motiv dieser Gründungserfindung dürfte im Nachweis von altem Herkommen im Kampf gegen die Territorial- und Vogteipolitik Vorderösterreichs liegen.
[2] Die Edlen von Eberstall sind im 12. Jahrhundert welfische, später staufische Vasallen mit Herrensitzen in Eberstall, Reisensburg und Burgau. Mit den Grafen von Berg, deren Spross Heinrich III. Anfang des 13. Jahrhunderts als Markgraf Heinrich I. die neue Markgrafschaft Burgau gründet, und auch mit den Herren von Reisensburg bilden sie einen Familien- und Lehensverband. Sie sterben im 14. Jahrhundert aus.
[3] Dionysius von Rehlingen, geboren 1610 in Augsburg, Doktor der Theologie und der Philosophie, ist seit 1646 Dekan in Heilig Kreuz. Er stirbt 1692 in Wettenhausen.
[4] In: Veith, Franciscus Antonius: Bibliotheca Augustana, Alphabetum X, Seite 197−199. Augsburg 1793. Die Baukunst wird damals im Rahmen der Mathematik gelehrt.
[5] Quellen, wie die handschriftlichen 10-bändigen «Annales» (1684–1783) und Chronologia Wettenhusana (1632) über Personen und Leistungen während und nach dem Dreissigjährigen Krieg wären vorhanden, sind aber bis heute nicht ausgewertet worden.
[6] Michael Thumb (um 1640−1690) aus Bezau im Bregenzerwald, Schüler und Mitarbeiter von Michael Beer (um 1605−1666). Thumb vollendet nach dem Tod von Michael Beer das Jesuitenkolleg in Landshut. Als ersten selbstständigen Auftrag vollendet er für die Jesuiten in Mindelheim 1668−1671 einen bereits 1630 begonnenen Kollegienneubau.
[7] Die Verbindung des Bauherrn und des Baumeisters zu den Jesuiten lässt keinen anderen Schluss zu. Michael Beer baut nur in Kreuzlingen 1665−1668 für Augustiner-Chorherren, aber hier ist Michael Thumb nicht Palier. Wichtiger ist die Verbindung nach Luzern. Dort planen Beer und Thumb 1665 für die Jesuitenkirche und liefern ein Modell. Das heutige Bauwerk ist allerdings dem Jesuitenbruder Heinrich Mayer zu verdanken, der dann nochmals in Ellwangen-Schönenberg Michael Thumb als Planer ablöst. Auch die Kirche Obermarchtal entsteht nach einem Modell und Plänen von Br. Heinrich Mayer SJ, Michael Thumb ist hier nur ausführender Meister.
[8] Der plastische Mittelteil, die Krönung Mariä, ist im Sonntagszustand durch die beiden Mitteltafeln der Darstellung im Tempel und der Sendung des Heiligen Geistes verdeckt. Siehe dazu die beiden Führer von Sr. Katharina Winbeck OP.
[9] Christoph Schmuzer (1561−1647) mit seinem Sohn Jörg (geb. 1602), vielleicht aber auch mit Bruder Jörg (1575–1645). Der Auftrag in Wettenhausen ist im Lexikon der W. (Schnell / Schedler) nicht erwähnt
[10] Nach Führer 2011. Ob dies bereits das heutige dreigeschossige Oktogon ist, lassen andere Darstellungen offen.
[11] Grundsteinlegung 1670. Einweihung am 27. April 1687. Alle Zwischendaten sind bis heute nicht erforscht, obwohl mit den Methoden der Dendrochronologie exakte Fälldaten der Konstruktionshölzer der noch originalen Dachstühle und Balkendecken in kürzester Zeit abrufbar wären. Damit könnten bisherige abenteuerliche Datierungen korrigiert werden
[12] Es bestehen keine Hinweise auf eine Trennung vom Laienraum zum Chor.
[13] Die gleiche Lösung ist in Grafrath (Thumb, Brenner), in Biberbach, Hohenrechberg und Birenbach (alle Brenner). Die Bezeichnung des Tonnensaales als Wandpfeilerkirche (Georg Paula im Dehio «Schwaben») ist für wandverstärkende Pfeiler ohne Quertonnenausbildung irreführend.
[14] Valerian Brenner (1652−1715), seit 1687 in Augsburger Diensten, 1692 «Fürstbischöflich Augsburgischer Baumeister» ist Schüler von Michael Thumb und in Wettenhausen wahrscheinlich seit 1670 Palier.
[15] Die damaligen Architekturtraktate kennen diese deutschen Giebel nicht. Sie sind aber beliebt und schon der welsche Baumeister Tommaso Comacio muss sie 1668 in Zwiefalten anwenden. Sie werden ein Markenzeichen der Bauten von Valerian Brenner. Michael Wiedemann verwendet sie 1695 in Neresheim. Wir finden sie an den Vorarlberger Klosterbauten von Obermarchtal, Gengenbach, Salem, nur um einige zu nennen.
[16] Die Blattschnüre sind im Chor vegetativer als im Schiff gestaltet.
[17] Matthias (Matthäus) Schmuzer II (1636−1686) von Wessobrunn, seit 1664 in Augsburg. Hans Jörg Brix (1665−1742), der spätere Wettenhausener Stuckateur, macht bei ihm die Lehre und heiratet 1693 seine Tochter.
[18] Christoph Gigl (um 1650/60−1715) und Georg Vogel (um 1650/60−1701) aus Wessobrunn, wohnhaft in Wettenhausen, werden 1685 genannt. Die Arbeiten im Langhaus müssen aber schon vor 1679 beendet sein, denn in diesem Jahr wird der Orgelprospekt aufgestellt. Will man den sehr oberflächlichen Forschungen zu Wettenhausen glauben, haben die in den Konventräumen tätigen Matthäus I Gigl (ab 1692) und Hans Jörg Brix (ab 1694) die Stuckaturen der Kirche «fertiggestellt». Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass ein Jahrzehnt nach der Fertigstellung der empfindlichen Ausstattung (Orgel, Altäre, Gestühl) nochmals für Stuckaturen eingerüstet wird.
[19] Die Annahme in «Denkmäler in Bayern, Landkreis Günzburg», dass Michael Thumb der Entwerfer aller Stuckarbeiten sei, entbehrt jeder Grundlage, vor allem, weil von ihm wie auch von allen Nachfolgern keine Stuckarbeiten bekannt sind.
[20] Augustin Erath (1648−1719) gibt 1678 die erste deutsche Übersetzung des Werkes «Mundus Symbolicus» von Filippo Picinello heraus. Darin sind viele Stiche enthalten, deren Rahmenwerk sich in Stuck und Bildhauerarbeiten wiederfinden. Zum Werk von Augustin Erath siehe auch die Anmerkung 38.
[21] Johann Georg Knappich (1637−1704), Maler in Augsburg. Lehrmeister von Johann Jakob Herkomer, Johann Heel und Johann Rieger, auch Entwerfer von Stuck und Altären.
[22] Andreas Asper in Kempten 1669. Georg Asam 1683 in Benediktbeuern. Johann Anton Gumpp 1685 in Lustheim.
[23] Maler ist Leonhard Thoma (1864−1921) von Fischach bei Augsburg. Er ist neubarocker Kirchenmaler (Werke in Arth bei Schwyz, Fahr bei Zürich) und arbeitet an den Decken ausschliesslich mit Marmor-Kaseinfarben. Siehe dazu «Die Christliche Kunst» Jahrgang 1914, Seite 257−279.
[24] Johann Heiss (1640−1704) aus Memmingen, Schüler von Hans Conrad und Johann Sichelbein, in Augsburg tätig. Matthias Pusjäger (1654−1734) aus Rottenbuch, Schüler von Carl Loth, tätig in Meran.
[25] Die Altäre sind die einzigen Elemente mit Stilverspätung in der Kirche von Wettenhausen, vergleicht man mit den gleichzeitigen Arbeiten der Jesuiten oder mit dem zehn Jahre älteren Hochaltar von Kaisheim. Vorbilder sind Altäre um 1620 bis 1640, wie derjenige von Steingaden, oder Vorlagebücher dieser frühbarocken Periode. Vergleiche dazu auch die Vorlagen von Gabriel Krammer um 1615/45 (urn:nbn:de:bvb:12-bsb00050373-7) oder die hochbarocken Altarentwürfe von Br. Heinrich Mayer SJ und Br. Johannes Hörmann SJ (urn:nbn:de:bvb:12-bsb00056341-1).
[26] Ferdinand Zech, um 1645 in der Herrschaft Bregenz geboren, lässt sich um 1665 in Thannhausen bei Krummbach nieder. Nach Wettenhausen erstellt er 1686−1688 das Chorgestühl von Ochsenhausen.
[27] Die Datierung 1670 wiederholt sich in der kunsthistorischen Literatur, obwohl Holzarbeiten sicher nicht vor Beendigung der Stuckarbeiten und Malerarbeiten (um 1679) in die Kirche kommen.
[28]Seite 84-85 in der Erstausgabe 1678, hier noch auf zwei Blättern, die gleiche Orgel auch auf Seite 239 in «Mundus Symbolicus, Tomus Secundus» von Filippo Picinello, übersetzt vom Wettenhausener Chorherr P. Augustin Erath, Ausgabe 1681.
[29] Nach Sybe Wartena, die dies für die Stallen vermutet.
[30] Ursprüngliches Werk von Paul Prescher (1628−1695) aus Zittau, Orgelbauer in Nördlingen. Ersatz 1901 durch Maerz und Sohn, München. Die Orgel mit 21 Registern (II+P) hat neu eine pneumatische Traktur. Der Prospekt von 1679 wird 1901 nicht verändert.
[31] Johann Baptist Enderle (1725−1798) arbeitet um 1763 für Wettenhausen in Hammerstetten.
[32] Die Tätigkeit von Valerian Brenner ist für Wettenhausen quellenmässig nicht belegt (Zuschreibung Franz Dieth und Norbert Lieb).
[33] Nur die Westfassade des Südflügels ist ursprünglich. Die Südfassade des Ostflügels ist seit 1890 durch neue Fensterformen verändert.
[34] Johann Georg Knappich (1637−1704), siehe auch: Die neue Stiftskirche und ihre Ausstattung.
Die Lebensdaten von Paul Etschmann, der 1693 in Wiblingen arbeitet, sind nicht bekannt.
[35] Die Stuckaturen der Kirche (vor 1679) und des Kreuzganges gehören zur gleichen Schaffensperiode von Wessobrunner Stuckateuren, die mit dem Akanthusstuck (1692–1695) ihren Höhepunkt und ihr gleichzeitiges Ende erreicht. Schon um 1700–1710 gehen die Wessobrunner zum Reduktions- und Aufspaltungsstil der Régence über und leiten damit den Spätbarock ein. Die hochplastischen Arbeiten in der Kirche und im Kreuzgang stehen deshalb am Anfang einer kurzen Wessobrunner Hochbarock-Periode, sie um 1670 unter dem Einfluss der italienischen Stuckateure einsetzt und spätestens 1710 endet. Hingegen ist der Quadraturstuck von 1617 im Ostflügel und im Museaum eine Wessobrunner-Arbeit am Anfang des Frühbarocks.
[36] Matthäus Gigl I (auch der Ältere genannt). Ausser seiner Heirat 1684 in Kempten sind keine Lebensdaten bekannt.
[37] Johann Georg Brix (um 1665−1742), auch Hans Jörg Brix genannt, aus Öttingen, arbeitet in Augsburg bei Matthias Schmuzer I.
[38] Filippo Picinelli (1604−1686). Das Werk hat sofort Auswirkungen nördlich der Alpen. Schon 1654 wird nach seinen Emblembeschreibungen der berühmte Bilderhimmel der Wallfahrtskirche von Hergiswald bei Luzern geschaffen. Das Original ist abrufbar unter <https://archive.org/details/mondosimbolicoos00picii>. Die Erstausgabe der Übersetzung mit den Abbildungen von Wettenhausen erfolgt 1678 bei Bencard Dillingen. Das Original der Erstausgabe 1678 ist als Digitalisat der Bayrischen Staatsbibliothek abrufbar. > zum Digitalisat.
[39] Die Inschriften, beginnend bei den Bildern an der Eingangsseite, lauten: AUSTRIA AMORE REGIT SUBDITOS (Austria regiert seine Untertanen mit Liebe, wenn sie untertänig sind). AUSTRIA TIMORE SUBIUGAT REBELLES (Austria unterjocht die Rebellen durch Furchteinflössung). AUSTRIA PIETATE IN EUCHARISTIAM IMPERIUM ADEPTA (Austria erreicht seine Herrschaft durch Ehrfurcht gegenüber dem Altarsakrament). AUSTRIA CONSILIO VINCIT HOSTES (Austria siegt durch Diplomatie über seine Feinde). AUSTRIA INDUSTRIA SUMMOS HONORUM ADUSCONCENDIT (Austria erreicht seine höchsten Ehren durch Fleiss). AUSTRIA PER ADVERSA ET ASPERA CRESCIT (Austria wächst durch Gegnerschaft und Widerwärtigkeiten). AUSTRIA IUSTITIA CUNCTA LAUDABILITER ORDINAT (Austria ordnet alles löblich durch seine Gerechtigkeit). AUSTRIA CLEMENTIA ORBEM SIBI DEVINCIT (Austria unterwirft sich den Erdkreis durch Milde). AUSTRIA PER NUPTIAS INVALESCIT (Austria wird mächtig durch seine Heiratspolitik). AUSTRIA BELLO PACEQUE FORMIDABILIS (Austria ist in Krieg und Frieden immer furchterregend und zu respektieren).
[40] Giovanni Prospero Brenni (1638−1696) aus Salorino, in Deutschland Brenno genannt. Er arbeitet vorher an der Theatinerkirche und der Residenz in Mündchen und in Benediktbeuern. Dann zieht ihn 1688 Valerian Brenner für die Wallfahrtskirchen auf dem Hohenrechberg und im Weggental bei Rottenburg bei. Im Weggental erstellt er den Stuck im Schiff, den Chor führt Hans Jörg Brix 1700 als sein Nachfolger aus. Mit der völlig abwegigen Begründung, Brenni habe normalerweise gelb oder rot eingefärbten Stuck verwendet, lehnt der Autor des Beitrages Wettenhausen in den «Denkmälern in Bayern (2004)» die bisherige Zuschreibung an Brenni ab und will stattdessen einen Schüler Giovanni Battistas Barberini (1625−1691) aus Laino vermuten. Schüler des vor allem in der Lombardei und im Tessin wirkenden Barberinis sind aber nicht bekannt. Weiteres zu Barberini (oder Barberino) in:
http://www.uibk.ac.at/aia/barbarino_giovanni%20battista.htm.
[41] Die landwirtschaftliche Viehhaltung findet auf den abgabepflichtigen oder klostereigenen Höfen der Herrschaft statt. Innerhalb des Klosterareals sind die Pferde und vor allem Kleinvieh für den täglichen Bedarf untergebracht.
[42] Die genaue Zahl ist nicht bekannt, was bezeichnend für die Quellenlage zu Wettenhausen ist. Praktisch das ganze Klosterarchiv geht bei der Säkularisation verloren. Hier als Quelle das Lexikon von Schwaben (Ulm 1801), Spalten 1118−1120.
Süddeutscher Barock • Home • Feedback
Die vorliegende Seite ist unter dem Label {{CC-nc-by}} für nichtkommerzielle Zwecke und unter der Nennung des Autors frei verwendbar.
Lageplan um 1800. > Informationen. | |
> Zum Plan von Kirche und Kloster 1825. | |
Der wertvolle Hochaltar von 1524 wird auch nach der Barockisierung wieder verwendet. Im halbgeschlossenen Zustand präsentiert sich der Altar so, wie er heute in der Alten Pinakothek ausgestellt ist (oben). Die Tafeln des Ulmer Malers Martin Schaffner zeigen Mariä Verkündigung, die Darstellung im Tempel, die Sendung des Hl. Geists und den Tod Mariens. Voll geöffnet wäre die Marienkrönung des Ulmer Bildhauers Niklaus Weckmann sichtbar, die seit 1687 aber im südlichen Querhausaltar zur Schau gestellt wird. | |
Das Stifterbild, 1532 als Fresko im Chor gemalt, wird 1673 zwar übertüncht, aber vorher getreu in Öl kopiert. Sehr genau ist das Kloster des 16. Jahrhunderts dargestellt, dessen Modell von der Gräfin von Roggenstein an die Muttergottes überreicht wird. | |
Die Umbauten des 17. Jahrhunderts betreffen die oben noch dreigeschossig dargestellten Konventflügel, deren Süd- und Ostflügel 1617 viergeschossig ausgeführt werden. Gleichzeitig wird der Spitzhelm des Kirchturms durch einen mehrgeschossigen oktogonalen Aufbau mit Zwiebelhelm-Abschluss ersetzt | |
1670–1687 ersetzt Michael Thumb das mittelalterliche Langhaus durch einen beindruckenden Baukörper mit Querschiff. Typisch für Thumb (und seinen direkten Schülern) sind die Schweif- und Volutengiebel mit den Figurennischen. Dieses Architekturelement der deutschen Renaissance hält sich noch bis ins frühe 18. Jahrhundert. Bildquelle: G. Freihalter in Wikipedia. |
|
Eindrücklich sind die Stuckaturen des Kirchenraums. Wie schon bei den frühbarocken Neubauten des Klosters sind es Wessobrunner, welche wie hier im Chor kannelierte Pilaster mit phantasievollen Gesimsen und Fensterarchitekturen anbringen und die Gräte der Stichkappengewölbe mit Blattschnüren akzentuieren. | |
Im 1681 erschienenen Emblemwerk «Mundus Symbolicus» des Wettenhausener Paters Augustin Erath ist die neue Orgel, wie schon in der Erstausgabe 1678, korrekt dargestellt. Der unbekannte Illustrator dieses Werkes könnte auch für die Entwürfe der Stuckaturen an der Decke und für die ähnlichen Holz-Bildhauerarbeiten in Frage kommen. | |
Der vergoldete Orgelprospekt, mit 1679 datiert, und die gleichzeitig erstellten Brüstungsgitter sind Arbeiten des Bildhauers Ferdinand Zech. | |
Der Deckenstuck, sicher vor 1679 fertig (im «Dehio» falsch mit 1682/85 datiert!), ist wahrscheinlich ein Werk der Werkstatt von Matthias Schmuzer II. Die Deckenbilder stammen ursprünglich von Johann Georg Knappich, sie werden aber 1892 übermalt. | |
Johann Georg Knappich ist nicht nur Entwerfer der Altäre, sondern auch Schöpfer des Hauptaltarblattes (Mariä Himmelfahrt, um 1680). Das Gemälde ist fortschrittlicher als der Altaraufbau, der an frühbarocke Schreinerarchitektur anknüpft | |
Im südlichen Querhausaltar ist die Figurengruppe der Marienkrönung aus dem Hochaltar von 1524 (siehe oben!) eingefügt. | |
Die Kanzel von Ferdinand Zech ist ein besonderes Meisterwerk der hochbarocken Bildhauerkunst, sicher nicht 1670 (Dehio!), sondern wie alle Kunstschreinerarbeiten in Wettenhausen zwischen 1677 und der Einweihung 1687 entstanden | |
Parallel zum Kirchenneubau werden bis 1687 auch die Süd- und Ostflügel verlängert. Am ursprünglichen Ende des Südflügels baut Valerian Brenner, der Palier von Michael Thumb in Wettenhausen, 1690 die neue Prälatur in der Art eines weit vorstehenden Mittelrisalites. Im Gegensatz zu den Giebelfassaden der Kirche und der Verlängerungen ist diese Giebelfassade der Prälatur mit kräftigen barocken Voluten und ohne Stockwerksunterteilungen ausgeführt. Die hohen Fenster in der neuen westlichen Verlängerung zeigen den Standort des Kaisersaals. | |
Die Wessobrunner Stuckaturen der ersten Bauphase, wie hier im Kreuzgang, sind wie diejenigen der Kirche Arbeiten von Matthias Schmuzer II und Georg Vogel. Sie entstehen um 1675/80. Johann Georg Knappich malt die Emblembilder als Seccomalerei um 1680. Bildquelle: G Freihalter in Wikipedia. |
|
Johann Georg Brix, vermutlich Schüler und Mitarbeiter von Matthias II Schmuzer, ist 1694/95 Schöpfer der Stuckaturen des Kaisersaals. Das Akanthusmotiv ist tief hinterschnitten, hochplastisch und naturalistisch gestaltet. Es ist (heute) durch einen tiefblauen Grund noch expressiver hervorgehoben. | |
Brix arbeitet im Kaisersaal mit Giovanni Prospero Brenni zusammen, der die vollplastischen und überlebensgrossen Engelsfiguren erstellt. | |
Der Kaisersaal ist in Wettenhausen tatsächlich zur Verherrlichung des österreichischen Kaiserhauses gestaltet. Das grosse Mittelfresko ist eine Apotheose, eine göttergleiche Verherrlichung des Hauses Habsburg. Austria schwebt unter dem Reichsadler über den ihr huldigenden vier Erdteilen. Maler der Deckenfresken ist Paul Etschmann. | |
Die zehn beidseits des Mittelbildes angeordneten Medaillon-Fresken preisen in allegorischen Darstellungen das Kaiserhaus. AUSTRIA CLEMENTIA ORBEM SIBI DEVINCIT (Austria unterwirft sich den Erdkreis durch Milde) steht im Mittelbild West geschrieben. Auf den zwei unteren kleineren Medaillons ist lesen: AUSTRIA PER NUPTIAS INVALESCIT (Austria wird mächtig durch seine Heiratspolitik), AUSTRIA BELLO PACEQUE FORMIDABILIS (Austria ist in Krieg und Frieden immer furchterregend und zu respektieren). | |
An der Nordwand des Kaisersaals ist auf einer Inschriftkartusche eine Widmung an das Kaiserhaus zu lesen: «FRIDERICUS / DEI GRATIA·S·R·I· / PRAELATUS ET ABBAS / S·C·M·CONSILIARIUS ET / SACELLANUS PERPETUUS / AUGUSTISSIMAE DOMUI / AUSTRIACAE OBCOLLATOS / MULTIPLICES FAVORES / AULAM HANC EXTRUI / CURAVIT / M·D·C·LXXXXV» (Friedrich, durch Gottes Gnade Reichsprälat und Abt, kaiserlicher Rat und erblicher Hofkaplan, hat diesen Saal aufgrund der vielen vom Kaiserhaus erhaltenen Gunstbeweise dem österreichischen Kaiserhaus gewidmet. 1695). |
|
An den ostseitigen, an der Kammel gelegenen Ökonomiegebäuden sind noch die typischen Rundfenster der Bauzeit um 1680 vorhanden. |