Quirin IV. Millon (1654–1715)

Abt OSB in Tegernsee 1700–1715

Herkunft , Ausbildung
Als Sohn eines «Corbiners», wie die berittene Leibgarde des Kurfürsten Ferdinand Maria von Bayern genannt wird, erblickt Franciscus Millon am 5. Mai 1654 in München das Licht der Welt. Mehr ist über seine Herkunft und Jugend nicht erforscht. Er tritt in das Benediktinerkloster Tegernsee ein und leistet Anfang 1673 unter dem Klosternamen Quirin die Profess. Er ist letzter Novize unter Abt Ulrich III. Schweiger. Zehn Monate später wird mit Bernhard Wenzl ein neuer Abt gewählt, der sich stark für die Weiterbildung junger Talente im Kloster kümmert. Er lässt Quirin in Salzburg Philosophie, Theologie und Jurisprudenz studieren. Sein Lehrer in Kirchenrecht ist P. Coelestin Sfondrati, der spätere Abt von St. Gallen.

Prior in Tegernsee
Als Doktor der Theologie kehrt er nach Tegernsee zurück und wird 1685 zum Prior ernannt. Mit der Ernennung von Abt Bernhard zum Präses der bayrischen Benediktinerkongregation wird Quirin auch deren Sekretär. In ihren Angelegenheiten hält er sich auch ein Jahr in Rom auf, bleibt aber während 16 Jahren Prior in Tegernsee.

Abt in Tegernsee
Sein Förderer, Abt Bernhard Wenzl, zieht sich im Sommer 1700 von seinem Amt zurück. Nicht unerwartet wählt das Kapitel am 12. Juli 1700 den langjährigen Vertrauten und Prior Quirin zum Abt, der nun als Quirin IV. die Geschicke der Abtei leitet. Sie ist schuldenfrei und hat 42 meist gut gebildete Konventmitglieder. Die Jahreseinnahmen mit rund 20 000 Gulden bleiben aber im Gegensatz zu den grossen freien Reichsabteien wie Weingarten oder Ottobeuren recht bescheiden.[1] Und schon kurz nach Amtsantritt reisst der bayrische Kurfürst sein Land mit der Teilnahme am Spanischen Erbfolgekrieg auf Seite der Franzosen in eine Katastrophe, deren finanziellen Folgen[2] alle kurbayrischen Klöster später mittragen müssen und die Tegernsee schon 1703 empfindlich trifft. Tiroler Truppen verschonen das Kloster zwar, verlangen aber 10 000 Gulden Brandschatzungsgeld. Die nächsten Jahre sind durch Truppendurchzüge und der Besetzung durch Österreich geprägt. Diese widrigen Zeitumstände zwingen Abt Quirin zu Sparmassnahmen, die auch den Unterbruch der Neubauten im Kloster bewirken.
1705 wird er zum Präses der bayrischen Benediktinerkongregation gewählt. Er legt dieses Amt 1711 nieder, bleibt aber Visitator der Benediktinerabteien Kurbayerns. Als Präses wird er 1709 vom Weltenburger Abt Corbinian Winhart auch zur Besprechung der Neubauplanungen nach Weltenburg eingeladen.[3]
Offensichtlich vermittelt er auch Stipendiaten nach Rom. Dass die Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam dazuzählen, ist eher unwahrscheinlich.[4]

Bauabt Quirin IV.
Der von Abt Bernhard begonnene Klosterneubau wird schon 1701 fortgesetzt. Abt Quirin schliesst den Vertrag für den Neubau des Konvent-Nordflügels mit Johann Schmuzer aus Wessobrunn. Dieser setzt einen Palier für die Ausführung ein, dessen Name bis heute nicht bekannt ist. Hingegen wird Br. Heinrich Zollikofer, der seit 1674 im Kloster ist, als Fortsetzer der Arbeiten erwähnt.[5] Gilt diese Oberleitung erst für den Bau des Ostflügels? Dieser bleibt wegen des Spanischen Erbfolgekrieges bis um 1707 unterbrochen. 1710 kann der Konvent die neuen Flügel beziehen, der Ostflügel ist bis zur zweiten Treppe fertig gestellt. An der Ausstattung der Bibliothek im Nordflügel wird aber noch bis 1720 gearbeitet.
Abt Quirin Millon setzt auch die Bautätigkeit im Wildbad Kreuth fort. Er stockt das Badgebäude auf, vergrössert die Kapelle und lässt auf ihren Altar eine im Kloster hoch verehrte Kreuzigungsgruppe übertragen. Im Sommer 1708 kann der Abt Haus und Badeeinrichtungen einweihen und auch die Kapelle in Gebrauch nehmen.

Tod und Würdigung
Unerwartet stirbt Abt Quirin am 5. Juli 1715 mit 61 Jahren an einem Schlaganfall. Er überlebt seinen Vorgänger nur um ein Jahr. Dessen begonnenes Werk hat er aber trotz den kriegerischen Zeiten mit grossem Geschick fortgeführt. Er kann die Zahl der Konventualen halten und hinterlässt dem Nachfolger ein Kloster in hohem Ansehen. Die Leichenrede betont seinen Fleiss und seine Ausdauer und vergleicht ihn für heutige Ansichten etwas unpassend mit einer Arbeitsbiene.[6]

Pius Bieri 2015

Tabelle der Konventmitglieder 1673–1803

Literatur
Lindner, Pirmin: Familia S. Quirini in Tegernsee. II. Teil, in: Oberbayrisches Archiv für vaterländische Geschichte, Ergänzungsheft zum 50. Band. München 1898.

Anmerkungen:
[1] «Das Kloster hat weder Acker noch Pflug, und das Ganze, was es besitzt, sind hohe Alpen und Waldungen», schreibt der letzte Abt Gregor Rottenkolber 1799. Er fügt an: «Es ist wahr, Tegernsee hat das ausserordentliche Glück, eine Reihe wirthschaftlicher und sparsamer Vorsteher nach einander gehabt zu haben». Auch im letzten Dezennium des 18. Jahrhunderts betragen die Jahreseinnahmen, vor Abzug der hohen Landessteuern von 28 %, nur 22 600 Gulden.

[2] Kurfürst Max Emanuel hinterlässt Bayern einen Schuldenberg von 26,8 Millionen Gulden oder 700 % der jährlichen Einnahmen von Kurbayern. Diese Riesenschulden führen zu vermehrtem Druck auch auf die kurbayrischen Klöster, die schliesslich in der völligen Enteignung von 1803 enden.

[3] Architekt ist Fr. Philipp Blank. Die Brüder Asam werden erst 1721 in Weltenburg tätig.

[4] Das Stipendium von Abt Quirin IV. Millon an die Brüder Asam ist ein kunsthistorischer Dauerbrenner. Die Familie Asam ist aber seit 1695 nicht mehr in Tegernsee wohnhaft. Zwar ist Cosmas Damian 1712–1713 in Rom. Aber kein Dokument spricht von einem Stipendium. Und sein Bruder Egid Quirin ist 1711–1716 nachweislich in München als Bildhauer-Lehrling eingeschrieben.

[5] Siehe Baubeschrieb «Nord- und Ostflügel 1701–1720».

[6] Der Titel der Leichenrede lautet: «Daß arbeitsame und in seinem Hoenig erstorbne Immlein, oder schuldigste Ehren-, Lob- und Leich-Predig Weyland deß Hochw. Hoch-Edlen Herrn Herrn Quirini, eines Uhralten, hochansehnlichen u. exempten Closters Tegernsee Ordinis S.P.N. Benedicti in Ober-Bayrn würdigst regierenten Herrn Abbten dann auch einer Hochloblichen Landschafft Steur-Einnemmer: bey seiner dreyssig-Tägigen Leich-Begängnus ; Anno 1715 den 19. Tag des Monaths Augusti».

Das Exlibris der Stiftsbibliothek Tegernsee von 1700 ist mit dem Wappenschild von Abt Quirin versehen.
Beidseits des Schildes sind der
hl. Bernhard und der hl. Quirin abgebildet.
Der Schild ist gespalten. Rechts enthält er das gevierte Wappen von Tegernsee (in 1 und 4 die Seeblätter über dem See, in 2 und 3 die drei Kronen der Stifter). Links ist das geteilte persönliche Wappen zu sehen. Es zeigt oben einen zinnenbewehrten Rundturm und unten eine flugbereite Taube auf einem Zweig.

Bildquelle: Exlibris der Bayerischen Staatsbibliothek, Bd.: 4, S - W, ca. 1540-1800, Signatur Exlibris 2-4.
  Abt OSB Quirin IV. Millon (1654–1715)  
  Biografische Daten     Zurück zum Bauwerk  
  Geburtsdatum Geburtsort       Land 18. Jahrhundert  
  5. Mai 1654 München   Kurfürstentum Bayern  
  Titel und Stellung         Regierungszeit  
  Abt OSB der Benediktinerabtei Tegernsee   1700–1715  
  Sterbedatum Sterbeort       Land 18. Jahrhundert  
  5. Juli 1715 Abtei Tegernsee   Kurfürstentum Bayern  
  Kurzbiografie              
 

Quirin Millon ist der zweite barocke Bauabt in Tegernsee. Als Prior hat er den begonnenen Klosterneubau und den Kirchenumbau mit begleitet. Als Sekretär der bayrischen Benediktinerkongregation hält er sich auch ein Jahr in Rom auf. Sicher hat er in dieser Zeit auch architektonische Anregungen gefunden. Tegernsee ist aber bei seinem Amtsantritt geplant. Abt Millon lässt die Planung 1701 im berühmten Wening-Stich festhalten. Mit dem Bau des Nord- und Ostflügels führt er das gewaltige Bauvorhaben fort, das aber schon 1703 infolge der hohen Geldleistungen und Durchzüge im Spanischen Erbfolgekrieg eingestellt wird. Erst 1710 sind die Bauten beendet. Als Präses der bayrischen Benediktinerkongregation ist Abt Quirin auch an den Planungen in Weltenburg beteiligt.

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