Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung
1. Baugeschichte
Neubau nach dem Dreissigjährigen Krieg
40 Fussminuten nordöstlich von Steingaden liegt an der Weggabelung nach Rottenbuch und Peiting die Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung. Hier baut 1564 Joachim Wiedemann, Abt der Prämonstratenserabtei Steingaden, eine erste Wallfahrtskapelle mit Marienpatrozinium.[1]
Abt Augustin Bonenmayr beschreibt in der illustrierten Schrift «S. Beninus Martyrer / So zu Steingaden in der Regulirten Premonstratenser Chorherren Gottshauß mit Triumphirlicher Solennitet ist eingebracht worden. / Den 10. August=Monats / Im Jahr 1664» die feierliche Übertragung der Beninus-Reliquien von Ilgen nach Steingaden. Ausgangspunkt ist das Vorgängerbauwerk in Ilgen [22], eine einfache Kapelle von 1564. Das Gnadenbild ist unter einem südlichen Baldachinanbau in einer Nische zu sehen. Die barocke Prozession von Ilgen nach Steingaden ist mit Nummern versehen. Die Legende ist der Vergrösserung (anklicken!) beigegeben. Quelle: uni-muenchen.de/18153/ |
Ein Jahrhundert später beschliesst Abt Augustin Bonenmayr[2] an ihrer Stelle den Neubau einer Wallfahrtskirche. Abt Augustin ist verdienstvoller Erneuerer der Abtei Steingaden nach dem Dreissigjährigen Krieg. 1663 lässt er die Stiftskirche Steingaden durch Wessobrunner Stuckateure der Familie Schmuzer umgestalten.[3] Einige Jahre später erteilt er an den Stuckateur und Baumeister Johann Schmuzer[4] den Auftrag für einen Neubau der Kirche in Ilgen. Schmuzer beginnt 1670 mit dem Bau. 1673 wechselt er für den fast identischen Neubau der Wallfahrtskirche St. Koloman nach Schwangau, während er in Ilgen gleichzeitig die Stuckmarmoraltäre erstellt. Obwohl keine Namen überliefert sind, ist der im Familienverband tätige Schwager Johann Pöllandt vermutlich als Bildhauer mitbeteiligt.[5] 1674 resigniert Abt Augustin, die Kirche wird jetzt unter seinem Nachfolger Gilbert I. Schmid von Wellenstein[6] bis 1676 fertiggestellt.
Umgestaltung der Seitenkapellen 1735
Lapidar und gleichzeitig falsch vermerkt der Kunstdenkmälerband I.23, Landkreis Weilheim-Schongau, 2003: «1735 wurden unter Abt Hyazinth Gassner (1729–1745) die beiden Seitenkapellen angefügt». Falsch deshalb, weil die beiden Kapellen schon vorher bestanden haben müssen. Andernfalls hätten die Wände dem Gewölbedruck nicht standgehalten.[7] Der Umbau von 1735 betrifft im Wesentlichen das neue Innere. Dies bestätigt auch der Klosterchronist.[8] Der Umbau wird Franz Schmuzer zugeschrieben.[9] Der Wessobrunner Stuckateur, Altarbauer und Baumeister stuckiert die (neue?) Pendentifkuppel, die eine Scheitelöffnung besitzt,[10] und baut auch die beiden Kapellenaltäre. Die Altarblätter sind Werke von Br. Lukas Schwaiger aus der Abtei Steingaden, die dieser 1735 malt.[11]
Neue Altarblätter für die Altäre von 1676
Nach 1735 werden auch die Altarblätter der drei älteren Altäre ausgewechselt. Über den Verbleib der Blätter aus der Bauzeit ist nichts bekannt. Das neue Hauptaltarblatt mit der Heimsuchung Mariens ist ein weiteres Werk des Prämonstratensers Lukas Schwaiger von 1735.[12] Für den südlichen Seitenaltar liefert Johann Georg Bergmüller im Einweihungsjahr 1735 das Altarblatt des hl. Joseph mit dem Jesusknaben.[13] Im nördlichen Seitenaltar ist die Hl. Familie des Malers Judas Thaddäus Ramis aus Steingaden[14] zu sehen, der das Blatt nach 1750 liefert.
Der Gasthof
In der um die Mitte des 18. Jahrhunderts an das «Necrologium» angefügten Darstellung der Wallfahrtskirche Ilgen ist auch ein südlich der Kirche liegendes, zweigeschossiges Gebäude mit Flachsatteldach und Giebelbundwerk zu sehen. Es ist der Hof mit Gastwirtschaft, der bei keiner Wallfahrtskirche fehlen darf. In dieser Art, mit dem nach Westen angebauten Ökonomieteil, ist er in der Uraufnahme von 1820 noch eingetragen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit entspricht dieses Gebäude dem heutigen Gasthofbau mit dem Krüppelwalmdach, der damit entweder ein Baujahr vor 1820 hat oder auf den Grundmauern des im «Necrologum» dargestellten Gebäudes steht.[15]
2. Architektur und Ausstattung der Wallfahrtskirche, Beschrieb
Konventionelle Sakralarchitektur in Ilgen und Schwangau | ||
Die ersten Kirchenbauten von Johann Schmuzer lassen architektonische Innovationen vermissen. Mariä Heimsuchung in Ilgen und St. Coloman in Schwangau sind herkömmliche einschiffige Bauten mit eingezogenem und dreiseitig geschlossenem Chor, der hinter dem Hochaltar doppelgeschossig abgetrennt ist. Durchlaufende Stichkappen-Tonnengewölbe in gleicher Scheitelhöhe prägen beide Bauten. Beide sind in ihrer architektonischen Haltung noch vom Frühbarock geprägt. Obwohl die fast gleichzeitig gebauten Wallfahrtskirchen auf den ersten Blick in ihrer Aussenerscheinung nicht unterschiedlicher sein könnten, sind sie Zwillinge. Der sichtbare Unterschied betrifft die äusseren Strebepfeiler an der Kirche von Schwangau. Sie fangen dort den Gewölbeschub der Flachtonne des Langhauses auf, während in Ilgen diese Aufgabe durch zwei Kapellenausbauten im dritten von vier Langhausjochen übernommen wird. Im schmäleren Chor ist dieser Schub bei beiden Kirchen, auch wegen der nun möglichen Halbkreis-Tonne, nicht mehr vorhanden. Weil aber der schmale Chor in Schwangau die Mauern der gotischen Vorgängerkirche übernimmt, stellt Schmuzer dort auch die alten Strebpfeiler wieder her. Die Architektur der Kirche von Ilgen entbehrt aller dieser gotischen Reminiszenzen und weist einen breiteren Chor auf, ist aber in den Hauptmassen von Grundriss und Schnitt mit dem Bau in Schwangau identisch.[16] | ||
Unterschiedlich ist die Turmlösung. In Ilgen genügt ein einfacher Dachreiter, in Schwangau ist es ein (späterer) Glockenturm. Prägend ist für beide Bauten auch die in Langhaus und Chor durchwegs gleiche Fensterordnung. In fast jedem Joch ist einem hohen Fenster, das unten und oben mit einspringenden Rundbögen endet, ein Okuli zugeordnet. Dieses liegt innen über dem Gebälk. Diese Fensterordnung wird selbst im zweigeschossigen Ostabschluss mit der Sakristei durchgezogen, hier mit kürzeren unteren Fenstern. |
Barocker Wessobrunner Innenraum
Die Bedeutung von Ilgen (und Schwangau) liegt weniger in der architektonischen Gestaltung, als vielmehr in der Ausgestaltung des Innenraums in ein umfassendes und beindruckendes Stuckkleid des frühen Wessobrunner Barocks, in das auch die Altäre eingebunden sind. Noch ist im Felderstuck der Gewölbe ein Einfluss der «Münchner Schule» spürbar, die vom Renaissancestuck der Jesuitenkirche München ausgeht und sich mit dem figuralen und freien Stuck des italienischen Hochbarocks noch wenig auseinandersetzt.[17] Johann Schmuzer leitet aber in seinem ersten Bauwerk in den Wessobrunner-Hochbarock über, indem er mit Frucht- und Blumengehängen, Akanthusranken, Blumen- und Lorbeerkränzen und Engelchen die Geometrie aufbricht. Am Triumphbogen führt er die Elemente zu einer hochbarocken Plastik zusammen. Meisterhaft integriert er vor allem die Altäre in das Stuckkleid. Am Hochaltar ist dies durch die beiden bekrönenden Engel schön dargestellt, welche die Blumengehänge des Gewölbes zum Altar hinüberziehen.
Régencestuck in den Seitenkapellen Der ungewöhnlich dichte Régencestuck in den Seitenkapellen ist mit Engelchen förmlich überladen.[18] Eine früher vielleicht sanftere Feldertönung von Gelb und Rosa verstärkt den unruhigen Eindruck der Stuckatur. Sie ist jedenfalls in ihrer Zuschreibung an Franz Schmuzer ungewöhnlich. Interessant ist die Gewölbeausführung mit dem Mitteldurchbruch, der mit Balustraden gesichert ist. |
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Der Régence-Stuck in den Gewölben der Seitenkapellen wird dem Wessobrunner Altarbauer, Baumeister und Stuckateur Franz Schmuzer zugeschrieben. Ist sein 22-jähriger Neffe Franz Xaver Schmuzer vielleicht mitbeteiligt? Foto: Rabanus Flavius 2010 in Wikipedia. |
Altäre
Alle fünf Altäre sind Stuckmarmorarbeiten der Schmuzer-Werkstatt. Ihre roten und weissen Marmoroberflächen sind die einzigen farbigen Akzente im Raum. Johann Schmuzer fügt die Retabel des Hochaltars und der beiden Seitenaltäre geschickt in die Raumstuckatur ein. Die Seitenaltäre verkleiden den Choreinzug und verschleiern mit ihren Oberstücken die unterschiedlichen Höhen der Langhaus- und Chorgebälke. Im Hochaltar ist das Chorgebälk auf gleicher Höhe durchgeführt, er wird damit zum Raumbestandteil. Zusätzlich unterstreicht dies Schmuzer bei allen Retabel-Oberstücken mit dem Einbezug von Elementen der Gewölbestuckatur. Besonders schön ist dies mit den Blumengehängen über dem Hochaltar gestaltet. Dieser ist auch seitlich in eine Schauwand eingebunden, die auf der Höhe des Altarblattes Ädikulanischen mit den Statuen von Petrus und Paulus aufweist.
Die drei Altäre von 1676 und die beiden Seitenkapellenaltäre von 1735 haben zudem einen ähnlichen Retabelaufbau. Es sind mehrsäulige Ädikularetabel mit einem gesprengten Giebel, aus dem eine einfache Säulen-Ädikula als Oberstück herauswächst. Die beiden mittleren Säulen sind jeweils vorstehend. Selbst in den erst 1735 aufgestellten Retabeln der Seitenkapellen übernimmt Franz Schmuzer diesen Altartypus. Nur die Säulen sind jetzt zahlreicher, kräftiger marmoriert, und es sind auch versilberte Säulen eingefügt.
Das Gnadenbild
Auf der Mensa des Hauptaltars steht das Gnadenbild, eine Figur der thronenden Muttergottes mit Kind um 1450. In der Rechten hält sie den Granatapfel, links sitzt das Kind auf ihrem Schoss und hält die Weltkugel in der Hand. Beide tragen später zugefügte barocke Kronen. Das Gnadenbild ist auf allen Abbildungen des 17. und 18. Jahrhunderts bekleidet dargestellt und stammt noch aus der Vorgängerkirche.
Die Orgel
Die kleine Orgel mit 10 Registern (I/P/10) auf der Westempore wird von Abt Magnus Pracht dem Orgelbauer Augustin Simnacher aus Tussenhausen[19] in Auftrag gegeben. Er liefert sie 1723. Ihr fünfteiliger Prospekt mit zwei runden Seitentürmen und einem niederen Mittelturm kann mit Flügeltüren geschlossen werden. Über dem Mittelturm verdeckt eine Akanthuskartusche die Überbrückung der äusseren Türme, auf der König David mit der Harfe steht. Musizierende Engel stehen auf den Seitentürmen. Prospekt und Werk sind original erhalten.
Heraldik am Bau
Am Hochaltar sind zwischen den Sprenggiebeln des Ädikula-Oberstückes zwei ovale Wappenschilde vereint. Vom Betrachter links gesehen ist es das quadrierte und mehrfach gespaltene Wappen des Abtes Gilbert I. Schmid von Wellenstein. Dieses Wappenschild ist als Steinhauerarbeit auch über dem Südeingang angebracht. Nur das das zweite, rechts gelegene Wappenschild ist dasjenige des Abtes Augustin I. Bonenmayr, dem in allen Publikationen beide Wappen zugesprochen werden.
An den Altären der Seitenkapellen ist das vergoldete Wappen des Abtes Hyazinth über den Altarblättern angebracht. Die Erläuterungen zu diesen Wappen siehe im nebenstehenden Bildtext.
Besichtigung des Innenraums
Der Innenraum kann vom Normalbesucher nur durch das Vorhallengitter betrachtet werden. Nicht sichtbar bleiben die Stuckaturen der Seitenkapelle und die Orgelempore mit der Orgel.
Pius Bieri 2022
Literatur
Bonenmayr, Augustinus: S. Beninus Martyrer, So zu Steingaden in der Regulirten Premonstratenser Chorherren Gottshauß mit Triumphirlicher Solennitet ist eingebracht worden. München 1664. [https://epub.ub.uni-muenchen.de/18153/] |
Bezold, Gustav / Riehl, Berthold: Die Kunstdenkmale des Königreiches Bayern, erster Band, Lieferung 7: Bezirksamt Schongau. München 1893. |
Hager, Georg: Die Bau- und Kunstdenkmale des Klosters Steingaden, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte, Band 48, München 1894. |
Dischinger, Gabriele: Johann und Joseph Schmuzer. Sigmaringen 1977. |
Vollmer, Eva Christina: Der Wessobrunner Stukkator Franz Xaver Schmuzer. Sigmaringen 1979. |
Paula, Georg und Berg-Hobohm, Stefanie: Denkmäler in Bayern. Landkreis Weilheim-Schongau, Bd.1 und Bd.2, München 2003. |
Anmerkungen
[1] Sie wird 1664 «Unser lieben Frawen wunderthätige Capell auff dem Ilgen» genannt, ist also schon Wallfahrtsziel. Das Gebäude ist im Kupferstich der Translations-Feierlichkeiten des hl. Beninus von Ilgen nach Steingaden (Nr. 24) dargestellt. Dieser der Wallfahrt dienende Kirchenbau von 1564 wird von Historikern als Pestkapelle bezeichnet.
[2] Augustin Bonenmayr, auch Bonemaier, Bonnenmayr (1611–1677) aus Aichstetten bei Ravensburg. Seine Biografie ist bisher nicht erforscht. 1638 ist er als Student in Dillingen erwähnt. 1645–1674 ist er Abt in Steingaden. 1653–1666 auch Generalvikar der Zirkarie Bayern. 1669 sendet er seinen Prior Marian Steiger mit drei weiteren Konventualen zur Neubesiedlung von Speinshardt. «Quasi alter Fundator» nennt ihn die Totenrotel, vor allem auch wegen des schnellen Wiederaufbaus der Konventgebäude und des Umbaus der Stiftskirche.
[3] Zu Steingaden und den Äbten der Prämonstratenserabtei siehe [https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/s-z/Steingaden.html].
[4] Johann Schmuzer (1642–1701) aus Gaispoint-Wessobrunn, Sohn von Matthäus Schmuzer I. Seinem Vater wird die Umgestaltung der Stiftskirche Steingaden zugeschrieben. Hier dürfte Johann Schmuzer bereits mitgearbeitet haben. Die Wallfahrtskirche Ilgen ist sein erstes eigenes Bauwerk. 1673–1678 baut er auch die in Grösse und Architektur mit Steingaden vergleichbare Wallfahrtskirche St. Koloman in der Ebene von Schwangau, die er schon 1671 plant. Zu Johann Schmuzer siehe die Biografie in dieser Webseite.
[5] Johann Pöllandt (um 1631–1721) aus Rottenbuch. Ihm werden die Bedachungsengel (um 1675) über dem Hochaltar und die Nischenfiguren der Chorrückwand zugeschrieben. Die hochbarocke Kanzel, gemäss «Denkmäler in Bayern Bd. I/23 (2003) schon 1675 gebaut, müsste dann auch von ihm stammen. Siehe zu ihm den Wikipedia-Beitrag unter https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_P%C3%B6llandt.
[6] Gilbert I. Schmid von Wellenstein (1635–1684) aus Füssen. Abt in Steingaden 1674–1684. Mit dem Taufnamen Franz Hannibal ist er älterer Bruder von Magnus Schmid (*1640) von Wellenstein, 1700–1723 Abt OSB in Fultenbach (Zu ihm siehe https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Bauherr/a-g/Fultenbach_Schmid.html). Beide sind 1650 in Dillingen immatrikuliert. Ihr Vater ist der Hochfürstlich-Augsburgische Rat und Pfleger in Füssen, Hannibal Freiherr von Wellenstein. Franz Hannibal bewirbt sich 1654 um Aufnahme im Fürststift Kempten, wird aber trotz Empfehlung des Kaisers Ferdinand III. abgewiesen, weil der erworbene Freiherrentitel den adeligen Stiftsherren nicht genügt. Er tritt in Steingaden ein, wo er den Klosternamen Gilbert annimmt. Gehe zum Porträt des Abtes in Steingaden.
[7] Ohne Seitenkapellen wären, wie am Langhaus von St. Coloman zu Schwangau, Strebepfeiler an den Aussenwänden notwendig. Am schmäleren Chor sind sie nicht erforderlich. In Schwangau ist der Chor ein spätgotisches Bauwerk und die Strebepfeiler werden beim Umbau übernommen. Von Strebepfeilern an der Wallfahrtskirche Ilgen vor 1735 ist nichts bekannt. Mehr dazu siehe im Kapitel «Architektur und Ausstattung. Beschrieb».
[8] P. Gerlach Heimerl oder Heimerle (1709–1785, seit 1731 in Steingaden, bricht seine handschriftliche Chronik 1763 ab. Von Ilgen schreibt er nur, dass Abt Hyazinth die beiden Altäre in den Kapellen errichtet und sie 1735 weihen haben lasse. (Quelle: Hager 1894). Von einem Neubau sprechen auch Bezold/Riehl in den «Kunstdenkmale» 1893 noch nicht. Gabriele Dischinger in «Johann und Joseph Schmuzer» (1977) schreibt erstmals von Neubauten, mit dem Hinweis, dass «an dieser Stelle auch vorher ähnliche Erweiterungsbauten waren». Dies verwundert, denn der heutige Blendgiebel mit eingerollten Voluten deutet eher ins 17. Jahrhundert und nicht in den Spätbarock. An der Tatsache, dass die Kapellen zum Bau von Johann Schmuzer zählen, ändert aber selbst ein völliger Neubau (aus welchem Grund?) von 1735 nichts.
[9] Franz Schmuzer (1676–1741) aus Gaispoint-Wessobrunn. Die Zuschreibung erfolgt durch Eva Christina Vollmer im Vergleich mit dem 1736/38 durch Franz Schmuzer ausgeführten Chorumbau der Filialkirche Unserer Lieben Frau in Petzenhausen. Der Hochaltar von Petzenhausen ist tatsächlich ein mit den beiden Altären in Ilgen vergleichbares Werk. Aber auch den ungewöhnlich dichten Régencestuck schreibt sie Franz Schmuzer zu. Sein Beizug 1740 zum Umbau der Stiftskirche von Steingaden durch Abt Hyazinth scheint eine Bestätigung zu sein. Der Dehio (2006) und auch die Informationstafel am Gebäude nennen demgegenüber den erst nach 1741 selbständig arbeitenden Franz Xaver Schmuzer als Stuckateur. Er könnte am Stuck der Seitenkapellen aber höchstens mitbeteiligt sein. Zu Franz Schmuzer (1676–1741) siehe die Biografie in dieser Webseite.
[10] Die Öffnung zum belichteten Dachraum ist mit einem Balustradenkranz umgeben.
[11] Br. Lukas Schwaiger († 1741), Laienbruder in Steingaden. Seine Lebensdaten sind nicht erforscht. Im nördlichen Altarblatt sind die Apostel Jakobus d. J. und Philippus, im südlichen die Apostel Simon Zelotes und Judas Thaddäus gemalt.
[12] Br. Lukas Schwaiger übernimmt für die Figuren im Hauptaltarblatt eine Kupferstichveröffentlichung der Mariä Heimsuchung, wahrscheinlich nach dem Druck von Visscher II in Amsterdam (Stecher Pieter de Jorde nach einem Gemälde von Peter Paul Rubens) der viersprachig in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in einer Bibeledition verbreitet wird.
[13] Johann Georg Bergmüller (1688–1762) aus Türkheim. Akademiedirektor in Augsburg. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.
[14] Judas Thaddäus Ramis (1734–1808) ist Klostermaler in Steingaden. Er ist auch Fassmaler in der Wieskirche.
[15] Der Gasthof Ilgen ist in der bayerischen Kunstdenkmäler-Inventarisation nicht erfasst.
[16] Gehe im Bildmaterial der Webseite mit dem Vergleich der beiden Grundrisse. Das Langhaus von Ilgen ist 14 m breit und 22 m lang. Das Langhaus von Schwangau ist (mit Strebepfeilern) 14 m breit und 21,3 m lang. Die Gesamtlänge (Langhaus und Chor) von Ilgen beträgt 36,5 m, diejenige von Schwangau 37 m. Dass trotzdem in der kunsthistorischen Literatur für Ilgen ein kürzeres und breiteres Langhaus beschrieben wird, beruht auf einer optischen Einschätzung: Ilgen hat vier Joche, Schwangau deren fünf.
[17] Die Jesuitenkirche St. Michael in München wird 1593–1597 nach dem Entwurf von Friedrich Sustris stuckiert. Ein Vergleich der Wessobrunner Stuckaturen in Ilgen mit den gleichzeitigen Stuckaturen von Br. SJ. Heinrich Mayer in der Jesuitenkirche Luzern (mit Michael Schmuzer) oder mit dem gleichzeitigen Stuck von Giovanni Battista Carlone in der Jesuitenkirche Passau zeigt noch das weitgehende Fehlen der Figuralplastik und das Festhalten am geometrischen Gerüst.
[18] Im Werk von Franz Schmuzer, dem die um 1735 entstandene Arbeit durch Eva Christina Vollmer zugewiesen wird, ist diese Dichte singulär. Dies zeigt auch der Vergleich mit der Chorgewölbe-Stuckierung in Petzenhausen, die als sein Werk (1736/38) gesichert ist. Putti (Engelchen) fehlen in Petzenhausen und in dieser Menge auch in anderen Werken.
[19] Augustin Simnacher (1688–1757) aus Irsingen bei Buchloe, übernimmt 1720 die Werkstatt Guggemoos in Tussenhausen. Er stirbt in Brixen während seiner letzten Arbeit an der Domorgel.
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