Die Meister
von bis
1660 1663
1660 1684
1663 1663
1663 1663
1739 1741
1740 1742
1741 1742
1733 ~1750
~1743 ~1750
~1743 ~1743
~1745 ~1745
1749 1749


Steingaden

Prämonstratenserabtei und Stiftskirche St. Johannes Baptist

Die Lage

SteingadenApian   Steingaden liegt im voralpinen Hügelland des südlichen «Pfaffenwinkels», wie die Gegend zwischen Lech und Ammer wegen ihrer barocken Vielfalt an Sakralbauten auch genannt wird. Im Norden markiert der Hohenpeissenberg, im Süden der Hohe Trauchberg den Abschluss. Im Zentrum liegen die Klosterorte Steingaden mit der Wallfahrtskirchen Wies und, unweit von Steingaden, auch Rottenbuch.[1]
Schon lange vor der Klostergründung, sicher aber in fränkischer Zeit ist Steingaden besiedelt. Hier führt eine Nord-Süd-Verbindung durch, die in Schongau von der alten Via Claudia abzweigt und sich in Füssen wieder mit der römischen Alpenstrasse vereinigt.[2]
  Ausschnitt Steingaden aus der Tafel 21 der «Bairische Landtaflen» 1568 von Philipp Apian Philipp und Jost Amman. Steingaden liegt in der Kartenmitte zwischen Lech und Amper. Für die Vergrösserung  Bild anklicken! Quelle: Bavarikon.

Klostergeschichte

WelVI   Gründung 1147 als Prämonstratenserkloster
Steingaden und Rottenbuch sind Welfengründungen.[3] Wie bei den meisten Klostergründungen des Hochmittelalters sind bestehende Verkehrswege entscheidend für die Lage. Schon 1073 stiftet der erste Bayernherzog Welf und seine zweite Gemahlin Judith von Flandern das Gründungsgut für das Augustiner-Chorherrenstift Rottenbuch.
Ihr Enkel Welf VI.,[4] Markgraf von Tuszien und Herzog von Spoleto, wird 1147 Stifter des Klosters Steingaden. Er bricht in diesem Jahr zum Zweiten Kreuzzug auf und übergibt dem jungen Prämonstratenserorden Land und Hofgüter als Ausstattungsgut für ein neues Kloster.
Der Gründungskonvent kommt aus der Abtei Rot.[5] Der erst 1120 gegründete Prämonstratenserorden ist ähnlich dem Zisterzienserorden vertikal organisiert. An der Spitze steht der Generalabt von Prémontré bei Laon, wo auch die Generalkapitel stattfinden. Mehrere Klöster bilden eine Zirkarie. Neugründungen erfolgen immer als Töchtergründungen eines bestehenden Klosters mit mindestens 40 Konventualen. Rot, eine 1126 gegründete Tochter von Prémontré, liegt in der Zirkarie Schwaben.[6] Ursprünglich zählt auch Steingaden zur Zirkarie Schwaben.[7] Das neue Kloster wird an einem bereits bewohnten und landwirtschaftlich genutzten Ort gegründet, an dem auch eine dem hl. Dyonisius geweihte Kirche steht. Das Patrozinium deutet auf eine fränkische Besiedlung schon im 8. Jahrhundert.
Herzog Welf VI. im Stifterbüchlein von Weingarten (um 1510). Sein Wappenschild mit dem roten Löwen in Gold wird (zum Greifenlöwen abgewandelt und mit verwechselten Farben) zum Stifterwappen von Steingaden. Bildquelle: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart.

Von der Gründung bis zum Dreissigjährigen Krieg
In der 1176 geweihten Klosterkirche wird 1191 der im Schottenstift Memmingen verstorbene Stifter Welf VI. begraben. Er ist der letzte seines Geschlechtes. Die Staufer beerben nun die Welfen und übernehmen die Schutzherrschaft. Unter Kaiser Friedrich II. wird Steingaden Reichskloster. Die Reichsunmittelbarkeit geht 1330 oder 1425 verloren. Seither ist Steingaden landsässiges bayrisches Kloster.[8] Die Grundherrschaft wird im 17. Jahrhundert als Klosterhofmark dem Gericht Schongau inkorporiert. Umfangreichen Besitz hat Steingaden auch ausserhalb Bayerns («schwabseits») und im Tirol. Im Südtirol besitzt es an 16 Orten Weingüter. Während die Besitzesgeschichte zugänglich dokumentiert ist, gilt dies nicht für die Klosterannalen der ersten fünf Jahrhunderte. Bekannt ist ein Niedergang des Klosters Anfang des 15. Jahrhunderts. Der Grund könnte im unzeitgemässen Festhalten am Adelsprivileg zu suchen sein. 1401 hält sich nur noch ein Konventuale in Steingarten auf. Ein Reformabt von Rot rettet das Kloster mit der Einsetzung eines Propstes aus seinem Konvent. 1434 wird Steingaden selbständige Abtei, die Pontifikalien erhält der Abt 1475. Nach der Plünderung und Brandschatzung im Bauernkrieg von 1525 beginnt eine Wiederaufbauphase und eine gleichzeitige interne Reform unter den Äbten Joachim Wiedemann (reg.1553–1580) und Gallus Theininger (reg. 1580–1606). Beide Äbte sind auch längere Zeit Generalvikare und Visitatoren des Ordens.[9]

SteingadenAmmann
Steingaden in einer «Visierung» als aquarellierte Vorzeichnung für einen Holzschnitt. Der Zeichner erfasst um 1570 das Kloster aus südwestlicher Richtung. Über dem südlichen Auslass des Mühlbaches ist ein zinnenbewehrtes «eingädiges» Turmhaus zu sehen. Daraus leitet Merian 1644 (unten) einen veritablen Wehrturm ab. Im Necrologium 1651 ist der Turm wieder ohne Zinnen und ein giebelbedachtes normales Auslassgebäude. Dass dieser Gewässerauslass oder ein sogar ein römischer Wachtturm (in Steingaden!) den Ortsnamen und das Klosterwappen definieren, glauben allerdings viele Historiker.
Bildquelle: Nachlass Philipp Apian in der Bayerischen Staatsbibliothek.

Merian1644Steingaden
Noch 1644 wird im bekannten Merian-Stich die Zeichnung des 16. Jahrhunderts übernommen. Bildquelle: «Topographia Bavariae» von Matthäus Merian, Frankfurt 1644, Seite 136 a.

Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts und die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts bedeuten für Steingaden eine fruchtbare Zeit, von der auch der Orden profitiert. 1623 kann in Steingaden das gemeinsame Noviziat der Zirkarie eingerichtet werden. Das Kloster zählt jetzt wieder 25 Patres und Fratres sowie 9 Novizen. Der Dreissigjährige Krieg stoppt das Wachstum. Seit 1632 wüten auch im südlichen Bayern abwechselnd Schweden und Kaiserliche, noch mehr aber Pest und Hunger. Die Abtei zahlt, glaubt man Westenrieder,[10] schon 1632 Kontributionen nach Augsburg. 1634 wird der Maierhof gebrandschatzt. Aber schon 1643 kann Steingaden das Renaissanceschloss Rudolfshausen in Holzhausen als Sommersitz erwerben. Und im August 1646 ist die Welt in Steingaden wieder in Ordnung, wie das grosse Fest der Reliquienübertragung des hl. Beninus von Ilgen nach Steingaden zeigt.[11] Erst 1646, in der zweiten Phase des schwedischen Rückzuges über den Inn wird Steingaden am 24. November Opfer einer Brandschatzung des Klosters.[12]
Ein Votivbild, vielleicht kurz nach diesem Ereignis in der Wallfahrtskirche Ilgen aufgehängt, ist sprechendes Zeugnis.

Steingaden 1645 bis 1803

Das Wirken der barocken Bauäbte und die Folgen der Säkularisation
Steingaden überwindet unter dem Abt Augustin Bonenmayr die Verheerungen des Dreissigjährigen Krieges baulich, finanziell und personell in sehr kurzer Zeit. Die Barockzeit beginnt in Steingaden 1663 mit der Chor- und Seitenschiffstuckierung durch Wessobrunner und endet hundert Jahre später mit dem Bau der Wallfahrtskirche in der Wies.
Die Abtei ist bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts auch wirtschaftlich erfolgreich, dies trotz eher kleinen Einnahmen aus der Klosterherrschaft. Der für Bayern verheerende Spanische Erbfolgekrieg setzt dieser wirtschaftlichen Blüte ein Ende. Das Kloster versieht, wie dies beim Prämonstratenserorden die Hauptaufgabe ist, eine Region von ungefähr 3700 Einwohnern in acht Pfarreien mit der Seelsorge. Die Zahl des gut versorgten Personals in den Gewerbebetrieben und in der Landwirtschaft vergrössert sich parallel zu den Konventmitgliedern. 1764 zählt der Konvent 64 Mitglieder, soviel wie nie zuvor. Das Jahr 1764 bedeutet gleichzeitig auch den Höhepunkt der Verschuldung, die dann bis zur Säkularisation nicht mehr abgebaut werden kann. Einer der Gründe sind die hohen Personalkosten. Trotzdem wird ausschliesslich der Bau der Wieskirche für die 40 Jahre dauernde Verschuldung verantwortlich gemacht. Dass Bauvorhaben zwar kurzfristig zu Schulden führen können, aber in der Regel einen Klosterhaushalt nicht dauerhaft belasten, entgeht seit den frühen Schuldzuweisungen an ein «ganz unnützes Gebäude» (Johann Christian Freiherr von Aretin 1802 über die Wies) vielen Historikern.

Mehr zur Klostergeschichte und zu den Folgen der Säkularisation siehe in den beiden Anhängen.

Anhang I widmet sich ausführlicher der Klostergeschichte unter den Äbten 1645–1803, mit spezieller Hervorhebung der Bauäbte und mit einer Erläuterung der vier Klosterwappen.

Anhang1   Gehe zum Anhang I «Die Abtei Steingaden 1645–1803 und die Bauäbte der Barockzeit in Steingaden» 

Anhang II geht auf die Folgen der Säkularisation von 1803 ein, beleuchtet einen anschliessenden Kauf durch «ausländische Lumpen» und erläutert die Gebäudeschicksale bis heute.

Anhang2   Gehe zum Anhang II «Nach der Säkularisation. Erwerb durch ausländische Lumpen. Gebäudeschicksale nach 1803»

 

Bauchronologie, Äbte und Meister

Kirchen und Konventgebäude bis zur Barockzeit

Kirche St. Johannes Baptist
Die Klosterkirche wird 1176 geweiht. Der 1167 verstorbene Sohn des Stifters liegt bereits im Langhaus begraben, die Kirche muss also noch vor dem Weihedatum weitgehend fertig gebaut sein. Sie ist eine flachgedeckte, dreischiffige und querschiffslose Pfeilerbasilika mit drei Chorapsiden und Doppelturm-Westfront. Abt Kaspar Suiter aus Füssen, der 1456–1491 regiert, erneuert den Bau ab 1470. Er lässt die Seitenschiffe wölben und deren Fenster vergrössern. Mit ihm hält die Gotik Einzug. 1491 baut er an die Doppelturmfront einen  Pultdachvorbau mit einer gewölbten Vorhalle und beidseitigen Kapellen. Im Bauernkrieg 1525 zerstören die Bauern auch die Kirchenausstattung. Unter Abt Johann V, der 1523–1553 regiert, folgt die Wiederherstellung. Der Abt soll auch die Einwölbung des Chors veranlasst haben.[13]

Kreuzgang und Konventflügel
Kurz nach 1200 werden die drei Konventflügel um den südlich der Klosterkirche liegenden Kreuzgang gebaut. Abt Kaspar Suiter, der in der Kirche die Gotik einführt, lässt um 1491, gleichzeitig mit dem Bau der Vorhalle, auch die spätestgotischen Netzwerkgewölbe des Kreuzganges erstellen. Im noch erhaltenen westlichen Flügel ist die von Abt Kaspar gotisch umgebaute, in den Kreuzganghof ragende Brunnenkapelle erhalten. Die um 1811/19 abgebrochenen Süd- und Nordflügel des Kreuzgangs müssen wir uns in gleicher Ausführung vorstellen. Am Ostflügel mit dem Dormitorium im Obergeschoss kragt in alten Abbildungen nahe der Kirche ein zweigeschossiger Stichflügel aus. Er enthält im Erdgeschoss die romanische Marienkapelle, auf die Abt Kaspar im Obergeschoss um 1470/90 die Bibliothek baut. Im Bauernkrieg niedergebrannt, werden die Klosterflügel unter Abt Johann V. nach 1525 wiederaufgebaut. Auf zwei detailgetreuen Ölbildern im «Necrologium» von 1651 ist eine Westansicht des Klosters im Zustand vor dem Dreissigjährigen Krieg und eine Südansicht nach der schwedischen Brandschatzung 1646 zu sehen.[14] Vor allem das Bild des Klosters nach dem Brand sagt mehr aus als viele langatmige Baubeschriebe.

Necrologium1651Vor   Necrologium1651nach   Steingaden vor und nach der schwedischen Brandschatzung 1646. Bildquellen: Necrologium Staingadense 1650, Fol. 8r und 9r.






Im Bild links, betitelt «Staingadium» unter dem Wappen von Abt Bonenmayr ist die Vogelschauansicht des Klosters aus Westen vor dem Dreissigjährigen Krieg zu sehen. Seit der Zeichnung des 16. Jahrhunderts (oben) hat sich demnach nur wenig verändert.

Im Bild rechts sind in einer Vogelschau aus Südost die gleichen Gebäude nach der Brandschatzung dargestellt. Vom Süd- und Ostflügel, auch von den östlichen Stichflügeln stehen nur noch die Mauern.

Die Pfarrkirche St. Dionysus
Auf allen Ansichten aus Norden oder Westen ist die 1803 abgßebrochene oder (im Westteil) in Wohnhäuser umgebaute Pfarrkirche deutlich zu sehen. Sie ist der Doppelturmfront der Klosterkirche nordwestlich vorgelagert und mit der runden Johanneskapelle durch das innere Klostertor verbunden. Die Pfarrkirche ist ein weiteres Bauwerk von Abt Kaspar Suiter, der sie als mächtigen, turmlosen, dreischiffigen und dreijochigen gotischen Hallenbau mit eingezogenem, polygonal geschlossenen Chor gegen Ende des 15. Jahrhunderts bauen lässt. Er ersetzt damit eine ältere Dionysiuskirche, die an dieser Stelle seit fränkischer Zeit besteht.

Die Kapelle St. Johannes Evangelist
Die runde Johanneskapelle rechts des inneren Klostertors von 1589 ist ein Bau aus der Gründungszeit des späten 12. Jahrhunderts. Am gotischen Gewölbe ist die Jahreszahl 1511 ablesbar. Die Klosterannalen berichten, dass in diesem Jahr nicht nur das Gewölbe errichtet, sondern die ganze Kapelle abgebaut und an die heutige Stelle versetzt worden sei. Ihre alte Lage ist unbekannt, sie könnte dem Neubau der Dionysiuskirche im Wege gestanden haben.

Die Eingriffe der Barockzeit und ihre Meister
Neugestaltung des Kircheninnenraums unter Abt Augustin Bonenmayr
Um 1660 beginnt mit dem Umbau des Chors, seinen Stuckierungen und mit der Umgestaltung der Seitenschiffgewölbe durch Wessobrunner Meister die Barockzeit in Steingaden. Diese ersten Baumeister- und Stuckaturarbeiten, die nicht reine Wiederaufbaumassnahmen sind, überträgt Abt Augustin Bonenmayr wahrscheinlich an Matthäus Schmuzer[15] aus Wessobrunn und seinem 21-jährigen Sohn Johann Schmuzer,[16] die alle Arbeiten 1663 beenden. Zu dieser ersten barocken Bauphase zählt auch die neue Altarausstattung. Drei dieser ersten barocken Altäre der Kirche stehen noch heute an Ort. Es handelt sich um den Hochaltar und die beiden Pfeileraltäre am vordersten Pfeilerpaar, die Jörg Pfeiffer aus Bernbeuren zugeschrieben werden.[17] Als Maler des Hochaltarblattes wird Johann Christoph Storer genannt.[18]

Barocker Konvent-Südflügel

Für die barocke Umgestaltung des Südflügels mit dem Neubau der Prälatur und der Aufstockung auf drei Geschosse, die Abt Gilbert I. zwischen 1674 und 1684 vornimmt, fehlen alle Quellen. Die Annahme, dass auch diese Arbeiten von Johann Schmuzer vorgenommen werden, ist nicht abwegig. Der Wessobrunner Baumeister und Stuckateur arbeitet bis 1680 mehrheitlich in der Region zwischen Wessobrunn und Oberammergau.

Wening1701
Steingaden von Nordwest in «Historico-Topographica Descriptio. Das ist: Beschreibung, deß Churfürsten- und Hertzogthums Ober- und Nidern Bayrn. Band [1]: Das Renntambt München» (Wening 1701). Die Gebäude sind im Wening-Stich deutlich zu erkennen. Er stellt den Zustand während der  Regierung des Abtes Augustin Baur (1687–1699) dar. Sein Wappen ist oben links angebracht (Bild anklicken!). Als persönliches Wappen führt Abt Marian in Feld 2 und 3 einen geteilten Schild, oben in Blau ein schwarzer Adler, unten in Schwarz ein goldener Löwe.
Zu den wichtigsten Gebäuden (siehe die Nummern im Lageplan):
Die Prälatur [5a] mit den barocken Ecktürmen nach dem Umbau von Abt Gilbert I. / Die Pfarrkirche [2] vor den Türmen der Stiftskirche / Der Gasthof [10] mit dem Schleppdach. Der westlich vorgelagerte grosse Ökonomiehof (Meierhof) [18] vor dem Neubau. Die östliche Friedhofsbegrenzung ist offenbar noch Projekt. Hier entstehen später die das Komödienhaus flankierenden Kegelbahnen [8].

Die Umgestaltung des Kirchen-Mittelschiffs unter Abt Hyazinth Gasser
Die mangelhaften Quellen für alle barocken Eingriffe führen dazu, dass auch für den Umbau des Kirchen-Mittelschiffs keine Baudaten überliefert sind. Ein zeitgenössischer Klosterchronist schreibt, dass «die Arbeit von Gips durch Franz Schmuzern von Wessobrun» ausgeführt sei. Franz Schmuzer,[19] der schon im April 1741 stirbt, dürfte deshalb Entwerfer und auch Stuckateur der ersten Bausaison sein, die vielleicht früher als bisher angenommen beginnt.[20] Demnach könnten die Bauarbeiten, wie das Ausbrechen der grossen Obergadenfenster und der Einbau des flachen Scheingewölbes in Stucklattenkonstruktion noch in das Jahr 1739 fallen. Früh arbeitet Franz Schmuzer mit seinem Neffen Franz Xaver Schmuzer, der 1741 die Arbeiten weiterführt und damit zum eigentlichen Meister der Rokoko-Stuckaturen von Steingaden wird.[21]
«Die Gemähle an denen mittleren Gewölben und zu beyden Seiten durch den berühmten Kunst Mahler Herrn Johann Georg Bergmüller»[22] notiert der Klosterchronist. Bergmüller malt die Fresken in Etappen, wahrscheinlich 1741 und 1742. Ein Entwurf liegt bereits 1739 vor. 1751 kehrt er nochmals zurück, um auch das Fresko unter der Orgelempore zu erstellen, das als einziges signiert ist.
Der Klosterchronist nennt auch den Fassmaler mit dem anschliessenden Satz, es sei «die Vergoldung aber durch den diesortigen Mahler, Bernhard Ramies, verfertigt worden». Damit nennt er Johann Bernhard Ramis aus Steingaden,[23] der schon 1733 die Kreuzwegbilder malt und alle nachträglichen Fassungen von Stuck und Ausstattung bis um 1750 ausführt.
Über den Orgelbauer schweigt sich die Chronik aus. Die um 1743 gebaute Emporenorgel mit Rückpositiv könnte ein Werk von Johann Georg Hörterich aus Dirlewang im Unterallgäu sein.[24] Der noch heute erhaltene Orgelprospekt und die Emporenbrüstung bilden eine derart hervorragende gestalterische Einheit, dass beide nicht vom Orgelbauer stammen können. Ihre Meister sind unbekannt.[25]

Ausstattungen von Abt Marianus II. Mayr
Noch bis 1770 wird die Stiftskirche weiter ausgestattet. Um 1745/48 erstellt der Bildhauer Anton Stürm aus Füssen[26] die Rokoko-Kanzel am mittleren linken Pfeiler und am gegenüberliegenden Pfeiler ein bildhauerisches Pendant, das Christus am Kreuz mit Gottvater darstellt. 1749 liefert Johann Baptist Straub[27] die beiden Welfenepitaphien am zweitvordersten Pfeilerpaar. Die Meister der Rokoko-Stuhlwangen und der Beichtstühle, beide ebenfalls Arbeiten von 1749, sind nicht bekannt. 1770 folgt mit den beiden Seitenschiffaltären der Bildhauer Franz und Joseph Fröhlich aus Tölz die letzte Ausstattung der Barockzeit.[28]

Architektur und Ausstattung der Stiftskirche

Die mittelalterliche Kirche

Die Doppelturmfront und mögliche Vorbilder
Prämonstratenser kennen, anders als die Zisterzienser, keine Bauvorschriften. Auch das   Turmverbot ist unbekannt. Deshalb dürfen Prämonstratenserkirchen des 12. Jahrhunderts nach dem Vorbild von Kirchen der Cluniazenser- oder Hirsauer-Reform zweitürmig sein. Auch die erste Kirche des Mutterklosters Rot ist zweitürmig.[29] Wie bei vielen Zweiturmlösungen der Romanik stehen die Türme in Rot aber beidseits der Chorapside. Die Westturmfront von Steingaden folgt nicht dem Vorbild von Rot. Vielleicht lassen sich ihre Erbauer durch Doppelturmfronten von Kirchen der Hirsauer Reform, wie etwa dem im Bau befindlichen Welfenmünster von Weingarten inspirieren.[30] Eher dürfte aber die 1160 geweihte Stiftskirche von Roggenburg, damals wie Steingaden in der Zirkarie Schwaben gelegen, Vorbild des Kirchenneubaus in Steingaden sein.

Die romanische Baugestalt
Die Stiftskirche von Roggenburg besitzt wie die 1176 geweihte Stiftskirche von Steingaden eine Doppelturm-Westfront. Die Baugestalt beider Kirchen ist verblüffend ähnlich. Sie sind dreischiffige Pfeilerbasiliken ohne Querschiff. Der basilikale Querschnitt setzt sich im Chor fort. Gemeinsames Merkmal sind auch die drei Chorapsiden. Wie zu dieser Zeit in der Zirkarie Schwaben üblich, besitzen die Kirchen keine Krypten. Beide Innenräume sind flachgedeckt. Sie haben eine ähnliche Innenlänge. Steingaden ist im Langhaus mit 5 Jochen ein Joch kürzer, dafür ist der Chor entsprechend länger.[31] Langhaus und Chor sind durch einen Triumphbogen getrennt. In Steingaden sind die beiden Westtürme in die Flucht der Seitenschiffe eingebunden und durch zweiseitige Arkaden zum Langhaus geöffnet. Eine Westapside wie in Roggenburg ist vermutlich in Steingaden nie vorhanden.

SteingadenDehio   In der damaligen Zirkarie Schwaben sind nur drei Stiftkirchen mit einer Doppelturm-Westfront bekannt: Roggenburg 1160, Steingaden 1176 und Osterhofen 1195. Es scheint deshalb, als hätten die Prämonstratenser von Steingaden die Kirche ihrer Ordensbrüder im (ausserhalb Altbayerns liegenden) Roggenburg gekannt und zum Vorbild genommen[32] Die etwas idealisierte Ansicht der romanischen Kirche von Steingaden ist hier im Bild zu sehen. Es ist eine 1892 veröffentlichte Rekonstruktion von Dehio und Bezold in «Geschichte der kirchlichen Baukunst des Abendlandes». Das Bauwerk übersteht aber das 19. Jahrhundert trotz der barockfeindlichen und mittelalterbegeisterten Zeit ohne rekonstruierende Wiederherstellungen. 

Gotik und Renaissance
Ein erster gotischer Einfluss ist schon im romanischen Bau vorhanden. So zeigen die Arkadenbögen der Seitenschiffe im ersten Bau eine spitzbogige Tendenz. Dies ist im Chor noch nach der barocken Überformung erkennbar.
Erstmals wird die Kirche im 15. Jahrhundert spätgotisch verändert. Um 1470–1490 lässt Abt  Kaspar Suiter die Kirche umbauen. Die nördlichen Seitenschifffenster werden vergrössert. Alle Seitenschiffe erhalten Rippengewölbe.[33] Ihre statische Sicherung erfolgt nordseitig durch das Anbringen von äusseren abgestuften Wandpfeilern. In diese Zeit könnte die Entfernung der Seitenschiff-Apsiden zugunsten einer besseren Belichtung fallen. Bis 1491 baut der Abt auch die neue Vorhalle als westlichen Anbau und wölbt sie, wie die Kreuzgangflügel und viele weitere verschwundene Konventbauten, mit spätestgotischen Netzrippen.
Aus der Wiederherstellungszeit nach dem Bauernkrieg stammt das 1534 erstellte Renaissance-Chorgestühl des Meisters HS. Zwar nur mit seinen Initialen bekannt, sind diese gleichzeitig der erste Hinweis auf einen Meister in Steingaden.[34] Das doppelreihige Gestühl hat je 12 Stallen hinten und 11 Stallen vorne. Es ist für eine Konventgrösse geplant, die nie überschritten werden wird. Es ist ein zwar einfaches, aber noch erhaltenes Gestühl dieser ersten Renaissanceperiode nördlich der Alpen.

 

Die barocke Kirche des 17. Jahrhunderts

Die Neugestaltung des Chorraums und der Seitenschiffe  

Die am linken Chorbogenpilaster angebrachte Jahreszahl 1663 bedeutet das Ende der Umbauarbeiten unter Abt Augustin Bonenmayr. Sie ersetzen in den Seitenschiffen die Rippengewölbe des ausgehenden 15. Jahrhunderts. Vermutlich ist auch das Chorgewölbe (um 1530) noch ein Rippengewölbe.[35] Die Stuckaturen der Chor- und der Seitenschiffgewölbe sind frühe Wessobrunner-Arbeiten in identischer Formensprache. Ihr Stil ist noch immer von der «Münchner Schule» geprägt, die vom Renaissancestuck der Jesuitenkirche München ausgeht und sich die reichere plastische Formenwelt der «Italiener» noch nicht angeeignet hat.[36] Trotz vorgefertigtem Modelstuck zeigen die architekturbetonenden und geometrisch geprägten Stuckfelder und –Bänder vor allem in den Seitenschiffen ein überraschendes Formenrepertoire. Im Tonnengewölbe des Chors sind die Joche durch Gurtbänder getrennt. Durch ein grösseres kreuzförmiges oder rundes Feld mit goldenen Monogrammen auf blauem Grund in jedem Jochscheitel wird die Scheitellinie betont. Die Apsiskalotte ist als riesige Muschel ausgebildet. Hervorragend gelöst ist die architekturplastische Ausbildung der Chorseitenwände und ihrer Arkadenöffnungen. Auf Höhe des Kämpfers setzt in den vorgeblendeten Pilastern eine Ädikulanische mit geschweiftem Sprenggiebel an. Der Bildhauer der darinstehenden sechs Heiligen wird nirgends genannt. Auch die acht stuckierten Wappenschilde in den Zwickeln von vier Arkadenbögen finden kaum Beachtung.[37]

Der Hochaltar

Der Hochaltar steht frei unter der Muschel-Kalotte der Chorapsis. Sein Retabel ist eine doppelsäulige Ädikula mit gesprengtem Segmentgiebel, der eine weitere Säulenädikula als Auszug fasst. Die äusseren gedrehten Säulen sind nach vorne gezogen. Ihre Postamente rahmen die Mensa. An sie werden 1961 auskragende Konsolen mit Figuren angesetzt. Auch der Tabernakel ist erst seit 1958 in Steingaden. Er ist ein Werk von Br. Jakob Amrhein SJ, 1712 für die Jesuitenkirche Hall im Tirol angefertigt. Das Altaretabel ist mit Ausnahme der rot marmorierten Säulen schwarz und golden gefasst. Im Altarblatt (B x H: 2 x 4 m), das Johann Christoph Storer zugeschrieben wird, ist die Einkleidung des hl. Norbert mit dem Ordenshabit und die Übergabe der Ordensregel durch Maria mit Kind und den hll. Johannes und Augustinus dargestellt.

Pfeileraltäre

Die beiden Pfeileraltäre im Mittelschiff sind ähnlich dem Hochaltar, aber nur mit der Hälfte seiner Höhe gebaut. Ihre Ädikula-Retabel sind einfachsäulig, die gedrehten Säulen grau marmoriert. Im Blatt des nördlichen Pfeileraltars ist die Rosenkranzspende durch Maria und Kind an den hl. Dominikus und die hl. Katharina dargestellt. Im Blatt des südlichen Pfeileraltars sind die Vierzehn Nothelfer mit Maria und Kind zu sehen.

 

Das umgestaltete Langhaus des 18. Jahrhunderts

Ein Rokokoraum

Das Mittelschiff in Steingaden ist nach den Einwölbungen und späteren Barockisierungen des Chors und der Seitenschiffe zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch immer flachgedeckt. Der kistenartige Hauptraum der Stiftskirche kann zur Zeit des beginnenden Rokokos nicht mehr befriedigen. Die dem Rokoko anhaftende Bildhaftigkeit und seine Verunklärung der Raumgrenzen muss Abt Hyazinth 1739 bewogen haben, den Stuckateuren von Rottenbuch[38] und dem Maler von Diessen[39] den Auftrag zur Umgestaltung zu erteilen. Zwar verwenden die Schmuzer erst 1741 im Langhaus von Rottenbuch das Rocaillemotiv durchgehend, aber schon in Steingaden ist es zu sehen. Entscheidend für den Rokokoraum ist die Bildhaftigkeit. «Die Rocaille an den Übergängen zwischen Architektur und Fresken erzeugt die charakteristische Bildeinheit. Der Aufbau des Mittelschiffs ist nun folgender: Arkade, Wandfresko, unregelmässige Fensteröffnung, Deckenfresko. Die architektonische Raumgrenze ist unwirksam gemacht, der Kirchenraum aus der Architekturwirklichkeit in die Bildhaftigkeit überführt».[40]
Für die Umwandlung des Langhauses von Steingaden in einen Rokokoraum ist kein Baumeister bekannt. Er ist auch nicht notwendig, denn die Bausubstanz wird nur wenig angegriffen und die Wessobrunner sind auch in Maurerarbeit bewandert. Einziger markanter Eingriff sind die vergrösserten Obergadenfenster. Sie füllen die Scheidbögen der Hängekuppeln. Die Schmuzer (Franz, vielleicht auch Joseph) verändern hier das übliche Halbkreis- oder Thermenfenster zu einer Öffnung mit geschweiftem Umriss. Dieses typische Rokokofenster ist für den Innenraum eine glückliche Lösung. Seine Breite verdankt es den neuen Leichtgewölben der Wessobrunner Stuckateure. Sie fassen je zwei Joche zu einer im Grundriss quadratischen Hängekuppel zusammen. Unter Einbeziehung des Turmjoches gestalten sie das Langhausgewölbe damit als Addition dreier mit Gurtbögen getrennten Hängekuppeln.[41]
Die unterbliebene Umgestaltung des Chorraumes und der Seitenschiffe wird meist mit der späteren schiefen Finanzlage des Klosters begründet. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Andersartigkeit dieser barocken Räume bewusst belassen wird. Noch heute wird die Bildarchitektur des Langhauses auch deshalb verstanden, weil sie wie eine Antithese zur Chor- und Seitenschiffarchitektur wirkt.

Stuck und Fresken
Bernhard Rupprecht verdeutlicht die Verwischung der Raumgrenzen an der Abfolge Arkade, Wandfresko, unregelmässige Fensteröffnung, Deckenfresko. Die Rolle des Stucks wird dabei nicht bewusst unterschlagen, sie wird wie selbstverständlich dem Fresko zugeschrieben. Man betrachte die beschriebene Abfolge im Bild der Pilaster-Gurtbogenzone, um zu sehen, dass der Stuck für die Verwischung der Raumgrenzen von grosser Wichtigkeit ist. Ein horizontales Gebälk wie im Chor ist nicht mehr vorstellbar.[42] An seine Stelle treten Wandfresken, die in ihrer oben geschweiften und mit Muschelwerk und Putti versehenen Rahmung vom Arkadenbogen bis in den Gewölbeansatz unter der Fenstersohlbank reichen. Fast als Bestandteil der Fresken wirken dank ihrer angleichenden Tönungen die zwölf  Zwickelkartuschen. Sie sind im mittleren Gewölbejoch etwas kleiner, aber alle rahmen nicht die üblichen Fresken, sondern Spiegel. Besonders phantasievoll ist der rahmende Stuck dieser Kartuschen ausgeführt, aus dem in den acht grösseren Bekrönungen Engelsköpfe herauswachsen.
Die drei Kuppelfresken und alle Wandfresken Bergmüllers sind dem hl. Norbert und seinem Orden gewidmet. Die drei Kuppelfresken sind einansichtig gemalt, für das westliche Emporenfresko muss man sich drehen. Sie sind in der spezifischen, erzählenden und den realen Kirchenraum nach oben in einen Ereignisraum öffnenden Bildform gemalt, wie sie Bergmüller 1736 schon in seinem Hauptwerk in Diessen anwendet.
In die östliche, an den Chor anschliessende Kuppel, malt er die Gründungsvision des hl. Norbert.[43] Im mittleren Kuppelfresko ist die Glorie des hl. Norbert zu sehen.[44] Eine eigentliche Geschichtslektion bietet das Fresko in der westlichen Kuppel über der Empore. Es hat den Bau des Klosters Steingaden zum Thema.[45]
Die Wandfresken sind zehn heiligen oder seligen Prämonstratensern gewidmet.[46] Sie entsprechen sich inhaltlich und farblich paarweise (Nord/Süd). Alle Fresken malt Bergmüller 1742 als erzählende Historie.
In die zum Kirchenraum aufgebogene Untersicht der Orgelempore malt er 1751 das letzte Deckenfresko mit der Enthauptung Johannes des Täufers und der wartenden Judith. Die beiden Wandfresken seitlich des Ausgangs unter der Empore sind ebenfalls Bergmüller-Arbeiten. Er malt arkadenfüllend die beiden Welfenherzöge Welf VI. und Welf VII. in Ritterrüstung. Die aufsteigende Feuchtigkeit hat diesen beiden Fresken stark zugesetzt.

Ausstattungen des 18. Jahrhunderts
Orgel und Empore
Die Prospekte von Hauptorgel und Rückpositiv bilden mit der Empore eine gestalterische Einheit. Ursprünglich mit 22 Register gebaut, sind ihre Werke längst neu. Ihre Prospekte sind aber unverändert seit 1743 erhalten. Die Hauptorgel steht vor dem grossen schmuzerschen Westfenster im Gegenlicht. Ihr neunachsiger Prospekt wird vom hohen, konvexen Mittelturm und zwei abschliessenden niederen Seitentürmen dominiert. Das Rückpositiv ist fünfteilig mit drei konvexen Türmen. Vor allem in der Hauptorgel ist die Übereinstimmung der Gehäusegestaltung mit den darüberliegenden grossen Stuckkartuschen augenfällig. Obwohl die Rocaille noch kaum vorhanden ist und Muschelwerk in allen Formen dominiert, ist die Gestaltung der Orgelgehäuse und der Emporenbrüstung klares beginnendes Rokoko. Der ausführende Bildhauer ist nicht bekannt. Die Einheit von Empore und Orgel lässt den Orgelbauer ausschliessen. Zur dieser farblichen Einheit trägt auch der Fassmaler Ramis bei, der als einziger der Mitwirkenden namentlich gesichert ist. Er fasst alles in einen sanften, hellen Blaugrau-Ton, dann vergoldet er Schleierbretter, Brüstungsgitter, Fruchtgehänge, das tragende Muschelwerk des Positivs und die verschlungenen Régencebänder der Brüstung. An ihr sind auch Blau- und Rosafassungen zu sehen.

Kanzel
Mit der Kanzel und ihrem Gegenstück, dem «Gnadenstuhl»[47] ist eine hochkünstlerische Rokokowelt im Kirchenraum präsent. Die Kanzel von Anton Sturm aus Füssen ist völlig der Rocaille untergeordnet. Sein Kanzelkorb ist eine mit Rocaillen belebte Muschel, sein Schalldeckel selbst ist einzige grosse, durchbrochene Rocaille, ein eigentliches Schmuckstück, in der durchbrochenen Mitte die schwebende Taube des Hl. Geistes, auf den Rändern Symbole der Kirchenväter, überall Putti, und als Bekrönung der Vertikale ein triumphierender Engel. Heute fehlt der Kanzel der ursprüngliche Aufgang.[48]

Seitenschiffaltäre
Die erst 1770 aufgebauten Altäre der beiden Langhaus-Seitenschiffe füllen deren Ostabschluss vollständig aus. Die marmorierten Holzaltäre sind in einer vorderen Retabelebene viersäulig  ohne Kurvierung über hohe Postamente gestellt, die die liegenden Heiligen Leiber fassen. Trotz ihres geraden Verlaufs will der Altarbauer im Gebälk eine Kurvierung darstellen. Die hintere Ebene ist der bildhauerischen Figuralplastik in der Mittelnische (Joseph, Antonius). zwischen den Säulen und im Auszug gewidmet. Im Aufbau und in ihrer Figuralplastik erfüllen diese Altäre weder die Ansprüche einer späten Rokokozeit noch des beginnenden Klassizismus.

Stifterepitaphien
Am zweitvordersten Pfeilerpaar, noch vor der Kanzel und dem «Gnadenstuhl», hängen zwei Welfen-Epitaphe. Sie werden 1749 dort angebracht, wo in Langhausmitte ursprünglich das Stifter-Hochgrab steht. Johann Baptist Straub formt das Epitaph Welf VI. am nördlichen Pfeiler um einem spätgotischen Grabstein, den er mit Rotmarmor fasst und mit Putto und Vorhang aus vergoldetem Blei dekoriert. Straub übernimmt auch die gotischen Ziffern für die Sockelinschrift. Im südlich gegenüberliegenden Epitaph Welf VII. ist die Grabplatte ein Werk des Bildhauers, die er aber in Reverenz zum nördlichen Epitaph in mittelalterlicher Manier erstellt. Während der kniende Stifter Welf VI. im nördlichen, mittelalterlichen Grabstein die Kirche in ihrem Zustand um 1550 hält, hält Welf VII. im südlichen Grabstein das barocke Kloster.

WelfVI   WelfVIFresko   WelfVII   WelfVIIFresko
Epitaph des Stifters Welf VI. mit mittelalterlicher Grabplatte. Johann Baptist Straub formt ihn mit Rotmarmorfassung und einer Dekoration mit Putto und Vorhang aus vergoldetem Blei zu einem Rokokoepitaph.
Foto: Bieri 2022.
  Welf VI. im südlichen Stifterfresko unter der Empore, von Johann Georg Bergmüller. Das Welfenwappen hat sich hier, mit verwechselten Farben und einem Greifenlöwen, zum Wappen Steingadens gewandelt. Foto: Bieri 2022.   Epitaph des Stiftersohnes Welf VII. als südliches Pendant zum Stifterepitaph. Johann Baptist Straub übernimmt nicht nur die mittelalterliche Darstellung des knienden Ritters, sondern auch die gotische Schrift.
Foto: Bieri 2022.
  Welf VII. im nördlichen Stifterfresko der Westwand. Wie beim älteren Welf liegt auch bei ihm seitlich ein Fürstenhut. Die Sockelinschriften sind an beiden Fresken durch aufsteigende Feuchte zerstört worden.
Foto: Bieri 2022.

 

Veränderungen und Restaurierungen der Kirche vom 19. bis zum 21. Jahrhundert
Ob die ehemalige Stiftskirche allfälligen Verbesserungen der barockfeindlichen Zeit des 19. Jahrhunderts ausgesetzt wird, ist aus der zugänglichen Literatur nicht ersichtlich. Nicht alles, was heute in der Kirche barock erscheint, ist ursprüngliches Ausstattungsgut. So kommen die beiden kleinen Barockaltäre beim Choreinzug erst 1835 in den Kirchenraum. Ihre Patrozinien verweisen auf einen nach 1803 abgebrochenen Sakralraum der Prämonstratenser. Auch die Kreuzwegstationen sind offenbar spätere Anschaffungen, einige der ursprünglichen grösseren Gemälde sind im Klostermuseum zu sehen.
Die erste umfassende Innen- und Aussenrestaurierung erfolgt 1955–1962. Aussen wird 1993 erneut restauriert. Eine letzte Innen- und Aussenrestaurierung ist 2019 abgeschlossen. Anlässlich dieser Restaurierung wird auch der Liturgiebereich durch den Architekten Christian Stadtmüller aus Kaufbeuren wesentlich umgestaltet. Er verlängert den Chorboden durch Überbrückung der bestehenden Stufenfolge und schafft eine abgestufte Liturgiezone in hellem Marmor, in den sich der neue Volksaltar und der Ambo in gleichem Material gut einfügen. Die Verlängerung schliesst die beiden Chorbogenaltäre von 1835 ein und eliminiert damit gleichzeitig die bisherigen unschönen Stufen beim Triumphbogen.

Pius Bieri 2020

 

Architekturgeschichtliche Literatur zu Steingaden

Bezold, Gustav / Riehl, Berthold: Die Kunstdenkmale des Königreiches Bayern, erster Band, Lieferung 7: Bezirksamt Schongau. München 1893.
Hager, Georg: Die Bau- und Kunstdenkmale des Klosters Steingaden, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte, Band 48, München 1894.
Rupprecht, Bernhard: Die bayerische Rokoko-Kirche, Dissertation 1957 München. Kallmünz 1959.
Dischinger, Gabriele: Johann und Joseph Schmuzer. Sigmaringen 1977.
Vollmer, Eva Christina: Der Wessobrunner Stukkator Franz Xaver Schmuzer. Sigmaringen 1979.
Poppa, Rudolf und Kaess, Friedrich: Versuch einer Rekonstruktion der romanischen Klosterkirche von Roggenburg und ihre baulichen Veränderungen bis 1752, in: Jahrbuch des historischen Vereins Dillingen, XCVIII. Jahrgang. Dillingen 1996.
Historischer Verein Schongau Stadt und Land e. V (Hrsg.): Das ehemalige Prämonstratenserstift Steingaden, Beiträge zur 850-Jahr-Feier in: «Der Welf», Schongau 1996/97.
Paula, Georg und Berg-Hobohm, Stefanie: Denkmäler in Bayern. Landkreis Weilheim-Schongau, Bd.1 und Bd.2, München 2003.


Anmerkungen:

[1] Zum ehemaligen Chorherrenstift Rottenbuch und der Wallfahrtskirche Wies siehe die Beschreibungen in dieser Webseite.

[2] Die ältere, der römischen Via Claudia folgende Strasse verläuft westlich des Inns. Seit dem Hochmittelalter wird diese «Obere Strasse» zwischen Schongau und Füssen von einer weiteren Verbindung konkurrenziert, die in Schongau abzweigt und über Peiting nach Steingaden und Schwangau führt, um dann in Füssen wieder der alten Wegführung über den Fern- und Reschenpass ins Südtirol zu folgen. Im Reise-Atlas von Baiern (1796) des Adrian von Riedl wird diese «Chaussee von Augsburg über Schongau nach Füssen» sogar als einzige Verbindung für den Postkutschenverkehr nach Füssen beschrieben. (Abfahrt am roten Tor in Augsburg sonntags und mittwochs, je 11 Uhr). Reidl erwähnt allerdings die westlich des Lechs führende Strasse von Füssen nach Schongau deshalb nicht, weil diese alte Wegführung 1796 noch ausserhalb «Baierns» liegt.
Eine weitere Nord-Süd-Verbindung im «Pfaffenwinkel» zweigt in Peiting ab und führt entlang der Ammer nach Rottenbuch, Ettal, Garmisch, Mittenwald und Innsbruck in den Süden. Alle diese von Augsburg kommenden Altstrassen haben als Ausgangspunkt Schongau. Die links des Lechs liegende altbayerische Stadt ist eigentliches Hauptort des südlichen Pfaffenwinkels.

[3] Die Welfen sind im 9. und 10. Jahrhundert mit zwei Linien vertreten. Die burgundische Linie begründet das Königreich Hochburgund mit den Städten Besançon, Lausanne und Genf. Ihr Hauskloster ist St. Maurice. Diese Linie stirbt 1032 aus. Aus der schwäbischen Linie mit dem Stammsitz Altdorf (heute Weingarten), deren letzte Vertreterin Kunigunde von Altdorf um 1035 Alberto Azzo d'Este heiratet, geht die jüngere Linie der Welfen hervor. Der Sohn Kunigundes und Albertos, Welf IV. (*um 1040 †1101), ist als Welf I. 1070–1077 und 1096–1101 Herzog von Bayern. Die Eheleute Welf IV. und Judith von Flandern sind Stifter von Rottenbuch, aber auch der Benediktiner-Reichsabtei Weingarten, dem eigentlichen Hauskloster der Welfen. 1147 stiftet ihr Neffe Welf VI. (1115–1191), Markgraf von Tuszien und Herzog von Spoleto, das Kloster Steingaden. 1167 gehen die welfischen Hausgüter durch Erbvertrag an den Staufer Friedrich I. Barbarossa. Als 1191 der Stifter von Steingaden stirbt, kommt Friedrich I. Barbarossa deshalb in den Besitz des Ammer-Lech-Gebietes. Welf VI. wird in dem von ihm gegründeten Kloster Steingaden begraben.

[4] Zu Welf VI. (1115–1191) siehe den Beitrag in der Wikipedia [https://de.wikipedia.org/wiki/Welf_VI.]

[5] Zur Prämonstratenserabtei Rot an der Rot siehe den Beschrieb in dieser Webseite.

[6] Zur Zirkarie Schwaben zählen folgende Männerstifte: Ursberg (1125 oder später). Rot an der Rot (1126); Roggenburg (1126); Bellelay (1140, bis 1657 in der Zirkarie Burgund); Chur St. Luzi (1140); Weissenau (1145); Obermarchtal (1171); Allerheiligen im Schwarzwald (1182); Schussenried (1183). Die in der Reformation eingegangenen Klöster sind: Churwalden (1149); Cazis bei Chur (1156); Adelberg bei Göppingen (1178); Bebenhausen (1187); Rüti bei Rapperswil (1208); St. Jakob im Prättigau (1208); Himmelspforte bei Basel (1303). Zu Bellelay, Obermarchtal, Roggenburg, Schussenried und Weissenau siehe die Dokumentationen in dieser Webseite.

[7] Die Zirkarie Bayern wird erst 1618 von der Zirkarie Schwaben getrennt, nachdem seit 1606 die Abspaltung informell in Kraft ist. Sie umfasst sieben Klöster in Bayern, drei Klöster des Bistums Passau in Oberösterreich und ein einziges Kloster im grossen Bistum Salzburg (Griffen in Kärnten). In Altbayern zählen zur Zirkarie die Klöster Windberg (1130), Osterhofen (1138), Schäftlarn (1140), Neustift bei Freising (1143), Steingaden (1147) und St. Salvator in Griesbach (1309). Nachdem 1628 die Oberpfalz an das kurfürstliche Bayern kommt, wird das in der Reformation aufgehobene Stift Speinshardt 1661 von Steingaden neu besiedelt. Alle sieben Klöster der bayerischen Zirkarie werden 1803 säkularisiert. Mehr zum Orden siehe im Glossar «Kirche» in dieser Webseite, Buchstabe P, mehr zur Zirkarie unter Buchstabe Z.

[8] Pankraz Fried (in «Der Welf» 1996/97) schreibt das Ende der Reichsunmittelbarkeit Ludwig dem Bayer zu, der 1328 als erster Wittelsbacher römisch-deutscher Kaiser wird. Aus strategischen Gründen schenkt dieser 1330 das bisher Augsburg zugewandte Reichskloster an seine neugegründete Abtei Ettal, was dann trotz Bemühungen von Reich und Kloster 1425 zur Übergabe der Vogtei auf «Widerruf» vom Kaiser an Bayern führt. In anderen Geschichtsdarstellungen (u. a. Backmund 1983) wird beschrieben, dass der von Rot 1402 postulierte Propst Johann Sürg von Sürgenstein das Kloster freiwillig unter den Schutz des Herzogs von Bayern gestellt habe .

[9] Abt Joachim Wiedemann ist 1578–1580 Generalvikar für die Zirkarie Schwaben (Bayern wird erst 1618 formell abgetrennt). Sein Nachfolger ist der Abt von Weissenau, jetzt bereits mit dem Abt Gallus von Steingaden als Visitator der sieben bayerischen Klöster. Da er aber oft krank ist, werden die Visitationen von den Pröpsten von Neustift und Windberg übernommen. Quelle: Wilfried Schöntag in «Germania Sacra, Marchtal» 2012. Nur noch zweimal werden Äbte von Steingaden als Generalvikare gewählt: 1653 Augustin Bonenmayr und 1717 Magnus Pracht.

[10] Lorenz Westenrieder  in «Beyträge zur vaterländischen Historie, Geographie, Statistik, etc. 2/1789» Seite 423. Die detaillierte Kosten-Auflistung des Krieges entspricht aber einiger Phantasie. 

[11] Siehe dazu den Beschrieb des Festzuges in «Bonenmayr, Augustinus: S. Beninus Martyrer, So zu Steingaden in der Regulirten Premonstratenser Chorherren Gottshauß mit Triumphirlicher Solennitet ist eingebracht worden». München: Straub, 1664, abrufbar unter: epub.ub.uni-muenchen.de/18153/

[12] …«wurde das Kloster am 24. November 1646 gänzlich ausgeplündert, die Abtei samt dem Konventgebäude verbrannt und eingeäschert; ein Teil des Chors der Kirche wurde vom Feuer ergriffen; besonders zu bedauern ist die verbrannte auf 12 000 Gulden geschätzte Bibliothek. Die Not war so gross, dass man die Konventualen exulieren (an einen anderen Ort schicken) musste; einige wurden von den Schweden gefangen genommen und als Geiseln behalten, bis sie ausgelöst wurden» beschreibt eine Handschrift des Paters Gerlach Haimerle (1709–1785) die Vorgänge 1646. Am 26. November nehmen die Schweden Schongau ein und ziehen sich über den Lech zurück, um die Winterquartiere am Bodensee zu beziehen.

[13] Die Einwölbung des Chores durch Abt Johann V. um 1530 wird von Bezold/Riehl «Kunstdenkmale Oberbayerns» (1893) mitgeteilt. Die Art des Stichkappen-Tonnengewölbes und der Rundfenster könnten zwar auf einen Neubau erst 1660/1663 hinweisen, wie dies in Band I.23 der Denkmäler in Bayern (2003, Seite 470) vermerkt ist. Trotzdem ist ein Gewölbebau um 1530 möglich. 1660/63 werden auch die gotischen Netzgewölbe der Seitenschiffe in gleicher Art überformt. In der einzigen Klosteransicht vor 1660, dem Necrologiumsbild Fol. 9r (1651), sind zudem Rundfenster ab dem sechsten Joch schon sichtbar. Quellenangaben für einen Gewölbeneubau im Chor fehlen leider für beide Daten, nur scheint die Forschung von 1893 glaubwürdiger.

[14] Das «Necrologium» enthält bemalte Pergamentblätter (B 21,5 x H 30 cm) mit 16 gemalten Ölbildern und 16 ebenfalls gemalten Textbilder, die jeweils rechts und links auf einem Doppelblatt zusammengestellt sind. 1651 schliessen sie nach 12 Doppelblättern mit den Wappen von Abt Bonenmayr ab, weitere 4 Doppelblätter werden nach 1750 mit Darstellungen zur Wies angefügt. Vor allem die beiden Klosterdarstellungen Fol. 8r und Fol. 9r sind für die Baugeschichte Steingadens eine unschätzbar Quelle. Die Bayerische Staatbibliothek stellt das Dokument leider nur in Schwarz-Weiss als Digitalisat zu Verfügung [https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb00112020], was vor allem angesichts der vielen eingefügten Wappen unverständlich ist.

[15] Matthäus Schmuzer I (1603–nach 1693), auch Mathias geschrieben, aus Gaispoint-Wessobrunn. 1641/42 stuckiert er die Jesuitenkirche Landshut nach Entwürfen des Jesuitenbaumeisters Johannes Holl. Obwohl Stuckateur, ist er auch Gewölbebauer, so in der Pfarrkirche Eresing 1646/56 (nicht erhalten) und in der Stadtpfarrkirche Schongau 1657 (nicht erhalten). In Steingaden arbeitet er mit dem Sohn Johann Schmuzer zusammen, vermutlich später auch bei weiteren Bauten seiner Söhne Johann und Matthias II.

[16] Johann Schmuzer (1642–1701) aus Gaispoint-Wessobrunn, Sohn von Matthäus Schmuzer I, baut als erste eigene Bauwerke 1670 die Wallfahrtskirchen Ilgen bei Steingaden und 1673–1678 die Wallfahrtskirche St. Koloman in der Ebene von Schwangau. Zu Ilgen siehe die den Baubeschrieb in dieser Webseite. Zu Johann Schmuzer siehe die Biografie in dieser Webseite.

[17] Vom Altarbauer Jörg Pfeiffer aus Bernbeuren sind keine Lebensdaten bekannt. Ihm werden auch die Seitenaltäre in Auerberg (St. Georg, «um 1650»), auch zwei hochbarocke Hochaltäre in Eresing (St. Ulrich, 1687) und in Landsberg am Lech (Hochaltar 1680) zugeschrieben. Lebensdaten deshalb vor 1630–nach 1687.

[18] Johann Christoph Storer (1620–1671) aus Konstanz. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[19] Franz Schmuzer (1676–1741). Die Schmuzer-Biografin Eva Christina Vollmer schliesst auch eine Mitarbeit seines Bruders, des Baumeisters Joseph Schmuzer (1683–1752) nicht aus. Zu den beiden in Gaispoint-Wessobrunn (als Söhne von Johann Schmuzer) geborenen Franz Schmuzer und Joseph Schmuzer siehe die Biografien in dieser Webseite.

[20] Alois Epple in «Der Welf 1996/97» legt aufgrund der Entwurfsdatierungen Bergmüllers den Beginn der Stuckaturarbeiten an der Decke ins Jahr 1739, was aber der Fehlüberlegung entspricht, dass die Stuckaturarbeit vor der Freskenarbeit beendet sein muss. Die Deckenfresken datiert er 1740/1741.

[21] Franz Xaver Schmuzer (1713–1775), aus Gaispoint-Wessobrunn. Er wird im Oktober 1743 für die Arbeiten in Weingarten mit 1100 Gulden entschädigt, ist also höchstens bis 1742 in Steingaden tätig.

[22] Johann Georg Bergmüller (1688–1762) aus Türkheim. Akademiedirektor in Augsburg. Den Entwurf für das westliche Deckenfresko zeichnet er 1739, diejenigen für die Seitenwände 1741. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[23] Johann Bernhard Ramis (†1759) und sein Sohn Judas Thaddäus Ramis (1734–1808) sind Klostermaler in Steingaden. Die beiden Maler sind auch die Fassmaler der Wieskirche.

[24] Johann Georg Hörterich (1705–1770) aus Dirlewang. Ihm zugeschrieben werden auch die Werke in der Wies und in Ettal. Genannt für Steingaden wird auch der Orgelbauer Quirin Weber (1693–1751) aus Dachau. 

[25] Zur stuckierten Brüstung schreibt Eva Christina Vollmer: «Es fragt sich, wie weit die hervorragende Komposition der Orgelempore ein Werk des Stuckateurs ist».

[26] Anton Sturm (1690–1757) aus Faggen. Pfarrei Prutz bei Landeck im Tirol. Zu ihm siehe den Wikipedia-Beitrag.

[27] Johann Baptist Straub (1704–1784) aus Wiesensteig, Hauptmeister der Münchener Plastik im 18. Jahrhundert. Die beiden Epitaphien sind aber keine originären Werke Straubs. Siehe dazu den Abschnitt der Architekturbeschreibung unten. Zu Johann Baptist Straub siehe den Wikipedia-Beitrag.

[28] Von beiden Tölzer Bildhauern sind keine Lebensdaten bekannt.

[29] Die beiden heutigen Türme stehen an Stelle älterer Türme, von denen der Nordturm später nur noch Stumpf ist. Allgemein darf angenommen werden, dass bei späteren Kirchenneubauten die Turmsituation beibehalten wird. Der spätere Rückbau oder der nur in den ersten Geschossen ausgeführte zweite Turm ist nicht nur in Rot zu beobachten. Beispiele: Prämonstratenserabtei Rüti bei Rapperswil (Bau des romanischen Nordturms nur bis Seitenschiffhöhe); «Welfenmünster» Weingarten (Rückbau des romanischen Südturms im 14. Jahrhundert); Prämonstratenserabtei Osterhofen (1740 Rückbau beider romanischer Westtürme).

[30] Weingarten wird ab 1124 gebaut. In der Stifterkapelle zwischen der romanischen Doppelturm-Westfront, der Grablege der Welfen, sind auch Heinrich der Schwarze (†1126), Vater des Klostergründers von Steingaden und alle seine Vorfahren begraben. Obwohl die riesige romanische Basilika erst 1182 geweiht wird, dürfte sie der mehrheitlich in der Bodenseeregion anwesende Klosterstifter Welf VI. vor dem Baubeginn in Steingaden (um 1150) gekannt haben. Es wäre immerhin möglich, dass er deshalb die Anregung für eine Doppelturm-Westfassade in Steingaden gibt.

[31] Vergleich aufgrund der Rekonstruktion von Roggenburg durch Rudolf Poppa und Friedrich Kaess in «Versuch einer Rekonstruktion der romanischen Klosterkirche von Roggenburg und ihre baulichen Veränderungen bis 1752» in: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen. 98. Jahrgang (1996).
Historischer_Verein_Dillingen/Jahrbuch#Band_98_.28XCVIII.29_1996

[32] Das «gewöhnlichen Schema der romanischen Kloster- und Stiftsanlagen Altbayerns», wie dies seit Hager 1894 für Steingaden noch heute repetiert wird, fasst zumindest den Begriff Altbayern sehr weit. Damit ist Hager aber in guter Gesellschaft. Noch 1959 beschreibt Bernhard Rupprecht die Rokoko-Kirche «als ein im wesentlichen bayerisches Phänomen».

[33] Die Rippengewölbe des noch heute in der Kunstdenkmäler-Literatur benutzten Grundrisses sind reine Phantasie. Sie werden 1660/63 abgeschlagen und entziehen sich einer Rekonstruktion. Die südlichen Seitenschifffenster sind ein nicht dokumentierter Eingriff des 19. oder 20. Jahrhunderts. Sie sind zur Klosterzeit gegen den Kreuzgang geschlossen.

[34] Ein Meister HS ist führender Meister der süddeutschen Schreinerkunst um 1530–1570, aber tätig im Bodenseegebiet. Zu seinem Zeichen HS siehe [www.zeno.org/Kunstwerke/A/Meister+HS]. Das Gestühl von Steingaden wird ihm von Sybe Wartena zugeschrieben. Dagegen spricht der Artikel von Jürg Ganz 1969 [www.e-periodica.ch/]. Rainer Schmid («Dehio» 2006) vermutet Heinrich Stark aus Memmingen.

[35] Siehe dazu die Anmerkung 13

[36] Die Jesuitenkirche St. Michael in München wird 1593–1597 nach dem Entwurf von Friedrich Sustris stuckiert. Sein Nachfolger Hans Krumper (1570–1634), der aus Weilheim stammt und 1627 auch die Stuckaturen der frühen Wandpfeilerhalle  der Stadtkirche von Weilheim ausführt. Die plastischen Arbeiten der schon 1613 in der Residenz München wirkenden Brüder Castelli, die 1616–1619 auch die Hofkirche in Neuburg stuckieren, haben bei Matthäus Schmuzer noch wenig Einfluss. Erst seine Söhne Johann und Matthäus II finden zu einem eigenständigen Stil und begründen den Ruf der Wessobrunner Stuckateure.

[37] Die nordseitigen Wappenschilde sind: 1. in Rot schreitender goldener Greifenlöwe (Stifterwappen); 2. In Rot weisser Querbalken (Sigismund Franz von Habsburg,1646–1665 Augsburger Fürstbischof); 3. In Blau silberne Johannesschüssel (Herzschild Klosterwappen); 4. in Rot steinerner Turm auf Quadratsteinen (Kloster Steingaden).
Die südseitigen Wappenschilde sin: 1. Doppeladler (Reich); 2. Kurbayern; 3. Inful und Stab (?); 4. In Rot wachsender Mann (Abt Augustin Bonenmayr).

[38] Im nahen  Rottenbuch gestalten der Wessobrunner Stuckateur und Baumeister Joseph Schmuzer 1737/38 mit seinem Sohn Franz Xaver Schmuzer den Chor und das Querhaus um.

[39] Neubau von Johann Michael Fischer. Stuck von Franz Xaver und Johann Michael Feichtmayr 1736/37, Fresken von Johann Georg Bergmüller 1736. In der Kirchweihpredigt wird das Werk als «der neue Himmel zu Diessen» gelobt und festgestellt: «Ein Kirchen zu bauen ist sovil als einen neuen Himmel erschaffen».

[40] Bernhard Rupprecht in: Die bayerische Rokoko-Kirche 1959.

[41] Im Gegensatz zu den Chor- und Seitenschiff-Gewölben in Steingaden sind die Langhausgewölbe von 1739 weder gemauert noch selbsttragend, sondern sind neue Gipslatten-Leichtgewölbe. Die meisten Rokokoumgestaltungen von Kirchenräumen finden dagegen in bereits massiv gewölbten Bauwerken statt. Beispiele: Rottenbuch, Indersdorf, Violau.

[42] Über das Aussehen des Langhauses vor der Umgestaltung ist überhaupt nichts bekannt. Die Kunsthistorik glaubt, dass die Seitenwände erst 1740 in die Kur genommen werden und die Schmuzer auch die noch vorhandenen Spitzbögen der Arkaden barock überformen.

[43] Kuppelfresko Ost, Bergmüller 1741: Engel und Putti tragen in der Bildmitte Christus am Kreuz. Seitlich kniet vor der Steingadener Rundkapelle der hl. Norbert in Zwiesprache mit der Divina Providentia. Unten übermittelt ein Engel einen Klosterplan an Prämonstratenser-Mönche. Weil der Plan nicht Steingaden, sondern Prémontré darstellt, dürfte es sich um trotz des Ortsbezugs um die Vision der ersten Klostergründung handeln. Der Plan im Fresko stellt Prémontré in der barocken Gestalt vor, entnommen aus den 1736 erschienenen «Annales Tomus I» von Charles Hugo.

[44] Kuppelfresko Mitte, Bergmüller 1741: Die Glorie des hl. Norbert füllt in farblicher Einheit mit der Stuckatur das Kuppelgewölbe und betont damit die Raummitte. Im Zentrum schwebt der hl. Norbert auf einer Wolke. Er hält die leuchtende Hostie als Darstellung des Gottessohnes in einer Monstranz und wird von Maria, Gottvater und Hl. Geist in den Himmel aufgenommen. Symbolträchtiger ist das irdische Geschehen. Unter einem roten Baldachin ist die Ecclesia im goldenen Papstornat zu sehen, Engel halten ihre Attribute. Mit der gestürzten und der aufrechtstehenden Tiara verweist sie auf die Absetzung des Gegenpapstes Anaklet II. durch den hl. Norbert. Sein Gegenspieler Tanchelin wird unten durch die Personifikation der Fides (Kreuz, Kelch, Gesetzestafeln) über die Treppen heruntergeworfen.

[45] Kuppelfresko West, Bergmüller 1741: Am Kloster Steingaden wird im Hintergrund bereits gebaut, im Vordergrund arbeiten die Steinmetze, Mörtelträger steigen eine Rampe zu einer gebauten Terrasse hoch. Auf ihr stehen die irdischen Hauptakteure: Herzog Welf VI. mit Gefolge und der erste Propst, davor der kniende Baumeister mit dem Klosterplan, der Steingaden um 1650 zeigt. Diese Gruppierung um den Klosterplan ist aber weder zentral noch gross gemalt, denn das Bildzentrum wird von den beiden auf einer Wolke schwebenden Patronen beherrscht, dem hl. Johannes Baptist und dem hl. Johannes Evangelist.

[46] Südlich, von vorne: 1. Hl. Gilbert († 1152); 2. Hl. Gerlach von Valkenburg († 1172); 3. Hl. Ludolf († 1250);
4. Hl. Gottfried von Kappenburg († 1127); 5. Sel. Friedrich († 1175).
Nördlich, von vorne: 1. Hl. Siard († 1230); 2. Hl. Evermod († 1174); 3. Hl. Adrian Jensen († 1572) und hl. Jacob Lacops († 1572); 4. Sel. Gertrud von Altenberg († 1197); 5. Sel. Hermann Joseph (1241).

[47] Als Gnadenstuhl wird eine Kreuzigungsdarstellung bezeichnet, bei der Gottvater das Kreuz hält. Die üblicherweise dazugehörende Taube des Hl. Geistes fehlt, weil dieser bereits an der gegenüberliegenden Kanzel schwebt.

[48] Eine offene, fast halsbrecherische Treppe mit freikragenden Stahlstufen führt heute hinauf. In allen Publikationen wird kein Wort über den Verbleib des alten Rokokoaufgangs verloren.

 

 

 

 

 



Wandfresken von Johann Georg Bergmüller (1742): Heilige und Selige des Prämonstratenserordens
Wandfresken der Südseite von Ost nach West
SteingadenIWFS5   SteingadenIWFS4   SteingadenIWFS3   SteingadenIWFS2   SteingadenIWFS1
Der hl. Gilbert († 1152), erster Prior von Neuffontaines. Inmitten von Heilungssuchenden heilt er einen Knaben.   Der hl. Gerlach von Valkenburg († 1172), ein Einsiedler, empfängt von Bischof Servatius die letzte Kommunion.   Dem hl. Ludolf († 1250), Bischof von Ratzeburg, erscheint im Kerker der hl. Isfried und reicht ihm den Kelch dar.   Der hl. Gottfried von Cappenberg († 1127) erscheint nach seinem Tod seiner Tante, einer Prämonstratenserin.   Dem sel. Friedrich († 1175) erscheint die hl. Cäcilia und beauftragt ihn mit der Gründung des Klosters Mariëngaarde.
                 
Wandfresken der Nordseite von Ost nach West
SteingadenIFWN5   SteingadenIFWN4   SteingadenIFWN3   SteingadenIFWN2   SteingadenIFW1N
Der hl. Siard († 1230), Abt von Mariëngaarde (Friesland) verteilt Brot an Bedürftige und heilt einen Blinden.   Der hl. Evermod († 1174), Bischof von Ratzeburg, befreit zwei angekettete Friesen mit Weihwasser.   Die hll. Adrian Jensen († 1572) und Jacob Lacops († 1572) vom Kloster Middelburg als Märtyrer der Reformation.   Die sel. Gertrud († 1197), Äbtissin von Altenberg bei Wetzlar, als Schlichterin von Zwistigkeiten.   Der sel. Hermann Joseph (†1241) von Steinfeld in der Eifel vermählt sich mystisch mit der Himmelskönigin.


               

Erläuterungen zu den Wandfresken:
Die Wandfresken sind paarweise (S-N) lesbar. Das östliche Freskenpaar zeigt Prämonstratenseräbte, die als Heiler wirken. Im folgenden Freskenpaar sind heilige Bischöfe am Werk. Das mittlere Paar zeigt Märtyrer des Ordens. Das westlich folgende Paar ist Äbtissinnen des Ordens gewidmet. Im westlich abschliessenden Paar haben junge Prämonstratenser Visionen.

Zur geografischen Herkunft der Prämonstratenser in den Wandfresken:
Im süddeutschen Steingaden werden mit einer Ausnahme (Neuffontaines) ausschliesslich Ordensheilige aus den nördlichen Zirkarien Brabant (Niederlande) und Westfalen verehrt. Die am nächsten liegende Abtei ist das zehn Tagesreisen entfernte Kloster Altenberg bei Wetzlar in der Zirkarie Westfalen. Auf dem gleichen Breitengrad wie Steingaden liegt Neuffontaines bei Auxerre, das aber 15 Tagesreisen westlich liegt.
Die Erklärung der Konzentration von Prämonstratenser-Heiligen in den nördlichen Zirkarien Westfalen und Brabant könnte in der dortigen grossen vorreformatorischen Verbreitung der Klöster des Prämonstratenserordens liegen. Die beiden Zirkarien zählen über 80 Klöster, gegenüber den 30 Klöstern der süddeutschen Zirkarien Schwaben und Bayern.

 

 

 

 

 

 

 



Ehemalige Prämonstratenserabtei und Stiftskirche St. Johannes Baptist in Steingaden
Steingaden_I_1
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Steingaden in Oberbayern D Herrschaft Steingaden im Kurfürstentum Bayern
Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Augsburg 1660
Bauherr und Bauträger
      Abt Augustin Bonenmayr (reg. 1645–1674)
      Abt Gilbert I. Schmid von Wellenstein
      (reg. 1674–1684)
Gassner  Abt Hyazinth Gassner (reg. 1729–1745)
      Abt Marianus Mayr (reg. 1745–1773)
Der Innenraum der 1660 und 1740 umgebauten Stiftskirche, mit Blick gegen den Chor. Foto: Bieri 2022.
SteingadenA1
Die Doppelturmfront (1176) mit der Vorhalle (1491) aus Südwest. Foto: Bieri 2022.
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Reiseatlas1796
Der «Reise-Atlas von Baiern» (Adrian von Riedl 1796) stellt die «Chaussee von Augsburg über Schongau nach Füssen» als einzige Verbindung des Postkutschenverkehrs dar. Reidl erwähnt die westlich des Lechs führende Strasse von Schongau nach Füssen deshalb nicht, weil diese alte Wegführung 1796 noch ausserhalb «Baierns» liegt. Steingaden liegt in der Mitte des Weges (in der rechten Kartenhälfte unten). Quelle: Bavaricon.
Lageplan
Im genordeten Lageplan ist der Gebäudebestand des Klosters und seiner näheren Umgebung im (noch barocken) Zustand von 1803 zu sehen. Für Erläuterung und Vergrösserung bitte anklicken.
Steingaden1803
Eine Vogelschauzeichnung des Klosters vor 1803 ergänzt den obigen Lageplan.
Quelle: Gerhard Klein, Steingaden, 2003.
SteingadenA2
Ansicht von Kirche und Westflügel aus Osten. Der Ostabschluss der Kirche mit der verbleibenden romanischen Mittelapside. Die beiden Seitenapsiden fallen schon im 15. Jahrhundert dem Wunsch nach mehr Licht zum Opfer. Die heutigen grossen Fenster stammen aus der Barockzeit. Im Hintergrund der einzige erhaltene Flügel der Klosteranlage mit den romanischen Kreuzgangarkaden. Foto: Bieri 2022.
SteingadenA3
Die Kirche und der anschliessende Westflügel von Süden gesehen. Die Rundbogenfenster des Seitenschiffs sind erst nach dem Abbruch des Kreuzganges im 19. Jahrhundert ausgebrochen worden. Im Obergaden des Mittelschiffs ist die Teilung Langhaus / Chor an den Fenstern ablesbar: Im Langhaus die geschweiften Rokokofenster, im Chor die Oculi von 1663, die an der Stelle der romanischen Obergadenfenster liegen. Foto: Bieri 2022.
SteingadenA4
Die Nordfassade der Kirche zeigt im Obergadenbereich die gleichen Fenster: Vier barocke Oculi im Chor und zweieinhalb Langhaus-Schweiffenster des Rokokos . Erhalten sind die gotischen Seitenschiff-Fenster von 1490. Die Nordfassade bleibt nach 1803 ohne Veränderung.
Foto: Bieri 2022.
SteingadenA5
Der Rundbau der Johanneskapelle [3] vor der Kirchen-Westfront stammt wie die Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Sie ist eine Taufkapelle und wird 1511, nach dem Neubau der Pfarrkirche St. Dionysus, an die heutige Stelle versetzt. Im Hintergrund die zum Wohnhaus umgewandelten Reste der ehemaligen Pfarrkirche [2].
Foto: Bieri 2022.
SteingadenA7
Der frühere Klosterhof [33] ist heute Markt- und Parkplatz. In der Mitte das innere Klostertor, dasheute Zugang zur Kirche ist. Links die zum Wohnhaus umgewandelte Pfarrkirche [2]. Die runde Johanneskapelle [3] steht rechts des inneren Tors, dahinter die Doppelturmfront der ehemaligen Stiftskirche. Foto: Bieri 2022.
SteingadenA6
Die Vierflügelanlage des grossen Meierhofs liegt westlich der Klostermauern. Sie ist umgebaut erhalten. Foto: Ost und Nordflügel des Innenhofs, Bieri 2022.
SteingadenInnen2
Die der Doppelturmfront vorgebaute Kirchenvorhalle von 1491 erhält um 1600 an der Nordwand eine freskierte Welfengenealogie. Stark restauriert, sind heute alle unter den Bildtafeln liegenden Inschriften übermalt. Eine gute Beschreibung der wertvollen Genealogie und ihrer Heraldik siehe in www.inschriften.net. Foto: Bieri 2022.

Die Kirche
GrundrissKirche
Erdgeschoss-Grundriss von Kirche und Westflügel mit Erläuterungen. Entsprechend der heutigen Baugestalt neu gezeichnet von Pius Bieri 2021.
SteingadenInnenChoransicht
Blick vom Langhaus in den Chor.
Foto: Bieri 2022.
SteingadenInnenEmporenansichtI4
Blick nach Westen zur Orgelempore.
Foto: Bieri 2022.

Die Stuckaturen
SteingadenI5Stuck
Wessobrunner Gewölbestuck von 1660/63 im Chor. Die Scheitellinie wird durch ein grösseres kreuzförmiges oder rundes Feld betont, das mit goldenen Monogrammen auf blauem Grund hervorgehoben wird. Alle Stuckaturen sind durch eine sanfte Fassung hervorgehoben. Foto: Bieri 2015.
SteingadenI6Stuck
Wessobrunner Gewölbestuck von 1660/63 im südlichen Seitenschiff. Die architekturbetonenden und geometrisch geprägten Stuckfelder und -Bänder zeigen ein überraschendes Formenrepertoire.
Foto: Bieri 2015.
SteingadenIS7
Rund 80 Jahre später sind auch im Langhaus wieder Wessobrunner Stuckateure tätig. Nun bildet der Rokokostuck mit dem Fresko eine Einheit. Das Ziel ist jetzt die Vertuschung der Raumgrenzen.
Foto: Jbribeiro1 2017 in Wikipedia.

Die Ausstattung
SteingadenI8Chor
Die Chorseitenwände mit den Wessobrunner-Stuckaturen von 1660/63. Vor den beiden ersten Arkaden steht das Renaissance-Chorgestühl des Meisters HS (1534). Zu ihm, zum Stuck und zu den Wappenschilden siehe den nebenstehenden Text. Foto: Gfreihalter 2016 in Wikipedia.
SteingadenHochaltarIA1
Der Hochaltar unter der stuckierten Muschelkalotte der Apsis ist ein Werk von Jörg Pfeiffer (1663). Siehe zum Retabel den nebenstehenden Beschrieb. Die Figur des Auferstandenen steht heute nicht mehr vor dem Altar. Foto: Bieri 2015.
SteingadenHochaltarblatt
Das Altarblatt des Hochaltars mit der Einkleidung des hl. Norbert wird dem Konstanzer Maler Johann Christoph Storer zugeschrieben. Es zeigt in Form einer «Gnadentreppe» unten den Heiligen, der von Engeln das weisse Ordenskleid und vom hl. Augustinus die Ordensregel erhält. In der oberen Bildhälfte thront Maria mit dem Kind, rechts von Johannes dem Täufer und Johannes Evangelist begleitet.
Foto: Ricardalovesmonuments 2020
SteingadenPfeielraltarNord
Der nördliche Pfeileraltar (1663 von Jörg Pfeiffer) mit dem Altarblatt der Rosenkranzspende an den hl. Dominikus und an die hl. Katharina. Der Maler ist unbekannt.
Foto: Ricardalovesmonuments 2020.
PfeileraltarSued
Der südliche Pfeileraltar, ebenfalls 1663 von Jörg Pfeifer gebaut, enthält das wenig überzeugende Altarblatt der Vierzehn Nothelfer. Es stammt von einem unbekannten Maler des 18. Jahrhunderts.
Foto: Ricardalovesmonuments 2020.
SteingadenSeitenschiffaltarNord
Der nördliche Seitenschiffaltar von 1770 ist dem hl. Joseph gewidmet. Im Reliquienschrein liegen die Gebeine des hl. Beninus, welche 1664 im Triumphzug von Ilgen nach Steingaden überführt werden. Foto: Bieri 2022.
SteingadenSeitenschiffaltarSued
Der südliche Seitenschiffaltar von 1770 ist dem hl. Antonius von Padua gewidmet. Über der Mensa liegt der «Heilige Leib» des Hyazinthus. Foto: Bieri 2022.
SteingadenKanzel
Die Kanzel (1745) ist ein hochkünstlerisches Werk von Anton Sturm aus Füssen, das völlig der Rocaille untergeordnet ist. Deckel und Bekrönung bilden mit dem Stuck eine Einheit. Der Zugang ist modern.
Foto: Bieri 2015.
SteingadenGnadenstuhl
Auch das Gegenstück zur Kanzel, Christus am Kreuz mit Gottvater, ist ein Werk von Anton Sturm. Foto: Bieri 2015.
SteingadenOrgel
Die Prospekte von Hauptorgel und Rückpositiv bilden mit der Empore eine gestalterische Einheit. Sie sind unverändert seit 1743 erhalten. Mehr zu diesem Zusammenspiel von Stuckateur, Bildhauer und dem vermutlichen Orgelbauer Johann Georg Hörterich siehe im nebenstehenden Text. Foto: Bieri 2015.
SteingadenKirchenbank
Meisterlich herausgearbeitete Rocaille-Kartuschen definieren die Erscheinung der Bankwangen von 1749. Foto: Bieri 2022.

Die Gewölbefresken
SteingadenFreskoEmpore
Auf die vorgewölbte Untersicht der Empore malt Bergmüller 1751 die Enthauptung von Johannes dem Täufer. Rechts wartet Salome, ihre Dienerin trägt die Schüssel. Das Fresko ist (unter dem sitzenden Soldat links) signiert. Foto: Bieri 2022.
SteingadenIF2
In das von Franz und Franz Xaver Schmuzer stuckierte Kuppelgewölbe über der Empore malt Bergmüller 1741 das Fresko der Gründung von Steingaden. Unter den beiden auf Wolken sitzenden Johannes dem Täufer und Johannes Evangelist spielt sich ein barockes Baugeschehen ab. Am Kloster wird im Hintergrund bereits gebaut, im Vordergrund arbeiten die Steinmetze. Mörtelträger steigen eine Rampe zu einer gebauten Terrasse hoch. Auf ihr stehen die irdischen Hauptakteure. Sie und die Evangelisten sind in den Ausschnitten unten zu sehen. Foto: Bieri 2022.
SteingadenIF3Ausschnitt2
Johannes der Täufer und Johannes Evangelist sitzen im Gespräch auf einer Wolke über dem Baugeschehen. Ihre Attribute, der Kreuzstab und das Lamm des Täufers, der Adler des schreibenden Evangelisten, sind ihnen beigegeben. Über dem Schreibbrett des Evangelisten ist die Schriftrolle nach aussen heruntergeschlagen und zeigt einen Text in vermeintlich griechischen oder hebräischen Lettern. Es ist die verschlüsselte Signatur «Johann/Georg /Bergmiller/pinx.» des Malers. Ein schönes Detail ist auch der Engel mit der Posaune und dem nackten Hinterteil, der den Vorhang zurückhält. Er hat nicht vier Beine. Die zwei weiteren Beine sind diejenigen eine zweiten Engels, der durch den Vorhang verdeckt ist. Foto: Bieri 2022.
SteingadenIF2Ausschnitt
In der rechten unteren Hälfte des Freskos sind die irdischen Hauptakteure der Gründung vor Zelt und Rundturm auf einer Terrasse am Werk. Vorne zeigt Herzog Welf VI. im «Plan» auf seine Stiftung. Hinter ihm hält ein Page den Herzogshut. Neben dem Herzog steht sein Sohn Welf VII und der erste Propst, der ebenfalls auf das Klosterbild zeigt. Davor hält der kniende Baumeister den «Klosterplan», der die Vogelschau des Necrologiums von 1650 getreu abbildet. Foto: Bieri 2022.
SteinagdenIF4
Das Fresko im Kuppelgewölbe der Raummitte dehnt sich in die Kartuschen aus und beansprucht in farblicher Einheit mit der Stuckatur das Gewölbe vollständig. Es stellt die Glorie des hl. Norbert dar. Mehr dazu in Anmerkung 44. Foto: Bieri 2022.
SteingadenIF3
Im östlichen Kuppelfresko malt Bergmüller 1741, hier wieder durch den helleren Rokokostuck gerahmt, die Gründungsvision des hl. Norbert. Diese Vision des Ordensgründers, der im Fresko vor einer Rundkapelle kniet) ist für Prémontré überliefert und wird hier von Steingaden in Anspruch genommen. Foto: Bieri 2022.
SteingadenIF3Ausschnitt
Ausschnitt aus der Gründungsvision. Engel und Putti tragen in der Bildmitte Christus am Kreuz. Unten übermittelt ein Engel einen Klosterplan an Prämonstratenser-Mönche. Der Plan stellt aber nicht Steingaden, sondern Prémontré in der barocken Gestalt von 1736 dar. Der Plan ist den «Annales Tomus I» von Charles Hugo entnommen.
Foto: Bieri 2015.


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Nach der Säkularisation

Säkularisation und Erwerb durch «ausländische Lumpen»
Das Kloster Steingaden ist unter den säkularisierten landständischen Klöstern Altbayerns ein Sonderfall. Der Aufhebungskommissar Franz von Oberndorf stellt 1802 in der Gegenüberstellung von Aktiven und Passiven einen Negativsaldo von 70 732 Gulden fest. Einem geschätzten Gesamtvermögen von 234 368 Gulden stehen Schulden von 305 100 Gulden gegenüber. Die Grundstücke und die Gebäude wertet der Kommissar in der Regel mit ihrem Ertragswert, die Klostergebäude mit dem Abbruchwert. Nur bei der Wallfahrtskirche Wies ist er nicht sicher. Er setzt ihren Wert mit 20 000 Gulden ein. Ihr ermittelter Abbruchwert beträgt dann 1806 nur noch 2519 Gulden.
Das Schicksal der Klostergebäude unterscheidet sich nicht von anderen Klöstern, die erst 1803 unter bayerische Herrschaft kommen. Vom gänzlichen Abbruch wie dies für die Abteien Münsterschwarzach, Langheim, Fultenbach oder Wessobrunn verordnet wird, bleibt Steingaden zwar verschont. Die Stiftskirche wird neue Pfarrkirche und verfällt deshalb nicht dem Abbruch. An ihrer Stelle wird die alte Pfarr- und Taufkirche an Einheimische auf Abbruch verkauft. Mehr Mühe bekundet der Aufhebungskommissar mit dem Verkauf der Wirtschaftsbauten und der Landwirtschaftsflächen. 1803 kann er das Bräuhaus verkaufen. Der Verkauf der Landwirtschaft und der restlichen Gebäude scheitert, weil der erste Käufer zahlungsunfähig wird. 1804 kaufen die Brüder Meyer aus dem schweizerischen Aarau für 120 000 Gulden, dem damaligen Höchstangebot, gleich die drei ehemaligen Klöster Rottenbuch, Polling und Steingaden. Trotz der Kriege des mit Napoleon verbündeten Bayerns gegen Österreich wagen sie den Versuch, im Pfaffenwinkel eine Vorzeige-Landwirtschaft aufzubauen. 1814 wird Hieronymus Meyer,[1] einer der Brüder, für seine Verdienste um die bayerische Landwirtschaft von König Max I. Joseph in den Adelsstand erhoben.
In Steingaden ist Johann Felix Schoch, ein von der Zürcher Regierung gesuchter Revolutionär, unter dem Decknamen Rutishauser seit 1804 Verwalter des Klostergutes. Er fördert die Viehwirtschaft mit grossem Zuchterfolg. Mit seiner Familie wohnt er im Meierhof. 1809 erwirbt er zusammen mit einem Einheimischen einen grösseren Teil des Gutes Rottenbuch, 1811 auch den Rottenbucher Meierhof. Das Gut Steingaden wird 1816 von Johann Rudolf Mayer der königlichen Fohlengutverwaltung als Militärfohlenhof verkauft. Schoch zieht sich nach Rottenbuch zurück. Verwalter des jetzt staatlichen Betriebes Steingaden wird sein Sohn Johann Erhard.[2]
1812 verliert der für viele unverzeihliche Klosterabbrüche direkt verantwortliche, mit Napoleon verbündete Bayernkönig Max I. Joseph seine ganze Armee in Russland. In den folgenden Jahren prägen Revisionisten die Geschichtsschreibung. Nicht den verehrten König oder seine ausführenden bayerischen Beamten machen sie jetzt für die Sünden der Vermögenssäkularisation verantwortlich, sondern Ausländer. Der Minister Montgelas wird von ihnen verteufelt und vom Monarchen 1817 fallengelassen. Nicht besser geht es den ausländischen und dazu noch andersgläubigen Brüdern Meyer. 1812 berichtet die Königliche Spezialklosterkommission über die drei Klöster Polling, Rottenbuch und Steingaden: «Diese ausländischen Lumpen haben die schönen spottwohlfeil acquirierten Klöster ruiniert. Das kann man wenigstens von den Gebäuden sagen, die ganz das Bild der Zerstörung gewähren. Es ist vorbey und lässt sich nicht mehr ändern, denn das meiste geschah schon in den Jahren 1805–1807». Dass 1807 noch keines der 1804 erworbenen Gebäude abgebrochen ist und die Erfolge der Einwanderer für die Erneuerung der Viehzucht im Pfaffenwinkel nicht erwähnt werden, passt in das damalige Bild.
Zudem wird wahrscheinlich keines der Konventgebäude der drei Klöster von den Brüdern Mayer abgebrochen. In Rottenbuch kauft der einheimische Maurer Joseph Etti 1811 die Klosterflügel und beginnt den Abbruch, während Schoch alias Rutishauser den Meierhof erwirbt. In Polling, das 1842 in andere Hände geht, werden die ersten Gebäude vielleicht erst durch die neuen Besitzer abgebrochen, sie sind im Ortsblatt 1839 noch enthalten.[3] Der Abbruch des Süd- und Ostflügels in Steingaden findet zwischen 1811 und 1819 statt.[4] Seit 1816 ist der Staat und nicht mehr «ausländische Lumpen» Besitzer. Wie in Rottenbuch ist aber auch in Steingaden zwischen 1811 und 1819 der Kauf auf Abbruch durch Einheimische die Regel, wie die Teilumwandlung des Südflügels in Wohnbauten zeigt.[5]
Die Schuldzuweisungen der Abbrüche an «eigennützige Fremdlinge» oder «ausländische Lumpen» werden noch im 21. Jahrhundert ungeprüft von bayerischen Historikern übernommen. Diese leichtfertige Übernahme von verleumderischen Quellen stellt für die Geschichtsschreibung nach 1803 kein gutes Zeugnis aus.[6]

Mehr zum Thema in: Peter Genner «Nach dem Ende der Klosterherrschaft – Schweizer Revolutionäre im Pfaffenwinkel», in «Der Welf, Jahrbuch des Historischen Vereins Schongau – Stadt und Land 2013».

Gebäudeschicksale nach 1803[7]
(Gebäudenummerierung nach dem Lageplan)
Sofort nach der Säkularisation wird, wie oben erwähnt, die ehemalige Pfarrkirche St. Dionysus [2] abgebrochen. Der mit ihr durch das Torhaus [9] verbundene Rundbau der Johanniskapelle [3] bleibt verschont. Die Stiftskirche [1] wird Pfarrkirche und ist heute, nach mehreren Restaurierungen, ein gut erhaltenes Denkmal der Barockisierung einer mittelalterlichen Kirche. Von den Konventgebäuden steht nach 1819 nur noch der Westflügel [4], weil sein Obergeschoss 1803 Pfarrhof wird. Sein Erdgeschoss ist in der Osthälfte noch spätmittelalterlich und enthält neun Joche mit Netzrippengewölben. Der lange Südflügel [5] mit der Prälatur und der Ostflügel [6] sind abgebrochen.
Wichtige Gebäude aus der Klosterzeit dominieren noch heute die nächste Umgebung und lassen, zusammen mit den um den ehemaligen westlichen Klosterhof (heute Marktplatz) gruppierten Gebäuden, die ursprüngliche Klosterlandschaft noch erahnen. Das Bräuhaus [28] von 1790 geht 1804 an einen Münchener Bierbrauer, der es 1822 um einen Drittel verlängert. Diese 1882 und 1914 durch Brände stark beschädigte Brauerei stellt nach dem zweiten Brand den Betrieb ein. Südlich mit der Brauerei verbunden, und wie diese mehrfach umgebaut, ist die Fassmacherei [27] im Kern noch erhalten. Auch die ehemals gegenüberliegenden, den südlichen Klosterplatz westlich begrenzenden Gebäude mit Mühle und Pfisterei [20] sowie dem langen Handwerkerhaus mit Marstall [19] sind noch erhalten. Der grosse Meierhof [18] von 1769/76 ist mit Ausnahme des Nordflügels, der 1912 abbrennt, von Westen und Süden noch in seiner alten Gestalt erlebbar. Heute dient der Süd- und Ostflügel des Meierhofes als Schule.
Weitere Gebäude des Klosterdorfes, die heute noch erhalten sind, sind im Lageplan der Webseite beschrieben.

Pius Bieri 2022

         
SteingadenIA1835N   SteingadenIA1835S   Veränderungen der Ausstattung im 19. Jahrhundert

Nicht alles, was heute in der Kirche barock erscheint, ist ursprüngliches Ausstattungsgut.
So kommen die beiden kleinen Barockaltäre am Choreinzug erst 1835 in den Kirchenraum.
Ihre Patrozinien verweisen auf einen nach 1803 abgebrochenen Sakralraum der Prämonstratenser.

SteingadenKreuzweg
Auch die Kreuzwegstationen sind offenbar spätere Anschaffungen. Einige ursprüngliche Stationen sind im Klostermuseum zu sehen. Im Foto: Bieri 2022.
Norbertusaltar am nördliche Choreinzug.
Der hl. Norbert mit Prämonstratensern. Putti
halten Sakrament und Friedenspalme. Zu
ihren Füssen der Häretiker Tanchelm.
Foto: Ricardalovesmonuments 2020.
  Kreuzaltar am südlichen Choreinzug. Prämonstratenser-Heilige mit Palmen und
weiteren Attributen sind um den gekreuzigten
Christus gruppiert.
Foto: Ricardalovesmonuments 2020.
 

 

Anmerkungen:

[1] Hieronymus Meyer und sein Bruder Johann Rudolf sind auch die ersten Bezwinger eines Viertausenders der Schweizer Alpen. 1811 besteigen sie die 4158 m hohe Jungfrau im Berner Oberland. Kurzfristig wird die Jungfrau im Volksmund so zur Madame Meyer.

[2] Johann Erhard Schoch (1788–1839) und seine Ehefrau Maria Magdalena Spranger (1792–1831) haben 11 Kinder. Vier seiner Enkel kommandieren im Ersten Weltkrieg als Generäle bayerische Heereseinheiten.

[3] Im Ortsblatt Polling 1839 sind noch alle Konventgebäude enthalten. Wie in Steingaden ist auch hier kein Abbruchdatum für den Ostflügel erforscht. Der Nordflügel wird sogar erst 1892 durch die Dominikanerinnen zu Gunsten eines Neubaus abgebrochen.

[4] Christine Riedl-Valder in «Klöster in Bayern» (HdBG, ohne Jahr, abgerufen 2022-02-15) schreibt: «Wie in Rottenbuch erwarben die Brüder Mayer aus Aarau die Gebäude. Sie liessen sie 1819 fast vollständig abbrechen». In der vor 1820 entstandenen Uraufnahme sind Süd- und Ostflügel zum grossen Teil abgebrochen. Teile des Südfügels sind in Wohnbauten verwandelt. Der Abbruch muss nach 1811 (Meldung der Spezialklosterkommission an das Finanzdepartement vom 9. April 1811, dass das Kloster Steingaden «in kurzem leichtlich verschwinden wird») und 1819 stattgefunden haben.

[5] Die Gebäude Welfenstrasse 7, Prämonstratenserstrasse 1 und 4 sowie Loristrasse 1 sind im Grundriss noch heute mit dem ehemaligen Südflügel identisch. Siehe den Lageplan der Webseite.

[6] Es sind zehn bayerische Historiker, die der Autor Peter Genner im lesenswerten Beitrag «Nach dem Ende der Klosterherrschaft – Schweizer Revolutionäre im Pfaffenwinkel» namentlich nennt, welche die «Fake News» des 19. Jahrhunderts noch im 21. Jahrhundert unkritisch übernehmen. Dank der Veröffentlichung des Genner-Aufsatzes in «Der Welf» 2013 setzt nun eine zaghafte Revision der Ereignisse ein.

[7] Die Gebäudenummerierung nach dem Lageplan der Webseite

 

 

 

 


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Anhang 1

Die Abtei Steingaden 1645–1803

Bauäbte der Barockzeit in Steingaden


Abt Augustin Bonenmayr[1]
Im Votivbild[2] ist der 1645 gewählte Abt Augustin Bonenmayr mit seinem 17-köpfigen Konvent dargestellt. Abt Augustin ist der wichtigste Abt von Steingaden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In sehr kurzer Zeit kann er die Schäden des Dreissigjährigen Krieges beheben. Dazu trägt auch die gegenüber anderen Klöstern gute Finanzlage nach Kriegende bei.[3] Abt Augustin lässt die die beiden abgebrannten Klosterflügel ab 1648 wiederaufbauen. Schon 1652 kann er das «studium generale» der Zirkarie nach Steingaden holen und erneuert 1654 auch das gemeinsame Noviziat. Bis 1663 lässt Abt Augustin den Chor und die Seitenschiffe von Wessobrunnern stuckieren. Das Kloster, das sich vom Krieg erholt hat, wird vom bayerischen Kurfürsten 1661 für die Neubesiedlung des oberpfälzischen Klosters Speinshart bestimmt. Abt Augustin entsendet unter der Leitung des Priors Marianus Steiger vier Konventualen nach Speinshart. Bis 1690 ist Speinshart Priorat von Steingaden.[4] Als letztes Bauwerk seiner Amtszeit lässt er 1670 die Wallfahrtskirche Ilgen neu bauen.[5] Als er 1674 resigniert, zählt das Kloster 38 Konventualen.

VotivbildBonenmayr

In der unteren Bildhälfte des Votivbildes von 1746 halten Putti das Modell des abgebrannten Klosters, das beidseits von Abt Augustinus Bonenmayr und seinem 17 Häupter zählenden Konvent der Muttergottes empfohlen wird. Der Text dankt der wunderbaren Rettung der vom Brand verschonten Gebäude und erwähnt, dass der Grossteil der Konventmitglieder noch immer im Exil lebe. Foto: Bieri 2022

Gilbert I. Schmid von Wellenstein[6]
Gilbert I. wird 1674 gewählt, stirbt aber nach zehnjähriger Regierung mit nur 49 Jahren. Er ist Bauherr des Südflügelumbaus, den er um ein Stockwerk erhöht. Die im Westen vorstehende Abtei lässt er mit Ecktürmen versehen. Er vollendet auch die Wallfahrtskirche Ilgen. Bei seinem Tod 1684 besteht der Konvent aus 24 Patres, 3 Fratres und 4 Novizen. Die Abtei ist schuldenfrei.

Hieronymus Hail[7]
Die Regierungszeit des aus Speinshart zurückberufenen Präses Hieronymus dauert nur zweieinhalb Jahre. Im Juli 1687 flieht er über Speinshart nach Darmstadt, wo er zum lutheranischen Glauben übertritt. Über ihn wird deshalb nur negativ berichtet, auch über seine Tätigkeit als Bauabt. «Der entflohene Prälat hatte einen neuen kostbaren Klosterbau angefangen», schreibt ein späterer Chronist, ohne aber den Bau zu benennen. Es könnte damit auch der Neubau des Südflügels in Speinshart gemeint sein, der dann von seinem Nachfolger als Präses, Augustin Agricola fortgesetzt wird.

Die Äbte 1687–1729
Abt Augustin II. Baur oder Agricola,[8] der 1687–1699 regiert, ist Nachfolger des geächteten Apostaten. In Steingaden sind von ihm keine grösseren Bauvorhaben bekannt. Er wirtschaftet gut. Am Ende seiner Regierung beträgt das Kapitalvermögen 41 350 Gulden. Auch die Äbte Marian ¡. Biechele[9] und Anton Erath von Erathsburg[10] sind trotz Pfarrhausbauten keine eigentlichen Bauäbte, dies allerdings unfreiwillig. Beide regieren während dem für Bayern verheerenden Spanischen Erbfolgekrieg.[11] Bauvorhaben in Steingaden sind während der Zeit der zehnjährigen österreichisch-augsburgischen Herrschaft nicht bekannt, sieht man von der Mitteilung eines neuerbauten Bräuhauses ab, das dann «auf Veranlassung des bischöflich augsburgischen Beamten weggerissen und völlig vernichtet» wird.[12] Auch der erste Abt nach dem Friedensschluss, der von 1715–1729 regierende Magnus Pracht,[13] ist kein eigentlicher Bauabt, obwohl er noch 1728 mit dem Neubau der Kreuzbergkirche bei Steingaden beginnt.

Die beiden Bauäbte des 18. Jahrhunderts

GassnerHyazinth   Hyazinth Gassner[14]
Der 1729 gewählte Abt ist ohne Zweifel der wichtigste barocke Bauabt Steingadens. Vorerst lässt er die begonnene Kreuzbergkirche bis 1735 fertigstellen. Anschliessend erneuert er die zwei bestehenden querschiffartigen Seitenkapellen der Wallfahrtskirche Ilgen.[15] Im Hinblick auf die 600-Jahr-Feier 1747, sicher auch unter dem Eindruck des soeben barockisierten Chors in Rottenbuch, lässt er 1740-1742 das Mittelschiff der Kirche von Steingaden umgestalten.[16] Er beauftragt zwar die gleichen Stuckateure, vergibt aber die Freskenarbeit an den Augsburger Maler Johann Georg Bergmüller. Auch das neue Pfarrhaus in Epfach trägt sein Wappen. Die Kosten dieser Bauarbeiten sind nicht bekannt, dürften den bis dahin ausgeglichenen Finanzhaushalt Steingadens nur wenig belastet haben. Erst mit dem 1743 erfolgten  Beizug des Wessobrunner Stuckateur-Baumeisters Dominikus Zimmermann für den Neubau der Wallfahrtskirche zum «Gegeisselten Heiland» in der Wies beginnt sich das Blatt zu wenden. Der Abt lässt sich den begabten Künstler, der Architektur wie Stuck formt, vom Abt der Prämonstratenserabtei Schussenried empfehlen.[17] Obwohl zu dieser Zeit der Österreichische Erbfolgekrieg alle Klöster grossen finanziellen Belastungen aussetzt,[18] wagt Abt Hyazinth 1745 den Neubau der Wieskirche mit Dominikus Zimmermann.

Abt Hyazinth Gassner im Porträt der Äbtegalerie Steingaden
(Foto Bieri 2022).
Zu ihm siehe auch die Kurzbiografie
in dieser Webseite.
 

SteingadenMayr   Marianus II. Mayr[19]
Der Nachfolger des früh verstorbenen Bauabtes Hyazinth tritt kein einfaches Erbe an. Sein Vorgänger hat die blühende Wallfahrt nach der Wies gefördert und auch den Neubau begonnen. Die in der Klosterchronik überlieferte Schuldenlast von 100 000 Gulden (1745) darf aber nicht mit den wenigen durchgeführten Bauvorhaben des Vorgängerabtes erklärt werden, denn die Wieskirche ist erst begonnen und die wenigen Bauten des Kloster seit einem halben Jahrhundert können gesamthaft nie eine solche Schuldenhöhe verursachen.[20]
Abt Marianus II. scheint sich jedenfalls anfänglich wenig um Kostenbegrenzungen bei Bauvorhaben zu bemühen. Er lässt nicht nur Dominikus Zimmermann sein Bauwerk in der Wies verwirklichen, stattet die Kirche bis zum 600-Jahr-Jubiläum 1747 weiter aus, und beginnt noch 1769 die neue Vierflügelanlage des Meierhofs.[21] Die Kostenüberschreitungen beim Neubau der Wieskirche, die zu hohen Sozialleistungen der Abtei und die Forderungen des Kurfürsten und seines Geistlichen Rates zur Reduzierung der Staatschulden auf Kosten der Klöster führen nach der Jahrhundertmitte zu einer Verschuldung Steingadens, von der sich die Abtei nicht mehr erholt. Abt Marianus II. resigniert 1772 und zieht sich in die Wies zurück, wo er schon im folgenden Jahr im Alter von 60 Jahren stirbt. Unter seiner Regierung hat sich der Konvent von 37 Religiosen (1746) auf 45 (1764) vergrössert.


Abt Marianus Mayr im Porträt der Äbtegalerie Steingaden
(Foto Bieri 2022)
 


Steingaden unter den letzten vier Äbten

Die vier Äbte vor der Säkularisation des Kloster erleben eine generell klosterfeindliche Zeit, die im Kurfürstentum durch den Geistlichen Rat repräsentiert wird. Der seit 1762 regierende Kurfürst Max III. Joseph setzt dafür auf zwei ausgemachte Ideologen der Aufklärung, um die Klöster an der finanziellen Sanierung des hoch verschuldeten Kurbayerns zu beteiligen.[22] Spätestens 1783, als Kurfürst Carl Theodor mit der fadenscheinigen Begründung der Überschuldung die Prämonstratenserabtei Osterhofen und das Chorherrenstift Indersdorf zu Gunsten von Adelsinteressen aufhebt, wissen die Äbte von Steingaden, was ihrem Kloster blühen wird. Denn Steingaden ist das einzige bayerische Kloster mit einer effektiv vorhandenen Verschuldung. Nur umfangreiche Zahlungshilfen umliegender Klöster verhindern die vorzeitige Auflösung.
Die Äbte dieser letzten drei Klosterjahrzehnte sind Gregor Fischer,[23] Franziskus Weber,[24] Augustin III Baur (Agricola)[25] und Gilbert II. Michl.[26] Abt Gregor stirbt nach kurzer Regierung. Noch zählt die Abtei 38 Konventualen. Der nachfolgende Abt Franziskus resigniert nach nur drei Jahren. Der aus Steingaden stammende Abt Augustin II. stirbt schon mit 49 Jahren. Der einzige länger regierende Abt Gilbert II. wird wegen guter Wirtschaftsführung gelobt, er baut noch 1787–1790 ein neues Brauhaus, muss aber 1803 die Säkularisation erleben. Kunst- und Bücherschätze werden sofort weggeführt. Die nur noch 25 Konventuale werden mit einer Pension entschädigt oder nehmen Pfarrstellen an.

Die Klosterwappen
Die Barockzeit kennt vier Wappen mit Bezug zum Kloster. Seit dem 15. Jahrhundert ist das Johanneshaupt auf der Schüssel Siegel des Klosters. In der Barockzeit wird es als Herzschild (Rot in Silber) verwendet. Das Johanneshaupt erscheint aber auch als Wappenschild, dann als silbernes Haupt auf Schüssel in blauem Grund.[27]
Auch der Welfenlöwe als Stifterwappen wird schon früh verwendet. In der Regel ist es in Rot ein steigender goldener Löwe. Die Farben können aber auch «verkehrt» sein, wie 1510 im Weingartener Stifterbüchlein. Selten wird er schreitend dargestellt.[28] Der Welfenlöwe wandelt sich im 16. Jahrhundert in einen Greifenlöwen, indem er einen Greifenkopf erhält. Um 1650 ist er bereits vollständig zum Greifen umgewandelt, wie im Wappenschild des Necrologiums zu sehen ist.
Das dritte Wappen ist das eigentliche «redende» Klosterwappen. In Rot steht auf drei  silbernen Quadersteinen ein silbernes, blau gedecktes und turmartiges Haus, ein Gaden auf Stein. Der turmartige Gaden kann später auch zum zinnenbewehrten Turm werden.[29]
Ein weiteres Wappen erscheint erstmals Ende des 15. Jahrhunderts. In Silber sind drei Pappeln auf einem Dreiberg dargestellt. Die Farbe der Bäume und des Dreiberges ist grün, manchmal auch rot. Es wird manchmal dem Wappen des Klosterortes beigefügt. Seine Herkunft und seine Bedeutung sind vorläufig nicht erforscht.

WappenNecrologium   Diese Klosterwappen sind im 17. und 18. Jahrhundert in vielen Abtswappen entweder als Doppelwappen oder als mehrfach geteilte Schilde zu sehen. Nur das «Baumwappen» kann fehlen. Im Wening-Stich von 1701 sind im achtfach geteilten Schild gleich alle Wappen zu finden: Zusätzlich zum Adler und dem schreitenden Löwen von Abt Augustin Bauer auch die Klosterwappen.

Am eindrücklichsten ist die Wappendarstellung von Abt Augustin Bonenmayr in fol. 12r des Necrologiums von 1650.[30] Ein Engel hält zwei Wappenschilde. Beide sind quadriert.
Das vom Betrachter gesehene linke Schild ist das Wappen des Abtes. Feld 1 ist der «Greifenlöwe», Feld 2 und 3 das persönliche Wappen des Abtes.[31] In Feld 4 liegt der Turmgaden des Klosterwappens, hier aber nur auf einen Quader abgestellt. Im Herzschild liegt das Johanneshaupt.
Auch das zweite vom Engel gehaltenen Schild ist quadriert. Man kann es als Abteiwappen bezeichnen. In Feld 1 und 4 liegt das rätselhafte zweite Klosterwappen mit den drei Pappeln aus Dreiberg. Feld 2 und 3 enthält, nun auf den üblichen drei Quadern, den Turmgaden des üblichen Wappens von Steingaden.
  Die Wappenschilde von Abt Bonenmayr und der Abtei Steingaden im Necrologium 1650

Pius Bieri 2022

 

Anmerkungen

[1] Augustin Bonenmayr, auch Bonemaier, Bonnenmayr (1611–1677) aus Aichstetten bei Ravensburg. Seine Biografie ist bisher nicht erforscht. 1638 ist er als Student in Dillingen erwähnt. 1645–1674 ist er Abt in Steingaden. 1653–1666 auch Generalvikar der Zirkarie Bayern. 1669 sendet er seinen Prior Marian Steiger mit drei weiteren Konventualen zur Neubesiedlung von Speinshardt. «Quasi alter Fundator» nennt ihn die Totenrotel, vor allem auch wegen des schnellen Wiederaufbaus der Konventgebäude und des Umbaus der Stiftskirche.

[2] Im Votivbild (B 112 x H 180 cm) nimmt der Himmel die obere Hälfte ein. In seiner Mitte ist die Muttergottes von Ilgen in ihrer heute nicht mehr vorhandenen Bekleidung zu sehen. Sie ist von den beiden hll. Johannes, dem hl. Norbert und dem hl. Augustinus flankiert  In der unteren Bildhälfte halten Putti das Modell des abgebrannten Klosters, das beidseits von Abt Augustinus Bonenmayr und seinem 17 Häupter zählenden Konvent der Muttergottes empfohlen wird. Der Text dankt der wunderbaren Rettung der vom Brand verschonten Gebäude und erwähnt, dass der Grossteil der Konventmitglieder noch immer im Exil lebe.

[3] Dietmar Stutzer schreibt 1977: «Das Inventar von 1649 macht deutlich, dass Steingaden den Dreissigjährigen Krieg trotz erheblicher Schäden – die Wirtschaftsgebäude waren von schwedischen Soldaten verbrannt worden – im Kern unerschüttert überstanden hatte. Das Aktivkapital betrug 1649 trotz aller Plünderungen noch 27 022 Gulden, nach Abzug der Wiederaufbaukosten, einer umfangreichen Wiederaufbauhilfe an die Untertanen in Wiedergeltingen, die allesamt aus Eigenmitteln finanziert werden konnten, verfügte Steingaden noch immer über eine Liquiditätsreserve von 8094 Gulden».

GilbertSchmidWellenstein  

[6] Gilbert I. Schmid von Wellenstein (1635–1684) aus Füssen. Abt in Steingaden 1674–1684. Mit Taufnamen Franz Hannibal ist er älterer Bruder von Magnus Schmid (*1640) von Wellenstein, 1700–1723 Abt OSB in Fultenbach [Gehe zu Magnus Schmid von Wellenstein]. Beide sind 1650 in Dillingen immatrikuliert. Ihr Vater ist der Hochfürstlich-Augsburgische Rat und Pfleger in Füssen, Hannibal Freiherr von Wellenstein. Franz Hannibal bewirbt sich 1654 um Aufnahme im Fürststift Kempten, wird aber trotz Empfehlung des Kaisers Ferdinand III. abgewiesen, weil der erworbene Freiherrentitel den adeligen Stiftsherren nicht genügt. Er tritt in Steingaden ein, wo er den Klosternamen Gilbert annimmt.

 

 

Abt Gilbert I. in einem Porträt der Äbtegalerie in Steingaden.
Zum Wappen des Abtes siehe auch die Erläuterung des Familienwappens.

[7] Hieronymus Hail (Lebensdaten unbekannt) ist 1674–1684 Präses in Speinshart, dann vom November 1684 bis zum Juli 1687 Abt in Steingaden, flieht nach Speinshart, von dort mit seiner Geliebten Apollonia Paumann aus Speinshart nach Darmstadt, wo er diese nach seinem Übertritt zum lutheranischen Glauben heiratet.

[8] Augustin II. Baur oder Agricola (†1699) aus Steingaden, Präses 1684–1687 in Speinshart, dann 1687–1699 Abt in Steingaden.

[9] Marian ¡. Biechele (†1708) aus Mindelheim, Abt in Steingaden 1699–1708.

[10] Anton Erath von Erathsberg (1659–1715) aus Buchloe, Profess 1677, studiert 1679 in Dillingen, Primiz 1687, Abt in Steingaden 1708–1715. Er bemüht sich während der österreichischen Herrschaft um Reichsunmittelbarkeit, weshalb bei der Neuwahl 1715 die kurfürstlichen Kommissäre angewiesen werden «kein solches Subjektum», welches in die Fussstapfen des Verstorbenen treten möchte, bei der Wahl zu akzeptieren. Sein Epitaph am vierten Pfeiler Nord des Langhauses.

[11] Der Krieg Bayerns gegen das Reich wird vom bayerischen Kurfürsten Max Emanuel 1702 ausgelöst. Im Juni 1703 besetzt er mit 12 000 Mann das Tirol, muss sich aber am 26. Juli wegen des Widerstands von Tiroler Bauern wieder zurückziehen. Die Bauern verfolgen das Heer weit ins bayerische Oberland und plündern dabei auch das Kloster Steingaden. Der österreichische General Siegfried Heister soll am 28. August 1703 vom Kloster 11 000 Gulden Brandschatzungs-Kontribution gefordert haben. Die überlieferten Ereignisse sind allerdings harmlos gegenüber dem Leiden der Landbevölkerung durch die Finanzlasten der Österreichischen Administration bis 1714, die 1704 nach dem Sieg der alliierten Truppen bei Höchstädt beginnt. Steingaden liegt 1704 im augsburgischen Landkapitel Schongau, dessen Administration Österreich 1705–1714 an das kaisertreue Hochstift Augsburg überträgt. Deshalb schiebt der Klosterchronist Haimerle (um 1750) die Schuld dem Hochstift Augsburg zu, «welches dem Kloster 1704 und 1714 alle Einkünfte konfisciert und einen Schaden von 80 000 Gulden zugefügt» habe.

[12] Nach Haimerle. Eine Erklärung für das beschriebene Vorgehen fehlt, denn Bauvorhaben der Klöster werden 1704–1714 in der Regel nicht behindert (vergl. Meierhof Benediktbeuern 1707, Dreifaltigkeitskirche München 1711). Eine Vogelschauzeichnung aus Westen von 1714 (BayHStA, Plansammlung 20555) stellt zudem unter Ziffer 7 «Preyhaus» ein völlig unzerstörtes Gebäude vor. Das gleiche Gebäude wird in der Vogelschau aus Süden im Votivbild Balzhausen 1732 an gleicher Lage und in gleichem Aussehen nochmals dargestellt. Der Abriss eines neuen Bräuhauses durch augsburgische Beamte ist demnach Chronistenphantasie.

[13] Magnus Pracht (1666–1729) aus dem Hof Moos in Biberschwöll bei Steingaden, Sohn eines Klostermaurers. 1687 Profess. 1688 Studium der Theologie in Salzburg. 1691 Primiz. Abt in Steingaden 1715–1729. An ihn erinnert das Epitaph am vierten Pfeiler Süd des Langhauses.

[14] Hyazinth Gassner (1692–1745) aus Balzhausen bei Thannhausen. Abt in Steingaden 1729–1745. Wichtigster barocker Bauabt Steingadens, der auch den Bau der Wallfahrtskirche Wies beginnt. Zu ihm siehe die Kurzbiografie in dieser Webseite.

[15] Die beiden Seitenkapellen sind ein Ersatz oder ein Umbau von Vorgängerbauten. Zu Ilgen siehe den Beschrieb in dieser Webseite.

[16] Zu Rottenbuch und dem Propst Clemens Prasser siehe die Beiträge in dieser Webseite. Ein Bruder des Rottenbucher Propstes Clemens Prasser, P. Ulrich Prasser (1714–1758) ist Chorherr in Steingaden.

[17] Die Wallfahrtskirche Steingaden bei Schussenried wird von Dominik und Johann Baptist Zimmermann 1727–1733 gebaut. Bei einem Voranschlag von 12 000 Gulden kostet sie bis 1733 über 45 000 Gulden. Die Reichsabtei Schussenried kann dies ohne weiteres verkraften. Bauabt Didakus Ströbele wird deshalb 1733 wegen mangelnder Klosterdisziplin, und nicht wegen mangelnder Kostendisziplin zum Rücktritt gezwungen. Mehr zum Steinhausen siehe unter www.sueddeutscher-barock.ch_Steinhausen, mehr zum Abt unter www.sueddeutscher-barock.ch _Schussenried_Stroebele.html

[18] Verantwortlich für die Verstrickung Bayerns in diesen Krieg ist Kurfürst Karl Albrecht von Bayern (1697–1745). Seit 1726 Kurfürst, ist er wie sein Vater, Kurfürst Max Emanuel, in Verkennung der Realitäten überzeugt von einer Grossmacht Bayern. Er erreicht mit dem sinnlosen Griff zur Kaiserkrone (Kaiser 1742–1745) eine Schuldenlast Kurbayerns von 35 Millionen Gulden oder 800% der jährlichen Steuereinnahmen Kurbayerns, welches damals mit einer knappen Million weniger Einwohner als die Schweiz zählt. Die Belastungen der Klöster durch den Krieg und durch die versuchte Staatsentschuldung nach 1745 ist enorm. Das benachbarte Stift Rottenbuch wird während des Krieges mit 40 000 Gulden belastet. Für Steingaden fehlen alle Zahlen.

[19] Marianus Mayr (1713–1773) aus Landsberg am Lech. Profess 1731. Primiz 1736. Abt in Steingaden 1745–1772 (Resignation). Zeitumstände und die Kosten der Wieskirche veranlassen ihn zum Rückzug nach dem Superiorat Wies, wo er im Alter von 60 Jahren stirbt. Zur Baugeschichte der Wallfahrtskirche Wies siehe den Beitrag in dieser Webseite.

[20] Wahrscheinlich gibt 1745 die Finanzsituation Steingadens trotz der (unbekannten) Kriegslasten, bei Jahreseinnahmen von durchschnittlich 30 000 Gulden und einem Vermögensstand von über 200 000 Gulden (Aktivsaldo noch immer über 100 000 Gulden) noch nicht derart zu Besorgnis Anlass, wie dies aus dem grossen Minussaldo Ende des 18. Jahrhunderts meist abgeleitet wird. Die wirtschaftliche Situation Steingadens im 17. Jahrhundert und Ende des 18. Jahrhunderts wird in diesem Beitrag gemäss den Forschungen von Dietmar Stutzer erläutert. Für die katastrophale Finanzsituation am Ende der Regierung des Abtes Marianus II. ist nicht nur die Wieskirche und andere Bauinvestitionen, sondern auch die zu soziale Struktur der Personalverhältnisse Steingadens verantwortlich. Stutzer weist nach, dass vor allem die Personallast aus wirtschaftlicher Sicht (zu viele Dienstboten mit zu hohen Bezügen und Naturalleistungen) nur noch ruinös genannt werden kann. Die grosszügige Soziallstruktur wird von den Äbten auch nach 1750 nie hinterfragt.

[21] Der Meierhof ist eine Vierflügelanlage von 92 x 92 Meter, die erst 1777 fertiggestellt ist. Der Nordflügel ist heute abgebrochen. Im Süd- und Westflügel ist die Grundschule untergebracht.

[22] 1768 wird Peter von Osterwald Direktor des Geistlichen Rates. Er holt den Gelehrten Johann Georg Lori nach München. Beide sind radikale Gegner des Jesuitenordens und sehen den Besitz von Bistümern und Klöstern als Staatseigentum. Im Wesentlichen wird zu dieser Zeit die Säkularisation vorbereitet, deren erstes Alarmzeichen die Aufhebung des Jesuitenordens 1774 ist. Die Massnahmen des «Schuldenabledigungswerkes» des Kurfürsten zeigen Wirkung. Er kann die Staatschulden, auch dank Sonderabgaben der Klöster, von 35 Millionen auf 9 Millionen Gulden senken.

[23] Gregor Fischer (1725–1774) aus Dorfen, Abt in Steingaden 1772–1774.

[24] Franziskus Weber (1729–1795) aus Polling. Abt in Steingaden 1774–1777, Resignation

[25] Augustin III Bauer oder Agricola (1735–1784) aus Steingaden. Besuch der Klosterschule Steingaden; Besuch der Humaniora in Landsberg; Studium der Philosophie in Augsburg; 1756 Prämonstratenser in Steingaden; 1758 Priesterweihe; 1758–1762 Studium der Theologie und des Kirchenrechts in Ingolstadt; 1762-1764 Beichtvater in der Wies; 1766–1769 Pfarrer in Prem; 1772–1774 Pfarrer in Holzhausen. Abt in Steingaden 1777–1784.

[26] Gilbert II. Michl (1750–1828) aus Abensberg, Administrator 1784–1786, dann Abt in Steingaden 1786–1803. Er lebt nach der Aufhebung 1803–1828 auf der Wies.

[27] Chor Nord, drittes Wappen.

[28] Chor Nord, erstes Wappen.

[29] In der Zeichnung (um 1570) im Apian-Nachlass ist über dem südlichen Auslass eines Baches tatsächlich ein zinnenbewehrtes «eingädiges» Turmhaus zu sehen. Daraus leitet Merian 1644 einen veritablen Wehrturm ab. Im Necrologium 1651 ist der Turm wieder ohne Zinnen und ein giebelbedachtes normales Auslassgebäude. Dass dieser Gewässerauslass oder ein sogar ein römischer Wachtturm (in Steingaden!) den Ortsnamen und das Klosterwappen definieren, glauben viele Historiker.

[30] Siehe zum Necrologium die Anmerkung 14.

[31] Es ist Rot-Silber geteilt und zeigt im oberen Feld einen wachsenden Mann, der ein gespaltenes Gewand und einen böhmischen Hut trägt. In der Rechten trägt er ein bestecktes Herz, in der Linken einen Zweig mit Blättern.

 

 

Literatur zur den Anhängen I und II

Necrologium ecclesiae Staingadensis canonicorum Praemonstratensium – (1650–1750) BSB Clm 1007.
https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb00112020
Bonenmayr, Augustinus: S. Beninus Martyrer, So zu Steingaden in der Regulirten Premonstratenser Chorherren Gottshauß mit Triumphirlicher Solennitet ist eingebracht worden. München 1664.
https://epub.ub.uni-muenchen.de/18153/
Hugo, Charles Louis: Sacri Et Canonici Ordinis Praemonstratensis Annales, Tomus II, Nancy 1736.
https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10939823
Lindner, Pirmin: Monasticon Episcopatus Augustani antiqui: Verzeichnisse der Aebte, Pröpste und Aebtissinnen der Klöster der alten Diözese Augsburg. Bregenz 1913.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/lindner1913/0005
Stutzer, Dietmar: Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in säkularisierten Klöstern Altbayerns, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 40. München 1977.
periodika.digitale-sammlungen.de/zblg/kapitel/zblg40_kap9
Backmund, Norbert OPraem: Monasticon Praemonstratense: id est historia circariarum atque canoniarum candidi et canonici ordinis Praemonstratensis / Tomi primi. Straubing 1949.
digitalcommons.snc.edu/premonstratensian_research/3/
Backmund, Norbert OPraem: Monasticon Praemonstratense: id est historia circariarum atque canoniarum candidi et canonici ordinis Praemonstratensis / Tomi primi. Editio secunda. Berlin 1983.
(kein Digitalisat verfügbar)
Stutzer, Dietmar: Klöster als Arbeitsgeber um 1800. Göttingen 1986.
digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00050110_00006.html
Historischer Verein Schongau Stadt und Land e. V (Hrsg.): Das ehemalige Prämonstratenserstift Steingaden, Beiträge zur 850-Jahr-Feier in: «Der Welf», Schongau 1996/97.
Genner, Peter: Nach dem Ende der Klosterherrschaft – Schweizer Revolutionäre im Pfaffenwinkel., in: Jahrbuch des Historischen Vereins Schongau, Seite 69–193. Schongau 2013.
www.academia.edu/27650986/Nach_dem_Ende_der_Klosterherrschaft_Schweizer_Revolutionäre_im_Pfaffenwinkel

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