Die Meister
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
P. Johannes Isfording SJ (1566–1639) Attendorn     Jesuitenbaumeister 1612   1625
Pietro Francesco Carlone (um 1606–1681) Scaria Val d'Intelvi     Baumeister–Architekt 1665   1668
Carlo Antonio Carlone (1635–1708) Scaria Val d'Intelvi CarloneAntonio   Palier, Baumeister 1665   1676
Giovanni Battista Carlone (1642–1721) Scaria Val d'Intelvi CarloneGB   Stuckateur, Bildhauer 1674   1676
Johann Seitz (um 1605/10–1685) Unbekannt     Bildhauer, Altarbauer ~1676   1678
Johann Matthias Högenwald († 1695) Linz     Bildhauer ~1676   1678
Fr. Christoph Tausch SJ (1673–1731) Innsbruck     Jesuitenarchitekt ~1712   ~1712
Paolo d'Allio (1655–1729) Scaria Val d'Intelvi Allio   Stuckateur, Altarbauer ~1713   ~1714
Diego Francesco Carlone (1674–1750) Scaria Val d'Intelvi CarloneDiego   Stuckateur, Bildhauer ~1713   1714
Carlo Innocenzo Carlone (um 1687−1775) Scaria Val d'Intelvi CarloneCarlo   Maler, Freskant 1714   1714
Johann Ignaz Egedacher (1673–1744) Salzburg     Orgelbauer 1721   1722
Domenico d'Angeli (1672–1738) Scaria Val d'Intelvi     Hofbaumeister ~1725   1730
Giovanni Battista d'Allio III (1690–um 1760) Scaria Val d'Intelvi     Stuckateur ~1729   1730
Sebastiano Domenico d'Allio (1697–1782) Scaria Val d'Intelvi     Stuckateur 1721   1722



Jesuitenkolleg und Studienkirche St. Michael in Passau


Passau

Die Stadt zur Barockzeit
Während 800 Jahren ist Passau Herrschaft eines Fürstbischofs. Anfang 999 erhebt Kaiser Otto III. den Bischof von Passau zum Fürsten. Er gewährt ihm und allen Nachfolgern Markt- und Münzrecht, den Zoll, die niedere und hohe Gerichtsbarkeit, und zwar innerhalb wie ausserhalb der Stadt.[1] Gegen die Feudalherrschaft des Bischofs sind die Stadtbürger machtlos und können das reichsstädtische Ideal auch im Spätmittelalter nie erreichen. Domkapitel und Fürstbischof sehen sich im 16. Jahrhundert von den beiden Nachbarn Österreich und Bayern umworben. Ihr Entscheid fällt zu Gunsten des habsburgischen Kaiserhauses. Alle Fürstbischöfe der Barockzeit stammen in der Folge aus österreichischem oder böhmischem Adel. 1598–1664 wird der Bischofsstuhl ausschliesslich  von Erzherzögen des Hauses Habsburg besetzt. Diese Feudalherrschaft der Passauer Fürsten dauert bis 1803. Mit der Säkularisation fällt das Hochstift dem Kurfürstentum Bayern zu. Aus der fürstlichen Residenzstadt wird jetzt eine bayrische Provinzstadt.
Passau hat im 18. Jahrhundert knapp 7000 Einwohner.[2] Dazu zählen auch die Bewohner der  Innstadt jenseits des Inns, und der Ilzstadt am Ostufer der in die Donau mündenden Ilz. Die grössere Stadt auf der Halbinsel hat sich seit dem Mittelalter nach Westen ausgedehnt und reicht jetzt bis zu den Schanzen am heutigen Ludwigsplatz. Der Stadtplan von 1827 zeigt noch immer das barocke Stadtgefüge.[3] Nebst dem Dom (1) und der Bischofsresidenz (2) an erhöhter Lage in der Stadtmitte dominieren 1827 am östlichen Ende der Halbinsel die grossen Gebäudekomplexe des Jesuitenkollegs (3) und des Benediktinerinnenklosters Niedernburg (4). Westlich, ausserhalb der Stadtmauern, liegt das grosse Augustiner-Chorherrenstift St. Nikola (5). Jenseits der Donau beherrscht seit dem 13. Jahrhundert die Bischofsfeste Oberhaus (6) die Stadt. Ihr zu Füssen, an der Einmündung der Ilz in die Donau, liegt die gleichzeitig entstandene Feste Niederhaus (7). Zu dieser nördlichen Seite der Donau führt seit 1278 in der Verlängerung der Wittgasse eine hölzerne Donaubrücke. Über sie erreicht man auch das fürstbischöfliche Sommerschloss Freudenhain (9). Die Innstadt am gegenüberliegenden Ufer des Inns ist bis 1144 nur mit der Fähre von St. Niklas zu St. Severin erreichbar, also an der Stelle des heutigen Innstegs. Hier ist auch die alte römische Brückenverbindung zu suchen. Die hölzerne Innbrücke von 1144 liegt weiter flussabwärts. Sie beginnt beim Innbrucktor der Residenz und führt, wie die heutige Marienbrücke, in die Mariahilfstrasse der Innstadt. Ihr Name weist auf ein weiteres wichtiges Monument der Barockstadt hin. Die Strasse führt hinauf zum Wallfahrtsort Mariahilf (8).


Das Jesuitenkolleg

Erster Bau 1612–1625
1611 ermöglicht Erzherzog Leopold V. von Österreich, 1598–1625 auch Fürstbischof von Passau, den Jesuiten der österreichischen Ordensprovinz eine Niederlassung in Passau.[4] Er schenkt ihnen ein Haus beim Residenzplatz.[5] Für das neue Kolleg erwirbt er einige Häuser bei der Abtei Niedernburg und stattet die Neugründung mit einem unaufkündbaren Kapital von 50 000 Gulden aus. 1612 wird der aus Attendorn stammende P. Johannes Isfording SJ, bisher Rektor am Kollegium Molsheim, als erster Superior nach Passau berufen.[6] Er ist Jesuitenbaumeister mit Schulung in Rom und wird Planer des neuen Kollegs von Passau. Im November 1612 ist Grundsteinlegung. 1623 erfolgt der Bezug, 1625 ist der Bau vollendet.
Dieser erste Bau ist dreigeschossig. Er wirkt dank des zusätzlichen Sockelgeschosses zum Inn schon in der ersten Bauphase viergeschossig. Die Raumorganisation entspricht einem Kloster. Ein Genehmigungsplan von 1612 ist vorhanden und beschreibt die Raumeinteilung. Der Plan weicht allerdings in den Grundriss-Ausmassen vom heutigen Bau wesentlich ab.[7] Der gebaute Südflügel hat drei Fensterachsen mehr als die eingereichte Planung. Die geplante neue Jesuitenkirche befindet sich auf dem Genehmigungsplan im Norden des dreiflügeligen Kollegs. Sie schliesst den längsrechteckigen Innenhof. Diese Kirche wird in der Folge nicht gebaut, vielleicht weil sich inzwischen der Dreissigjährige Krieg bemerkbar macht. An ihrer Stelle wird die alte Michaelskirche benutzt, eine Friedhofskirche der Abtei Niedernburg.[8] Im Genehmigungsplan 1612 sind zudem westlich des Kollegs Schulflügel gezeichnet, die ebenfalls nicht gebaut werden.[9] Vieles lässt sich nicht zurückverfolgen, denn beim Stadtbrand von 1662 gehen alle Neubauten der Jesuiten in Flammen auf. Nur der Kollegbau von 1612/25 ist in grossen Teilen im neubauähnlichen Wiederaufbau noch enthalten.[10]

Wiederaufbau nach 1662
Nach dem Stadtbrand von 1662 stehen vom Jesuitenkolleg nur noch die Mauern. Wie beim Dom  und anderen wichtigen Gebäuden der Stadt haben Schutträumung und Sicherungsmassnahmen erste Priorität. Zum anschliessenden Wiederaufbau, seiner Planung, seinem Baubeginn und seinen beteiligten Meistern kann die Kunstgeschichte keine Auskunft geben.[11] Dies, obwohl offensichtlich parallel zu den Bauten der Jesuitenkirche und des Doms in Passau ein stadtbildprägendes und architektonisch interessantes barockes Profangebäude entsteht, das in seiner Erscheinung mit dem Kollegbau von 1612 wenig gemeinsam hat.

Die Bauherren
Zur Zeit des Stadtbrandes 1662 ist Pater Heinrich Herdinck[12] Rektor. Erst 1634 in Rom in den Jesuitenorden eingetreten, bleibt er zehn Jahre in der Ewigen Stadt und lernt hier auch den römischen Barock kennen.[13] Er ist vor der Entsendung nach Passau in Wien tätig. Ralph Dobler (siehe Literatur) nimmt an, dass Herdinck ebenso wie sein Nachfolger Avancini die Carlone durch den in Wien tätigen Familienstamm kennenlernt. Er schreibt Herdinck sogar das Konzept der Stuckausstattung von St. Martin zu.
1664 wird der Jesuitenpater Nicolaus von Avancini vom Wiener Provinzial als Rektor nach Passau entsandt. Hier wirkt er bis 1666, also in der Hauptphase des Kollegium-Wiederaufbaus und des Neubaus der Michaelskirche.[14] 1676 wird er zum Ordensprovinzial ernannt und hat damit weiterhin grossen Einfluss auf die Bauten der Jesuiten in Passau.
Für den Kirchenneubau nimmt Avancini die ihm bekannten Baumeister und Stuckateure der Familie Carlone aus Scaria im Val d’Intelvi in seine Dienste.[15] Zwei Generationen der aus ihrer Tätigkeit in Leoben und Seckau bekannten Familie arbeiten in den nächsten Jahrzehnten für die Passauer Jesuiten. Es gibt keinen Grund, den genialen Meistern der Familie Carlone nicht auch den Wiederaufbau des Kollegiengebäudes zuzuschreiben. Viellicht sind diese schon unter dem Vorgänger P. Heinrich Herdinck tätig. Wie alle welschen Baumeister sind sie derart organisiert, dass sie gleichzeitig mehrere weitentfernte grosse Baustellen betreuen können. Dass nur «Italiener» für die Ausführung derart repräsentativer Bauten gerufen werden, zeigt sich auch am Dom. Zudem sind einheimische Baumeister nach 1662 mit dem Wiederaufbau der Bürgerhäuser schon völlig überlastet. Dies alles spricht für die Carlone als Baumeister des Kollegs.
Die klassizistisch anmutende Umformung des ehemals dreigeschossigen Bauwerkes zu einem mächtigen freistehenden Baukörper, ähnlich den Palazzi des Vignola oder den römischen Palästen von Domenico Fontana, kann vordergründig mit der neu aufgesetzten zweigeschossigen Dachstirnmauer[16] begründet werden. Selbst wenn diese blinde Attika erst aus der Zeit nach dem zweiten Stadtbrand von 1680 stammen sollte, ist sie mit Sicherheit eine Vorgabe der Bauherren.[17] Rektor Herdinck ist mit der römischen Architektur vertraut und kennt die Attikalösung des Quirinalpalastes. Rektor Avancini ist nicht nur begnadeter Operndramaturg, er ist auch Meister der Kulissenbühne. Mit der aufgesetzten Kulisse kann der Bau nun mit der ähnlich hohen Residenz des Fürstbischofs mithalten. Dieser, im Dauerkonflikt mit den Wiener Jesuiten, verfügt jedenfalls 1672 eine Einstellung aller Arbeiten. Das Kolleg ist um diese Zeit mit Ausnahme der Stuckausstattungen vollendet, so dass der Baustopp in erster Linie die Kirche trifft.

Zur Architektur des Passauer Kollegs
Die Kollegarchitektur entspricht in der ersten Phase von 1612/25 den damals üblichen dreigeschossigen und schmucklosen Jesuitenbauten. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts sind plastische Architekturgliederungen der Fassaden nur bei ausdrücklichem Wunsch des finanzierenden Wohltäters gestattet.[18] Offensichtlich wünscht der Stifter, Erzherzog Leopold, eine schlichte Architektur mit Verzicht auf plastische Vertikalgliederungen. Auch Architekturmalereien sind nicht bekannt. Allerdings wirkt das Kolleg schon vor dem Stadtbrand 1662 im Stadtbild der Innseite mit seinem ausgeprägten Sockelgeschoss als viergeschossiger Grosskomplex. Mit der neuen Dachstirn-Attika nähert es sich nach dem Wiederaufbau einem mächtigen sechsgeschossigen Palazzo. Ein kräftiges umlaufendes Kranzgesims markiert die alte Traufhöhe. Die alten Stockwerke sind durch Gurtgesimse horizontal geschichtet. Die neue «Attika» ist als Vollgeschoss mit Mezzanin und Balustrade gestaltet. Die Fassaden sind, trotz der erwähnten jesuitischen Zurückhaltung, dank der spannungsvollen Gliederung ihrer Öffnungen und Nischen von eindrücklicher Qualität. Die heutige Farbfassung ist erfunden. Im ganzen entspricht aber die äussere Erscheinung noch immer dem Kolleg des 17. Jahrhunderts.
Diese Feststellung trifft für den Grossteil der Innenräume und den Hof nicht mehr zu. Der Innenhof ist heute im Norden modern geschlossen, der früher im offenen Hof stehende interessante Turm der ersten Bauphase liegt jetzt abgesondert ausserhalb, die in neuerer Zeit schöpferisch rekonstruierten Architekturmalereien an den Innenhoffassaden wirken eher wie 19. denn 17. Jahrhundert. Das Innere, stark modernisiert, weist noch einige Räume mit Stuckaturen der Carlone-Werkstatt und des 18. Jahrhunderts auf. Sie sind nicht zugänglich.

Zur Verwechslung des Kollegs mit dem heutigen Gymnasium siehe den Exkurs:

«Das Jesuitenkolleg und die Gebäude der höheren Schulen der Stadt Passau im 17. und 18. Jahrhundert»



Die Jesuitenkirche St. Michael

Baugeschichte und Meister
Noch vor dem Stadtbrand von 1662 können die Jesuiten westlich des Kollegiums mehrere Grundstücke für den Bau einer neuen Kirche erwerben. Sie soll die zu kleine, bestehende Michaelskirche ersetzen. Erst 1665 kann mit dem Bau begonnen werden. Rektor Nicolaus von Avancini verpflichtet dafür den Baumeister Pietro Francesco Carlone.[19] Mit ihm sind auch seine Söhne Carlo Antonio[20] und Giovanni Battista[21] in Passau tätig. Carlo Antonio, der schon 1661 in Seckau als Palier seines Vaters und 1671 auch als Palier Luragos am Wiederaufbau des Domes erwähnt wird, muss trotz fehlender Quellen als mitbeteiligter Baumeister angenommen werden. Der Neubau der Jesuitenkirche  schreitet mangels Finanzen und auch wegen der Schwierigkeiten mit dem Fürstbischof nur langsam voran. Dies mag der Grund sein, warum Carlo Antonio Carlone als Palier von Carlo Lurago auch auf der Dombaustelle tätig ist. 1668 sind die Seitenwände des Neubaus erst zur Hälfte hochgezogen. 1672 muss der Bau auf fürstbischöfliche Verfügung eingestellt werden. Erst 1673, mit der Wahl des nach Wien orientierten Fürstbischofs Sebastian Graf von Pötting und Persing,[22] ändert sich die angespannte Lage. Der Bau wird sofort fortgesetzt. Vielleicht schon 1674 beginnt Giovanni Battista Carlone mit seiner Werkstatt die umfangreichen Arbeiten der Stuckaturen und Stuckplastiken des Innenraums. Sie sind 1676 vollendet. Der Innenraum von St. Michael ist sein erstes und gleichzeitig wegweisendes Hauptwerk. 1677 kann als Jahr der Einweihung gelten. Ende Juli ist die Zeremonie einer nachträglichen Grundsteinlegung vermerkt, im November des gleichen Jahres weiht der Fürstbischof sechs neue Altäre.[23] Die Seitenaltäre  sind Werke der Passauer Bildhauer Johann Seitz und Johann Matthias Högenwald.[24] Inmitten der hochbarocken italienischen Stuckaturen wirken sie mit ihrem Knorpelwerk und der Schwarz-Gold-Fassung veraltet, dies trotz hoher Bildhauerqualität. Die Maler der Altarblätter sind nur teilweise bekannt.[25] 1680 wird die Kirche vom zweiten Stadtbrand betroffen. Es scheint aber, dass die Gewölbe, ähnlich wie beim Dom, eine Zerstörung der Ausstattung im Langhaus verhindern.
Eine zweite Ausstattungsphase folgt 1712 bis 1720.
Der Hochaltar (1712/14) ist nach einem Entwurf des Breslauer Jesuitenfraters Christoph Tausch ausgeführt.[26] Tausch ist Schüler von Andrea Pozzo in Wien. Das konvex-konkav modellierte Säulenretabel zählt zu den eindrucksvollsten des beginnenden 18. Jahrhunderts. Seine Ausführung in Stuckmarmor ist wieder ein Werk der Carlone-Werkstatt, jetzt aber von der Arbeitsgemeinschaft des Sohnes Diego Francesco Carlone mit Paolo d'Allio.[27] Das Altarblatt mit der Darstellung des Engelsturzes ist ein Frühwerk von Carlo Innocenzo Carlone.[28] Er malt es 1714.
Die Kanzel von 1715 wird dem Bildhauer der Seitenaltäre, Johann Matthias Högenwald, zugeschrieben.
1721/22 baut der Passauer Orgelbauer Johann Ignaz Egedacher ein Orgelwerk.[29] Das zweigeteilte Gehäuse ist noch heute vorhanden. Es soll aus der Passauer Bildhauerwerkstatt des Joseph Hartmann stammen, wahrscheinlich aber von Joseph Matthias Götz gefertigt.[30] Leider ist über die Disposition und das Schicksal des Egedacher-Werkes nichts bekannt. 1933 baut Joseph Hiendl ein neues Werk (II/P), das bereits 1973 wieder ersetzt wird.
1730 folgt der Bau der Xaverius-Kapelle. Sie wird südlich angebaut und hat den Zugang vom Emporenjoch. Der Régencestuck und die Altäre (nur noch der Hauptaltar ist vorhanden) werden als Werke der gleichzeitig in der Alten Residenz tätigen Brüder Giovanni Battista[31] und Domenico d'Allio[32] betrachtet. Da Domenico d'Allio mit dem Passauer Hofbaumeister Domenico d'Angeli[33] verwandt ist, darf man diesem auch den Bau der spätbarocken Anlage zuschreiben.
Nach diesen letzten Baumassnahmen bleibt das Gebäude unbehelligt. 1974 gibt eine Restaurierung dem stuckierten Innenraum die alte zurückhaltende Farbfassung wieder zurück.

Zur Architektur der Passauer Jesuitenkirche
Die Wandpfeiler-Emporenhalle mit eingezogenem Chor hat Tonnengewölbe mit Stichkappen. Nach einem ersten Eingangs- und Turmjoch folgen im Langhaus drei Hauptjoche. Diese Gestalt des Innenraums ist in der österreichischen Jesuitenprovinz noch selten. Die oberdeutsche Provinz kennt diese Bauweise seit 1617, meist ohne Seitenemporen.[34] Pietro Francesco Carlone selbst baut eine Wandpfeiler-Emporenhalle dieses Schemas 1660/65 in Leoben. Auch die 1669/74 gebaute Jesuitenkirche in Linz wird ihm zugeschrieben.[35] Für die Kirchen des Wandpfeilerhallen-Typus der Carlone wird der Begriff «Carlone-Raum» angewendet. Dies, weil seine Kirchen einem Grundriss- Schema mit vorgesetzter Doppelturmfassade folgen.[36] Die Grundrisse von Leoben und Passau sind praktisch identisch. Doppeltürme sind vorher nur bei Jesuitenkirchen mit basilikalem Langhaus-Querschnitt zu finden.[37] Die Doppelturmfassade von St. Michael ist von äusserst schlichter Erscheinung. Wie bei der ähnlich gestalteten Vorgängerkirche in Leoben liegen über einem dreigeschossigen und fünfachsigen Unterbau zwei Turmgeschosse. Während die Türme bündig mit der Fassadenflucht stehen, tritt die Giebelfassade zurück. Ihre Mittelachse ist mit einem Frontispiz bekrönt. Die Geschosse sind durch Gesimse getrennt, besonders kräftig ist das Abschlussgesims zu den Turmgeschossen ausgebildet. Die Gliederung durch Pilaster und Lisenen ist sehr flächig. Die Türme sind mit flachen Zeltdächern gedeckt, wie sie am Dom noch bis 1898 zu sehen sind und den mutmasslichen Vorbildern der Jesuitenkirchen von Innsbruck und Wien entsprechen. Denn auch diese Kirchen erhalten ihre barocken Hauben erst später. Der Fassadenentwurf stammt noch von Vater Pietro Francesco Carlone.[38]

Der Innenraum und seine Stuckaturen
«St. Michael ist das bedeutendste und wirkungsvollste Werk nördlich der Alpen. Die kunsthistorische Bedeutung der Passauer Jesuitenkirche ist in dieser Hinsicht immens», urteilt Ralph Dobler.[39] Er beschreibt ausführlich die nördlich der Alpen erstmalige Ausführung hochbarocker Stuckplastik in Anlehnung an Bernini und Borromini. Er bezeichnet die Arbeit von Giovanni Battista Carlone, die 1676 beendet ist, als direkten Transfer, mehrere Jahre vor den vergleichbaren Stuckaturen des Giovanni Battista Barberini in der Servitenkirche von Wien.[40]
Die Stuckarbeiten Carlones in St. Martin zeichnen vor allem die seitlichen Wandpfeiler-Emporenbereiche des Erdgeschosses aus. Auch die üblichen Architekturelemente wie die Kapitelle mit dem Gebälk sowie die Ornamentik der Gurtbögen und Fenstereinfassungen stammen von seiner Werkstatt. Nur die raumbegrenzende Gewölbezone bleibt völlig frei.
Richtig hochbarock plastisch gestaltet Carlone die seitlichen Wandpfeiler-Kapellen, die er bis zur Höhe ihrer Seitenemporen-Balustraden voluminös stuckiert. Engelhermen und Kirchenväter vor den Emporenbalustraden halten im Arkadenscheitel Kartuschen. Die west-orientierten Wandpfeiler-Wände zeigen als Pendant zu den Altären phantasievolle Stuckepitaphen.
Im Chorraum dominiert der spätere Altar, die Seitenwände sind mit Pilastern gegliedert, die Fenster und Nischenöffnung wieder reich stuckiert. Im Chorbogenscheitel halten zwei fliegende Engel eine Inschriftenkartusche mit dem Christusmonogramm. Bei diesen Plastiken ist das Vorbild des Bernini-Schülers Antonio Raggi spürbar.[41]
Die Orgelempore wird als eigenständiger Bauteil behandelt. Dichte Figuralplastik betont die Mitte. Mit den im Pfeilergebälk turnenden Putten und den beiden überlebensgrossen Apostelfürsten in der Mittelarkade sind Ansätze zur Überspielung der Tektonik vorhanden. Es dauert aber noch fast fünfzig Jahre bis zum freiplastischen Meisterwerk des Egid Quirin Asam in Aldersbach. Mit den Stuckaturen der Jesuitenkirche von Passau öffnet Carlone den Weg dahin.

Pius Bieri 2017


Literatur zur Jesuitenkirche

Mader, Felix: Die Kunstdenkmäler von Niederbayern, Stadt Passau. München 1919.
Fidler, Peter: Zum Mäzenatentum und zur Bautypologie der mitteleuropäischen Jesuitenarchitektur, in: Herbert Karner-Werner Telesko (Hrsg.), Jesuiten in Wien, Wien 2003.
Dobler, Ralph: Italiensicher Stuck in Passau. Giovanni Battista Carlone und die Jesuitenkirche St. Michael, in: Archivum historicum Societatis Iesu, Fasc. 145, 2004, Seite 341–423. Abrufbar (CC-NC-ND 4.0) in Hathi Trust

 

Literatur zur Geschichte der Schulgebäude:

Rotermundt, Joseph Aloys: Geschichte der Begründung des Klerikal-Seminars in Passau. Passau 1833.
Schöller, Joseph: Statistik der Stadt Passau. Passau 1846.
Fisch, Joseph: Geschichte des höheren Unterrichtes in Passau bis zur Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773, in Jahresbericht über das königliche Lyceum, Gymnasium und die lateinische Schule zu Passau. Passau 1881.

Bildquellen: Alle nicht bezeichneten Fotos sind Aufnahmen (2017) des Verfassers (CC-NC-BY Pius Bieri).

 

Anmerkungen:

[1] Das Hochstift Passau, also das unmittelbare Herrschaftsgebiet des Bischofs, erstreckt sich im Spätmittelalter im Norden bis zur böhmischen Grenze. Es gehört zu den Hochstiften mittlerer Grösse. Siehe dazu die Karte «Das ehemalige Fürstenthum Passau» (1809). Bis 1785 ist das Bistum Passau, also das geistliche Gebiet des Passauer Bischofs, eine der grössten Diözesen im Alten Reich. Mehr dazu siehe im Beitrag zum Dom St. Stephan.

[2] 1811 beträgt die Einwohnerzahl 6888 zivile Bürger, zusätzlich noch eine Garnison von 2000 Militärangehörigen (1810 sind es 10 000 französische Soldaten). 1819 beträgt die Gesamtbevölkerung 8400 Einwohner in 789 Wohngebäuden (Passau Altstadt 513, Innstadt 147, Ilzstadt 129; Quelle: «Beschreibung» Josef Lenz 1819). Die Häuserzahl der Altstadt vor dem Stadtbrand 1662 wird mit 643 Gebäuden angegeben.

[3] Für die nachfolgenden Nummern gehe zum Plan von Passau (zusammengesetzte Ortsblätter 1826 und 1827) mit der Legende.

[4] Erzherzog Leopold von Österreich (1586-1632), wird 1598 (mit zwölf Jahren!) zum Fürstbischof von Passau gewählt. Er ist 1607–1626 auch Fürstbischof von Strassburg. 1619 wird er zudem Statthalter von Tirol und führt das Land gegen den Widerstand der Landstände in den Dreissigjährigen Krieg. Die Jesuitenpräsenz in Passau ist ihm trotz seiner Dauerresidenz am Hof von Kaiser Rudolf II. in Prag ein grosses Anliegen. Nebst der direkten finanziellen Unterstützung überlässt er den Passauer Jesuiten 1621 auch das verlassene, aber einträgliche Kloster Traunkirchen im Salzkammergut. 1625 verzichtet er in Rom zu Gunsten von Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich (1614-1662) auf das Bistum Passau. Zu ihm siehe die Wikipedia-Biografie.

[5] Heute Schustergasse 1.

[6] P. Johannes Isfording oder Isphording SJ (1566–1639) aus Attendorn im Kurfürstentum Köln (Herzogtum Westfalen). Er tritt 1591 in Rom in den Jesuitenorden ein. Zu dieser Zeit sind das Collegio Romano (1582) und der Lateranpalast (1586) bezogen. Eine Vorbildwirkung für das Kolleg in Passau ist aber nicht feststellbar. 1618 wird Isfording erster Rektor des Kollegs Passau.

[7] Die Neubaupläne aller Kollegien und Kirchen müssen zur Genehmigung an den Jesuitengeneral in Rom eingereicht werden. Abweichungen bei der Bauausführung sind üblich, falls der Rahmen des genehmigten Raumprogramms nicht überschritten wird. Viele dieser Genehmigungspläne sind heute in der Bibliothèque national de France in Paris gelagert, so auch der Plan des Paters Johannes Isfording.

[8] Gemäss Felix Mader (1919) liegt sie an der Stelle der heutigen Jesuitenkirche.

[9] Im Jesuitenkolleg befinden sich bis zur Ordensaufhebung 1773 keine Schulen. Zur Lage der jesuitischen Schulgebäude siehe den beigefügten Exkurs zu den Gebäuden der höheren Schulen des 17. und 18. Jh. in Passau.

[10] Beim Südflügel ist am Scheitel des Durchgangstors zum Innufer die Jahreszahl 1625 angebracht und im Innenhof ist ein Portal mit der Büste des Stifters Erzherzog Leopold vorhanden (nach Mader 1919). Auch die sechs Rundbogennischen an der Südfassade könnten noch vom ersten Bau stammen, der damit in den unteren Geschossen vollständig erhalten wäre. Zum ersten Bau von 1625 zählt auch der Unterbau des Turms am Ende des Ostflügels. Der bei der damals geplanten Kirche liegende Turm wird als ehemaliges Observatorium bezeichnet. Auch der schon im Plan von 1612 eingetragene, an den Ostflügel mit einem Galeriegang angehängte ehemalige Latrinenturm gehört zum ersten Bau.

[11] Teilweise kann dies mit den fehlenden Akten zu den Passauer Gebäuden der Jesuiten erklärt werden, die nach der Ordensaufhebung 1773 oder schon bei den Stadtbränden vernichtet werden. Als einzigen baugeschichtlichen Anhaltspunkt dient das Datum 1664 (in Versalziffern) am Eingangsportal. Felix Mader (1919) deutet diese Ziffern als das Ende der Wiederaufbauarbeiten. Das Datum könnte aber gleichzeitig mit der Aufschrift GYMNASIVM, also frühestens im 19. Jahrhundert, aufgebracht worden sein. Das 19. Jahrhundert glänzt ja, wie die heutige Inschrift beweist, mit derartigen «Fakes». Als Beleg für die Fertigstellung darf diese Zahl jedenfalls nicht genommen werden. Dass der Bau angesichts des grossen Bauvolumens und der fehlenden Finanzkraft 1664 nicht fertig sein kann, zeigt der Vergleich zum finanziell abgesicherte Wiederaufbau des bedeutend kleineren Zengerhofes der Residenz, der nach den Aufräumarbeiten noch drei Jahre (bis 1667) dauert.

[12] P. Heinrich Herdinck SJ (1613–1669) aus Münster (Westfalen). Noviziat in Rom ab 1634, wo er bis 1642 bleibt. Er ist 1660–1664 Rektor in Passau. Mit dem Neubau der Jesuitenkirche beschäftigt er sich bereits vor dem Stadtbrand.

[13] 1630 ist der Palazzo Barberini (Bernini, Borromini) vollendet. Herdinck dürfte aber eher die älteren Paläste wie den Lateran (1586) oder den Quirinal (1587) bewundert haben, wenn man von seinem Einfluss auf den Kollegneubau in Passau ausgeht.

[14] P. Nicolaus von Avancini SJ (1611–1686) aus Brez im Trentino. Noviziat in Leoben. Studium der Philosophie in Graz. Studium der Theologie und Professor in Wien, dort Rektor 1642–1664. In Passau ist er 1664–1666 Rektor und anschliessend bis 1669 wieder Rektor in Wien, dann in Graz. 1676–1680 ist er Provinzial der österreichischen Ordensprovinz, zu der auch Passau gehört. Avancini ist vor allem als Dramaturg und Literat bekannt. Er wird nicht zufällig im Jahr der Wahl von Wenzeslaus Graf von Thun zum Passauer Fürstbischof als Rektor nach Passau versetzt. Dem seit 66 Jahren ersten Nicht-Habsburger auf dem Passauer Bischofssitz erwächst mit Avancini ein nach Wien orientierter Gegenspieler. Die Spannungen zwischen Fürstbischof und Jesuiten lösen sich erst mit der 1673 erfolgten Wahl eines vom Kaiserhaus protegierten neuen Fürstbischofs. Zu Fürstbischof Wenzeslaus Graf von Thun siehe die Biografie in dieser Webseite.

[15] Avancini könnte Pietro Francesco Carlone schon seit 1630 (Leoben, Bau des Noviziathauses) kennen, wahrscheinlich ist er aber eher mit dem in Wien für die Jesuiten tätigen Familienstamm Carlone bekannt. Auslöser der Berufung dürfte das Vorgängerbauwerk in Leoben sein, die von Carlone gebauten Jesuitenkirche (1660/64). Dies vor allem, weil die Leobener Jesuitenkirche von Erzherzog Leopold Wilhelm, dem 1662 verstorbenen Fürstbischof von Passau, «gesponsert» wird und Avancini mit Leoben verbunden ist.

[16] Dachstirnmauern sind bei nach innen geneigten Pultdächern erforderlich. Sie sind, vor allem mit den aufgesetzten Balustraden, ein Motiv der Renaissance und der klassizistisch-barocken Residenzbauten. Der gewünschte Effekt eines Flachdaches kann allerdings auch mit Satteldächern erreicht werden (Beispiel Versailles). Ein tiefes Pultdach verlangt aber, vor allem bei den noch lange üblichen Schindeldächern, eine doppelte Höhe. Ein kluger Baumeister, der nicht unter Druck des Bauherrn eine demonstrative Höhe herstellen muss, würde die gewünschte Flachdacherscheinung als verdecktes Satteldach ausbilden. Die vergleichbaren und gleichzeitigen Dachstirnmauern der Alten Residenz (Pultdachtiefe ca. 13 Meter) und des Fürstenbaus der Veste Oberhaus (Pultdachtiefe ca. 10 Meter) weisen bedeutend bescheidenere Höhen auf .

[17] Der Stadtbrand von 1680 trifft auch das Jesuitenkolleg. Der Umfang der Schäden und die baulichen Massnahmen nach 1680 sind unbekannt. Mit Sicherheit müssen nach dem Brand mindestens das Dach, vielleicht auch ganze Obergeschosse neu erstellt werden. Das Chronogramm am Treppenaufgang im ersten Obergeschoss weist auf eine Weihe im Jubiläumsjahr 1700 hin. Zum Chronogramm siehe die Erläuterung im Bildtext.

[18] Dazu Peter Fidler: Zum Mäzenatentum und zur Bautypologie der mitteleuropäischen Jesuitenarchitektur, 2003 (siehe Literatur).

[19] Pietro Francesco Carlone (um 1606–1680/81) aus Scaria im Val d’Intelvi, ist bis 1650 Stiftsbaumeister in Gurk, seit 1658 Stiftsbaumeister in Seckau und arbeitet 1630 bis 1665 auch für die Jesuiten in Leoben. Hier erstellt er eine fortschrittliche Wandpfeiler-Emporenkirche. Im deutschsprachigen Gebiet wird er als Peter Franz Carlon bezeichnet. Er ist in Passau Vertragspartner der Jesuiten und vielleicht hier schon kurz nach dem Brand 1662 als Gutachter tätig. Am 4. Januar 1671 ist er Taufpate seines Paliers und wird im Pfarrbuch von St. Stephan als Baumeister «bei den H. Jesuiten» eingetragen. Ist der erwähnte Palier Michael Seeperger vielleicht für das Kolleg zuständig? Als ausführende Meister der Kirche müssen spätestens nach 1673 aber die beiden Söhne Pietro Francescos gelten. Dieser stirbt nach italienischen Quellen 1681 in Judenburg. Zu «Peter Franz Carlon» siehe die Masterarbeit von Ulrike Susanne Auerböck in E-Theses (dort mit dem Todesdatum 1680).

[20] Carlo Antonio Carlone (1635–1708) aus Scaria, Sohn des Pietro Francesco (1606–1681) und Bruder des Giovanni Battista (1642–1721). Carlo Antonio wird schon 1661 als Palier in Seckau genannt. Die Arbeit in Seckau ist 1662 beendet, es ist also durchaus möglich, dass er schon vor 1665 in Passau tätig ist. Mit den Wiener Carlone ist er seit 1664 verschwägert. 1668 werden er und sein Bruder in Passau wohnhaft. Seine Nennung als Baumeister am Dom von Passau erscheint 1671 bei einer Bewerbung für den Kirchturm in Vilshofen. Zur Familie siehe den Stammbaum in dieser Webseite. Zu Carlo Antonio siehe die ausführliche Biografie in AIA. Zum Bruder Giovanni Battista Carlone siehe die Biografie in dieser Webseite und die untenstehenden Ausführungen zu den Stuckaturen.

[21] Giovanni Battista Carlone (1642–1721) aus Scaria Val d'Intelvi. Siehe zu ihm die Biografie in dieser Webseite.

[22] Sebastian Graf von Pötting und Persing, Herr in Kittpoltenbach, Aholming und Kading (1628–1689), aus Reitpollenbach, Sohn des erzherzoglichen Oberststallmeisters Ortlieb Freiherr von Pötting. Er wird 1673 auf Empfehlung des Kaisers Leopold I. zum Fürstbischof von Passau gewählt.

[23] Am 31. Juli 1677 findet die Zeremonie einer nachträglichen Grundsteinlegung statt, die noch lange als Baubeginn gilt, obwohl Quellen für 1676 die Vollendung der Stuckausstattung und für 1677 die Altarweihe bestätigen. Über die Grundsteinlegung berichtet Pater Markus Hansiz SJ im ersten Band seiner Germania Sacra (1727), dass in die Fundamente der wiederentstandenen («templum Jesuitarum Passavii a busto surrexerat»), aber zeitweise durch ein obrigkeitliches Verbot belegten Kirche folgendes Dokument eingelegt wird: «Anno salutis MDCLXXVII gubernantibus Ecclesiam Innocentio XI. Imperium Romanum Leopoldo I. Austriaco. Episcopatum Passaviensem Sebastiano. Societatem JESU Praeposito Generali P. Joanne Paulo Oliva. Provinciam Austriam P. Nicolao Avancino. Collegium Passaviense P. Everhardo Hirsperger. Fundato prius eodem Collegio Anno MDCXI à Serenissimo Leopoldo Archiduce Tyrolensi ex domo Austriaca, eodémque Episcopo Argentinensi, & Passaviensi: templi hujus primum lapidem fundamentalem ad honorem DEI sub patrocinio S. Michaëlis Archangeli posuit Celsissimus Princeps Episcopus Passaviensis Sebaftianus ex Comitibus de Pötting, mense julio die 31».

[24] Johann Seitz (um 1605/10–1685), Bildhauer in Passau. Er übernimmt 1636 die Passauer Werkstätte des Hans Wendelin Perg und übergibt sie 1677 an seinen Schwiegersohn Johann Matthias Högenwald († 1695) aus Linz.

[25] Zweites Hauptjoch Süd: Johann Spillenberger 1678. Zu Spillenberger siehe NDB 24 (2010). Drittes Hauptjoch Nord: Bartolomeo Altomonte 1765. Zu Altomonte siehe Wikipedia.

[26] Fr. Christoph Tausch SJ (1673–1731) aus Innsbruck, Maler, Ordensbaumeister, Schüler von Andra Pozzo in Wien. Zu ihm siehe den Beitrag in der Wikipedia.

[27] Diego Francesco Carlone (um 1674–1750) aus Scaria Val d'Intelvi, Sohn des Giovanni Battista. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite. Diego Francesco wird zwar nur für die plastischen Arbeiten erwähnt. In Zusammenarbeit mit Paolo d'Allio (1655–1729), seinem älteren Cousin, hat die Werkstatt Carlone-d'Allio seit 1706 (Salzburg) jeweils auch die Stuckmarmorarbeiten übernommen. Zu Paolo d'Allio (Aglio) siehe die Biografie in AIA. Der Beizug einer anderen Werkstätte für den Stuckmarmor wäre deshalb aussergewöhnlich.

[28] Carlo Innocenzo Carlone (um 1687−1775) aus Scaria Val d'Intelvi, Bruder des Diego Francesco. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[29] Johann Ignaz Egedacher (1673–1744) aus Salzburg, Orgelbauer in Passau in Nachfolge seines Schwiegervaters Leopold Freundt (†1727). Als Orgelbauer zu St. Michael in Passau wird er in Eberlein: Die Geschichte der Orgel, Kapitel II.4 erwähnt.

[30] Joseph Hartmann (1674–1734), vermutlich aus Wasserburg, ist um diese Zeit erblindet. Seine Werkstatt führt Joseph Matthias Götz (1696–1760) aus Bamberg, Sohn des Orgelbauers Johann Georg Götz. Seit 1715 ist er in Passau als Geselle bei Joseph Hartmann tätig. Zum Hauptwerk von Joseph Matthias Götz siehe Aldersbach in dieser Webseite.

[31] Giovanni Battista d'Allio III, auch Aglio (1690–ca.1760) aus Scaria Val d'Intelvi. Er ist Sohn des Paolo d'Allio und der Domenica Carlone und Bruder des Sebastiano Domenico. Sein Vater Paolo d'Allio arbeitet mit Diego Francesco Carlone zusammen (siehe oben). 1714 heiratet Giovanni Battista (auch Giambattista genannt) Maria Margherita, Tochter des Giuseppe Tommaso Lurago, dem Neffen des Dombaumeisters (siehe Stammbaum Lurago). Seit 1718 ist er auch mit dem Hofbaumeister Domenico d'Angeli verschwägert. In Werkstattgemeinschaft mit seinem jüngeren Bruder beherrscht er um 1720/30 die Stuckateurtätigkeit in der Passauer Landschaft fast vollständig. Zu ihm siehe A.I.A Allio, Giovanni Battista d'.

[32] Sebastiano Domenico d'Allio, auch Aglio (1697–24.2.1782) aus Scaria Val d'Intelvi. Er arbeitet in Werksattgemeinschaft mit dem älteren Bruder. Erste Ehe 1732 mit Anna Margherita d'Allio di Diego Francesco. Zweite Ehe 1745 mit Francesca Orsolini. Sechs Kinder, davon vier Stuckateure (Daten: A.E. in: APPACUVI, Repertorio degli artisti 2009).

[33] Domenico d'Angeli (1672–1738) aus Scaria Val d'Intelvi. Bis 1713 in Böhmen tätig, später Hofbaumeister in Passau. Er verdrängt den Baumeister Jakob Pawanger für den Bau der Neuen Residenz. Mit der Heirat seiner Tochter 1718 wird Giovanni Battista d'Allio sein Schwiegersohn. Zu ihm siehe A.I.A. Angeli Domenico D'.

[34] Als Beispiel zwei Kirchen der oberdeutschen Provinz in ähnlicher Grösse und Jochzahl: 1617 Dillingen, ohne Seitenemporen; 1620 Eichstätt, Seitenemporen stark zurückgesetzt. Die 1640 geweihte, grössere Kirche von Landshut hat Seitenemporen, aber einen anderen Gewölbetypus. Zum Typus der Wandpfeilerhalle und dem Unterschied zur Wandpfeiler-Basilika siehe das Glossar (Buchstabe W) in dieser Webseite.

[35] Rohbau 1669–1674, also gleichzeitig mit der Passauer Jesuitenkirche. An der Innenausstattung (Stuck, Altäre) ist kein Carlone beteiligt. Der Stuck wird durch Giovanni Pietro Spazzo oder Spazzi, Spazy (Johann Peter Spatz) aus Lanzo Val d'Intelvi ausgeführt.

[36] Der Begriff trifft nur für die Kirchen der Carlone zu. Zum «Carlone-Raum» gehören gemäss Ralph Dobler (Italienische Wanderkünstler als Familenunternehmer und Dienstleister – Die Familie Carlone aus Scaria. Einsiedeln 2006, Seite 81):
1. Die charakteristischen Stuckaturen.
2. Die Bauform des Wandpfeilersaals  mit der Instrumentierung durch Emporen, welche «Seitenkapellen» ausbilden.
3. Ein eingezogener Chorraum
4. Vorgesetzte Westtürme mit eingespannter Empore und einem Quergang zwischen dem Turm- und ersten Wandpfeilerpaar.

[37] Doppeltürme sind bisher nur bei Wandpfeiler-Basiliken der Jesuiten zu finden. Dazu zählen die böhmischen Jesuitenkirchen von Carlo Lurago (Březnice 1642, Klattau 1656/75, Königgrätz 1666) sowie  die Jesuitenkirchen Wien (1631, Giovanni Battista Carlone), Innsbruck (1646, P. Karl Fontaner SJ) und Luzern (1666/77, P. Christoph Vogler SJ).

[38] Dies zeigt die nur wenig später entstandene, bedeutend anspruchsvollere Architektur der Doppelturmfassade seines Sohnes Carlo Antonio in Garsten. Vermutlich ist dieser auch der Planer der gleichzeitigen Fassade der Linzer Jesuitenkirche (heute: «Alter Dom»).

[39] Ralph Dobler «Italienischer Stuck in Passau» 2004, siehe Literatur.

[40] Giovanni Battista Barberini (1625–1691) aus Laino im Val' Intelvi erstellt in der Rossauer Servitenkirche in Wien 1669/70 die Stuckaturen und Stuckplastiken, die ebenfalls einen frühen Transfer hochbarocker römischer Stuckplastik darstellen. In Unkenntnis der Erstellungsjahre der 1676 vollendeten Stuckaturen der Passauer Jesuitenkirche werden die Arbeiten Barberinis noch heute als Vorgänger und Vorbilder der Arbeiten von Giovanni Battista Carlone in Passau beschrieben. Zu Giovanni Battista Barberini siehe A.I.A (Artisti Italiani Austria).

[41] Antonio Raggi (1624–1686) aus Morcote, Bildhauer und Stuckateur, Schüler und Mitarbeiter von Gianlorenzo Bernini (1598–1680). Zu Raggi siehe die Seite Antonio Raggi in der Wikipedia. Eine Gesellentätigkeit Carlones in den 1660er-Jahren bei Antonio Raggi in Rom wird angenommen.

 

 

 

Figuralstuck von Giovanni Battista Carlone an der Orgel-Emporenbrüstung
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Carlone beginnt über dem Pfeilergebälk mit einer freien Gestaltung. Pilasterartige Vorlagen über den Pfeilern gliedern die Brüstungsfelder. Die Vorlagen enden mit Voluten, welche eine bauchige Vase tragen. Im mittleren Feld sitzen in den Arkadenzwickeln die überlebensgrossen Figuren der Apostelfürsten Petrus und Paulus. Die Mittelkartusche trägt die Widmung «Regi saeculorum immortali» (Dem unsterblichen Gott aller Zeitalter). In den weiteren Zwickelfeldern tummeln sich fliegende, vollplastische Putti, alle mit einem Blasinstrument musizierend.

 

Das ehemalige Jesuitenkolleg und heutige Gymnasium in weiteren Bildern
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Der Turm, früher frei am Ende des Kolleg-Ostflügels, stammt aus der Bauphase von 1612–1625. Er wird als ehemaliges Observatorium bezeichnet.   Auch der Latrinenturm, mit dem Ostflügel verbunden, stammt aus der ersten Bauzeit. Er ist sogar schon im Genehmigungsplan von 1612 an dieser Lage festgehalten.   Ein Verbindungsbau wird 1665 auch zur neuen Jesuitenkirche St. Michael gebaut. Er verbindet das erste Obergeschoss des Kollegs mit der Sakristei der Kirche.   Im Treppenhaus sind Stuckaturen der 1680er-Jahre, in den Fensterleibungen mit solchen der Rokokozeit  zu finden.   Am Treppenabgang des ersten Obergeschosses ist ein rätselhaftes Chronogramm angebracht, das auf das Jubeljahr 1700 hinweist.

 

 



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Exkurs

Das Jesuitenkolleg und die Gebäude der höheren Schulen der Stadt Passau im 17. und 18. Jahrhundert


Jesuitenkolleg

Vereinfachungen und Falschinformationen
Im ehemaligen Jesuitenkolleg befindet sich heute das Gymnasium Leopoldinum. Veröffentlichungen über dieses Gymnasium zeigen verbreitete Missverständnisse über das Schulwesen der Jesuiten in Passau.
Ausschnitte aus Veröffentlichungen sollen dies dokumentieren.
«Das Gymnasium Leopoldinum feiert am heutigen Freitag, 06.07.2012 sein 400-Jähriges Bestehen» (Quelle: Pressearchiv der Stadt Passau).
«1612 wurde aus dem Jesuitenkolleg das erste Passauer Gymnasium. Bis 1617 errichteten die Jesuiten das Gebäude, das heute noch immer das Hauptgebäude des Gymnasiums Leopoldinum ist». (Quelle: Das Gymnasium Leopoldinum in Wikipedia, abgerufen 13. 04. 2017).
«Das kastellartige Gebäude mit Sternwarte wurde 1613 vom Elsässer Jesuitenpater Johannes Isfording aus Molsheim erbaut. Es war zugleich Gymnasium und Diözesanhochschule, vorübergehend auch Klerikalseminar». (Quelle: Jesuitenkolleg Passau in Wikipedia, abgerufen am 13. 04.2017).
Im den obigen Artikeln und in vielen weitern Publikationen wird suggeriert, dass am Ort des ehemaligen Jesuitenkollegs seit 400 Jahren ein Gymnasium existiert. Während die Pressemitteilung der Stadt noch dem 400-Jahr-Jubiläum eines ersten Gymnasiums (nicht des Leopoldinums!) in Passau gewidmet sein könnte, sind die Wikipediabeiträge Falschinformationen.

Eine kurze Geschichte der Gebäudenutzung des Jesuitenkollegs
1612 ist Baubeginn des Jesuitenkollegs Passau. Das dreiflügelige Gebäude wird nach dem Stadtbrand 1662 vergrössert wieder aufgebaut. Dieses Kolleggebäude ist zur Zeit der Jesuiten (bis 1773) wie alle Kollegbauten des Ordens kein Schulhaus, sondern klosterähnlicher Wohnsitz. Man könnte es als Lehrerhaus bezeichnen. Alle Schulen der Jesuiten befinden sich in Gebäuden oder Gebäudetrakten, welche vom Kolleg getrennt sind.[1] 1773 geht das Passauer Gebäude als beschlagnahmtes Jesuitenvermögen an Österreich. Dem Fürstbischof wird erlaubt, das vorher beim Dom situierte bischöfliche Klerikalseminar (das «Josepho-Leopoldinum») ins ehemalige Jesuitenkolleg zu verlegen. Das ehemalige Seminargebäude der Jesuiten wird verkauft. Das «Neue Gymnasium» (heute Michaeligasse 13) wird von den fürstbischöflichen Behörden weiter betrieben. 1803 werden die Hochstifte säkularisiert, Passau fällt an Bayern. Das ehemalige Kolleg und die Schulbauten werden kurbayrisches Eigentum. Bayern richtet im ehemaligen Kolleg anstelle des Klerikalseminars das staatliche Gymnasium ein.[2] Das Gymnasium an diesem Ort hätte deshalb 2003 das 200-Jahr-Jubiläum feiern können. Es wird seit 1965 als Leopoldinum bezeichnet, wahrscheinlich zu Ehren des Fürstbischofs Erzherzog Leopold V. und nicht des Stifters des fürstbischöflichen Klerikalseminars von 1762. Dieses führt immerhin 41 Jahre ebenfalls den Namen Leopoldinum.


Die Schulgebäude

Gymnasium und Lyzeum
Wie für alle neuen Jesuitenniederlassungen wird auch in Passau sofort eine höhere Schule eingerichtet. Ihre Gründung ist 1611, ein Jahr vor dem Baubeginn des Jesuitenkollegs.[3] Ihr Standort liegt bis 1615 an der Schustergasse in der Nähe des Residenzplatzes, dann verlegt sie der Stifter, Erzherzog Leopold V. von Österreich, in das von ihm erworbene «Rottmaierische Haus» in die Nähe des Jesuitenkollegs. 1661 wird der Bau eines neuen Schulgebäudes begonnen, das jetzt als Gymnasium bezeichnet wird. Es brennt 1662 und 1680 ab. Schon 1690 wird ein grösseres «Neues» Gymnasium gebaut. Dies Gebäude ist seit 1919 durch einen neubarocken Bau  der theologisch-katholischen Fakultät (Michaeligasse 13) ersetzt.

Jesuitenalumnat
Gegenüber, an der heutigen Michaeligasse 11 ist ein weiteres Schulgebäude der Jesuiten erhalten. Es handelt sich um ihr ehemaliges Seminargebäude, das wegen der Beherbergung der Zöglinge auch Jesuiten-Alumnat genannt wird. Ein erster Bau von 1637 wird 1690 ersetzt. Nach der Ordensaufhebung 1773 wird das Gebäude an Private verkauft. Es wird 1890 aufgestockt und ist heute die Staatliche Bibliothek.[4]

Bischöfliches Klerikalseminar
1762 wird in Konkurrenz zum Jesuitenalumnat ein bischöfliches Klerikalseminar gegründet, das ausschliesslich der Ausbildung von Priestern dient und die Jesuiten als Lehrkörper fernhält. Es wird nach dem regierenden Fürstbischof Leopold III. Graf von Firmian «Josepho-Leopoldinum» genannt. Das Schulgebäude mit Alumnat ist ursprünglich im Kapitelhaus beim Dom eingerichtet. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens zieht das Klerikalseminar in das ehemalige Jesuitenkolleg, das damit 1773 erstmals Schulgebäude wird. Mit der Säkularisation 1803 wird das Klerikalseminar aufgehoben, seine Neugründung 1838 hat den Sitz im ehemaligen Domherrenhof Migazzi am Domplatz.

Pius Bieri 2017

Anmerkungen:
[1] Einem Jesuitenkolleg sind immer Schulgebäude (Gymnasien, Seminare) zugeordnet. Wie die Klausur eines Klosters sind sie aber ebenso klar vom Kolleg abgetrennt. Bei zusammenhängenden Anlagen (München) kann dann der Begriff Kolleg auch für die Gesamtanlage gelten. Siehe dazu auch die Beschreibung der des Jesuitenkollegs Dillingen (Kolleg und Konvikt, Kirche, Universität und Gymnasium).Die Verwirrung zum Begriff Kolleg wird im 19. und 20. Jahrhundert durch neue Jesuitengymnasien gefördert, die sich als «Jesuitenkolleg» bezeichnen (Beispiel St. Blasien).

[2] Die Inschriften am Hauptportal (GYMNASIVM, 1664) werden erst nach 1803 angebracht u.

[3] «Die eigentliche Gründung unserer Anstalt (der königlichen Gymnasiums) geschah mit der Berufung der Jesuiten nach Passau im Jahre 1611» schreibt Joseph Fisch in: Geschichte des höheren Unterrichts in Passau (Passau 1861).

[4] Seriöse Baudaten zu diesem und auch weiteren erwähnten Staatsliegenschaften sind in der Liste der Baudenkmäler der Wikipedia abrufbar.

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  Jesuitenkolleg und Studienkirche St. Michael in Passau  
  Passau_Jes_1  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Passau
Niederbayern D
Fürstbistum Passau
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Passau   1612, 1665
Bauherr und Bauträger
Fürstbischof Erzherzog Leopold V. von Österreich (reg. 1598–1625)
Rektor P. Johannes Isfording SJ (1566–1639)
Rektor P. Heinrich Hedinck SJ (1613–1696)
Rektor P. Nicolaus von Avancini SJ (1611-1686)
 
  Jesuitenkirche St. Michael (heute Studienkirche) und Jesuitenkolleg (heute Gymnasium), von der Marienbrücke gesehen.   pdf  
   
Passau_Jes_2
Die Inn-Fassade des Jesuitenkollegs.
Foto: Aconcagua 2007 in Wikipedia.
 
   
Passau_Panorama
Panorama der Altstadt auf der Halbinsel und der jenseits des Inns gelegenen Innstadt mit ihrer Wallfahrtskirche Maria-Hilf, gesehen von der Veste Oberhaus. Deutlich heben sich in der Bildmitte das dreiflügelige Kolleggebäude (heute Gymnasium) und die Jesuiten- oder Studienkirche St. Michael von den meist dreigeschossigen Gebäuden der näheren Umgebung ab.
PassauPlan1826
Plan der Stadt Passau im Zustand der Barockzeit, als Zusammenstellung der Ortsblätter 1826 und 1827. Jesuitenkirche und Kolleg sind mit der Ziffer 3 markiert. Für Vergrösserung und Legende bitte anklicken. Bildquelle: Wikipedia.
Kolleg
JesuitenkollgProjekt1612
Der planende und bauleitende Rektor P. Johannes Isfording SJ lässt 1612 die Planung für Kirche und Kolleg in Passau durch den Ordensgeneral in Rom bewilligen. Der Bewilligungsplan ist in der Bibliothèque nationale de France (Collège de Passau) abrufbar. Die Eintragung des bewilligten Planes in die heutige Situation zeigt, dass die Bau-Ausführung des Kollegs bedeutend grosszügiger ausfällt, hingegen aber die geplante Kirche und auch die westlich vorgelagerten Schulgebäude nicht ausgeführt werden. Die Kirche (2) wird später westlich, die Schulgebäude  an der Michaeligasse 11 und 13 gebaut.  
Passau_Jes_3
Das Eingangsportal zum Kolleg mit dem Christusmonogramm JHS in der Mitte, dem Marienmonogramm links und dem Monogramm des hl. Joseph rechts (die verschlungenen Buchsraben ergeben jeweils den Namen). Erst im 19. Jahrhundert wird die Inschrift «Gymnasium» und vermutlich auch die verwirrende Jahreszahl 1664 angebracht.  
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1917 werden im Innenhof Reste von gemalten Fensterrahmungen entdeckt und auf zwei Achsen rekonstruiert. Die stark einer eklektizistischen Renaissance verhafteten Malereien sind heute an allen drei Innenhoffassaden anzutreffen.
 
Weitere Bilder zum Kolleg siehe am Ende der Seite.  
Kirche St. Michael
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Grundrissplan der 1665–1677 von Pietro Francesco Carlone gebauten Jesuitenkirche St. Michael. Die südlich angebaute Xaverius-Kapelle des Hofbaumeisters Domenico d'Angeli folgt 1725–1730.
Bildquelle: Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern, 1919.
 
Passau_Jes_Schnitt_Kirche
Schnittplan durch die Wandpfeiler-Emporenhalle des Langhauses.
Bildquelle: Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern, 1919.
 
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Der Innenraum des Mittelschiffs Richtung Chor, gesehen vom Eingangsbereich.  
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Der Blick in die nördliche Wandpfeilerreihe zeigt die fortschrittliche Bauform des Wandpfeilersaals und seine Instrumentierung mit Seitenemporen und ihren Kapellen. Nur wenige Stuckaturen der Pfeilerpilaster und der Gurtbögen sind innerhalb des Mittelschiffes und im Obergeschoss der Wandpfeileremporen zu finden. Um so mehr sind die Stuckaturen und Figuralplastiken von Giovanni Battista Carlone in den seitlichen Altarräumen und der Emporenbrüstungen zu finden.  
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Blick in die südliche Wandpfeilerwand in Richtung Chor. Dieser ist eingezogen und hat keine Wandpfeiler. Seine zwei Joche haben die gleichen Masse wie die Wandpfeilerjoche des Langhauses. Entsprechend sind auch die Pilaster und Gebälkstücke gleich ausgebildet.  
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Der Richtung Westen, über den Beichtstühlen liegende Wandpfeiler-Stuck, ist derart plastisch mit Stuck-Kenotaphen  versehen, dass dieser rückwärts gerichtete Blick (hier die Südseite) lebendiger als die Altarseite wirkt.
Einige der Kenotaphe enthalten Inschriften. Im mittleren Joch ist unter dem Medaillon der Stifterin Maria Polixeana eine Widmung an sie und ihren Gatten Graf Leopold Wilhelm von Königsegg angebracht.
 
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Diese Stuck-Kenotaphe sind allegorischen Gestalten und Heiligen gewidmet, die in den von Putten getragenen Medaillons plastisch dargestellt sind. Ein Vorhang hinterfängt das Medaillon. Hier am dritten Wandpfeiler ist der hl. Franz Xaver dargestellt.  
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In den Arkadenzwickeln vor den Balustern der Seitenemporen sitzen grossfigurige Kirchenväter, Evangelisten und Engelsgestalten. Hier, am Bogen ersten nördlichen Kapelle, sind es die Kirchenväter Augustinus und Gregor der Grosse. In den Wappenkartuschen ist jeweils ein Stifterwappen angebracht.  
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Einblick in den Chorraum. Am Chorbogenscheitel halten zwei überlebensgrosse fliegende Carlone-Engel eine Kartusche mit dem Christusmonogramm IHS. Der Hochaltar ist ein späteres Werk, nach einem Entwurf des Jesuitenfraters Christoph Tausch. Die Ausführung 1712/14 übernehmen Diego Francesco Carlone und Paolo d'Allio. Das Altarblatt malt 1714 Carlo Innocenzo Carlone.  
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Ausschnitt aus dem Hochaltarblatt von Carlo Innocenzo Carlone mit der Darstellung des Engelsturzes.  
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Die Seitenaltäre, hier der Josephs-Altar der mittleren Wandpfeiler-Kapelle, werden der Passauer Werkstatt von Johann Seitz und Matthias Högewald zugeschrieben. Sie werden 1677/78 aufgestellt. Der Bildhauer der erst um 1715 aufgerichteten Kanzel ist wahrscheinlich Joseph Hartmann.  
Passau_Jes_13
1721/22 baut der Passauer Orgelbauer Johann Ignaz Egedacher die Orgel. Der zweigeteilte Prospekt mit dem kleinen Oberwerk ist noch heute vorhanden. Zur Emporenbrüstung siehe die Erläuterung am Ende der Seite.  
Passau_Jes_14
In der mittleren südlichen Wandpfeiler-Kapelle, der Leopoldskapelle, befindet sich ein Wand-Epitaph der Maria Polixena (Polyxena) Gräfin von Schärffenberg, Gattin des Reichsvizekanzlers Leopold Wilhelm Graf von Königsfeld-Rothenfels. Die ehemalige kaiserliche Hofdame stirbt 1683 in Passau. Ihr Epitaph in der Jesuitenkirche, verbunden mit dem erwähnten Stuckkenotaph in der gleichen Wandpfeiler-Kapelle, deutet auf eine Wohltäterin der Jesuiten hin.  
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Aus der Erbauungszeit um 1676/77 stammen die Kirchenbänke. Ihre Doggen mit Mittelpilaster und Knorpelwerk sind eine gute Bildhauerarbeit.  
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In der bis 1730 angebauten Xaverius-Kapelle ist heute von ehemals drei Altären nur noch der Hauptaltar vorhanden. Er ist ein Werk der Brüder Giovanni Battista und Domenico d'Allio, die auch den feinen Régence-Stuck erstellen. Das Altargemälde und das Deckenfresko sind Werke des Wiener Akademiemalers Anton Herzog.  
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