Die Meister des Kloster- und Kirchenneubaus
von bis
1709 1716
1716 1729
1723 1762
1723 1723
1725 1725
1736 1752
1744 1747
1747 1755
1750 1752
1750 1752
1756 1756
1757 1762
1762 1786
1763 1763
1772 1772
1784 1784


Ettal
Benediktinerabtei und Stiftskirche Mariä Himmelfahrt


Landschaft und Ort

    Ettal liegt an einer alten Strasse, die von Schongau über Rottenbuch und Oberammergau zum Fernpass und ins Tirol führt. Sie wird 1796 von Adrian von Riedl als «Chaussée von Schongau über Ettal an die Wertenfelsische Grenze» beschrieben.[1] Demnach gelangt man auf der Chaussée nach dem Dorf Oberammergau «zum Kloster Ettal, das auf einem hohen Berge im Thale, welches wieder steile Felsengebirge ganz umschliessen, liegt». Von der Ettaler Hochebene gelangt man dann ins tiefer gelegene Tal der Loisach, wo sich die Strasse mit der alten Via Raetia verbindet. Vor dem Dorf Farchant erreicht sie die von Riedl erwähnte Grenze der Grafschaft Wertenfels. Diese Grafschaft bildet bis 1803 mit den Dörfern Garmisch, Partenkirchen und Mittenwald eine Exklave des kleinen Hochstifts Freising. In seinem grösseren Bistumsbereich liegt auch die Klosterherrschaft Ettal.
In der Reisebeschreibung vermerkt Riedl zum Klosterort: «Neben dem Gasthofe sind in Ettal nur 2 Häuser für die nöthige Dienerschaft des Klosters. Die Mahl-, Holz- und Steinsägemühlen liegen etwas entfernter». Tatsächlich bilden noch Anfang des 19. Jahrhunderts das Kloster, zwei Nebenkirchen, der Gasthof und kaum zehn Kleinbauern- und Dienstleutegebäude den Ort Ettal. Heute hat Ettal 724 Einwohner. Von den zwei Nebenkirchen ist die eine schon längst abgebrochen und die andere zu einem Wohnhaus umgebaut.[2]


^
«Topographischer Atlas vom Königreiche Baiern»
1:50 000, 1812-1867 Ausschnitt Blatt 90
Murnau, Oberammergau und Ettal.

<
«Chaussée von Schongau über Ettal an die
Wertenfelsische Grenze» 1796. Die Wegführung
erfolgt von Nord nach Süd (unten Schongau
und Saulgrub)
Quellen: Bayerische Staatsbibliothek
 


Ettal von 1330 bis 1709

 

Späte Klostergründung  
Die Abtei ist eine Stiftung von Ludwig dem Bayer, dem ersten Wittelsbacher auf einem Kaiserthron. Umstrittener Kaiser seit 1327, legt er 1330 den Grundstein für ein Kloster an der noch wenig begangenen Fernstrasse von Schongau nach Mittenwald und dotiert die neue Stiftung umfangreich. Er bedient sich dabei aus Besitzungen und Rechten des Reiches, die er nun in das Herzogtum Bayern eingliedern kann. Schon von Anfang weg umfasst die Klosterherrschaft den ehemals welfischen Ammergau bis zum Gebiet des Klosters Rottenbuch. Zudem überlässt der Kaiser seiner Neugründung die Reichsvogtei über das ehemals welfische Kloster Steingaden. 1332 arrondiert er den grossen Klosterbesitz mit Pfarreien im Tal der Loisach und dem wichtigen Marktflecken Murnau am Staffelsee. Im gleichen Jahr erfolgt auch die Besiedelung des inzwischen gebauten Klosters mit Benediktinern aus der Abtei Reichenbach am Regen und aus Georgenberg im Tirol. Gleichzeitig gliedert Ludwig der Bayer dem neugegründeten Kloster Ettal ein Ritterstift an, das er für 13 Ritter mit ihren Frauen und sechs Witwen dotiert. Er will damit alten Mitstreitern ein sorgenfreies Alter gewähren. Diese Stiftung führt in der Ritterromantik des 19. Jahrhunderts zu abenteuerlichen Verfälschungen der Gründungs- und Baugeschichte von Ettal.[3] Ludwig der Bayer stirbt 1347. Das Ritterstift hat keinen Bestand, auch weil die Söhne des verstorbenen Klostergründers Teile der Stiftungsgüter wieder an sich reissen. Als 1370 die Klosterkirche eingeweiht wird, sind ausser dem Abt nur noch neun Mönche im Kloster.

Das Gnadenbild
Ungewöhnlich wie die Ritterstiftung ist auch das Ettaler Gnadenbild, das Ludwig der Bayer 1330 aus Italien mitbringt. Die Muttergottes mit Kind ist eine nur 33 Zentimeter hohe Steinplastik (aus Carrara-Marmor?).[4] Die kleine, ursprünglich farbig gefasste Plastik ist ein Kunstwerk der Pisaner Schule des frühen 14. Jahrhunderts. Trotz seiner bescheidenen Grösse entfaltet es ab dem 15. Jahrhundert eine grosse Wirkung. Die Wallfahrt zur Muttergottes in Ettal nimmt Aufschwung und erreicht in der Barockzeit ihren Höhepunkt. Aus dem 17. Jahrhundert stammen auch die Krönchen und Mäntelchen von Maria und Kind.

«Die legendäre Gründung des Klosters Ettal».
Gemälde von Andreas Wolff (1652–1716)
in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.
Das Gemälde (96,5 cm breit, 165 cm hoch)
kommt 1803 aus Ettal nach München. Die
Szene zeigt, wie Kaiser Ludwig der Bayer
von einer Engels-Erscheinung in Mönchsgestalt
das Gnadenbild überreicht erhält. Dieses wird
von zwei Engeln getragen. Auf dem Tisch liegt
ein Plan des Klosters im 17. Jahrhunderts.
Bildquelle: Wikipedia
 

 

Die Benediktinerabtei vom 14. bis zum 17. Jahrhundert    
 
Das Kloster Ettal in einem Stich der Augsburger Matthias Kager und Christoph Greuter in der Monasteriologia des P. Karl Stengel (Augsburg 1619). Das Kloster ist in einer Vogelschau aus Süden gezeichnet. Ausserhalb des Klosters ist das Gasthaus (links) und (am falschen Ort auf dem Hügel) die Leutkirche zu sehen. Bildquelle: Bibliothèque de France.   1720 veröffentlicht der Augsburger Stecher und Verleger Gabriel Bodenehr einen Stich des Klosters Ettal. Er übernimmt die Vorlage in der Topographia Bavariae des Matthäus Merian von 1665. Das Kloster ist aus Südwest gesehen und zeigt den Zustand des 17. Jahrhunderts. Bildquelle: mapy.mzk.cz.
     
Michael Wening veröffentlicht 1701 eine Ansicht des Klosters. Wie die Stiche von Merian und Bodenehr ist es eine Vogelschau aus Südwest. Die Gebäude sind unverändert, nur der Klosterhof ist stark in die Länge gezogen. Korrekt ist die Lage der Leutkirche und des Gasthauses (rechts) gezeichnet. Links oben das Wappenschild des Abtes Romuald Haimblinger. Bildquelle: ETH Zürich.

Der Kirchenbann über den kaiserlichen Stifter verhindert lange die kirchliche Anerkennung der Neugründung. Sie erfolgt 1368, die Pontifikalien erhält der Abt 1389. Obwohl Ettal in Altbayern eine der grössten Klosterherrschaften ist, bleibt die Abtei im Gegensatz etwa zum benachbarten Benediktbeuern bis zum Ende des 17. Jahrhunderts auf allen Gebieten praktisch bedeutungslos. Die Wirren der Reformation und des Bauernkriegs berühren den eher kleinen Konvent von Ettal kaum, sieht man von einem Überfall sächsischer Truppen im Jahr 1552 ab. Im Dreissigjährigen Krieg wird das verwaiste Kloster 1632 von einem versprengten Trupp schwedischer Reiter überfallen, der einzig verbliebene Konventuale und ein junger Organist werden getötet. Aber weder eine Plünderung noch eine Brandschatzung des Klosters erfolgt. Im Gegensatz zu den Leiden der Bevölkerung scheint das Kloster auch in den Kriegsjahren 1632 bis 1648 kaum betroffen. Seit 1653 engagiert sich Ettal in der Konföderation der Benediktinerabteien, welche die Universität Salzburg finanziell tragen. Alle Äbte der nächsten hundert Jahre sind Absolventen dieser Benediktineruniversität. 1684 bleibt Ettal trotz den positiven Salzburger Erfahrungen als einziges Kloster des Bistums Freising der neu gegründeten Bayerischen Benediktinerkongregation fern.[5] Selbst der 1697–1708 regierende Abt Romuald Haimblinger,[6] der durch kluge wirtschaftliche Massnahmen die kurze Blüte des 18. Jahrhunderts einleitet, korrigiert den Entscheid nicht. Die Rücksicht auf den Fürstenhof in Freising soll dafür verantwortlich sein.[7]

 

Ettal im 18. Jahrhundert

Abt Placidus Seitz und die Ritterakademie
1709 wird P. Placidus Seitz zum neuen Abt gewählt.[8] Noch im gleichen Jahr nimmt er den früheren kurfürstlichen Hofbaumeister Enrico Zucalli in seine Dienste.[9] Dieser ist 1706 von der kaiserlichen Administration Bayerns durch seinen Landsmann Viscardi ersetzt worden. Zucalli kehrt erst 1716, nach der Rückkehr des Kurfürsten, wieder nach München zurück.[10] Abt Placidus beauftragt Zuccalli für einen umfassenden Neubau der Konventgebäude, der dem noch weitgehend aus dem Mittelalter stammenden Gebäudebestand eine grosszügige barocke Form geben soll. Der Vorgängerabt Romuald nimmt mit dem soeben abgeschlossenen Brauereineubau östlich des Klosters das Konzept vorweg. Südlich dieses neuen Brauereiflügels, getrennt durch einen Querflügel in der Kirchenachse, soll nun die Zweihof-Anlage der Konventflügel entstehen. Damit wird der alte Klosterhof westlich der Kirche für neue Nutzungen frei. 1710 erfolgt die Grundsteinlegung zum neuen Kloster. Als Erstes wird der alte nördliche Ökonomieflügel für die Zwecke der von Abt Placidus ins Leben gerufene Ritterakademie neu gebaut. Die Verlegung der Brauerei vor 1709, ein vielleicht schon vorhandenes Konzept des neuen Klosters und die schnelle Verwirklichung der Akademie zeigen, dass Abt Placidus alte Überlegungen aufgreift. Die Gründung der Akademie als exklusive Ausbildungsstätte des adeligen Nachwuchses und ihr grosser Platzbedarf scheint Hauptauslöser des Klosterneubaus zu sein. Das Gebäude der Ritterakademie ist 1712 bezugsbereit, Zöglinge des dem Adel vorbehaltenen Institutes treffen schon 1711 ein.

Mehr zur Ritterakademie siehe im Anhang I

Mit der Einrichtung der Ritterakademie und dem gleichzeitigen Klosterneubau halten die Finanzressourcen der Abtei nicht Stand. Als 1716 Baumeister Zuccalli verabschiedet wird, ist der östliche Klosterneubau und die Westfront der Kirche noch Baustelle. Leiter der Neubauten ist 1716 bis 1729 der Salzburger P. Roman Deschamps.[11] Der noch von Zuccalli geplante neue ovale Chorraum und die nach Osten anschliessenden Räume können erst jetzt vollendet werden. 1718 wird die Rohbauvollendung des Chors gemeldet. 1722 kehren die beiden Maler Gianantonio Pellegrini[12] und sein Schüler Franz Georg Hermann[13] aus Venedig nach Füssen zurück. 1723 halten sie sich in Ettal auf. Pellegrini malt ein Altarblatt der hl. Katharina und erstellt den Entwurf des Deckenfreskos gegen eine Entschädigung von 400 Gulden. Hermann, der sich noch länger in Ettal aufhält, malt hier nebst Leinwandgemälden auch in Öl auf Putzgrund. Ist es vielleicht die Ausführung des Deckengemäldes im Chor? Die Arbeiten beider Maler fallen 1744 dem Grossbrand zum Opfer.
Als Stuckateur der Sakristei wird 1725 Johann Baptist Zimmermann genannt.[14]
Die Konventflügel sind um diese Zeit fertig ausgebaut. Für die Weiterführung der Arbeiten an der Kirchenfassade und am Hochaltar gewinnt Abt Placidus 1726, wahrscheinlich auf Empfehlung des Hofbildhauers Wilhelm de Grof,[15] den bisher eher unbekannten Bildhauer Aegid Verhelst.[16] Zwar wird der Chor in diesem Jahr eingeweiht, aber noch immer fehlt sein Hochaltar, für den schon seit 1724 ein Modell von de Grof vorhanden ist. Sein Schüler  Verhelst ist bis noch zum Tod von Abt Placidus in Ettal wohnhaft. Er arbeitet am Hochaltar (zerstört 1744) und an den Apostelfiguren für die Kirchenfassade. Als Abt Placidus 1736 stirbt, ist der Vorhof noch immer Baustelle. Die Kirchenfassade ist unvollendet. Es scheint, als ob die Finanzknappheit in Ettal zum Normalzustand wird. Aegid Verhelst zieht jedenfalls im gleichen Jahr weg.

Klosterbrand 1744. Wiederaufbau unter Abt Benedikt III. bis 1759.
Der nachfolgende Abt Bernhard I. Oberhauser stirbt nach drei Jahren Regierung mit nur 45 Jahren.[17] Sein Ende 1739 gewählter Nachfolger Benedikt III. Pacher[18] hätte wahrscheinlich die Neubauten vollendet. Ein erneuter Krieg Bayerns gegen Österreich bremst schon kurz nach der Wahl die Weiterführung der Arbeiten.[19] Die Kriegserklärung Bayerns bewegt die Regentin Maria Theresia, alle Zöglinge der Erblande von der Ritterakademie abzuziehen. Die Akademie ist damit nicht mehr überlebensfähig.[20] Ein Jahr später folgt das zweite Unglück. Ein Grossbrand am 20. Juni 1744 zerstört grosse Teile der neuen Konventgebäude und greift auch auf den Chor über. Abt Benedikt III. beruft den Wessobrunner Joseph Schmuzer[21] als Klosterbaumeister des Wiederaufbaus. Schmuzer kennt das Kloster aus einer bereits 1736 erfolgten Berufung und beginnt 1745 mit dem zügigen Wiederaufbau. Sein wichtigster Mitarbeiter ist der Zimmermeister Johann Pföderl aus Bernried.[22] Wahrscheinlich erste Arbeit der Zimmerleute ist die Wiedererstellung der 1744 abgebrannten Obergeschosse und Dachstühle der Konventbauten. Schon 1747 errichtet der Werktrupp Pföderl auch den gewaltigen Kuppeldachstuhl der Kirche. Baumeister Schmuzer beginnt gleichzeitig mit dem Umbau des Kirchenhauptraums. Er formt die noch immer gotischen Fenster zu grossen barocken Rundbogenöffnungen um. Die Stuckaturarbeiten in den von ihm umgebauten Bauten leitet er bis zu diesem Zeitpunkt noch selbst. Dazu zählt auch der ovale Mittelrisalit im Konvent-Südflügel mit dem Refektorium im Erdgeschoss. Für das Deckenfresko dieses Raumes kommt 1747 Johann Jakob Zeiller erstmals nach Ettal.[23] Er beginnt, glaubt man den teilweise falsch interpretierten Baudaten, ein Jahr später mit dem grossen Kuppelfresko. Erst 1750 sind die beiden Stuckateure Johann Georg Üblher[4] und Franz Xaver Schmuzer[25] im Kirchenraum tätig. 1752 signiert Zeiller im Gründungsfresko über dem Chorbogen den Abschluss der Malerarbeiten. In diesem Jahr beenden auch die Stuckateure ihre Tätigkeit. Für die zukünftigen Altäre malt Christoph Thomas Scheffler 1756 das erste Altarblatt.[26] 1757 beginnt der Bildhauer Johann Baptist Straub mit dem Bau der Kanzel und der sechs Altäre mit ihrer Figuralplastik.[27]

Fertigstellung des Kirchenraums unter Abt Bernhard II.
Der verdienstvolle Abt Benedikt III. muss aufgrund einer Intrige 1759 dem unehelichen Sohn eines bayerischen Kurfürsten weichen, der 1761 als Abt Bernhard II. von Eschenbach zum Abt gewählt wird.[28] Trotz des mysteriösen Umstandes seiner Wahl entpuppt sich der neue Abt als guter Vorsteher und grosser Kunstförderer. Er widmet sich vorerst der Fertigstellung der von seinem Vorgänger begonnenen Ausstattung im Hauptraum. Johann Jakob Zeiller (1761), Franz Georg Hermann (1762), und nun auch Martin Knoller[29] (1763, 1765 und 1794) liefern Altarblätter. Wahrscheinlich stammen auch die sechs Beichtstühle, die der Uffinger Werkstatt Zwinck zugeschrieben werden, aus den 1760er-Jahren.[30] 1763 (oder schon 1753?) erstellt der Orgelbauer Hörterich die Emporenorgel (II/P/27).[31] Das Rokoko-Prospektgehäuse ist ein Werk des Bildhauers und Kistlers Simon Gantner.[32]
Der Hauptraum, schon 1762 eingeweiht, ist nun vollendet.
Noch immer im Rohbauzustand befindet sich der anschliessende Chor- oder Altarraum, der seit dem Brand vom Hauptraum durch eine provisorische Wand getrennt ist. Abt Bernhard beginnt nach Abschluss der Arbeiten in der Rotunde mit dem Ausbau. Das Leichtgewölbe ist 1769 wieder erstellt, denn in diesem Jahr kann Martin Knoller das Deckengemälde malen. Von Ignaz Günther[33] ist ein Entwurf für den Hochaltar erhalten, der 1772 datiert ist und der als transparenter Kollonadenaltar vielleicht an den verlorenen Altar von Aegid Verhelst anknüpft. Die Verwirklichung bleibt aus. Als Abt Bernhard II. 1779 stirbt, ist der Chor noch immer Baustelle.

Neugestaltung des Chorraums unter Abt Othmar II.
Abt Othmar II. Seywold,[34] regiert 1779–1787. Inzwischen hat der bayerische Kurfürst dem Barock den Kampf angesagt. Für die Gotteshäuser erlässt er 1770 ein Dekret, welches die Rocaille verbietet und eine «edle Simplizität» fordert. In Ettal hält der Klassizismus 1784 mit der klassizistischen Neugestaltung des Chors Einzug. Der Planer ist unbekannt. Dies gilt selbst für den Hochaltar, der als Teil der Wandgestaltung von einem Salzburger Bildhauer ausgeführt ist.[35] Die Gestaltung folgt aber älteren Projekten von Zuccalli und dem Hochaltarentwurf von Ignaz Günther. Martin Knoller ist nun wieder in Ettal. Er ist sicher mitbeteiligter Gestalter. Im Chor malt er die hervorragenden illusionistischen Wandmalereien. Dann liefert er 1786 das grosse Altarblatt der Himmelfahrt Mariens. Nur ein weiterer Künstlername ist für die klassizistische Periode überliefert. Roman Anton Boos liefert für die Postamente der Altar- und Wandarchitektur vergoldete Bleireliefs.[36]
1790 wird der Chorraum geöffnet und das Gnadenbild auf den neuen Hochaltar übertragen. Seit seiner ersten Einweihung sind 64 Jahre vergangen, 46 Jahre bleibt er ungenutzt.
Zur Zeit der Einweihung regiert mit Alphons Hafner[37] bereits der letzte Abt. Als die Abtei 1803 säkularisiert wird, ist die von Zuccalli geplante barocke Kirchenfassade noch immer unvollendet.

 

Das 19. Jahrhundert

Säkularisation

  Ettal teilt 1802/03 das Schicksal der landständigen Klöster Kurbayerns. Zusammen mit den Klöstern in den weiteren «Erwerbungen» Bayerns führt der Kurfürst die generalstabsmässig vorbereitete Inbesitznahme des Vermögens und der Herrschaft aller Klöster im neuen Bayern durch.[38]
Die Bestätigung der Enteignungen erfolgt 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluss.
Die Säkularisation trifft 1803 den bereits nicht mehr anwesenden Abt,[39] 26 Patres und 2 Brüder. Sie erhalten eine Pension und nehmen in den meisten Fällen Pfarrstellen an. Die Schüler des Klosterseminars müssen Ettal verlassen. Im April 1803 beginnt die Versteigerung der Forste, Ländereien und Nutztiere der ganzen Klosterherrschaft. Auch die Klosterökonomiegebäude mit dem Brauhaus sowie alle Klostergebäude mit ihrem Inventar werden ohne Rücksicht auf kulturelle Werte versteigert. Ausgenommen bleibt nur die Kirche und der an sie anschliessende Südflügel, der zur Pfarrwohnung bestimmt wird. Die Versteigerung der Ettaler Gebäude ist nicht sofort erfolgreich. Erst 1811 finden die die leerstehenden Klostergebäude und das Brauhaus einen Käufer.
Das Kloster Ettal vor der Säkularisation (noch mit der
Leutkirche Hl. Kreuz, die 1804 abgebrochen wird),
aus Südost gesehen.
Aquarell von Johann Georg von Dillis (1759-1841)
Bildquelle: Stadtarchiv München.

Gebäudeschicksale im 19. Jahrhundert

   
 
Die Kirchenfassade im Zustand vor 1853, gezeichnet und gestochen von Johann Gabriel Friedrich Poppel (1853). Stahlstich 152 mm x 116 mm. Der Stich zeigt die Westfassade der Kirchenfront vom Klosterhof gesehen. Die Fassade ist noch unvollendet, der Südturm nur ein Stumpf. Vergleiche mit dem Zustand 2017 (oben)!
Bildquelle: Bieri Rüti.
  Foto von Johann Friedrich Stiehm um 1863/68. Die Kirchenfront ist aus Süden beim noch fehlenden Vorhof-Südflügel fotografiert. Sie ist unvollendet, hat aber den schon 1853 aufgesetzten Turmhelm des Nordturms.
Bildquelle: rijksmuseum.nl

Weil die Klosterkirche jetzt Pfarrkirche ist, kann die südlich vor dem Kloster gelegene Kirche Hl. Kreuz sofort abgebrochen werden. 1822 beginnt der neue Besitzer den Abbruch der Konventflügel Süd und Südost. Auch der Südflügel des Kirchenvorhofs fällt dem Abbruch zum Opfer. Das ehemalige Kloster Ettal macht um 1850 einen traurigen Eindruck. Der Vorhof ist jetzt gegen Süden offen, die Kirchenfassade unvollendet, dem Nordturm fehlt die Barockhaube, der Südturm ist nur als Stumpf erkennbar. Der südliche Konventhof existiert nicht mehr. Nur die Kirchenrotunde mit der Kuppel ist noch in gutem Zustand. Seit 1803 gilt für die Kirche staatliche Unterhaltspflicht, deshalb erhält die Rotunden-Kuppel schon 1829 erneut ein Kupferdach. 1853 erhält der seit dem Brand von 1744 mit einem Zeltdach versehene Nordturm eine Kuppel, leider nicht die welsche Haube der Darstellung im Porträt von Abt Placidus, sondern eine Spitzhaube. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts kann die Kirchenfassade vollendet werden. Dazu zählt auch der Südturm mit der schweren neobarocken Kuppel. Unverständlich ist der noch 1898 erfolgte Abbruch des östlichen Konventflügels am Nordhof.

Wiedererrichtung der Klosteranlage im 20. Jahrhundert

  1898 wird das ehemalige Kloster vom Erben eines vermögenden Industriellen gekauft.[40] Er übergibt es der seit 1838 wieder besiedelten Abtei Scheyern zu günstigen Konditionen für eine Neubesiedlung. 1900 kommen aus Scheyern vier Patres und acht Brüder, um Ettal neu zu besiedeln. 1903 beginnt der Wiederaufbau des südlichen Konventhofes. 1907 wird Ettal wieder Abtei. Mit der Erlaubnis zur Neugründung verlangt der Staat auch die Errichtung eines Gymnasiums, das schon 1905 eröffnet werden kann. Die Schulbauten um den Vorhof werden 1911/12 erneuert, die westliche Hälfte des Vorhof-Südflügels gleichzeitig neu gebaut. Erst nach 1972 wird auch die östliche Hälfte neu gebaut.
Die Abtei Ettal kämpft heute mit den üblichen Problemen der grossen Klöster und ihrer Klosterschulen. Von rund 100 Konventualen vor dem Zweiten Weltkrieg schrumpft der Mitgliederbestand auf unter 50. Im Gymnasium werden heute rund 250 Schüler und Schülerinnen unterrichtet. Das angeschlossene Internat wird wegen nachlassender Nachfrage 2024 geschlossen.
Der Architekt Friedrich von Thiersch (1852–1921) erstellt 1898 Rekonstruktionsvorschläge, nachdem schon 1890 der Architekt Georg Friedrich Seidel (1823–1895) Aufnahmepläne veröffentlicht hat. Die Pläne Thiersch werden leider weder für die Kirchenfassade (Türme, Balustraden) noch für die Vorhof-, Süd- und Westflügel (Arch. Max Ostenrieder) weiterverfolgt. Bildquellen: Festvortrag Thiersch 1900


Baubeschrieb

Gesamtanlage

Ein barockes Konzept
Die ergänzenden Neubauten des 20. Jahrhunderts entsprechen den Volumen der im 19. Jahrhundert abgebrochenen Barockbauten und sind an gleicher Stelle gebaut. Deshalb entspricht die heutige Klosteranlage noch immer dem von Enrico Zucalli geplanten und von Joseph Schmuzer vollendeten barocken Konzept. Es ist das Schema einer symmetrischen, blockartigen Konventanlage, deren in der Westfassade «eingeschriebener», zweitürmiger Sakralbau den rechteckigen Konventblock in zwei Höfe trennt. Diese Konventanlage ist ehrenhofähnlich über einen grossen Vorhof zugänglich. Erstmals findet das Schema 1619 für die Neubauten von Vorau in der Steiermark Anwendung. Viele grosse Benediktinerabteien übernehmen es.[41] Auch für die barocken Neubauten der bayerischen Abteien Tegernsee und Wessobrunn bildet es die Grundlage. Ettal ist aber die einzige verbliebene Abtei Altbayerns, an der das Schema noch heute abgelesen werden kann.[42] Eine erhaltene derartige barocke Anlage ist das schwäbische Wiblingen.[43] Ein vollendetes Beispiel mit vier anstelle von zwei Höfen ist Einsiedeln.[44] Ettal ist zwar kleiner als die erwähnten Beispiele, besteht aber wie diese aus einem grossen westlichen Vorhof, der im Ostflügel von der barocken Zweiturmfront der   überkuppelten gotischen Kirche dominiert wird. Dahinter liegt der durch den Sakralbau mittig in zwei Höfe geteilte Konvent-Rechteckblock. In seinem Südflügel tritt der Ovalbau der Sakristei markant vor.[45] Im Norden ist ein dritter Hof symmetrisch angefügt. Er dient Ökonomiezwecken und ist gegen den Konvent-Nordhof schon seit 1710 mit der Brauerei abgeschlossen.
Zucalli formt diese eindrückliche barocke Anlage von Ettal aus einer einfachen mittelalterlichen Vierflügelanlage mit dem Zentralbau der Kirche im Ostflügel. Dieses in vielen Stichen des 17. Jahrhunderts dokumentierte Vorgängerkloster entzieht sich jedem Schema, denn der multifunktionale grosse Innenhof ist vor allem Ökonomiehof und dient gleichzeitig als Kirchenzugang. Die Konventbauten befinden sich konzentriert im Südteil des Hofes. Die für Benediktinerklöster seit der Karolingerzeit übliche Bauweise der Klausurbauten um einen Kreuzgang ist nicht vorhanden. Die Schlichtheit der mittelalterlichen Klosteranlage von Ettal kontrastiert zum grossen Herrschaftsbereich der Abtei.
Mit der 1709 begonnenen Verlegung der Brauerei, der Klosterökonomie und der Konventbauten in das freie Land hinter der Kirche wird durch Zuccalli der einfache mittelalterliche Allzweckhof zum barocken und repräsentativen Vorhof mit Schul- und Prälaturflügeln umgestaltet, wie dies um 1744 von Joseph Schmuzer im Grundriss dokumentiert sind.[46] Nie verwirklicht wird leider der von Zuccalli geplante barocke Terrassenvorbau mit Treppen und Rampenaufgängen. Er hätte dem Vorhof den eigentlichen Ehrenhofcharakter gegeben.

Neubarocke Wiederherstellung der Anlage
Die wenigsten Bauteile der barocken Klosteranlage bleiben nach der Säkularisation verschont. Zu ihnen zählt die Kirche mit dem Konvent-Westflügel, sowie der Sakristei-Querflügel. Die anlässlich der Abbrüche von 1822 und 1898 verschonten Bauten im Norden und Westen des heutigen Kirchenvorhofs werden 1912 umgebaut. Im Nordflügel, dem ehemaligen barocken Akademieflügel, sind im Inneren noch Stuckdecken von Francesco Marazzi[47] aus Mendrisio erhalten. Völlig verändert ist der Vorhof-Westflügel mit seinem neuen Torturm, der ebenso wie dessen zu grossen Fenster penetrant an historisierende Schulbauten erinnert. Der Neubau der Konventbauten um den Südhof beginnt 1903. Weil von allen Obergeschossen die barocke Nutzung nicht bekannt ist, muss man diese wie auch den Vorhof-Südflügel als neubarocke Erfindungen betrachten. Im Nordhof fehlt noch heute der Ostflügel. Die Neubauten respektieren allerdings in vereinfachter Art die ehemaligen Gebäudevolumen. Deshalb wirkt dank den Anstrengungen des frühen 20. Jahrhunderts die Ettaler Klosteranlage wieder barock. Seit über hundert Jahren trägt auch die erneute Präsenz von Benediktinern zu diesem Eindruck bei.

 

Die Kirche

Architektur

Die mittelalterliche Kirche
Der Zentralbau des 14. Jahrhunderts, der 1370 geweiht wird, ist im Kern mit der heutigen überkuppelten Kirche identisch. Sie ist auf den Stichen von Merian, Wening und Bodenehr immer korrekt dargestellt. Der zwölfseitige, hochaufstrebende gotische Mittelraum ist über zwei Geschosse von einem Kranz von Räumen umgeben, deren Tiefe durch die mächtigen Strebepfeiler bestimmt wird. Sie sind mit Durchgängen verbunden und bilden in beiden Geschossen Umgänge, deren obere sich emporenartig mit Triforien zum Mittelraum öffnen. Darüber lassen in elf Segmenten hohe Fenster schon in gotischer Zeit viel Licht ein. Eine Mittelsäule von 20 Meter Höhe trägt seit dem 15. Jahrhundert ein Rippengewölbe, das den Mittelraum mit 25 Meter Durchmesser überwölbt. Es besteht noch 1745. An das Ostsegment des Mittelraums schliesst ein schmaler, hoher gotischer Chor an. Auf den Stichen von Merian, Wening und Bodenehr ist der zwölfseitige Zentralbau mit einem turmartigen Zeltdach gedeckt. Dort ist auch der noch heute bestehende, erst im 15. Jahrhundert angefügte Glockenturm zu sehen. Er trägt auf den Stichen noch die «Welsche Haube», die seit 1744 durch einen simplen Giebel ersetzt ist.
Die Vorbilder der ungewöhnlichen «Sancta Maria Rotunda» können wohl nie geklärt werden. Dem persönlichen Berater des Stifters während der Bauzeit, dem englischen Franziskanergelehrten Wilhelm von Occam muss dabei grosses Gewicht beigemessen werden. Verbindungen zu englischen Vorbildern, etwa zu den Kapitelhäusern der Kathedralen von Lincoln, London oder Salisbury, sind durch ihn wahrscheinlich.[48]

Neugestaltungen durch Zuccalli
Enrico Zuccalli ist 1710–1715/16 in Ettal tätig. Sein Verdienst um das barocke Konzept der Konventanlage ist oben gewürdigt. Ein Kirchenneubau steht 1710 nicht zu Diskussion. Der bereits 1654/57 barockisierte Zentralbau der Gotik soll offenbar bis zur Fertigstellung der Konventneubauten im Innern nicht angetastet werden. Nur den zu schmalen gotischen Chor will Zuccalli durch eine geräumige Chorrotunde[49] mit Umgang ersetzen. Dieser Bau wird bis zu seinem Wegzug selbst im Rohbau nicht fertig. Erst 1726 kann er bezogen werden. In der Fortsetzung nach Osten beginnt Zuccalli mit dem Bau des Querflügels, der im Erdgeschoss die Sakristeien, im Obergeschoss den Kapitelsaal und Psallierchor und im dritten Geschoss die Bibliothek beherbergt. Geplant ist eine Öffnung vom Psallierchor zum Hochaltar, was ein Säulenretabel ohne Altarblatt voraussetzt. Dieser Hochaltar von Aegid Verhelst verbrennt 1744.
Dem Äusseren des gotischen Zentralraums will Zuccalli im Sinne seines Lehrers Bernini eine völlig neue Deutung geben. Er setzt eine kreisrunde Kuppel über den Mittelraum, die er mit einer Laterne krönen will. Dem überkuppelten Zentralbau legt er eine 15 Meter hohe und 65 Meter breite Fassade vor. Ihre zweigeschossige Sockelzone ummantelt konvex die westliche Hälfte der Kirche und führt in einer konkaven Gegenbewegung zu den beiden abschliessenden Türmen. Die beiden Geschosse der den Vorhof beherrschenden Fassade fasst er mit einer Kolossalgliederung zusammen. Das Vorbild von Berninis Louvre-Ostfassade (1664) ist augenscheinlich. Zuccalli kann die Fassade bis 1716 und auch seine geplante Kirchenterrasse mit den repräsentativen Rampen und Treppen nicht mehr verwirklichen. Zwar versucht Abt Placidus 1726 einen Weiterbau mit dem Bildhauer Aegid Verhelst. Die Fertigstellungen von Fassade und von Ehrenhof-Terrasse sind dann nach dem Tod von Abt Placidus nicht mehr prioritär. Endgültig Torso bleiben Fassade und Hof nach dem Brand von 1744. Der Stich von Poppel von 1853 zeigt den traurigen Zustand im 19. Jahrhundert. Architekt Thiersch stellt die rekonstruierte Fassade 1899 in einer Veröffentlichung vor. Sie wird 1894–1902 mit Abstrichen am Projekt Zuccalli fertiggebaut. So fehlt heute die Attikabalustrade. Verhelst hat die heute in den Nischen stehenden Apostelfiguren für diese Attika geschaffen.[50] Auffällig wenig an barocke Vorbilder oder an Zuccallis Entwürfe erinnern die unterschiedlich gestalteten Turmhelme. Beides sind völlig missglückte Hauben, die nördliche (1853) ist zu spitz und die südliche (1907) zu schwerfällig.[51]

Die Kuppel und Joseph Schmuzer
Als Joseph Schmuzer 1745 die Wiederherstellung beginnt, sind die Dachstühle abgebrannt. Der Chorraum ist, weil ihm ein Massivgewölbe fehlt, durch das Feuer zerstört. Im gotischen Zentralraum widersteht das gotische Gewölbe. Auch die Rundkuppel von Zuccalli hätte den Brand problemlos überstanden. Aber ist sie schon gebaut? Die Planung dieser Rundkuppel, die über das gotische Rippengewölbe gebaut wird und dieses dann ersetzen sollte, wird allgemein Baumeister Zuccalli zugeschrieben. Viele Historiker und Historikerinnen sehen die Ausführung aber erst nach 1744 durch Baumeister Schmuzer.[52] Dies erstaunt, denn Schmuzer baut in seiner ganzen Laufbahn nie eine Massivkuppel, während Zuccalli schon 1685 Baumeister der Theatinerkuppel ist. Wahrscheinlich hat Schmuzer die 1710/15 von Zuccalli gebaute Kuppel durch Abbruch des gotischen Gewölbes lediglich gegen den Innenraum freigelegt.

Mehr zum Thema siehe im Anhang II

Kann also Joseph Schmuzer mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht der ausführende Baumeister der Zuccalli-Kuppel sein, so ist er doch der Schöpfer der gewaltigen Kuppelaussenschale mit der 11 Meter hohen Laterne. Er baut diese Aussenkuppel mit seinem bewährten Zimmermeister Johann Pföderl aus Bernried.[53] föderl konstruiert sie völlig freitragend und stellt sie auf das schon bestehende Kranzgesims von Zucalli ab.
Für den Bauforscher Stefan Holzer, der den Bauvorgang der Kuppel nachvollziehbar und überzeugend darlegt, ist sie «eine italienische einschalige Kuppel, die nachträglich in eine deutsche Kuppel mit hölzerner Aussenschale verwandelt wird».[54]

Die Umgestaltung des Hauptraums in eine spätbarocke Rotunde
Nach dem Wiederaufbau der brandgeschädigten Konventbauten und der Fertigstellung der Aussenkuppel beginnt Joseph Schmuzer mit dem Umbau des brandverschonten Sakralraums. Er trifft einen Innenraum der Spätgotik an, der von Wessobrunner Stuckateuren nach dem Dreissigjährigen Krieg ähnlich demjenigen der Stiftskirche Polling barockisiert worden ist. Die Verwandlung in eine spätbarocke Rotunde ist das letzte grosse Hauptwerk des Wessobrunner Baumeisters. Dass man sich heute den gotischen Innenraum kaum mehr vorstellen kann, ist den wenigen planerischen Eingriffen Schmuzers zu verdanken. Grosse neue Rundbogenfenster, die Verschleifung des Zwölfecks zu einer Rotunde mittels einer zweigeschossigen Pilastergliederung über Rücklagen, die Entfernung des gotischen Gewölbes zu Gunsten der Rundkuppel – diese Massnahmen lassen den gotischen Raum vergessen. Die Vertikalbetonung der Rotunde ist durch die Horizontale eines umlaufenden Gebälks unter den Fenstern gebrochen. Nur über dem Chorbogen biegt sich das Gebälk auf. Diese zweigeschossige Wandgliederung und ihr Rokokostuck ist bereits ein Werk des seit 1750 anwesenden Johann Georg Üblher. Das obere Geschoss schliesst über den Fenstern mit einem fast unmerkbaren Übergang vom stuckierten Gebälk zur gemalten Architektur der Kuppel-Attika des Johann Jakob Zeiller, der hier sein Können als Quadraturist ausspielt.

Die klassizistische Chorgestaltung
Die hohe Ovalrotunde des Altarraums[55] ist vom Hauptraum wegen des schmalen Übergangs und seinem im Dämmerlicht liegenden unteren Wandgeschosses erst auf den zweiten Blick erfassbar. Der Ausschnitt der Öffnung gibt den Blick auf den Hochaltar frei, der überzeugend in eine mehrgeschossige, trotz der fehlenden Stuckaturen noch immer barock wirkende Wandgestaltung integriert ist. «Für sich gesehen ist der Chorraum, dunkler als der Hauptraum und von vornehmer höfischer Kühle, einer der frühesten klassizistischen Kirchenräume Altbayerns, sicher der qualitätvollste» beurteilt ihn Alexander Rauch im Dehio 2006.
Die Wandgliederung des Altarraums besteht aus dem marmornen Sockel- und Hauptgeschoss und dem hellen Attikageschoss, das in einer steilen Voute zum Flachgewölbe überleitet. In allen Geschossen bestimmen die Fenster den Rhythmus der Pilastergliederung. Rötlicher Marmor und Stuckmarmor prägen das Hauptgeschoss, dessen Fenster in den äusseren Emporen-Umgang öffnen. Die Sockelzone wechselt von rötlichem zu schwarzem Marmor (Pilaster) und zu den vergoldeten Reliefs von Roman Anton Boos.[56] Das Säulenretabel des Hochaltars ist Teil der marmornen Wandarchitektur, seine Gestaltung ist eine klassizistische Interpretation des Entwurfes von Ignaz Günther (1772). Die obere helle Wandzone der Attika und ihre Überleitung zum Flachgewölbe sind Meisterwerke der Illusionsmalerei. Martin Knoller malt in Grisailletechnik in Scheinarchitekturen Figuralplastiken, die wie Stuckplastiken wirken. Am Triumphbogen des Hochaltars malt er Allegorien und eine Gruppe von Engeln, die mit lebhaften Gebärden eine Kartusche mit dem marianischen Symbol halten. Sein Deckengemälde fügt sich wie selbstverständlich in die darunterliegende Illusionsmalerei ein, so dass man sich den Raum ohne die Mittwirkung Knollers kaum vorstellen mag.

 

Decken- und Wandgemälde

Die Fresken der Rotunde
In die grossen Rundkuppel malt Johann Jakob Zeiller einen umlaufenden Reigen von Heiligen und Wohltätern des Benediktinerordens in Verehrung der Dreifaltigkeit und Mariens. An der östlichen Kuppelseite, dem Eintretenden sofort sichtbar, ist die Glorie des hl. Benedikt und die Dreifaltigkeit im Zentrum. Engelgruppen tragen, stellvertretend für die übliche Mariendarstellung, das Ettaler Gnadenbild. Dem Ereignis wohnen unten links die Päpste und Kardinäle, rechts die Bischöfe bei. In der Nordhälfte sind die Mönche des Ordens, in der Südhälfte die Nonnen mit der hl. Scholastika und im Westen (Orgelseite) die weltlichen Heiligen und Wohltäter zu sehen.
Für die kompositorische Gesamtanlage greift Zeiller auf das Vorbild der grossen Ovalkuppel in der Wiener Peterskirche zurück, die 1715 von Johann Michael Rottmayr freskiert wird. Wieder zeigt Zeiller in Ettal, wie souverän er aus unterschiedlichen Vorbildern eine überzeugende Neuschöpfung kreieren kann. Die Kuppel von Ettal wirkt deutlich lichter, «die Farbigkeit ist kräftiger, strahlender und blühender».[57] In der Fusszone der Kuppel wirkt Zeiller mit einer Scheinattika als begabter Quadraturist, wie die Maler der scheinarchitektonischen Verschmelzung mit dem Deckenbild genannt werden.
1752 fertigt er als letzte Arbeit in der Stiftskirche das Fresko über dem Chorbogen. In den festlichen Rokoko-Stuckrahmen von Johann Georg Üblher malt Zeiller die Übergabe des Ettaler Gnadenbildes an den knienden König Ludwig den Bayern. Unter der Darstellung der Gründungslegende malt Zeiller in eine Wappenkartusche eine schöne barocke Interpretation des Wappens von Abt Benedikt Pacher.[58]

Das Deckengemälde des Altarraums
Die Temperamalerei am Flachgewölbe des Altarraums muss in ihrem Bezug zum Hochaltar verstanden werden. Aegid Verhelst (um 1726/28) und auch Ignaz Günther (1772) gestalten diesen als transparenten Altar mit der plastischen Darstellung der Himmelfahrt Mariens. Auch das Deckengemälde von Martin Knoller bezieht sich auf diese Thematik im Hochaltar. Über dem Altar schwebt Christus im roten Mantel, im hellen Zentrum des Gewölbes ist die Taube des Heiligen Geistes und Gottvater zu sehen. Christus erwartet mit einer Schar von Engeln seine Mutter im Himmel. Die umlaufende Randzone bevölkern die Träger der alttestamentlichen Heilsgeschichte. Das Deckengemälde ist vom Hauptraum nicht vollständig einsehbar.

 

Ausstattung

Hochaltar
Das Säulenretabel des Hochaltars ist, wie oben beschrieben, in die Marmor-Wandarchitektur integriert. 1785 wird zwar die Architektur des von Ignaz Günther entworfenen Retabels übernommen, auf die Transparenz aber verzichtet. Martin Knoller nimmt sich 1786 stattdessen mit einem grossen Altarblatt des Themas der Mariä Himmelfahrt an. Fast glaubt man im Altarblatt den unteren Teil seines Entwurfes von 1772 für das Deckenfresko des Bürgersaals in München zu erkennen. Im Louvre ist dieser Entwurf als Bozzeto zu sehen. Seine obere Hälfte mit dem im Himmel wartenden Christus nimmt Knoller im gleichen Jahr als Vorbild für das über dem Hochaltar von Ettal liegende Deckengemälde. Das monumentale Altarblatt erreicht die Klarheit und farbliche Brillanz seiner Seitenaltarbilder nicht, was vielleicht auch durch den schlechten Erhaltungszustand erklärbar ist.[59] Knoller soll das Blatt wegen seiner Grösse an Ort und Stelle gemalt haben.
In den Postamenten des Säulenretabels sind zehn vergoldete Bleireliefs von Roman Anton Boos mit Darstellungen aus dem Marienleben eingelassen.
In der Nische des eher störenden, klassizistischen Marmor-Tabernakels ist das kleine Gnadenbild ausgestellt. Es kann vom Hauptraum kaum wahrgenommen werden.

Seitenaltäre und Kanzel
Die Retabel von Johann Baptist Straub
Die sechs Seitenaltäre in der Rotunde sind Rokoko-Gestaltungen des Bildhauers Johann Baptist Straub. Die marmor- und goldgefassten Holzretabel werden vom Bildhauer als nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der Wandarchitektur gestaltet. Alle Retabel haben die gleiche Höhe und Breite (ca. 5 x 11m). Sie sind auf den ersten Blick vor allem Rahmungen der ebenfalls einheitlich grossen Altarblätter. Jeweils zwei lebensgrosse, grauweiss gefasste Heiligenstatuen flankieren das Bild. Sie stehen in drei Meter Höhe auf auskragenden Postamenten, welche den seitlichen Abschluss einer hohen Predella bilden. Der mittlere Altar der jeweiligen Dreiergruppe ist durch Pilaster sowie einem ausschwingenden und draperiebesetzten oberen Abschluss betont. Zusätzlich bekrönt ihn eine Engelsfigur. Auch ist seine Predella nicht mit einem liegenden «Heiligen Leib» besetzt, sondern mit einem Rokoko-Tabernakel und begleitender Figuralplastik. In der Predella der anderen Altäre sind die Heiligen Leiber heute wenig sensibel abgedeckt. Die doppelte Dreiergruppe der Altäre ist im Raum nicht zentriert, sondern nach Osten und damit zum Chor überleitend verschoben. So steht der jeweils westlich oder hinten gelegene Altar in der Mittelachse.

Die Altarblätter der Nordseite und die Begleitfiguren
Die Altarblätter sind ungefähr 2,5 m breit und 5 m hoch. Die seitlich stehenden Figuren von Johann Baptist Straub sind auf das jeweilige Patrozinium des Altars bezogen. Deshalb sind sie trotz teilweise unzureichenden Attributen erkennbar.

1. Katharinenaltar. Enthauptung der Hl. Katharina, 1763 von Martin Knoller aus Rom, als Geschenk des Grafen von Firmian geliefert. Begleitfiguren: Hl. Margaretha (mit Fackel) und hl. Barbara (mit Kelch, zusammen die drei hll. Madln).
2. Korbinianaltar. Der hl. Korbinian weist den bayerischen Herzog Grimoald und seine Ehefrau Pilitrud zurecht, 1761 von Johann Jakob Zeiller gemalt. Begleitfiguren: Hl. Ulrich (mit Buch) und hl. Rupert (mit Altöttinger-Gnadenbild)
3. Apostelaltar. Christus zeigt Thomas seine Seitenwunde. Altarblatt von Franz Georg Hermann 1762. Begleitfiguren: Die Apostel Paulus (mit Schwert) und Matthias (Buch, Steine).

Die Kanzel
Die Kanzel hängt zwischen dem mittleren und vorderen Nordaltar. Straub setzt dem Schalldeckel eine bewegte Gruppe des mit Luzifer kämpfenden Erzengels Michael auf. Fast scheint es, als ducke sich der auf dem seitlichen Altar sitzende hl. Korbinian vor der Kanzel.

Die Altarblätter der Südseite und die Begleitfiguren
1. Altar der Hl. Familie. Altarblatt 1794 von Martin Knoller. Begleitfiguren: Abraham (mit Opfermesser) und David (als König mit Krone).
2. Benediktsaltar. Der vom Tod getroffene hl. Benedikt im Kreise seiner Mitbrüder, begonnen 1754 von Christoph Thomas Scheffler, vollendet 1756 von seinem Bruder Felix Anton Scheffler. Begleitfiguren: Hl. Magnus (mit Krummstab und Drachen) und hl. Leonhard (mit Krummstab und Buch).
3. Sebastiansaltar. Martyrium des hl. Sebastians, von Martin Knoller 1765  als Geschenk des Grafen von Firmian geliefert. Begleitfiguren: Hl. Stephanus (mit Steinen zu seinen Füssen) und hl. Laurentius (mit Rost).

Orgelempore und Orgel
Die Empore schwingt auf zwei Säulenpaaren frei in den Raum vor. Ihr Rokokostuck trägt die Handschrift von Franz Xaver Schmuzer (die Stuckaturen im Kirchenraum hingegen diejenige von Johann Georg Üblher). Schon für die prachtvolle Schnitzarbeit des aufgesetzten Rokokogeländers kann kein Meister mehr genannt werden. Seidel vermutet 1890 den Meister der Beichtstühle auch für die Brüstung. Für die Bildhauerarbeit und das Gehäuse der Hörterich-Orgel, die vielleicht doch erst 1763 aufgebaut wird, wird immerhin ein Name genannt.[60] Das Orgelwerk mit 27 Registern (II/P/27) ist seit 1969 wieder im Originalzustand. Der Prospekt ist zweigeschossig. Das fünfachsige Oberwerk ist frei über dem unteren siebenachsigen Haupt- und Pedalwerk angeordnet. Dessen äussere Pedaltürme stehen mit je zwei Feldern spitz vor. Ein konvexer 16’-Turm bildet mit zwei flankierenden, schmalen, spitz vorstehenden und zweigeschossigen Abschlüssen den Mittelteil. Er ist mit zwei schmalen Feldern von den äusseren Türmen getrennt.

Beichtstühle
In den westlichen vier freien Wandfelder stehen die Beichtstühle der Zwick-Werkstatt, die auch für das Rokokoschnitzwerk der Emporenbrüstung in Frage kommt. Die Gehäuse der konkav-konvex geschweiften, dreiteiligen Möbel sind mit Nussbaum-Einlegearbeit furniert. Nahtlos geht die Furnierarbeit in Massivholz- Schnitzereien über, die als Füllungen und als betonte, kräftige Rocaille-, Trenn- und Tragelemente die Beichtstühle auszeichnen. Vergoldete Hermen tragen seitlich die Bedachung. Der Aufsatz und seine Figuralplastik ist in Weissgrau und Gold gehalten. Die überzeugende und einmalige Wirkung ist auch der Betonung der konvexen Mittelloge geschuldet. Die seitlichen konkaven Nischen der Beichtenden sind offen und mit Schnitzwerk sowie je einem eingelassenen Bild zum Thema Busse und Tod versehen. Die Ettaler Beichtstühle zählen zu den besten Werken ihrer Gattung.

Pius Bieri 2022


 

Literatur

Seidel, Georg Friedrich: Baugeschichte des Domes und Klosters Ettal, in: Zeitschrift für Bauwesen, Jahrgang XXXX, Berlin 1890. Seite 178–194.

Bezold, Gustav / Riehl, Berthold: Die Kunstdenkmale des Königreiches Bayern, erster Band, Bezirksamt Garmisch. München 1895.

Thiersch, Friedrich von: Die Baugeschichte des Klosters Ettal. Festvortrag, gehalten zur Eröffnungsfeier des Studienjahres 1899. München 1900.

[https://opacplus.bsb-muenchen.de/title/BV006054928]

(o. V.): Kalender für katholische Christen auf das Jahr 1846, Seite 57–72. Sulzbach 1846.

Lindner, P. Pirmin OSB: Album Ettalense, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte / 44. Seite 247–282. München 1887.

Scheglmann, Alfons Maria: Geschichte der Säkularisation im rechtsrheinischen Bayern. Regensburg 1906.

Albrecht, Dieter: Die Klostergerichte Benediktbeuern und Ettal. München 1953.

Lieb, Norbert: Barockkirchen zwischen Donau und Alpen. München 1953.

Schnell, Hugo: Ettal. Grosser Kunstführer Band 3. München 1960.

Dischinger, Gabriele: Johann und Joseph Schmuzer. Sigmaringen 1977.

Vollmer, Eva Christina: Der Wessobrunner Stukkator Franz Xaver Schmuzer. Sigmaringen 1979.

Conrads, Norbert: Ritterakademien der frühen Neuzeit. Bildung als Standesprivileg im 16. und 17. Jahrhundert, in: Schrift 21 der Schriftenreihe der historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie. Göttingen 1982.

Dietrich, Dagmar: Aegid Verhelst 1696–1749. Weissenhorn 1986.

Koch, P. Laurentius OSB: Ettal. Grosser Kunstführer Band 3. München-Zürich 1988.

Holzer, Stefan M. und Köck, Bernd: Meisterwerke barocker Bautechnik. Regensburg 2008.


Anmerkungen:

[1] Adrian von Riedl: Reise Atlas von Bajern. München 1798. Ausgabe 1805 (https://www.digitale-sammlungen.de)

[2] Im heutigen Gemeindegebiet von Ettal sind bis 1803 noch weitere Sakralbauten zu finden. Im zwei Wegstunden westlich gelegenen Linderhof (das Schloss wird erst 1870–1886 gebaut) ist es die 1684 gebaute Kapelle St. Anna im Linder. Oberhalb Dickelschwaig steht der mit einer Zwiebelkuppel bekrönte Zentralbau der Kapelle St. Gertrudis von 1694. Diese beiden Kapellen sind erhalten.
Die beiden grösseren Sakralbauten des Ortes Ettal sind seit der Säkularisation zerstört. Die am westlichen heutigen Dorfeingang gelegene Johann-Nepomuk-Kapelle (Ammergauer-Strasse 35), vielleicht noch von Zuccalli gebaut, ist in ein zweigeschossiges Wohnhaus umgewandelt. 200 Schritt südlich des Klosters liegt an der Landstrasse die «Kapelle» Hl. Kreuz. Offenbar wird die Klosterkirche wegen der 1343 erfolgten Verleihung der Pfarrechte schon vor 1803 als Pfarrkirche betrachtet. Die sechseckige «Kapelle» Hl. Kreuz mit markantem Kirchturm wird schnell nach der Säkularisation abgebrochen. Wie sie Wening 1701 darstellt, ist der Zentralbau ein kleines Abbild der Klosterkirche und hat einen Friedhof für die Klosterdienstleute. In der Denkmalliste der Bodendenkmäler wird das 1604 von Abt Lienhart Hilpolt gebaute Bauwerk als abgegangene Klosterpfarrkirche bezeichnet. Dies könnte zutreffen, denn nur die jeweils beim Kloster gelegenen Pfarrkirchen werden anlässlich der Säkularisation abgebrochen.

[3] Noch der Kunsthistoriker Hugo Schnell erliegt im «Grossen Kunstführer» von 1938 (1960) dieser Ritterromantik.

[4] Noch immer wird das Gnadenbild auch als Alabasterplastik behandelt. Diese Marmor- oder Alabasterplastik der italienischen Proto-Renaissance hat unter falschen Restaurierungen gelitten. So ist die liebkosende Geste des Jesuskindes ursprünglich eine Segensgeste.

[5] Sechs Benediktinerabteien liegen im Bistum Freising: Attel, Ettal, Rott, Scheyern, Tegernsee und Weihenstephan.

[6] Abt Romuald Haimblinger OSB (1658/60–1708) aus Weilheim. Profess 1680 in Ettal. Primiz 1688. Er promoviert an der Benediktineruniversität Salzburg in Theologie und beiden Rechten. 1695 ist er Hofpater (Beichtvater des Fürstbischofs) in Freising und wichtige Kraft für den Aufbau des 1697 eröffneten Gymnasiums. 1697–1708 ist er Abt in Ettal. In dieser Funktion ist er 1701–1703 Vertreter der bayerischen Klöster im Präsidium der Universität Salzburg und 1704–1708 Prälatensteurer der Landschaft.

[7] 1652–1694, zur Zeit der Kongregationsgründung, regieren Wittelsbacher Fürstbischöfe in Freising. Die Ettaler Rücksicht auf den Fürstenhof wird von den weiteren Abteien des Bistums nicht geteilt. Wo diese ihre durch die Kurfürsten schon arg eingeschränkte Selbständigkeit gemeinsam verteidigen wollen, scheint Ettal die Nähe zu den Höfen in Freising und München zu suchen. Ettal zieht die Solidarität mit den Fürsten derjenigen der Ordenssolidarität vor.

[8] Abt Placidus Seitz OSB (1672–1736) aus Landsberg am Lech. Er ist 1699–1708 als Professor am Akademischen Gymnasium und an der Hochschule in Salzburg tätig. Als Abt wirkt er in Ettal 1710–1736. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter Ettal_Seitz.html.

[9] Enrico Zuccalli (um 1642–1724) aus Roveredo. Er wird 1706 als Gefolgsmann des Kurfürsten von der kaiserlichen Administration aus dem Hofdienst entlassen. Von 1709–1715 ist er für Abt Placidus in Ettal tätig. Zu ihm siehe die Biografie https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/s-z/Zuccalli_Enrico.html in dieser Webseite.

[10] Für die zehnjährige österreichische oder kaiserliche Administration Bayerns ist der Kurfürst Max II. Emanuel verantwortlich. Er verbündet sich mit Frankreich und löst 1702 den Krieg aus. 1704, nach der Niederlage gegen die Alliierten in Höchstädt, flüchtet er in französische Obhut. 1704–1714 ist Bayern unter österreichischer Verwaltung. Max II. Emanuel kehrt 1715 zurück.

[11] P. Roman Dechamps OSB (1670–1750) aus München, Professe von St. Peter Salzburg. In Ettal ist er 1716–1729 «Praefectus et Inspector rei aedilis». Er ist planend und bauleitend tätig (Stadtpfarrkirche Murnau 1717–1729, Pfarrkirche Dornbach).

[12] Giovanni Antonio Pellegrini (1675–1741) aus Venedig. Vielbeschäftigter Maler von Tafelgemälden und Altarblättern. Er lernt in Füssen 1722 den Kemptener Hermann kennen, der mit ihm nach Venedig reist.

[13] Franz Georg Hermann (1692–1768) aus Kempten. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter Hermann_FranzGeorg.html

[14] Johann Baptist Zimmermann (1680–1758) aus Wessobrunn. Als Hofstuckateur in München ab 1726 wird er zusammen mit François Cuvilliés Wegbereiter des höfischen Rokokos in München. Die Stuckaturen der Sakristei sind vorzügliches Régence am Übergang zum Rokoko. Zu Johann Baptist Zimmermann siehe die Biografie in dieser Webseite unter Zimmermann_Joh_Baptist.html

[15] Guillielmus de Grof (1676–1742) aus Antwerpen. Hofbildhauer. Er bezieht am Hof von Max II. ein Spitzengehalt von über 1100 Gulden. Seine Stellung erklärt sich aus der Wertschätzung des Kurfürsten, die schon mit dessen Aufträgen im französischen Exil 1714 beginnt. Er kommt 1716 nach München und hat sein Atelier und seine Sammlung in der Herzog-Max-Burg nahe der Residenz. Sein Hauptwerk ist der plastische Schmuck im Garten von Nymphenburg (1717/22). Siehe auch den Wikipedia-Beitrag: wiki/Guillielmus_de_Grof.

[16] Aegid Verhelst (1696–1749) aus Antwerpen, Schüler von de Grof, ist seit 1717 als Bildhauer am Münchener Hof. Er ist 1726 bis 1736 mehrheitlich in Ettal wohnhaft und geht dann nach Augsburg. Zu Aegid Verhelst siehe die Biographie in dieser Webseite unter Verhelst_Aegid.html

[17] Abt Bernhard Oberhauser OSB (1694–1739) aus Brixen im Thale in den Kitzbüheler Alpen. Er studiert in Salzburg Theologie. 1723–1725 ist er in Salzburg Philosophieprofessor und Dekan und bis zu seiner Wahl Professor der neu gegründeten Ritterakademie in Ettal. 1736–1739 ist er Abt in Ettal. Er stellt 1737 den Baumeister Joseph Schmuzer aus Wessobrunn für die Fertigstellung des Klosters ein. Mehr ist von Abt Bernhard I. nicht bekannt.

[18] Abt Benedikt Pacher OSB (1711–1796) aus Reichling bei Wessobrunn. Er studiert in Salzburg Theologie und wird 1739 mit 28 Jahren zum Abt gewählt. Mit dem erneuen Kriegsausbruch 1741 und dem Klosterbrand 1744 steht er vor einer Herkulesaufgabe, die er mit Bravour bewältigt. Für den Wiederaufbau kann P. Joseph Franz von Gondola auf einer Bettelreise durch deutschsprachige Klöster 25 000 Gulden aufbringen. Nach dem Wiederaufbau erwächst dem Abt klosterintern Widerstand. Völlig ungeklärt ist bis heute, ob der Generalvikar von Freising, der 1759 auch kurbayerischer Geheimrat wird, den verdienstvollen Abt 1759 auf Druck der Wittelsbacher-Fürsten in München und Freising suspendiert und ob dieser 1761 freiwillig resigniert. Beides darf im Zusammenhang mit der Wahl des adligen Nachfolgers aus dem Wittelsbacher Haus gesehen werden. Bernhard Pacher geht 1759 in das Stift St. Peter in Salzburg und stirbt dort 1796.

[19] Kurfürst Karl Albrecht, Sohn des für die bayerische Unterjochung 1704–1714 verantwortlichen Fürsten, eröffnet gemeinsam mit den Franzosen den Krieg gegen Österreich im Herbst 1741. Seine Truppen stossen über Oberösterreich nach Böhmen vor. In Prag lässt er sich zum Kaiser krönen. 1742 sind die Österreicher wieder in Bayern und besetzen München. Erst mit dem Tod des Kurfürsten und Kaisers Anfang 1745 endet der Krieg. Seinem Sohn bürdet er Schulden von 35 Millionen Gulden auf, mehr als das 8-fache des Staathaushalts.

[20] Noch heute schreiben Historiker das Ende der Akademie dem Platzbedarf des Klosters nach der Brandkatastrophe 1744 zu und blenden die unheilvollen Kriege der beiden Kurfürsten aus. So die Biographia Benedictina. Der ungenannte Autor schreibt 2019 in der Kurzbiografie Pachers kein Wort über den Krieg, das Ende der Akademie soll durch den Platzbedarf für die Mönche nach dem Brand ausgelöst worden sein und er glaubt, dass die «durch den Dreissigjährigen Krieg (!) wirtschaftlich ausgebluteten Kurfürsten» am Wiederaufbau nach 1744 «nur wenig besteuern konnten». Die barmherzige Ausblendung der kriegerischen und finanziellen Übeltaten ihrer beiden Kurfürsten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts scheint bei bayerischen Historikern die Regel zu sein

[21] Joseph Schmuzer (1683–1752) aus Wessobrunn, Baumeister und Stuckateur. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter: https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/s-z/Schmuzer_Joseph.html. Er wird schon 1736 nach Ettal gerufen. Seine Tätigkeit bis 1744 ist nicht dokumentiert. Sein Klosterplan, heute um 1744 datiert, könnte auch eine Massaufnahme sein. Der Wiederaufbau von Ettal entspricht nicht einem Neubau, denn die gemauerten Aussen- und Innenwände und die massiv gewölbten Decken sind nach dem Brand noch bestehend.

[22] Johann Pföderl (1667–1758) aus Königsdorf, Zimmermeister in Bernried. Der 80-jährige Meister überträgt die Ausführung wahrscheinlich seinem Sohn Georg.

[23] Johann Jakob Zeiller (1708–1783) aus Reutte. Er malt in Ettal 1747–1755 mit grösseren periodischen Unterbrüchen die Deckenfresken der Sakristei, das grosse Kuppelfresko, das Wandbild der Kirche, die Deckenbilder der Sakristeien, des Psallierchors und des Kapitelsaals. Für die Arbeit Zeillers in der Rotunde von Ettal ist nur ein einziges Datum gesichert. 1752 signiert er das Gründungsfresko über dem Chorbogen. Daraus kann abgeleitet werden, dass Zeiller nur sporadisch während den drei Sommerhalbjahren 1748–1751 im Kirchenraum malen kann (vielleicht wegen Gerüstproblemen im Zusammenhang mit dem Abbruch des gotischen Gewölbes) oder dass er mit sehr kleinen Tagwerken malt. Zum Vergleich: Die Fläche von Ettal (um 1000 m2) malt Cosmas Damian Asam in Weingarten in einem halben Jahr (10 m2 Tagwerk). Franz Joseph Spiegler malt die Kuppel von Zwiefalten (500 m2) in 49 Tagen (10 m2 Tagwerk). Mehr zu Johann Jakob Zeiller siehe in der Biografie unter Zeiller_Joh_Jakob.html

[24] Johann Georg Üblher (1703–1763) aus Wessobrunn. Schwiegersohn von Joseph Schmuzer. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter Ueblher_Johann_Georg.html

[25] Franz Xaver Schmuzer (1713–1775) aus Wessobrunn, Sohn von Joseph Schmuzer. Er arbeitet in Ettal unter der Leitung von Johann Georg Üblher. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter Schmuzer_Franz_Xaver.html

[26] Christoph Thomas Scheffler (1699–1756) aus Mainburg. Schüler von Cosmas Damian Asam. Sieh zu ihm die Biografie in der Wikipedia unter Christoph_Thomas_Scheffler

[27] Johann Baptist Straub (1704–1784) aus Wiesensteig. Hofbildhauer in München seit 1737. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter Straub_Johann_Baptist.html

[28] Ludwig Maria von Gott Bernhard Graf von Eschenbach (1719–1779). Er ist unehelicher Sohn eines Wittelsbacher Kurfürsten, wahrscheinlich eher des 22-jährigen Karl Albrecht als des 57-jährigen Max II. Emanuel. Er ist Schüler der Ettaler Ritterakademie und kommt dann als Edelknabe an den Hof in München. 1737 leistet er Profess in Ettal. 1759 wird er Administrator der Abtei. Nach dem Rücktritt seines Vorgängers ist er 1761–1779 Abt in Ettal. Er ist seit 1766 auch Rechnungsaufnehmer der Landschaft, muss also an der Schuldensanierung des von seinem Vater ruinierten bayerischen Staatshaushaltes unter (seinem Halbbruder?) Max III. Joseph aktiv mitwirken und die Sonderabgaben der Klöster mittragen. Als Bauherr lässt er in Egling an der Paar, die Pfarrkirche St. Vitus und in Eschenlohe die Pfarrkirche St. Clemens bauen, beides Kirchen von Franz Anton Kirchgrabner, einem Schüler von Johann Michael Fischer. In beiden Kirche zieht der Abt erstklassige Künstler für Stuck, Fresken und Ausstattung bei.

[29] Martin Knoller (1725–1804) aus Steinach am Brenner. Sein Förderer ist der ehemalige Student der Ettaler Ritterakademie Graf von Firmian, der ihm in Rom die ersten Aufträge für Ettal erteilt. 1762 und 1763 liefert Knoller diese Leinwände aus Rom. Er signiert das Blatt für den Katharinenaltar stolz mit «Martin Knoller Tirol fecit Romae 1763». Der Hauptauftrag in Ettal ist die Gestaltung des Altarraums (Fresko, Hochaltarblatt). Mehr dazu in der Biografie zu Martin Knoller in dieser Webseite unter Knoller_Martin.html

[30] Genannt wird entweder die Uffinger Werkstatt Zwinck oder Bartholomäus Zwinck (1743–1780), der aber kaum um 1760 schon als Werkstattinhaber auftritt. .

[31] Johann Georg Hörterich (1705–1770) aus Dirlewang. Die Datierung des Orgelwerkes von Ettal schwankt von 1753 (Kunstführer, Dehio) bis 1763 (alle Orgelhistoriker). Dem Orgelbauer werden auch die Werke in der Wies und in Steingaden zugeschrieben.

[32] Simon Gantner (Lebensdaten unbekannt) aus Kleinkinzighofen bei Landsberg. Vielleicht liefert er nur die Bildhauerarbeiten, was dann zur Aussage im Kunstführer (1988) «fertigte 1768 das Orgelgehäuse» eher passen würde.

[33] Franz Ignaz Günther (1725–1775) aus Altmannstein im Altmühltal. Er ist Hauptvertreter der bayerischen Bildhauerkunst am Ende des Rokokos. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter: Günther_Ignaz.html

[34] Otmar Seywold (1729–1787) aus Mittenwald. Er tritt 1748 in Ettal ein. 1779–1787 ist er Abt in Ettal.

[35] Zum Werk des genannten Steinmetzmeister Joseph Lindner aus Salzburg (nach anderen Quellen aus Tegernsee) ist bisher nicht geforscht worden. Seine Werkstatt hat nicht nur den Hochaltar, sondern mit grosser Wahrscheinlichkeit die gesamte Marmorausstattung geliefert. Für die Stuckmarmorarbeiten werden die Brüder Michael (1734–1819) und Franz Xaver Scheffler (*1738) aus Wessobrunn vermutet. Michael Scheffler (Schäffler, Schäfler) ist Hofstuckateur in München.

[36] Roman Anton Boos (1733–1810) aus Bischofswang, Hofbildhauer in München. Zu ihm siehe die Biografie in der Wikipedia unter Roman_Anton_Boos.

[37] Alfons Hafner (1742–1807) aus Reutte. Abt in Ettal 1787–1803. Er stirbt in der Abtei S. Giustina in Padua.

[38] Zur Säkularisatin in Kurbayern siehe den informativen Beitrag der Wikipedia unter Säkularisation_in_Bayern. Dieses in der Wikipedia beschriebene Kurbayern von 1800 hat allerdings mit dem nach 1803 doppelt so grossen Bayern wenig zu tun. Der bayerische Kurfürst «erwirbt» als Napoleons Gefolgsmann 1802-1803 die reichsunmittelbaren Hochstifte Augsburg, Bamberg, Eichstätt (Teile), Freising, Passau und Würzburg. In all diesen «Neuerwerbungen» lässt er trotz Warnungen vor späteren Mindereinnahmen die Klosterherrschaften als Staatseigentum erklären und in grosser Unerbittlichkeit enteignen. Er «erwirbt» zudem, wie schon der Kurfürst Max II. Emmanuel 1703, wieder einmal das Tirol und auch vorderösterreichische Länder. Auch hier lässt er Klöster abbrechen, so 1808 Mehrerau. Sein politisches Ziel, die Schaffung des modernen Bayern mit einer zentralen Gewalt, erreicht er 1803 mit der Absegnung seiner «Erwerbungen» durch die Reichsdeputation und mit der gleichzeitigen Enteignung aller Klöster und ihrer Herrschaften im alten Bayern und in den neuen «Erwerbungen».

[39] «Nachdem sich der Abbt von Ettal Alphons Hafner den 13ten May dieser Jahres heimlich aus dem dortigen Kloster, ohne daß man weiß wohin, flüchtete, seine persönliche Gegenwart aber sowohl zur Rechnungsablage, als zur  Schuldenliquidation wesentlich erforderlich ist, so wird derselbe hiermit öffentlich vorgeladen, sich binnen 6 Wochen bey der kurfürstl. Lokalkommission zu Ettal um so gewisser zu stellen, als man ihm seine dermahlige Alimentation und künftige Pension im Nichterscheinungsfalle ohne weiteres für immer einziehen würde, und er sich die ferneren rechtlichen Folgen selbst zuzuschreiben hätte.
München den 19ten Juny 1803. Kurfürstl. General-Landesdirektion. Reichsfreyherr von Weichs, Präsident . Sekret. Eisenrieth.» (Kurpfalzbaierische Münchner Staats-Zeitung vom 21. Juni 1803)

[40] Theodor Freiherr von Cramer-Klett (1874–1938) kauft 1898 das Kloster. Er erteilt dem Architekten Friedrich von Thiersch (1852–1921) den Auftrag für ergänzende Massaufnahmen und Rekonstruktionsvorschläge, nachdem schon 1890 der Architekt Georg Friedrich Seidel (1823–1895) eine Baugeschichte mit Rekonstruktionsplänen veröffentlicht hat. Thiersch stellt 1899 seine Pläne in einem Festvortrag vor. Seine Rekonstruktionen (siehe Literatur) beindrucken durch ihre Sorgfalt. Die Ausführung des Wiederaufbaus des Konvent-Südhofes (Ost- und Südflügel) ab 1903 könnte noch durch ihn erfolgt sein. 1911 werden dann allerdings die Schulflügel um den Vorhof an Max Ostenrieder (1870–1917) aus München übertragen.

[41] Nobert Lieb bezeichnet dieses Schema (in «Vorarlberger Barockbaumeister» 1967) als Typ B-II. Er zieht auch einen unpassenden Vergleich mit dem Escorial. Seither wird medienwirksam jedes süddeutsche Grosskloster als schwäbischer oder bayerischer Escorial beschrieben. Siehe dazu https://www.sueddeutscher-barock.ch/ga-wege/m611_Escorial.html.

[42] In Tegernsee wird nach 1806 der repräsentative Vorhof zerstört, in Wessobrunn fällt die mittelalterliche Kirche und der zweihöfige Konventblock den Abbrüchen zum Opfer. Zu den Klosteranlagen siehe https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/s-z/Tegernsee.html und https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/s-z/Wessobrunn.html.

[43] Ehemalige Benediktinerabtei Wiblingen bei Ulm, in dieser Webseite unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/s-z/Wiblingen.html.

[44] Benediktinerabtei Einsiedeln, von Vorarlberger Baumeistern 1675–1729 gebaut, in dieser Webseite unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/a-g/Einsiedeln_Kloster.html.

[45] Dieser über alle Geschosse oval vorspringende Mittelbau ist eine der wenigen Änderungen von Joseph Schmuzer von 1745 am Zuccalli-Projekt. Mit dem Abbruch des Südflügels und damit des Refektoriums 1822/24 verschwindet auch des Deckenfresko von Johann Jakob Zeiller (1747). Das heutige Refektorium liegt an gleicher Stelle. Seine neue Ovalform ist allerdings eine freie Interpretation des Grundrisses Schmuzer (1740/44). Zudem sind Form und Nutzung des entsprechenden Obergeschossraumes der Barockzeit unbekannt.

[46] Der Schmuzer-Grundriss von 1740/44 ist eher eine Massaufnahme als ein Projekt. Er bildet, weil einzig vorhandener Grundriss der barocken Klosteranlage, auch die Grundlage des Lageplans in dieser Webseite. Für Ettal fehlen die üblichen Planaufnahmen und Raumbeschreibungen der Säkularisationszeit. Die Planrekonstruktionen des späten 19. Jahrhunderts gründen ausschliesslich auf dem Schmuzer-Grundriss. In ihm sind die Räume ursprünglich nicht bezeichnet. Die nachträglichen Eintragungen des 19. Jahrhunderts stiften heute einige Verwirrung und beziehen sich nicht auf die Barockzeit.

[47] Francesco Marazzi (um 1670–1724) aus Mendrisio TI. Zu ihm siehe die Biografie unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/h-r/Marazzi_Francesco.html in dieser Webseite.

[48] Das zehnseitige Kapitelhaus der Kathedrale von Lincoln (1235) ist ein gotischer Bau an der Schwelle des Early English zum Decorated Style mit ausgeprägten äusseren Strebebögen und einem Rippennetzgewölbe, das von einer Mittelsäule getragen wird. Das Kapitelhaus der Londoner Westminster-Kathedrale (1255) und von Salisbury (1280) sind Nachfolger. Das lichtdurchflutete Kapitelhaus von York (1260) hat bei 20 Meter Durchmesser keinen Mittelpfeiler! Ockham dürfte die Bauten gekannt haben. Sie können aber nicht das einzige Vorbild sein, worauf  die Zwölfseitigkeit (für die zwölf Apostel) und die ausserordentliche Höhe der Sockelzone in Ettal hinweisen.

[49] Die Chorrotunde ist eigentlich ein Oval von 15 m Querachse und 12,5 m Längsachse.

[50] Verhelst sollte ursprünglich 24 Steinfiguren schaffen, 12 für die Attika und 12 für die Nischen. Die starke Untersichtigkeit der Fassadenapostel lässt den Attikastandplatz vermuten. Den Aposteln fehlen heute alle Attribute.

[51] Die beiden Türme sind bei Thiersch 1899 nicht entsprechend der Turmdarstellung im Gemälde des Abtes Placidus rekonstruiert. Diese Turmdarstellung ist Thiersch bekannt, er nimmt sie aber nicht als realistisches Rekonstruktionsvorbild.

[52] Die hölzerne Aussenkuppel wird 1747 über die bereits gebaute Massivkuppel errichtet. Diese muss deshalb schon vorher, unter Belassung des gotischen Gewölbes, gebaut sein.

[53] Johann Pföderl (1667–1758) aus Königsdorf, Zimmermeister in Bernried. Der 80-jährige Meister überträgt die Ausführung wahrscheinlich seinem Sohn Georg.

[54] Stefan M. Holzer in: Meisterwerke barocker Bautechnik (2008) Seite 142–150.

[55] Der Chor wird in Ettal auch als Altarraum oder als Presbyterium bezeichnet.

[56] Die vier vergoldeten Holzreliefs der Wandzone sind 147 cm breit und 245 cm hoch. Es sind Christusszenen. Die beiden vorderen zeigen die Kreuzigung (N) und die Auferstehung (S). Die hinteren, vom Kirchenraum nicht mehr einsehbaren Reliefs, zeigen die Himmelfahrt (N) und die Taufe (S).

[57] Matsche 1970. Das lichte Element der Kuppel von Ettal ist auch den grossen Fenstern des (gotischen) Tambours geschuldet. Das entsprechende Rottmayr-Vorbild («Maria Himmelfahrt», restauriert 1997–2000) der Peterskirche von Wien entbehrt nicht nur des Lichtes, auch das nach römischer Art eher düstere, rötlich-gelbbraune Raumkleid tragen zum Eindruck einer Farblosigkeit bei. Siehe das Innenpanorama der Wiener Peterskirche in Quebec360

[58] Das Wappentier des Bauherrn Benedikt III. Pacher ist ein kniendes Einhorn, dasjenige der Abtei ist (in Blau) das silberne Gnadenbild. In der Kartusche über dem Triumph sind die beiden Wappen malerisch vereint. Das kniende Einhorn vor dem Gnadenbild in der Gestalt eines Pferdes dürfte ein Hinweis auf die Gründungslegende sein, gemäss der das Pferd des Kaisers an der Stelle Ettals dreimal auf die Knie gesunken sei.

[59] Das Altarblatt ist gemäss Baumgartl (2004) 405 cm breit und 790 cm hoch. Schnell (1960) nennt 437 cm Breite und 817 cm hoch und meint damit das Rahmenmass. Eine Nachprüfung im Schnitt 1890 bestätigt diese Masse. In der unteren Hälfte hängt die Leinwand stark durch.

[660] Für die Orgelaufstellung kursieren unterschiedliche Daten. Koch (1988) und Dehio (2006) nennen 1753, alle Orgelhistoriker und selbst die Homepage des Klosters nennen 1763. Weil selbst Koch (1988) das für den Einbau des Werkes notwendige Gehäuse erst mit 1768 ansetzt, dürfte 1763 eher zutreffen. Gehäuse und Bildhauerarbeit werden seit Seidel (1890) dem bisher nicht erforschten Simon Gantner zugeschrieben.

 


Kanzel und Beichtstühle


   
Kanzel von Johann Baptist Straub 1759/60. Am Korb Flachrelief mit Christi Geburt. Auf dem Schalldeckel der Erzengel Michael im Kampf mit Luzifer (die Begleitfiguren des hl. Korbinian und des hl. Paulus zählen bereits zu den beidseits folgenden Altären).   Die Beichtstühle stehen in den vier hinteren Rotundensegmenten. Es sind hervorragende Werke einer leider unbekannten Werkstatt. Sie sind mit Nussbaum-Einlegearbeit furniert. Nahtlos geht die Furnierarbeit in Massivholz- Schnitzereien über, die als Füllungen und als betonte, kräftige Rocaille-, Trenn- und Tragelemente die Beichtstühle auszeichnen. Vergoldete Hermen tragen seitlich die Bedachung. In der bekrönenden Kartusche ist jeweils ein vergoldetes Porträt-Relief eingelassen. Hier der hl. Petrus mit Hahn.


Foto: Bieri 2022.   Foto: Bieri 2022.

 

 

 

 



Benediktinerabtei und Stiftskirche Mariä Himmelfahrt in Ettal
Luftaufnahme
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Ettal, Oberbayern D Kurfürstentum Bayern
Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Freising 1710
Bauherr und Bauträger
 
Seitz  Abt Placidus Seitz (reg. 1709–1736)
      Abt Benedikt Pacher (reg. 1739–1761)
 
Luftaufnahme von Ettal 1957. Trotz der beiden Lücken im Ost- und Südflügel ist das barocke Konzept nach dem Wiederaufbau des 20. Jahrhunderts wieder ablesbar. Foto: ETH Zürich.
Fassade
Die Kirchenfassade mit dem dominanten Kuppelbau. Foto: Bieri 2022.
PDF11
Lageplan
Lageplan der barocken Klosteranlage im Zustand des 18. Jahrhunderts, mit den Eintragungen der bestehenden, abgebrochenen und rekonstruierten Gebäudeteilen. Für Vergrösserung und Legende bitte anklicken.
Kloster und Kirche aussen
Klosteranlage
Die Gesamtanlage des Klosters von Nordwest gesehen. Foto: Wikipedia (Bbb) 2007.
WesthofNord
Der Nordflügel des Klosterwesthofs. Er ist der noch immer bestehende (aber stark umgebaute) Flügel, 1710–1712 von Zuccalli für die «Ritterakademie» baut. Foto: Bieri 2022.
WesthofNW
Nord- und Westflügel des Klosterwesthofs mit dem ebenfalls im Kern noch erhaltenen ehemaligen «Ökonomiestock».
Foto: Mnntoino 2018 in Wikipedia.
Der im 1911 und 1972 neu und verändert wieder aufgebaute Südflügel.
Foto: Thomas Hummel 2022.
Südlicher Konventflügel (Neubau von 1904), verdeckt durch eine unnötige Gartenmöblierung. Foto: Wikipedia-User Bjs 2019.
Ausschnitt aus der Kirchenfassade mit den Apostelstatuen von Aegid Verhelst in den Fassadennischen. Sie sind ursprünglich als Bekrönung der nie verwirklichten Balustradenbrüstung vorgesehen und heute in die tiefer gelegenen Fassadenischen verpflanzt. Allen Apostelfiguren fehlen die ehemals metallenen Attribute, sodass sie nur teilweise identifizierbar sind. Zudem sind sie mit ihrer starken Untersicht für die höher gelegene Balustrade geschaffen.
Foto: Thomas Hummel 2022.
Eine der nach 1726 begonnenen Apostelfiguren, das Buch deutet auf einen Evangelisten hin. Foto:  Thomas Hummel 2022.
Das Eingangsportal am Konvent-Westflügel südlich der Kirchenfassade, dem einzigen Konventflügel, der im 19. Jahrhundert nicht abgebrochen wird. Das Portal von 1710/12 ist heute wie früher die Klosterpforte. Foto: Bieri 2022.
Die Kirchenrotunde innen
Grundriss der Kirche. Das gotische Zwölfeck ist schwarz, die Erweiterungen ab 1710 durch Zucalli sind schraffiert hinterlegt. Deutlich ist im Grundriss die Anordnung aller barocken Altäre in der östlichen Hälfte der Rotunde zu sehen. Plan von Georg Friedrich Seidel (1823–1895) in der Zeitschrift für Bauwesen Ausgabe XXXX, 1890.
Weitwinkel-Innenansicht der Rotunde mit der Kuppel im Zentrum. Die Foto zeigt die hervorragende Belichtung des hohen Innenraums durch die zehn grossen Fenster im oberen Geschoss. Foto: Diego Delso 2014
Die Innenraumansicht des leeren Kirchenraums (selten!), vom Eingang gegen den Chor gesehen. Das Bild zeigt die meisterlichen Eingriffe des Baumeisters Joseph Schmuzer und des Stuckateurs Johann Georg Üblher, die den ehemals gotischen Raum vergessen lassen: Es sind die grossen neuen Rundbogenfenster, die Verschleifung des Zwölfecks zu einer barocken Rotunde mit einer zweigeschossigen Pilastergliederung über Rücklagen, und das Brechen der Vertikalbetonung mittels eines umlaufenden Gebälks. Foto: Diego Delso 2014.
Die beiden Dreiergruppen der Seitenaltäre, von Johann Baptist Straub als nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der Raumarchitektur eingefügt. Sie sind von gleicher Grösse. Nur der mittlere Altar ist jeweils durch eine Architekturgliederung mit Baldachin betont. Im Bild oben sind Katharinenaltar, Korbinianaltar und Apostelaltar und die Kanzel der nördliche Gruppe zu sehen. Foto: Bieri 2022.
Die südliche Dreiergruppe beginnt mit dem Altar der Hl. Familie, dem der mittlere Benediktsaltar folgt. Den Abschluss in der Raumachse bildet der Sebastiansaltar. Mehr zu den Seitenaltären siehe unten. Foto: Bieri 2022.
Chorraum und Hochaltar
Der dämmrige Chorraum ist von der hellen Rotunde durch eine hohe, aber schmale Rundbogenöffnung getrennt und wird auch wegen des tiefhängenden Leuchters vom eintretenden Besucher nicht auf den ersten Blick wahrgenommen. Beim Nähertreten offenbart sich der 1784 gestaltete Raum. Er ist trotz der klassizistischen Zeit und des Fehlens von Stuckaturen noch erstaunlich barock. Dies liegt auch an Martin Knoller, der schon 1769 das Gewölbebild malt und mit seiner illusionistischen Wandgestaltung noch 1784 den Raum prägt. Auch die klassizistische Annäherung an den barocken Hochaltarentwurf  von Ignaz Günther trägt zu diesem Eindruck bei. Foto: Bieri 2022.
1772 liefert der Bildhauer Ignaz Günter seinen berühmten Entwurf zur Hochaltargestaltung von Ettal. Zwar wird anstelle seines spätbarocken transparenten Kolonnaden-Retabels 1784 der klassizistische Hochaltar gebaut, aber Martin Knoller sorgt als Freund des inzwischen verstorbenen Bildhauers für die Neuinterpretation des Entwurfs.
Bildquelle: Germanisches Nationalmuseum.
Das Säulenretabel des Hochaltars ist Teil der marmornen Wandarchitektur, seine Gestaltung ist eine klassizistische Interpretation des Entwurfs von Ignaz Günther (1772). In die obere helle Wandzone malt Martin Knoller mit Grisailletechnik Figuralplastiken in Scheinarchitekturen, die wie Stuckplastiken wirken. Am Triumphbogen des Hochaltars malt er Allegorien und eine Gruppe von Engeln, die mit lebhaften Gebärden eine Kartusche mit dem marianischen Symbol halten. Von Knoller ist auch das monumentale Altarblatt der Himmelfahrt Mariens, das er 1786 malt.
Foto: Bieri 2022.
Die Fenster des unteren Wandgeschosses öffnen sich zur Emporengalerie. Die Wandgestaltung wechselt von rötlichem Marmor und Stuckmarmor zu schwarzem Marmor der Sockelzone. Darin sind die vergoldeten Bleireliefs von Roman Anton Boos eingelassen.
Foto: Thomas Hummel 2022.
Martin Knoller malt das Temperagemälde im Flachgewölbe des Chorraums schon 1769. Im Bild erwartet die Dreifaltigkeit gemeinsam mit Engeln und Heiligen des alten und neuen Bundes die zum Himmel aufsteigende Maria. Das Bild ist auf den darunterliegenden Hochaltar mit der Himmelfahrt Mariens bezogen und zeigt, dass noch 1784/86 barocke Konzepte verwirklicht werden. Foto: Bieri 2022.
Am Tonnengewölbe des Chorbogen-Durchgangs malt Knoller 1769 eine kleine Scheinkuppel mit den göttlichen Tugenden, in der Mitte Fides, begleitet links von Caritas und rechts von Spes. Foto: Hermetiker 1999.
Stuckaturen und Fresken in der Rotunde
Über dem Chorbogen im Wandobergeschoss ist, anstelle des hier nicht möglichen Fensters, in einem Stuckrahmen von Johann Georg Üblher das 1752 signierte Fresko der Gründungslegende von Johann Jakob Zeiller zu sehen. Das Bild des Mönchs in Engelsgestalt, der mit dem Gnadenbild bei Kaiser Ludwig erscheint, ist von einem feurig-zarten Rocaille-Rahmenwerk des Stuckateurs umgeben, das über der Giebelkartusche in die ebenso geniale Quadraturmalerei Zeillers übergeht. Foto: Bieri 2022.
Unten ist, in den Chorbogen eingreifend, die Wappenkartusche mit der originell interpretierten Wappenkombination des Abtes Benedikt III. Pacher zu sehen. Das Wappentier des Bauherrn ist ein kniendes Einhorn, dasjenige der Abtei ist (in Blau) das silberne Gnadenbild. In der Kartusche sind die beiden Wappen malerisch vereint. Foto: Bieri 2022.
Johann Jakob Zeiller malt in der Rotunden-Massivkuppel zwischen 1748 bis 1752 in mehreren Etappen sein frühes Hauptwerk. Über das stuckierte Hauptgesims des oberen Wandgeschosses setzt er vorerst eine «Quadratura», wie die gemalte Scheinarchitektur in Form einer umlaufenden Attika genannt wird. Über diesem Sockel beginnt ein barocker benediktinischer Heiligenhimmel, dessen wichtigste Darstellung die glorreiche Aufnahme des hl Benedikts im Himmel ist, die an der Ostseite der Kuppel (im Foto unten) dem Eintretenden zuerst ins Auge fällt. Diese Glorie des hl. Benedikts ist als einzige Szene in der Vertikalen zwischen Attika und Laterne komponiert, während alle anderen Heiligengruppen die Rundform rhythmisch gliedern. Ihre Gruppierungen beginnen links (nördlich) der Benediktsglorie mit den Päpsten und Kardinälen, dann folgen die Benediktinerheiligen und die Ordensgründer, die weltlichen Herrscher und Herrscherinnen (westlich), die heiligen Benediktinerinnen (südlich) und, rechts der Benediktsglorie, die Bischöfe. Die einzelnen Szenen können in den nachfolgenden Bildern betrachtet werden. Foto: Ausschnitt aus der Weitwinkel-Innenansicht von Diego Delso 2014.
Im östlichen Teil der Kuppel, über der Gründungslegende, ist die thematisch wichtigste Darstellung zu sehen. Sie gilt der glorreichen Aufnahme des hl. Benedikts durch die Dreifaltigkeit im Himmel. Der Heilige schwebt inmitten einer Engelschar dem Himmel entgegen. Links von ihm halten Engel das Ettaler Gnadenbild. In der Bildvertikalen trägt ein Engel den Glorienkranz, darüber halten Putti die Weltkugel, beidseits von ihr sitzen Gottvater und Sohn in weiteren Engelsgruppen. Die Taube des Hl. Geistes ist in der Fortsetzung der Vertikalen in die Laterne gemalt. Deutlich ist die Dreieckskomposition Sohn Gottes– Gottvater –Benedikt ablesbar. Zu Benedikts Rechten (im Bild links) beginnt mit dem sitzenden hl. Gregor dem Grossen die Gruppe der Päpste und Kardinäle des Ordens. Zu seiner Linken (im Bild rechts) beginnt die Gruppe der Bischöfe, als erster Korbinian mit dem Bär. Unten ist die gemalte Attikazone mit der Scheinarchitektur und ihren Figuralplastiken kaum von der realen Stuckatur des Hauptgesimses zu unterscheiden. Foto: Bieri 2022.
Richtet man den Blick links nach Norden, sieht man nahe beim hl. Benedikt die Gruppe der Benediktiner-Päpste und -Kardinäle. Nach ihnen folgt links die erste Gruppe der Benediktinermönche, beginnend mit dem hl. Magnus von Füssen, der seinen Stab auf den Drachen setzt. Foto: Bieri 2022.
Der Ausschnitt aus der obigen Gruppe der Päpste und Kardinäle zeigt links, nahe bei Benedikt, den Papst Gregor I. der Grosse (mit Schreibfeder und Taube). Die Päpste (18 zählt der Benediktinerorden) sind durch die dreikronige Tiara, einer roten Kappe oder dem dreibalkigen Kreuzstab markiert. Die wenigsten können identifiziert werden. Einige wenige Kardinäle halten sich nahe beim Drachen des Magnus von Füssen auf. Foto: Bieri 2022
Auch in der zweiten Gruppe der Mönche der Nordseite dominieren die Benediktiner in ihrem schwarzen Habit, der von Zeiller in Grün-, Grau- und Blaumischwerten gemalt wird. Auffallend in dieser Gruppe sind die weissen Zisterziensermönche mit Bernhard von Clairvaux (mit Regelbuch, Kreuz) und daneben Bruno, Gründer des Kartäuserordens (mit Totenschädel). Die Benediktiner binden in ihre Gemeinschaft alle alten Orden ein, die aus dem Benediktinerorden hervorgegangen sind. Foto: Bieri 2022.
In der westlichen Gruppe der Herrscher und Herrscherinnen ist nur Kaiser Heinrich II. als Feldherr mit Krone und dem (hier römischen) Kirchenmodell sicher zu erkennen. Der im blauen Mantel vor abgelegtem Fürstenhut, Zepter und Reichsapfel knieende Herrscher soll Tassilo III. von Bayern sein. Foto: Bieri 2022.
Gegenüber den Mönchen an der Kuppel-Nordseite sind südlich die weiblichen Heiligen des Ordens und der verwandten Frauenorden zu sehen. Oben, mit Buch, Taub und Stab dominiert die hl. Scholastika. Auch weitere Äbtissinnen und Ordensgründerinnen können aufgrund ihrer Attribute benannt werden. So als Beispiel die hl. Walburga von Eichstätt mit dem Fläschchen rechts der hl. Scholastika oder die englische Äbtissin Osgyth von Cich, die unten einen Lorber- und Lilienkranz darreicht. Foto: Bieri 2022.
Die östlich anschliessende Gruppe der Bischöfe verbindet wieder mit der Glorie des hl. Benedikts. Fünf bayerische Bischöfe sind dank ihren Attributen erkennbar. Ganz links ist dies der hl. Korbinian von Freising mit dem Bär, darunter folgt der hl. Ulrich von Augsburg mit Fisch und Buch, in der Hand das Kreuz der Schlacht auf dem Lechfeld, weiter rechts sitzt der hl. Bonifatius von Fulda mit dem vom Schwert durchstochenen Evangeliar. Neben ihm ist der hl. Benno von Meissen, der Patron von München zu sehen, sein Fisch hält den Schlüssel im Maul. Ganz rechts sind unten zwei Bischöfe einander zugewandt, der untere ist der hl. Rupert von Salzburg mit dem Gnadenbild von Altötting. Foto: Bieri 2022.
Orgelempore
Die Rokokostuckaturen der auf zwei Säulenpaaren frei in den Raum gestellten Orgelempore tragen die Handschrift von Franz Xaver Schmuzer. Zusammen mit dem Schnitzwerk der Brüstung und der Orgel wirkt die Empore wie ein vornehmes Rokokomöbel.
Foto: Bieri 2022.
Schon das Orgelgehäuse mit dem fünfachsigen Oberwerk, das frei über dem siebenachsigen Haupt- und Pedalwerk angeordnet ist, ist von grosser Schönheit. Seine vergoldeten Schnitzereien korrespondieren mit dem Rokokostuck an Wänden und Empore. Foto: Bieri 2022.

Seitenaltäre
Seitenaltar Nord vorne. Christus zeigt dem ungläubigen Thomas seine Wunde, 1752 von Hermann. Begleitfiguren: Die Apostel Paulus (mit Schwert) und Matthias (Buch, Steine).
Foto: Bieri 2022.
Seitenaltar Nord Mitte. Der hl. Korbinian weist das Herzogspaar Grimoald und Pilitrud zurecht, 1761 von Zeiller. Begleitfiguren: Hl. Ulrich (mit Buch) und hl. Rupert (mit Altöttinger-Gnadenbild). Foto: Bieri 2022.
Seitenaltar Nord hinten. Enthauptung der hl. Katharina, 1763 von Knoller. Begleitfiguren: Hl. Margaretha (mit Fackel) und hl. Barbara (mit Kelch, zusammen die drei hll. Madln).
Foto: Bieri 2022.
Seitenaltar Süd vorne. Die Heilige Familie, 1794 von Knoller. Begleitfiguren: Abraham (mit Opfermesser) und David (als König mit Krone). Foto: Bieri 2022.
Seitenaltar Süd Mitte. Tod des hl. Benedikts, 1754 von Scheffler. Begleitfiguren: Hl. Magnus (mit Krummstab und Drachen) und hl. Leonhard (mit Krummstab und Buch). Foto: Bieri 2022.
Seitenaltar Süd hinten. Martyrium des hl. Sebastians, 1765 von Knoller. Begleitfiguren: Hl. Stephanus (mit Steinen zu seinen Füssen) und hl. Laurentius (mit Rost). Foto: Bieri 2022.


Zurueck RetourWerk

Anhang II

Die Kuppel von Ettal, ihr Bau und ihre Baumeister

Die Konstruktion
Die Kuppel von Ettal ist doppelschalig gebaut. Eine innere, einschalig gemauerte Rundkuppel ruht auf einem mit Eisenringen umfassten Kranzgesims und überspannt das Polygon des Zentralraums. Diese innere Kuppel hat knapp 27 Meter Aussendurchmesser (innen 25,3 m) und ist, weil am Scheitelpunkt für die Laterne abgeflacht, 12 Meter hoch.
Auf dem gleichen Kranzgesims ruht eine monumentale, kupfergedeckte Holzkuppel mit aufgesetzter Laterne. Diese Aussenkuppel hat unten einen Durchmesser von 30 Meter, steigt steil an und ist am Fusspunkt der Laterne 15 Meter hoch. Die Laterne misst weitere 12 Meter. Diese Zimmermannskonstruktion ist freitragend, sie belastet die gemauerte Kuppel nicht. Selbst die Laterne ist nicht auf der gemauerten Kuppel aufgesetzt

Der Bauablauf
Nach dem Brand 1744 wird in Ettal über die «italienische» Massivkuppel eine neue, höhere «deutsche» Aussenkuppel gebaut. Bauuntersuchungen belegen den Bauablauf wie folgt:

1. Als erstes wird die «italienische» Rundkuppel gemauert, nachdem ihre Ringauflager aufgemauert und mit Eisenringen gesichert sind. Der Zeitpunkt der Kuppelerstellung ist umstritten, entweder ist sie eine Ausführung von Zuccalli zwischen 1710 und 1715 (so die neue Hypothese) oder Schmuzer baut Kuppelgerüst und Kuppel 1745/46 (so die alte Hypothese).

2. Als zweites erfolgt 1747 der Bau der äusseren «deutschen» Kuppel. Der Zeitpunkt dieser Zimmermannsarbeit unter der Leitung von Schmuzer ist nicht umstritten.

3. Als drittes erfolgt der Abbruch des gotischen Gewölbes. Für das Verständnis der Bauabläufe (Fresken, Stuck) ist der Zeitpunkt des Abbruchs eines Massivgewölbes von grosser Wichtigkeit. Abgesehen von Norbert Lieb, der 1953 gar von einem Einsturz des gotischen Gewölbes während des Brandes schreibt, umgehen die Bauhistoriker und Bauhistorikerinnen dieses Thema. Nur Alexander Rauch legt im Dehio 2006 den Termin auf 1752 fest. Dies, weil am 19. Dezember 1752 der Abbau der tragenden Mittelsäule gemeldet wird. Das Datum irritiert. Schon Monate vorher beenden nämlich Maler und Stuckateure ihre Arbeit an den Wänden. Die Frage, wie und mit wem die Übergänge an den Wandauflagern des gotischen Gewölbes nachträglich gelöst werden, bleibt unbeantwortet. Und noch weniger einleuchtend ist der Abbruch einer frei im Raum stehenden Säule. Für das Kuppelgerüst wird sie sicher schon 1710 von Zucalli als mittleres Hauptauflager des horizontalen Gerüstbodens eingerechnet. Ist sie aber vielleicht auch von den Decken- und Wandgerüsten der Periode Schmuzer als Element miteinbezogen? Dann wäre der Abbruch der Gerüstung die korrekte Meldung für den 9. Dezember 1752. Das gotische Gewölbe dürfte zu diesem Zeitpunkt längst abgebrochen sein.[1]

Alte Hypothese
Die Mehrheit der Verfasser aller baugeschichtlichen Beiträge zu Ettal glauben, dass Zucalli zwar Planer der gemauerten Rundkuppel italienischer Art ist, ihr Bau aber bis 1715 nicht stattgefunden habe. Stattdessen soll Schmuzer 1745/47 Baumeister nicht nur der hölzerne Aussenkuppel, sondern auch der gemauerten Innenkuppel sein. Hauptargument der Zuschreibung an Schmuzer ist sein nicht verwirklichtes Projekt (1734/35) einer inneren Massivkuppel für Ottobeuren.

Gegenargumente
1. Warum sollte Schmuzer eine «italienische» Rundkuppel vorgängig mit grossem Gerüstaufwand mauern, um sie dann nicht für die äussere Dachhaut zu nutzen? Stattdessen erstellt er eine freitragende Aussenkuppel in anderer Form. Der knappe Platz am Gewölbefuss zwingt ihn, alle Aussenrippen der gemauerten Kuppel am Fussbereich abzuschroten. Die Aussenrippen sind in Ettal allerdings statisch nicht mittragend, sondern für die Auflage der Aussenhaut gerechnet. Ihr Vorhandensein weist auf die Erstellung durch Zuccalli.

2. Alle von Schmuzer gebauten Kirchen besitzen Innenkuppeln in Bohlen- und Gipslattenkonstruktion. Sein Massivkuppel-Projekt Ottobeuren ist (nicht gebaute) Ausnahme. Klöster wählen Massivkuppeln wegen ihrer Brandsicherheit und Stabilität und ziehen auch deswegen entsprechend erfahrene Baumeister zu. Dazu zählt Joseph Schmuzer nicht.[2]

3. Massivkuppeln, vor allem ihre aufwändigen Gerüste, sind kostspieliger als nachträglich erstellte Leichtbau-Innenkuppeln. 1745 verfügt Ettal über bedeutend weniger Finanzspielraum als 1709–1734. Dass zu Zeiten des Abtes Placidus für Ettal noch 1717/34 eine grosse gemauerte Kuppel kein unüberwindbares finanzielles Hindernis bedeutet, zeigt die Pfarrkirche Murnau.

Die neue Hypothese von Stefan M. Holzer und Bernd Köck (2008)
Eine Bauuntersuchung der beiden Spezialisten für historische Tragwerke Holzer und Köck bestätigt ältere Vermutungen:[3] Zuccalli ist nicht nur Planer, sondern auch ausführender Baumeister. Er kann bis zu seinem Weggang in einer ersten Bauetappe die Kuppel noch weitgehend realisieren. Wegen der sich verschlechterten Finanzlage der Abtei darf er anschliessend weder die Kirchenfassade beenden noch den inneren Umbau beginnen. Das alte Gewölbe von 1490 und der Innenraum bleiben vom Kuppelbau durch Zuccalli unberührt. Der Innenumbau der gotischen Kirche mit Abbruch des gotischen Gewölbes erfolgt ab 1745/46 durch Schmuzer, der auch die heute sichtbare Aussenkuppel baut.

Argumente
Die Kuppel Zuccallis sollte in italienischer Art mit einer hinterlüfteten Blechhaut gedeckt werden. Er plant eine solche Kuppel schon 1674 in Altötting und führt in dieser Art bis 1685 die Kuppel an der Theatinerkirche in München aus. In Ettal erstellt er vorerst die Kuppel, um anschliessend den Innenraum umbauen zu können. Ein Porträt des Abtes Placidus könnte diese Etappierung bestätigen. Es stellt den Abt im Alter von 45 bis 50 Jahren dar, gemalt deshalb um 1720.[4] Auf dem Porträt ist der Bauplatz der Kirche realistisch und mit bemerkenswerten Details dargestellt. Der Nordturm der Kirchenfassade ist vollendet. Die Säulen der Fassade liegen noch im Hof. Die Kirche weist die alten gotischen Fenster auf, ist also im Innern noch gar nicht begonnen worden. Hingegen ist die Kuppel schon gebaut und mit einer Laterne bekrönt. Auch über diese präzise Kirchendarstellung, deren röntgenologische Untersuchung eine Übermalung (des nach alter Hypothese noch bestehenden turmartigen Zeltdaches) ausschliesst, wird in Fachkreisen gestritten. So glaubt Gabriele Dischinger (1977) an eine Mischung zwischen Idealdarstellung (Kuppel) und Realität (Fassade).
Viel gewichtiger als dieses zeitgenössische Bild sind allerdings die detaillierten Untersuchungen am Bauwerk durch Holzer und Köck, die den einzigen Schluss zulassen, dass die Kuppel zwischen 1710 und 1715 gebaut wird. Ob sie allerdings auch schon eine Laterne trägt, ist nicht zu belegen.

Schlussbemerkung
Den heutigen Besucher der Kirche dürfte es kaum interessieren, aus welcher Periode und von welchem Baumeister die gemauerte Kuppel stammt. Selbst für die generelle Architekturgeschichte ist dies völlig unerheblich. Wer sich allerdings mit barocken Bauwerken von Altbayern näher befasst, den stören nicht nur an der Baugeschichte von Ettal die vielen sich widersprechenden Zuschreibungen. Grund ist die ungenügende Quellenlage, vor allem für Klosterbauten des 18. Jahrhunderts in Ober- und Niederbayern. Tonnen von wichtigen Dokumenten werden schon 1803 vernichtet. Und was damals an Dokumenten der Barockzeit nach München gelangt, harrt, sofern deren Zerstörung nicht erst 1944 erfolgt, teilweise noch immer der Forschung. Ettal scheint aber ein spezielles Eldorado für Spekulationen zu den Künstlern und vor allem zu den Baudaten zu sein. Am Beispiel der Kuppelzuschreibung wird dies sichtbar. Zwar ist Joseph Schmuzer als Baumeister des barocken Wiederaufbaus dokumentiert. Der Bau der Aussenkuppel ist quellenmässig datiert. Alle anderen Baumassnahmen seines Bautrupps können weder zeitlich noch lagemässig eingeordnet werden. Zu völlig unnötigen Diskussionen führt seit Jahren vor allem die Zuschreibung des Baus der inneren Massivkuppel an Schmuzer. Selbst die Biografin Zuccallis übernimmt diese durch keine Quelle belegte Annahme. Noch 2006 wird Schmuzer als Baumeister beider Kuppeln im Dehio vertreten. Obwohl Kunsthistoriker- und Kunsthistorikerinnen wissen, dass ein Bauwerk eine ähnliche Aussagekraft wie eine Baurechnung oder ein Tagebuch haben kann, wird beim Fehlen von zeitgenössischen Quellen selten ein Gebäude interdisziplinär untersucht. In Ettal hat nun vorerst eine bautechnische Untersuchung der Kuppel stattgefunden. Seither weiss man, dass nie eine Grafik der 1720er- und 1730er- Jahre auftauchen wird, welche die Kirchenrotunde noch mit dem turmartigen Zeltdach zeigt.
Es bleibt zu hoffen, dass Datierungsunklarheiten von (noch bestehenden) Gebäuden der Barockzeit in Zukunft nur noch mit dem Beizug von Spezialisten für historische Bautechnik gelöst werden, und dass dies nicht nur bei einigen ausgewählten Klosterbauten zur Selbstverständlichkeit wird.[5]

Pius Bieri 2022

Literatur

Lieb, Norbert: Barockkirchen zwischen Donau und Alpen. München 1953.

Schnell, Hugo: Ettal. Grosser Kunstführer Band 3. München 1960.
Dischinger, Gabriele: Johann und Joseph Schmuzer. Sigmaringen 1977.
Holzer, Stefan M. und Köck, Bernd: Meisterwerke barocker Bautechnik. Regensburg 2008.

 

Anmerkungen

[1] Das gotische Rippengewölbe steht nach Augenzeugen-Aussagen («khain gewölb ist eingefallen») 1744 unbeschädigt. Hätte die neue Massivkuppel den Fusspunkt an der gleichen Stelle wie das gotische Gewölbe, wäre dessen Abbruch 1745 in Betracht zu ziehen. Weil aber der Fusspunkt der Kuppel mit einem Tambour von 120 cm angehoben wird, kann diese mit dem alten Gewölbe an keiner Stelle in Kontakt kommen. Das gotische Rippengewölbe muss also für den Bau der neuen Kuppel nicht abgebrochen werden, was auch dem üblichen Bauvorgang bei Nutzung des Kirchenraums für den Gottesdienst entspricht.

[2] Schmuzer hätte mit geeigneten Subunternehmern sicher auch ein Kuppelgerüst und eine Massivkuppel bauen können. Ein Auftrag für die bedeutend teurere Massivkuppel ist nach 1744 aber nicht mehr denkbar. Abt Placidus und der neue Bauleiter P. Roman beachten schon nach dem Wegzug Zuccallis beim Bau des Chorgewölbes den Vorteil der Feuersicherheit nicht mehr. In Murnau, wo der Abt 1717–1734 durch P. Roman wieder eine Massivkuppel von 20 Meter Durchmesser bauen lässt, dürfte den städtischen Verantwortlichen die Einäscherung von 1703 durch die Tiroler noch präsent sein. Zudem wird in Murnau Zuccalli als Berater vermutet.

[3] Die These vom Bau der Kuppel 1710/15 wird schon 1970 durch P. Angelus von Waldstein-Wartenberg OSB vertreten, von Gabriele Dischinger 1977 aber vehement bekämpft.

[4] Obwohl bei Abtporträts die Bildunterschriften meist erst nach dem Tod gefertigt werden, datiert die Kunsthistorik trotz der jugendlichen Erscheinung des Abtes das Gemälde auf 1736, dem Datum seines Todes mit 64 Jahren. In der Regel werden aber die Porträts eher früher, wenn nicht gleich am Anfang der Regierung gemalt. Es könnte aus der Zeit des Aufenthaltes von Franz Georg Hermann (1723) stammen.

[5] Ein positives Beispiel ist das von der TUM untersuchte Kloster Raitenhaslach. Ein negatives Beispiel ist die kürzliche Restaurierung des Klosters Speinshart. Der Westflügel von Speinshart muss noch immer mit der Bauzeit 1689–1715 angenommen werden, weil von der letzten Restaurierung keine dendrochronologische Untersuchung bekannt ist. Besonders ärgerlich ist dies bei dem riesigen Aufwand an Fachstellen bei derartigen Restaurierungen.

 


Zurueck RetourWerk

 


Zurueck RetourWerk

Anhang 1

Die Ritterakademie Ettal
Eine vielleicht schon längere Zeit geplante Studienanstalt für junge Adelige wird, gleichzeitig mit dem Neubau des Klosters, von Abt Placidus Seitz noch im Jahr seiner Wahl in Angriff genommen. Sie wird als Ritterakademie bezeichnet. Dies ist damals die übliche Bezeichnung eines Kollegiums für Söhne von Adeligen. Vorbilder scheinen das jesuitische «Collegio dei Nobili» in Turin und das «Collegium nobilium» in Parma zu sein. Die Gründung der Akademie muss als verspäteter Beitrag zum bayerischen Bildungswesen gesehen werden. Dieses wird noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausschliesslich von den Orden getragen.[1] Die Bayerische Benediktinerkongregation, der Ettal bei ihrer Gründung 1684 fernbleibt, hat inzwischen mit neuen Gymnasien, dem Lyceum in Freising und vor allem mit dem gemeinsamen «studium commune» zu den bisher den Bildungssektor beherrschenden Jesuiten aufgeschlossen. Ettal steht dabei abseits, hat aber im Konvent ausgezeichnete, meist in Salzburg ausgebildete Patres. Die Gründung der Ritterakademie scheint deshalb ein Befreiungsschlag zu sein. Sie hat anfänglich grossen Zulauf von Adeligen, die hier nicht nur humanistische Bildung, sondern auch militärischen Unterricht erhalten. Im «Catalogus» von Westenrieder sind rund 400 Studenten der nur 33 Jahre existierenden Akademie aufgeführt. Vier von fünf Studenten führen den Adelstitel Graf oder Baron.[2] Vielleicht spekuliert Abt Placidus mit der Hinwendung zur Adelsgesellschaft auch auf deren Finanzierungshilfe. Diese bleibt aus. Vielfach können die verschuldeten Adeligen nicht einmal die Pensionsgelder ihrer Zöglinge bezahlen. Das Ende naht mit der Anordnung der Regentin Maria Theresia, die 1743 alle Zöglinge aus den österreichischen Erbländern abruft. Als 1744 die Konventgebäude brennen, wird das Akademiegebäude als Aufenthalt des nicht in auswärtige Klöster verlegten Teil des Konvents bestimmt. An eine Wiedereröffnung der Akademie wird schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gedacht. An ihrer Stelle wird nach dem Wiederaufbau ein Klosterseminar eröffnet.

[1] «Die Pflege und tatkräftige Förderung von Wissenschaft und Geistesleben durch Fürst und Hof verblassten und verkümmerten unter Max Emanuel fast bis zu völliger Absenz und Abstinenz; das Feld blieb der Kirche, d. h. im Wesentlichen den Orden überlassen» (Ludwig Hammermeyer in «Kurfürst Max Emanuel. Bayern und Europa um 1700. Band 1. München 1976).

[2] Die noch heute üblichen Lobpreisungen dieser kurzlebigen Akademie sind unverständlich. Denn jeder dieser 320 privilegierten Adelssöhne hätte auch, wie bisher üblich, in einem der vielen Jesuitenkollegien studieren können. Nur wäre er dann nicht mehr unter seinesgleichen gewesen und hätte auf den Unterricht in Kriegsbaukunst oder auf Militärübungen verzichten müssen. Warum aber ausgerechnet eine Benediktinerabtei und nicht, wie bei allen anderen Ritterakademien Europas, der Fürst die Aufgabe des eigenen Bildungsganges für «eine durch alte Privilegien als Geburtselite geschützte Gesellschaftsschicht» (Conrads 1982) übernimmt, kann für Kurbayern nur am Desinteresse des Fürsten an wissenschaftlicher Bildung erklärt werden (siehe dazu obige Anmerkung).


zurueck2 BackWerk2